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Münger lebt!

Der Auslandchef von Tamedia ist ein grosser Schweiger. Nicht immer. Leider.

Es gibt zwei gute Nachrichten, wegen Seltenheitswert zuerst: Christof Münger lebt. Und der Auslandchef von Tamedia überlässt das Feld nicht vollständig der «Süddeutschen Zeitung» mitsamt deren Irrwisch Stefan Kornelius, das Tiefseelot der reinen Geschmacklosigkeit.

Nein, zum Jahrestag des russische  Überfalls auf die Ukraine schmiedet Münger einen Leitartikel. Wie es sich für den Tagi gehört, besteht der Artikel ca. zur Hälfte aus Bild und Weissraum:

Schade, dass es auch noch Text dazu gibt. Der stammt von einem «promovierten Historiker». So von Kollega zu Kollega: «Gerade während der Berlin-Krise Anfang der 60er-Jahre waren die Verbündeten nicht immer einer Meinung, wie sie mit den sowjetischen Kriegsdrohungen umgehen sollen.» Es steht zu vermuten, dass Münger hier die zweite Berlinkrise meint, es handelte es sich hier um einen Versuch der damaligen Sowjetunion von 1958, endlich zu einem Friedensvertrag nach dem Zweiten Weltkrieg zu gelangen und den Status von Berlin-West zu klären.

Aber Geschichte ist meistens komplexer, als es sich Historiker vorstellen wollen. Doch das ist ja nur ein misslungener Ausflug in die Geschichte. Eigentlich will Münger Gültiges zur Gegenwart sagen. Und die ist kein schöner Anblick:

«Zwei Jahre nach dem russischen Überfall blutet die Ukraine aus. … leisten weiterhin einen heroischen Abwehrkampf, doch die Kräfte lassen nach, die Munitionsvorräte schwinden. … Inzwischen geht es nicht mehr nur um die Ukraine, sondern um einen globalen Kampf zwischen Demokratien und Autokratien.»

Aber auch hier hat Münger etwas Orientierungsschwierigkeiten. Die Ukraine sei eine Demokratie? Was hat der Mann denn geraucht? Nichts Aufhellendes, denn er sieht dunkel in die Zukunft: «Deshalb muss der Westen mit dem Schlimmsten rechnen und sich auf die grösste Reifeprüfung seit dem Ende des Kalten Kriegs vorbereiten.»

Worin besteht denn diese «Reifeprüfung»? Er meint aber nicht die mit Nastassja Kinski, vermutlich. Sondern er meint eine, bei der weiter Ukrainer für uns, für Münger, für uns alle krepieren dürfen: «Nur wenn die Ukrainer endlich die Mittel bekommen, die sie brauchen, können sie einen umfassenden russischen Durchbruch verhindern.» Allerdings hat es Münger auch nicht so mit Zahlen: «Es gibt Hunderttausende Tote an der Front und dahinter.» Die UNO zählt hingegen etwas über 10’000 zivile Opfer in der Ukraine, zur Zahl getöteter Soldaten äussern sich beide Seiten nicht.

Vielleicht ist deswegen diese Aberwitzzahl nur online in Müngers Leitartikel vorhanden. Er hat noch mehr Alpträume: «Ziehen die USA aus Europa ab, bricht die transatlantische Brücke zusammen – Putins wildeste Träume würden wahr.» Und richtig zum Fürchten: «Kehrt Trump zurück, ist nicht mehr ausgeschlossen, dass die USA ins Lager der Autokratien wechseln.» Immerhin, «nicht mehr ausgeschlossen» ist die Formulierung der Wahl, wenn jemand sagen will: ich hau› mal einen raus, aber sollte man nicht zu ernst nehmen. Gibt es Hoffnung, einen Lichtblick? Kündet Münger an, keine Leitartikel mehr zu schreiben?

Nein: «Nach Jahren trügerischen Friedens, in denen man es sich bequem unter dem amerikanischen Schutzschirm eingerichtet hat, steigen die europäischen Verteidigungsbudgets erstmals wieder. Das ist immerhin ein Hoffnungsschimmer für die Ukraine.» Nach Jahren der trügerischen Hoffnung, dass die wortbrüchige NATO-Osterweiterung keine Konsequenzen habe, vor denen Putin an der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 für jeden nachlesbar warnte, hat’s gekracht.

Könnte man auch mal so analysieren, statt den gleichen Rhabarber zum zweiten Jahrestag nochmals zu rhabarbern. ZACKBUM hätte nie gedacht, dass wir sogar einen Kommentar von Kornelius präferieren würden. Der ist immer so herrlich vollgaga, wider jede Vernunft und Logik geschrieben, dass er für Erheiterung sorgt. Münger hingegen schafft höchstens die Bleischwere, das Scheppern und Rasseln eines in der Rüstung einfältiger Gedanken gefangenen kalten Kriegers.

 

Kornelius rettet die Welt

Wenn man ihn nur lassen würde …

«Stefan Kornelius leitet seit 2021 das Politik-Ressort der «Süddeutschen Zeitung» und schreibt in dieser Rolle auch für die Titel der Tamedia.»

Schreibt in dieser Rolle? Hat denn der Qualitätskonzern Tamedia keinen einzigen Redaktor, der diese Rolle spielen könnte? Dafür würde sich doch jeder Volontär eignen; irrwitziger als Kornelius würde der auch nicht schreiben.

Kornelius ist zunächst einer der bestvernetzten deutschen Journalisten. Mitglied der PR-Truppe «Atlantik-Brücke», im Beirat der «Bundesakademie für Sicherheitspolitik», der «Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik», usw. Wenn er schreibt, weiss man nie, wer ihm gerade die Feder führt.

ZACKBUM hat ihn schon als «Trumps allerschärfste Waffe» bezeichnet, denn wer solche Feinde hat, braucht eigentlich gar keine Unterstützer. Als «Verbal-Amok» quält er regelmässig die zahlenden Tamedia-Leser.

Zu seinen Lieblingsvokabeln gehören Aufforderungsverben. «Sollten, müssen, haben zu». Unablässig gibt er Anweisungen und Befehle. Unbeeindruckt davon, dass sie niemals ausgeführt oder umgesetzt werden. Wahrscheinlich verzweifelt er manchmal in seiner Schreibstube daran, dass die Welt so viel besser sein könnte, würde man nur auf ihn hören.

Aber das schreckt ihn nicht davon ab, einen aus wahltaktischen Gründen rausgehauenen Satz von Donald Trump für eine strenge Zurechtweisung aller zu missbrauchen. Von Beginn an lässt er keinen Zweifel daran, was er vom Präsidentschaftskandidaten hält, den das Weisse Haus als «unhinged» bezeichnet: «Das Übersetzungsspektrum reicht von «aus den Angeln gehoben» bis «irre» und beschreibt damit alles, was über den Mann zu sagen ist. Donald Trump ist von der Leine.» Ach, war er vorher angeleint?

«Wenn Trump bereits jetzt als Kandidat diesen Schaden anzurichten in der Lage ist – was erst wird er als Präsident tun?» Ja furchtbar, aber welchen Schaden hat der Mann denn angerichtet, ausser, den Blutdruck von Kornelius in ungesunde Höhen zu treiben? Na, nimm das, du Irrer:

«Trumps Bemerkung zum Nato-Bündnis, frivol leichtfertig dahingequatscht während einer Wahlveranstaltung auf dem Land in South Carolina, zeugt vom Irrsinn, der ihn umwölkt.»

Glücklicherweise für die Welt, also für die kleine Welt der Zwangsleser, entlarvt Kornelius Trump in seinem ganzen Wahnsinn: «Als wäre dies alles nicht dramatisch genug, geht Trump einen Schritt weiter und lädt Russland ein, «zu tun, was zum Teufel es tun will», sollten die Bündnisstaaten ihre Schulden an Amerika nicht begleichen.»

Zittere, Europa, denn was sind die Folgen? «Neun Monate reichen nicht aus, um die Nato, Europa und überhaupt die globale Sicherheitsarchitektur Trump-fest zu machen. Die europäischen Nato-Staaten sind dennoch gezwungen, mit dem plötzlichen Zusammenbruch ihrer Sicherheitsordnung zu rechnen. Wer sich heute nicht auf diese Gefahr vorbereitet, begeht ein historisches Versäumnis.»

Da sind aber die Regierungen in London, Paris, Madrid, Rom und Berlin froh, dass sie Kornelius vor einem historischen Versäumnis bewahrt. Nur, was sollen sie denn eigentlich tun? Da wird Kornelius erschreckend wolkig und schwammig: «Auch die tatsächliche Stärke Russlands und die strategischen Ambitionen Wladimir Putins zwingen zu einer nüchternen Bewertung der eigenen Sicherheit – und zu radikalen Entscheidungen.»

Nun gut, sagen die Regierungschefs Europas, aber Himmels willen, welche Entscheidungen sollen wir denn treffen? Da wird das Orakel, der grosse Ratgeber, der Mann mit Durchblick und Weitsicht, noch dunkler und unverständlicher:

«Der Mann, der am liebsten in den Spiegel schaut und sich selbst bewundert, hält allen anderen ebenfalls einen Spiegel vor. Es wird höchste Zeit, die Selbstbetrachtung zu beenden und zu handeln.»

Öhm, also Trump schaut am liebsten sich bewundernd in den Spiegel, hält ihn aber allen anderen vor. Wie geht das? Ein Wunderwerk der Spiegeltechnik, irgendwie. Aber wer betrachtet sich da eigentlich auch noch selbst, die europäischen Regierungschefs? Im Spiegel, den ihnen Trump vorhält, während er sich selbst, aber das wird nun wirklich kompliziert.

Aber stattdessen soll nun – höchste Eisenbahn – gehandelt werden. Aber was denn, wie denn, wo denn, womit denn? Kein Wunder, dass sich Kornelius sicherlich als männliche Kassandra empfindet; keiner glaubt seinen Weissagungen. Aber daran ist er selber schuld. Denn der Ratschlag «tu was» ist von solch abstrakter Inhaltsleere, dass ihn weder der Leser noch der Machthaber versteht.

Welch ein tragisches Schicksal: keiner versteht Kornelius. Schlimmer aber ist: der Tamedia-Leser zahlt noch dafür, dass er unter diesem Mumpitz leiden muss. Wie sagte da Bill Clinton so heuchlerisch wie richtig: «I can feel your pain». Aber es gäbe Abhilfe – wenn noch mehr Abonnenten handeln würden.

 

Ukraine am Ende

Ein paar simple Tatsachen über Kriegsführung.

Man kann einen militärischen Zwerg wie die Ukraine mit genügend Militärhilfe zu einem Scheinriesen aufpumpen. Man kann einen ehemaligen Komiker zum Präsidenten aufblasen, der nach seinem gekauften Wahlsieg eine Weile blendend die Rolle als tapferer Kriegsherr spielt.

Man kann Mal für Mal die drohende Niederlage der russischen Invasoren behaupten, von einer Gegenoffensive faseln und einen «Friedensplan» ernsthaft vorstellen, der von Russland niemals akzeptiert würde. Schon alleine, weil er eine Aburteilung russischer Kriegsverbrecher fordert, das aber bei der Ukraine unterlässt. Man kann auch versuchen, in der Schweiz eine Friedenskonferenz einzuberufen, die Russland zu Recht als Farce bezeichnet. Nicht zuletzt deswegen, weil die Schweiz durch das Mittragen der sinnlosen Sanktionen ihre Neutralität aufgegeben hat.

Man kann daran vorbeisehen, dass Präsidentschaftskandidat Donald Trump schon jetzt verhindert, dass die USA ihre Militärhilfe fortsetzen. Man kann daran vorbeisehen, dass die EU nur einen kleinen Teil der versprochenen Waffenhilfe geleistet hat. Man kann darüber hinwegsehen, dass Präsident Selenskyj in der Ukraine eine Autokratie errichtet hat – ohne Opposition, ohne freie Presse, dafür anhaltend hochkorrupt –, die sich immer weniger von der Autokratie in Russland unterscheidet.

Man kann einem Präsidentendarsteller in martialischer Uniform und sorgfältig gestutztem Kriegsbart zujubeln, obwohl der sein Interesse, an der Macht zu bleiben, über die Interessen seines Landes und des Militärs stellt. Denn es gibt ja keinen Grund, einen erfolgreichen Armeechef wie Waleri Saluschni abzusetzen – ausser, dass dessen Zustimmungswerte haushoch über denjenigen des Präsidenten liegen.

Man kann ständig über den ungebrochenen Kampfeswillen, ja eine Reheroisierung in der Ukraine faslen und den Zustand der russische Streitkräfte als desaströs und nahe an der völlige Niederlage beschreiben.

Man kann darüber hinwegsehen, dass Selenskyj von US-PR-Agenturen beraten und von Mitspielern im Showgeschäft gelenkt wird. Sein Stabschef Andri Jermak war zuvor als Wirtschaftsanwalt und Filmproduzent tätig. Nichts davon befähigt ihn, wie den Präsidenten auch, ein Land im Krieg verantwortungsvoll zu führen.

Man kann darüber hinwegsehen, dass die Ukraine längst den Zeitpunkt verpasst hat, mit Russland einen für beide Seiten akzeptablen Frieden auszuhandeln. Nach fast zwei Jahren Krieg zeigt sich, dass die russische Kriegsindustrie auf vollen Touren läuft, die Sanktionen nur marginale Wirkung zeigen und die Einnahmen aus dem Verkauf von Rohstoffen sprudeln wie nie.

Währenddessen vermeidet die Ukraine nur deswegen den Staatsbankrott, weil immer noch von der EU Mulitmilliarden für das Funktionieren des Staates hineingepumpt werden.

Oder in banalen Zahlen: 831’000 Soldaten gegen 200’000. 4182 Flugzeuge gegen 312. 12’600 Kampfpanzer gegen 1900. Selbstfahrende und geschleppte Artillerie 10’000 gegen 1’800.

Man kann über das Interview herziehen, dass Präsident Putin dem US-Journalisten Tucker Carlson gab, über die Grösse des Tischs oder die Farbe von Carlsons Krawatte perseverieren. Und den Inhalt mit ein paar übellaunigen Nebensätzen abtischen.

All das kann man tun.

Man kann auch behaupten, dass in der Ukraine so ziemlich alle westlichen Werte verteidigt würden, obwohl sie dort nicht existieren. Man kann alte Feindbilder von slawischen Horden, entmenschten russischen Kämpfern, brutalen asiatischen Kriegern wieder aufwärmen. Man kann behaupten, Deutschland müsse sich ernsthaft auf einen russischen Angriff gefasst machen. Obwohl in den letzten Jahrhunderten Russland zweimal von Deutschland und einmal von Frankreich überfallen wurde und selbst niemals Westeuropa überfiel.

All das kann man tun.

Man kann auch jeden Abweichler von dieser Generallinie als Putin-Versteher, Diktatorenfreund, Befürworter von militärischen Überfällen, gar als Landesverräter, Demokratiefeind, nützlichen Idioten, wehrunwilligen Lakaien Moskaus, Opfer feindlicher Propaganda, Defätisten, Diversanten und Befürworter von Diktatur und Unrechtsstaaten denunzieren.

All das kann man tun.

Man kann auch einseitige Kriegspropaganda betreiben wie in den schlimmsten Zeiten der beiden vergangenen Weltkriege, wo die eigene Seite heroisch, blütenweiss, tapfer, menschlich, unerschrocken und siegeswillig dargestellt wird. Die feindliche Seite als verschlagen, dunkelschwarz, feige, unmenschlich, verzagt und wankelmütig.

All das kann man tun.

Man kann aber nicht behaupten, dass damit ein wirklichkeitsnahes Bild der Situation in der Ukraine hergestellt würde. Man kann nicht behaupten, dass so die sogenannten deutschsprachigen Qualitätsmedien auch nur im Ansatz ihrer Aufgabe nachkommen, ihre Konsumenten mit Einordnungen, Analysen und realitätsnahen Beschreibungen zu versorgen, auf dass sich die eine eigene Meinung bilden könnten.

Unabhängig davon, wie der Krieg in der Ukraine ausgeht: eine weitere dramatische Niederlage haben die Massenmedien bereits erlitten. Allerdings nicht durch feindliche Einwirkung, sondern selbstverschuldet.

Pfeifen im Wald, zweite Strophe

Peter Burghardt ist zurück in Washington. Und wärmt sich auf.

Allerdings will es scheinen, dass sein Hirn immer noch nicht ganz aufgetaut ist, nach der klirrenden Kälte in Iowa.

Aber die bittere Realität muss auch er zur Kenntnis nehmen; er versucht es mit einer Sportmetapher:

So steht’s in der «Süddeutschen Zeitung» so echot das Qualitätsorgan «Tages-Anzeiger». Nach der knirschenden Vermeldung des Unangenehmen (eigentlich müsste es 20 : 9 oder 20 : 17 heissen, denn so viele Delegierte bekommen seine zwei verbleibenden Konkurrenten, einzeln und zusammen), folgt wieder Pfeifen im Wald. Da wohl auch noch die Lippen gefroren sind, hört es sich recht schrill und schräg an:

«Die erste Vorwahl der Republikaner entscheidet der einstige Präsident klar für sich. Seine Kontrahenten DeSantis und Haley haben aber trotzdem noch Chancen.»

Dann knödelt sich Burghardt einen ab: «… und, ja, er gewann dann wie allgemein erwartet deutlich». Wie allgemein erwartet? Nun, zumindest nicht von Burghardt, der hoffte auf die Verliererin der Wahl, auf die angeblich ganz Amerika blickte.

Aber leider haben die Teilnehmer an dem Caucus mal wieder falsch abgestimmt, dumm von ihnen. Doch es gibt weiterhin Hoffnung: «Wirklich bedeuten muss das in diesem Fall andererseits noch wenig.» Zwar haben DeSantis und Haley zusammen nicht so viele Stimmen erreicht wie Trump alleine, aber man kann das auch so sehen: «Fast die Hälfte der republikanischen Sympathisanten ist demnach nicht ausschließlich begeistert von einem Frontrunner, der gegenwärtig mit vier Prozessen im Zuge von Anklagen in insgesamt 91 Straffällen zu kämpfen hat.»

Genau, mehr als 50 Prozent der Stimmen gekriegt, aber das bedeutet ja auch, dass er weniger als 50 Prozent eben nicht gekriegt hat. Gibt es noch weitere an den Haaren herbeigezogene Indizien für die Hoffnung, dass es Trump doch nicht schafft? Jawoll: «Auch wird ein Sieger in Iowa am Ende nicht automatisch der offizielle Kandidat einer Partei, im Gegenteil.»

Wie auch immer, ob Burghardt wohl wieder Kontakt mit der Wirklichkeit aufnimmt? Oder weiterhin seiner extraterrestrischen Logik folgt: ein Kandidat hat mehr als 50 Prozent der Stimmen bekommen. Seine beiden Konkurrenten 21 und 19 Prozent, Burghardts Liebling liegt abgeschlagen auf Platz drei. Der Gottseibeiuns hat 30 Prozent mehr als sein schärfster Konkurrent. Na und? Wichtig ist doch: fast die Hälfte aller Teilnehmer wollten Trump nicht. Das gibt Hoffnung. Gaga wie der Glaube an Ufos.

Bei so viel Elend ist auch noch Platz für das Leiden des Reporters: «Wer beim Tanken kurz die Handschuhe auszog, um die Kreditkarte aus der Tasche zu kramen, dem froren rasch die Finger ein.» Muss man bedauern, dass sie offenbar wieder auftauten?

Den Winsel-Artikel beendet Burghardt mit seinem letzten Hoffnungsschimmer: «Es ist Januar. Noch zehn Monate, zahlreiche Abstimmungen und mehrere Gerichtsverhandlungen bis November

Das nennt man eine ausgewogene Berichterstattung, die dem Leser die Motive der über 50 Prozent Trump-Wähler näherbringt. Zumindest in der Version Burghardt: die sind halt bescheuert.

Freiheit und Demokratie

Unsere wird eigentlich überall verteidigt. Weltweit.

Eine solche Illustration macht eine KI, wenn man sie beauftragt, die Verteidigung der Freiheit episch darzustellen. Ein Traumbild, etwas schwer interpretierbar, wer denn da die Freiheit ist und wogegen sie sich verteidigt.

Daher perfekt getroffen. Denn es ist ja nicht nur so, dass wir frei sind, in Freiheit leben, die Freiheit lieben. Was immer das auch sein mag. Wir lieben auch die Demokratie, ausser Trump wird gewählt, aber das ist ein anderes Thema.

Nun ist die Freiheit nicht einfach gottgegeben, sondern sie muss verteidigt werden. Denn: «Freiheit in Gefahr: Wir sind nur noch 67 Demokratien», wusste die «Schweiz am Wochenende» aus dem Hause CH Media schon Anfang 2023. «Ist die Justizreform eine Gefahr für die israelische Demokratie», fragte «Audiatur» bang, als der Krieg im Gazastreifen noch nicht tobte.

«Lasst uns die Freiheit verteidigen», mahnt Präsident Selenskyj immer wieder und auf allen Kanälen. Wie immer etwas ungelenkig sagt die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock: «Mit dem Finger aufeinander zeigen, bringt der Ukraine weder Frieden noch Freiheit». «Ich bin für viel persönliche Freiheit», sagt Psychiater Frank Urbaniok. Auch SVP-Präsidentschaftskandidat Marcel Dettling weiss: die Schweiz müsse «ihre Freiheit und direkte Demokratie verteidigen». Sogar oder gerade das WEF verteidigt Demokratie und Freiheit. Natürlich auch die US-Waffenlobby NRA. Da will Präsident Putin nicht zurückstehen. Russland kämpfe in der Ukraine für die «Freiheit der gesamten Welt».

Unablässig, das ist klar, muss die Freiheit verteidigt werden. Henrik Müller geht im «Spiegel» sogar noch einen Schritt weiter, ganz in die Ferne: «Unsere Freiheit wird auch in Taiwan verteidigt». Bislang dachten wir, dass es beim Hindukusch aufhört. Bislang waren wir sicher, dass sie in der Ukraine verteidigt wird. Aber auch in Taiwan? Echt jetzt?

Etwas komplex scheint es allerdings in der Ukraine zu sein. Wenn beide Kriegsparteien für die Freiheit kämpfen, bzw. sie verteidigen, gibt es dann mehr als eine Freiheit? Ist es nicht immer die Freiheit, die schon Eugène Delacroix 1830 so hinreissend malte?

Darf man zwischendurch mal fragen, was Freiheit eigentlich ist? Für ein Individuum ist es wohl die Möglichkeit, unter verschiedenen Optionen eine wählen zu dürfen, ohne Zwang. Ist das dann für eine Gesellschaft auch so? Aber da kann sich sicher nicht jeder ohne Zwang so entscheiden, wie es ihm gerade drum ist.

Absolute Freiheit ist sowieso unmöglich und unerträglich. Sie bedeutet Willkür, Faustrecht, Amoral, den Untergang. Freiheit braucht also immer Grenzen, damit so viel Freiheit wie möglich herrscht. Meinen all die Verteidiger der Freiheit etwa das?

Nein, meinen sie nicht. Sie benützen einfach die Strahlkraft des Wortes, das zu den wohl am postivsten konnotierten in jeder Sprache gehört. Brüderlichkeit, Gleichheit, Freiheit. Gerne gesellt sich auch noch das Wort Solidarität dazu. Das Wort Gerechtigkeit.

Wer Menschen hinter sich scharen will, wer auf Stimmenfang geht, wer die Notwendigkeit unterstreichen will, dass man ihn unterstützt, der spricht immer von Freiheit.

Auch Grossdenker Peer Teuwsen sorgt sich in der NZZaS: «Ist uns die Freiheit eigentlich verleidet?» Schwer zu sagen, Teuwsen ist offensichtlich Französisch verleidet. So zitiert er gelahrt Rousseau: «Der Mensch wird frei geboren, und überall ist er in Banden.» In kriminellen Banden? Nein, Rousseau sagte «fer», also Ketten. Und wieso der Mensch «frei»geboren werde, was das genau bedeuten mag, das liess Rousseau – wie so manches – im Vagen. Dann klagt Teuwsen an, es werde «gereist, als gebe es kein Morgen». Da hätten wir gerne mal eine Einblick in seine eigenen fabulösen Reisespesen genommen.

Offensichtlich gibt es verschiedene Freiheiten. Es gibt die Freiheit von Hunger. Das ist gut. Es gibt die Freiheit von Bildung, das ist schlecht. Dann gibt es offenbar noch «unsere» Freiheit. Und die wird eben in Taiwan verteidigt. Gegen wen? Natürlich gegen die Unfreiheit, also gegen China. Wieso aber hat sich «unsere» Freiheit bis nach Taiwan verlaufen? Ist sie in der Ukraine ausgebüchst? Fehlt sie nun in Israel?

Wer vor allem in einem Massenmedium das Wort «Freiheit» gebraucht, will damit rustikal auf Leserfang gehen. Wer «Freiheit» und «verteidigen» in einem Atemzug erwähnt, sollte sofort überlesen werden. Denn es ist ein Scharlatan, der auf die Strahlkraft dieses Worts vertraut, um seine eigene Botschaft besser zu transportieren.

Von solchen Rattenfängern sollte man sich frei machen.

 

Wumms: Eric Gujer

Immerhin eine Stimme der Vernunft.

Leider öffnet auch die NZZ immer wieder ihre Spalten für unreflektierte oder gelahrte Kriegsgurgeln. Sie hat sogar selbst einen Sandkastenoberst, der absurde Kriegsspiele fabuliert.

Aber dann gibt es doch noch Eric Gujer, der sich zwar ab und an verzettelt und verrennt, aber immer wieder zu klaren Gedanken und eleganten Formulierungen fähig ist. «Nichts ruiniert das Ansehen der Demokratie so treffsicher wie ihre Verteidigung mit Mitteln, denen jedes Augenmass fehlt.» Das ist so ein Gedanke, der in Endlosschleife wiederholt werden müsste.

Zunächst liefert Gujer vermeintlich Triviales ab. Aber so verkommen sind die Zeiten, dass daran wieder erinnert werden muss. Demokratie sei einfach ein Verfahren «zur Feststellung der Regierungsmehrheit». Wenn sie funktionieren soll, ist sie aber mehr: «eine Selbstversicherung, die hervorhebt, was eine echte Demokratie noch alles umfasst: Menschenrechte, Minderheitenschutz, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung».

Besonders schamlos gehen zurzeit die US-Demokraten vor, indem sie mit juristischen Mitteln versuchen, Donald Trump von der Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen auszuschliessen: «Die Demokratie erleidet doppelten Schaden. Dass Trump eine Todsünde beging, indem er am 6. Januar 2021 die wütende Menge anstachelte, statt zur Ruhe zu mahnen, tritt in den Hintergrund. Dank der unfreiwilligen Schützenhilfe in Colorado und Maine kann er sich als Verteidiger der Verfassungsordnung inszenieren, obwohl er sich mit dem Verhalten für das Amt des Präsidenten disqualifiziert hat

Zu solch ausgewogener Betrachtung sind immer weniger Kommentatoren in der Lage. Entweder, grossmehrheitlich, ist Trump für sie der wiedergeborene Gottseibeiuns. Oder der zu Unrecht geschmähte Heilsbringer. Dabei ist die wohl bevorstehende Wahl zwischen Biden und Trump wirklich wie zwischen Pest und Cholera, ein Armutszeugnis für die US-Demokratie.

Welch zweifelhafte Rolle die von den Demokraten instrumentalisierte Justiz spielt, bringt Gujer auf den Punkt: «Über den Ausschluss Trumps von den Vorwahlen befindet nun das Oberste Gericht der Vereinigten Staaten. Wie das Gericht auch immer entscheidet, es entscheidet in den Augen der Hälfte der Amerikaner falsch. Die Richter, welche die Verfassung schützen sollen, werden unweigerlich in Misskredit geraten und mit ihnen die Verfassung selbst.»

Auch in Deutschland, angesichts des Erstarken der AfD, sind ähnliche Tendenzen zu erkennen: «Die SPD, die in Sachsen laut einer Umfrage derzeit bei 3 Prozent steht und damit an der 5-Prozent-Hürde scheitern würde, möchte eine Partei verbieten, der knapp 40 Prozent vorhergesagt werden.»

USA, Deutschland, Polen: «Kann man den Rechtsstaat mit rechtsstaatlich fragwürdigen Mitteln wiederherstellen? Lässt sich das Richtige mit falschen Mitteln erreichen?»

Zum Schluss erhebt sich Gujer ins Allgemeine: «Wenn die liberalen Demokraten wie ihre Gegner klingen, dann liegt die Vermutung nahe, dass sie auch ähnlich denken. Genau darin liegt die eigentliche Schwäche des Konzepts. Die liberale Demokratie beansprucht eine moralische Überlegenheit. Am Ende geht es ihren Verfechtern aber genauso um die Macht

Man mag seinen Lösungsvorschlag belächeln, aber es ist wohl der einzige, der bleibt: «Die Polarisierung wächst, Politiker und Journalisten steigern sich in immer schwärzere Dystopien hinein. Irgendwann herrscht geistiger Bürgerkrieg. Auf die naheliegende Idee, der Schwarmintelligenz der Wähler und der Widerstandskraft der Institutionen zu vertrauen, kommen die Mahner und Warner hingegen nicht. Dabei ist das der Kern der Demokratie, ob mit oder ohne Zusatz: Das Volk entscheidet und nicht Gerichte oder Experten.»

Man darf gespannt sein, wie die serbelnden Freisinnigen mit diesen Ratschlägen umgehen, die ja an sie gerichtet sind.

 

Relotius Reloaded

Beim Fall Fabian Wolff führten die gleichen Mechanismen zum Desaster.

Die Geschichte in Kurz: Der Feuilletonist und gern gesehene Gast bei «Zeit», «Süddeutsche», «Tagesspiegel» oder «Spiegel» Fabian Wolff ist nicht der, für den er sich ausgab. Nämlich als Jude.

Das ist in Deutschland bis heute ein ganz heikles Gebiet. Vor allem, da Wolff sich unter Berufung auf sein Judentum als israelkritischer («Apartheitsystem») und den Aktivitäten der antiisraelischen BDS-Kampagne sympathisierend gegenüberstehender Jude ausgab. Wer ihn dafür kritisierte, war natürlich «rassistisch» oder «rechts».

Er selbst als Jude könne dagegen per Definition kein Antisemit sein. So seine Erzählung. Bis er selbst einräumte, dass er kein Jude sei; eine beiläufige Bemerkung seiner Mutter habe ihn mit 18 annehmen lassen, einer jüdischen Familie zu entstammen.

Nun wird’s nochmal sehr deutsch: dieses Eingeständnis darf er in einem 70’000 Anschläge langen Text in der «Zeit» machen. Wobei Eingeständnis fast übertrieben ist, es ist ein sich windendes Geschwurbel.

Daraufhin wird’s richtig deutsch. Alle Redaktionen, die auf seine Verkleidung als Kostüm-Jude reingefallen sind, winden sich nun auch. Wie mit seinen in den letzten zehn Jahren veröffentlichten Texten umgehen? Wie mit Wolff umgehen? Ist da zuhanden der Leserschaft eine Entschuldigung fällig? Wenn schon nicht vom Hochstapler selbst, dann von den Redaktionen, die es mal wieder an Hintergrund- und Faktencheck missen liessen?

Oder ist das ein unfairer Vorwurf? Nein, denn eine ehemalige Lebensgefährtin von Wolff war schon vor Jahren auf Ungereimtheiten und Widersprüche in seinen biographischen Angaben gestossen. Nach dem Ende der Beziehung wandte sie sich an diverse Journalisten und Redaktionen. Ohne Reaktion.

Nun tun natürlich alle Verantwortlichen in den Medienhäusern so, als hätten sie nichts davon gewusst, als seien sie wenn schon selbst Opfer, keinesfalls verantwortlich für diesen neuerlichen Skandal. Aber die NZZ schreibt dagegen ganz richtig: «Die Medien wurden nicht getäuscht, sondern haben sich täuschen lassen.» Nur ein in dieser Beziehung unbelastetes Schweizer Organ kann dann den Finger auf die Wunde legen:

«Das grosse Vertrauen und die Nibelungentreue deutscher Medien zum Autor Wolff erklärt sich auch dadurch, dass er mit seinen Gedanken und Texten letztlich antijüdische Ressentiments bedient hat, die in Teilen des deutschen Bürgertums weit verbreitet sind

Womit wir bei der Parallele zum Fall Relotius angelangt wären. Auch dieser Schwindler und Fälscher bediente mit seinen erfundenen Reportagen Klischees und Vorurteile der «Spiegel»-Verantwortlichen. Die hatten sich zum Beispiel ernsthaft vorgenommen, den damaligen US-Präsidenten Trump «wegzuschreiben». Sie sahen in seiner Wahl das «Ende der Welt», zumindest, «wie wir sie kennen». Sie waren fassungslos, dass all ihre angeblichen Kenner und Könner den Wahlsieg Trumps nicht vorhergesagt hatten.

Daher glaubten sie Relotius unbesehen jedes Wort, wenn der sich in die US-Pampa aufmachte, um dort die dumpfen Amis aufzuspüren, die diesen Idioten zum Präsidenten gemacht hatten. Wirklich erholt hat sich der «Spiegel» von diesem Skandal bis heute nicht. Seine kreischige #metoo-Berichterstattung, in der er einer Journalistin die Plattform für einen Rachefeldzug bietet, Prominente reihenweise in die Pfanne haut, trägt auch nicht dazu bei, sein Renommee zu retten.

Nun sind aber auch die ehrwürdige «Zeit» (die sich im Schweizer Split allerdings auch im Roshani-Skandal instrumentalisieren liess), die SZ, der «Tagesspiegel» beteiligt an diesem neuerlichen Skandal.

Relotius hat nicht seine eigene Identität erfunden, sondern einfach Quellen und Zitate und Begebenheiten. Das hat Wolff nicht getan, dafür streifte er sich eine Identität über, die erlogen ist. Beide haben aber Ressentiments der sie betreuenden Redaktionen (und deren Leserschaft) bedient. Ob man es in Deutschland wirklich liebe, «Israel zu hassen», das ist vielleicht eine zu dramatische Schlussfolgerung der NZZ.

Dass es ein deutsches Problem sei, das trifft solange nicht zu, als ein Tom Kummer in der Schweiz weiterhin sein Unwesen treiben darf. Hier handelt es sich um die Marotte eines Chefredaktors, in Deutschland geht das Problem tatsächlich tiefer.

Denn dass eine Redaktion keinen in die Intimsphäre eingreifenden Faktencheck über die jüdische Herkunft eines Autors macht, ist noch verständlich, obwohl Wolff nicht der erste Fall eines solchen Betrugs in Deutschland ist. Dass aber deutliche Indizien, ein ganzes Dossier der ehemaligen Lebensgefährtin keine Beachtung fand, sondern wohl als Rache einer verschmähten Geliebten abgetan wurde, das ist bedenklich.

Einerseits veröffentlicht der «Spiegel» Behauptungen einer rachsüchtigen, gefeuerten Schweizer Redaktorin, die sich bei genauerer Betrachtung fast vollständig als nicht haltbar herausstellen. Andererseits ignorieren diverse Redaktionen in Deutschland ein ihnen vorliegendes Dossier mit belegten Anschuldigungen. Was ist der Unterschied? Das eine entspricht dem Narrativ von #metoo, das andere widerspricht diesem Framing. Obwohl in beiden Fällen eine Frau einen Mann anschuldigt.

Ungeprüft oder nicht überprüft, zweifaches Versagen.

 

Depp des Monats August

Immer wieder verblüffend, wie verpeilt Politiker sind.

Man muss nicht glattgefönt, kantenlos und glitschig wie ein Aal sein, um in der Politik seine Interessen zu vertreten und Karriere zu machen. Ausser, man ist Grüner.

Andererseits sollte man sie nicht so hirnlos wie Rimoldi, die Bachelorette der Politik, der Depp des Jahres Voegtli oder Campax vertreten. Nun haben sie Gesellschaft bekommen. Nein, es ist nicht SVP-Glarner.

Sondern Mathilde Mottet. Mathilde who? Bis vor Kurzem war sie eine recht unauffällige Gemeinderätin und Juso-Politikerin im Wallis. Bis sie zu Ehren des 1. August ein Selfie postete. Im Hintergrund eine Schweizer Berglandschaft samt Fahne. Im Vordergrund ein Stinkefinger der Dame.

Damit keine Zweifel aufkommen, schrieb sie darunter: «Bei all diesen Schweizer Fahnen muss ich kotzen.» Was löst denn den Brechreiz aus? Irgend etwas Unverdautes von Hierarchien, Ausgrenzung und so.

Dazu das übliche Gedöns: «Die Schweizer Flagge ist auch das Symbol eines Landes, das lieber in Panzer und Maschinengewehre investiert als in Gesundheit und das Recht auf Wohnraum.» Vielleicht sollte sie sich mal kundig machen, wofür der Staat mit Abstand am meisten Geld ausgibt …

Nach der Aktion und der Reaktion – vor allem aus SVP-Kreisen – gab es den üblichen Shitstorm. Mottet will Strafanzeigen einreichen und bleibt standhaft: «Provokation ist ein akzeptables Mittel, um auf die menschenverachtende Migrationspolitik der Schweiz aufmerksam zu machen.»

Das dachten sich sicherlich auch Rimoldi, die Bachelorette oder Voegtli. Oder Campax. Nur: Provokation will gekonnt sein. Aufmerksamkeit in der reizüberfluteten Gesellschaft ist schwer zu erregen. Aber wenn man das schafft, indem einen die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung für ein Riesena…  hält, ist es wohl etwas in die Hose gegangen.

Sich in Braunau am Inn zeigen, die «feige» Neutralität abschaffen wollen, sich am Gotthard vor den Verkehr setzen, SVP und FDP «Fuck Nazis» zurufen – und nun der Schweizerfahne den Stinkefinger zeigen und sie zum Kotzen finden – das erzürnt die Öffentlichkeit, bringt ausser in der überschaubaren eigenen Gesinnungsbubble keine Punkte.

Donald Trump, aber auch Sarah Wagenknecht oder Alice Schwarzer, die können’s. Bevor’s hier einen Shitstorm gibt: damit ist nicht der IQ oder die Sinnhaftigkeit des politischen Tuns qualifiziert. Einzig die Fähigkeit, mit relativ bescheidenen Mitteln (bei Trump in jeder Beziehung) grosse Aufmerksamkeit zu erzielen.

Apropos: Das «Manifest für den Frieden» von Wagenknecht und Schwarzer ist seit Februar dieses Jahres von 850’000 Menschen unterzeichnet worden. Darunter auch von ZACKBUM. So macht man das.

Die Gegenwart der Demagogie

Die «Republik» kennt keine Scham mehr.

Constantin Seibt schreibt wieder. Das ist eine ganz schlechte Nachricht. Aber sie hat auch etwas Gutes. Denn 41’663 A Gelaber liest kaum einer. Vor allem, da es mit der Drohung verknüpft ist: «Folge 1».

Wovon? «Die Zukunft des Faschismus». Hat denn der eine? Wenn ja, wo? Für jemanden, der möglicherweise nicht regelmässig seine Tabletten gegen ADHS nimmt, in den USA. Es komme auf den Zustand einer Gesellschaft an, schreibt Seibt. «In einer funktionierenden gilt: Lächerlichkeit tötet. (Zumindest, wenn es um öffentliche Ämter geht.) In der kaputten gilt: Lächerliche töten.»

Hä? Seibt bezieht sich auf den verunglückten ersten Auftritt von Ron DeSantis als Präsidentschaftskandidat bei Elon Musk auf Twitter. Seibt ist weiterhin ernsthaft der Ansicht, dass es um das Ganze gehe. Um alles. Um Demokratie oder Faschismus. Aber auch ihn tötet die Lächerlichkeit nicht.

Deshalb ist er zu tiefschürfenden Analysen gelangt: «Trump bewies, dass Arschlöcher Erfolg haben können, wenn sie in die Politik gehen. Und dass Politiker Erfolg haben können, wenn sie Arschlöcher sind.» Zu solch hammermässigen Einschätzungen kommt Seibt natürlich nicht von selbst; er stützt sich dabei ellenlang auf Mike Lofgren, einer aus dem Meer der US-amerikanischen Kommentatoren.

Aus der geschützten Werkstatt «Republik» riskiert Seibt eine ziemlich dicke Lippe:

«Trump ist vielleicht der bedeutendste Verbrecher in der Geschichte der USA. Doch sicher nicht der begabteste … Trump – ein lebenslanger Trickbetrüger … Denn gerade das Verbrechertum Trumps macht für seine Anhänger einen grossen Teil seiner Anziehungs­kraft aus … Er wird den Rest seines Lebens im Weissen Haus oder im Gefängnis verbringen … Doch dass dieser Mann – letztlich ein Nihilist und Schwachkopf – nun für wahrscheinlich lange, lange Zeit ins Gefängnis kommt, und das ausgerechnet für etwas so Dummes, Albernes, Nichtiges, Nutzloses wie Dokumente nicht zurückzugeben – das hat etwas Passendes.»

Nun ist das schon mal genügend Stoff, um die «Republik» – neben ihren Steuerproblemen, ihren Bettelproblemen und ihren Führungsproblemen – bankrott zu prozessieren. Aber zum grossen Bedauern von Seibt wird sich Trump (oder DeSantis) wohl nicht um so einen kleinen Kläffer kümmern. Wobei sich Seibt wirklich Mühe gibt: «Trotzdem: Die Zukunft des Faschismus gehört eher Bürokraten wie DeSantis.»

Allerdings: keiner liest diesen Quatsch von Seibt bis zum bitteren Ende (der ersten Folge!). Was das Gequatsche mit der Zukunft des Faschismus zu tun hat (soll Trump etwa Faschist sein, DeSantis vielleicht?) erschliesst sich allerhöchstens Seibt selbst. Allerdings: wüsste Seibt, was Faschismus ist, würde er nicht Trump oder DeSantis als Faschisten beschimpfen. Oder aber, er weiss es, braucht aber einfach ein weiteres Schimpfwort, weil er sein ellenlanges Geschreibsel nicht gut «Die Zukunft des Arschlochs» nennen kann.

Dass aber die «Republik» zu diesem Gedöns eine Illustration verwendet, die aus der miesesten Ecke der peinlichsten Demagogie stammt, ist ungeheuerlich.

Den Gegner zu verteufeln, das machen Demagogen, Faschisten, Brandstifter, Hetzer und andere üble Gestalten. Und die «Republik»:

Das ist eine Darstellung von DeSantis für den Artikel von Seibt. Unrasiert, unsympathisch, verkniffen, aber immerhin soweit realistisch.

Und in das verwandelt sich dann DeSantis, als Wechselbild. Ein Teufel in Menschengestalt. Das Böse aus der Hölle. Mit den roten Augen des Gottseibeiuns.

Das ist dermassen perfide und widerlich, dass man der «Republik» wirklich wünscht, dass sie bald ins Fegefeuer käme.

 

Grundübel unserer Zeit

Es ist nicht das einzige. Aber Heuchelei ist fatal.

Wie die Betreiber des «Kosmos» sich für das Gute und Bessere auf dieser Welt einsetzen, wie sie alles und alle verurteilen, die diesen hehren Zielen im Wege stehen – und wie sie sich beim Bankrott dieser Seifenblase verhalten, das ist so abgrundtief verlogen und heuchlerisch, dass ihnen niemand mehr in Zukunft edle Absichten und Ansichten abnehmen sollte.

Wie sich das Links-Magazin «Republik» für das Gute und Bessere auf dieser Welt einsetzt, insbesondere alle Steuervermeider und -hinterzieher geisselt – und wie es sich bei der Behandlung seiner eigenen Schlaumeierei auf diesem Gebiet verhält, das ist so abgrundtief verlogen und heuchlerisch, dass niemand mehr in Zukunft edle Absichten und Ansichten abnehmen sollte.

Wie die meisten Mainstream-Medien, auch und gerade in der Schweiz, sich für das Gute und Bessere auf dieser Welt einsetzen – und wie sie sich bei der Bewältigung ihrer üblen Rolle während der Pandemie verhalten, das ist so abgrundtief verlogen und heuchlerisch, dass ihnen niemand mehr in Zukunft edle Absichten und Ansichten abnehmen sollte.

Wie sich der Wertewesten, was im vorherigen Artikel exemplarisch wieder vorgeführt wird, gegenüber den Verbrechen im Jemen (und nicht nur dort) verhält, ist dermassen abgrundtief verlogen und heuchlerisch, dass ihm niemand mehr in Zukunft edle Absichten und Ansichten abnehmen sollte.

Nach dem Versagen in der Pandemie versagen die Mainstreammedien nun nochmals bei der Darstellung des Ukrainekriegs. Hier ist das Versagen noch eklatanter. Niemand, der noch alle Tassen im Schrank hat, kann den völkerrechtswidrigen und vertragsbrüchigen Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine verteidigen oder rechtfertigen. Wer der Ukraine gegen die Auslieferung der dort stationierten Atomraketen territoriale Integrität vertraglich zusichert und diesen Vertrag dann bricht, macht sich zum Paria in internationalen Beziehungen.

Wieso das aber Grund genug sein soll, das zutiefst korrupte Regime in der Ukraine, dessen Präsident zwecks Behebung einiger gröberer Probleme eines einheimischen Oligarchen in einer gekauften Wahl an die Macht kam, als Bollwerk von Freiheit und Demokratie umzuschreiben, das zeugt von einer dermassen abgründigen Verlogenheit und Heuchelei, dass niemand diese Berichterstattung ernst nehmen sollte.

Was die naheliegende Frage provoziert: wenn die grössten Teile der Berichterstattung über die Heldenregierung von Kiew einäugig, unvollständig, propagandistisch und unjournalistisch sind, wie steht es dann mit den Berichten aus dem Rest der Welt? Haben die Artikel über die USA irgend etwas mit der dortigen Realität zu tun? Wie sieht das bei China aus? Oder wie steht es um die Darstellung von Personen?

Putin ist ein irrer Kriegsverbrecher. Ist er das und nur das? Selenskyj ist ein strahlender Held des Widerstands. Ist er das und nur das? Donald Trump ist ein notorischer Lügner und Versager. Ist er das und nur das? Chinas Xi ist ein in der Wolle gefärbter Kommunist und Diktator. Ist er das und nur das? Elon Musk oszilliert zwischen Genie und Wahnsinn. Tatsächlich?

Was weiss eigentlich der durchschnittlich aufmerksame und informierte Staatsbürger über die Zustände in Ungarn? In Polen? In Italien? In Frankreich? Was weiss er über die führenden Gestalten, ihre Absichten und Überzeugungen? Mehr als Klebeetiketten, so oft wiederholt, dass sie nicht mehr abzukratzen sind?

Will der Leser wirklich das lesen, was seiner Gewinnungsblase entspricht und reagiert er mit Abscheu und Abbestellung, wenn er mit widersprüchlichen Darstellungen einer widersprüchlichen Welt bedient würde? Oder macht das nicht in erster Linie die Arbeit der überforderten Journalisten und Redakteure einfacher, die aus dem Stehsatz die ewig gleichen Adjektive und Qualifikationen hervorholen können?

Besonders fatal ist diese Entwicklung für Organe, die sich ausschliesslich aus Abonnements finanzieren. Bezahlte Werbung bietet immerhin noch ein  gewisses Gegengewicht, sollte der Leser mit Abbestellung drohen, weil ihn ein Inhalt aus dem Halbschlaf des Ungerechten gerissen hat. Auf der anderen Seite: ist eine solche Leserbasis nachhaltig? Ziehen die mit, wenn eine bessere neue Erkenntnis eine schlechtere alte ersetzt? Wollen die nicht einfach die Wiederholungsschleife hören, für deren Herstellung es weder grosse intellektuelle noch sonstige Anstrengungen braucht?

Eine solche Leserbasis ist schon deswegen nicht nachhaltig, weil diese schablonenhaften Welterklärungsmodelle immer wieder an der komplexen Welt zerschellen. Was dann noch verschwurbeltere Erklärungen nötig macht, was die Glaubwürdigkeit der Hersteller noch mehr ramponiert.

Wer sich darüber wundert, dass die überwältigende Mehrheit der Staaten der Welt keine Sanktionen gegen Russland eingeführt hat, wer sich darüber wundert, dass Europa im Allgemeinen und auch der Schweiz im Besonderen Doppelmoral, Messen mit zwei Ellen und Heuchelei vorgeworfen wird, der hat ein schiefes Bild von der Wirklichkeit.

Eigentlich sollte es doch die wertvollste Aufgabe von Massenmedien sein, ihren Lesern einen Zuwachs an Verständnis der Welt zu liefern. Oder ihnen zumindest Ereignisse in fernen Ländern näherzubringen, deren Entstehen und Ablauf so geschildert wird, dass der neugierige Leser meint, nun etwas zu verstehen, was ihm zuvor unverständlich war.

Gehen wir zum Schluss genauso holzhackerartig vor wie die Mainstreammedien. Wer die Invasion der Ukraine und die dort begangenen Kriegsverbrechen täglich, stündlich und lautstark denunziert, kritisiert und verurteilt – aber alle Schaltjahre einmal dezent darauf hinweist, dass es im Jemen auch nicht gerade gesittet zugeht, obwohl der Jemen genauso ein Beispiel von brutaler Machtpolitik ist, dort noch schlimmere Kriegsverbrechen begangen werden als in der Ukraine –sofern sich das überhaupt gewichten lässt –, wer das tut, ist ein dermassen abgrundtief verlogener Heuchler, dass er über kurz oder lang seine Daseinsberechtigung als Newstransporteur verliert.

Der grösste Irrwitz besteht darin, dass die Macher all dieser Flachnews eigentlich in der Lage wären, Interessantes und Anregendes und Widersprüchliches und Erkenntnisförderndes zu bieten. Zumindest hindert sie niemand daran, zumindest gibt es in der Schweiz keine Zensurgesetze, die das verbieten würden.

Warum tun sie es dann nicht? Der Verdacht liegt nahe, dass die Ursache in einem zweiten Abgrund liegt. In einer abgründigen Dummheit und Unfähigkeit, gepaart mit arroganter Überheblichkeit und Rechthaberei.