Miserable Medien

Was gäbe es zum Fall Assange zu sagen?

Eigentlich vieles. Die langjährige Isolationshaft und die vorangehende Marter im Asyl in der ecuadorianischen Botschaft, die merkwürdigen Anschuldigungen aus Schweden, die mögliche Auslieferung an die USA, die keinerlei Gewähr dafür bieten, ihm einen rechtsstaatlich akzeptablen Prozess zu machen, allein das wären genug Gründe, damit jede anständige Tageszeitung täglich einen Button aufschalten müsste, mit dem auf Julian Assanges Schicksal hingewiesen wird.

Während Kritikaster wie Stefan Kornelius an der Person des Wikileaks-Gründers Assange herummäkeln, muss in Wirklichkeit dessen unschätzbarer Verdienst beim Durchleuchten vieler Dunkelkammern gelobt werden.

Das Video über die Ermordung von 12 Personen, darunter zwei Mitarbeiter von Reuters, in Bagdad durch den Bordschützen eines US-Helikopters im Jahre 2007, die Iraq War Logs von 2004 bis 2009, die Guantánamo Files von 2011, interne Dokumente der CIA, und, und, und. Wikileaks ist sicherlich die bedeutendste Enthüllungsplattform, seit es das Internet gibt.

Man kann nun über Landesverrat, die Gefährdung von Spionen und andere Probleme debattieren. Man kann die sicherlich nicht unproblematische Persönlichkeit von Assange kritisieren. Man kann auf dunkle Flecken hinweisen. Lange Zeit wurden sogar die Anschuldigungen von zwei Frauen aus Schweden zustimmend kolportiert, die Assange sexueller Übergriffe beschuldigten.

Zusammenfassend ist es aber völlig klar, dass er zu den Hauptfeinden des militärisch-industriellen Komplexes der USA gehört, weil es ihm immer wieder gelang, aus verschiedenen Quellen gewonnene, entlarvende interne Dokumente des Pentagons und anderer Staatsdunkelkammern unerschrocken zu veröffentlichen.

Im Gegensatz zu Edward Snowden war aber Assange die Gefahr nicht bewusst, in der er schwebte. Oder er ignorierte sie schlichtweg. Denn niemand enthüllt ungestraft Kriegsverbrechen des mächtigsten Militärimperiums der Welt, das grossen Wert darauf legt, trotz seiner schmutzigen Methoden als Siegelbewahrer alles Guten gesehen zu werden.

2012 hätte er aufgrund dubioser Anschuldigungen von England nach Schweden ausgeliefert werden sollen, von wo aus er womöglich an die USA weitergereicht worden wäre. Dieser Gefahr entzog er sich durch die Flucht in die ecuadorianische Botschaft in London. Dort verbrachte er die nächsten sieben Jahre.

Im April 2019 wurde er mit Einverständnis des US-freundlichen neuen ecuadorianischen Präsidenten in der Botschaft verhaftet; seither sitzt er im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Auslieferungshaft. Von seinem Umfeld wird sein körperlicher und geistiger Zustand nach all diesen Jahren der Isolation unter dem Damoklesschwert einer Auslieferung an die USA als besorgniserregend bezeichnet.

Wie sagte der ehemalige Gouverneur von Arkansas Mike Huckabee: «Alles ausser einer Hinrichtung ist eine zu milde Strafe.»

Assange hat einen hundertmal wichtigeren Beitrag zur Aufklärung und Enthüllung von schmutzigen Geheimnissen geleistet als all die Leaks, Papers, Secrets und anderen gehypten «Enthüllungen» mittels gestohlener Geschäftsunterlagen zusammen.

Obwohl er nicht völlig vom Radarschirm der Mainstreammedien verschwunden ist, geben sie angesichts dieser Lebensleistung und den Konsequenzen, die Assange ertragen muss, ein jämmerliches Bild ab. Ein Schreiberling wie Kornelius  – eine Schande des Berufs – darf unwidersprochen behaupten: «Die Publikation von einer Viertelmillion Datensätzen hält keinem Vergleich stand, in ihrer Masslosigkeit und Radikalität widerspricht sie allen journalistischen Grundsätzen». Das ist ein seltener Tiefpunkt in der daran nicht armen Geschichte der «Süddeutschen Zeitung» und von dieser kopierenden Tamedia.

Diese Organe haben, zusammen mit Helfershelfern weltweit, nie davor zurückgeschreckt, ihnen von anonymen Diebesbanden zugesteckte Datengebirge in Gigabyte-Grösse auszuschlachten und als Hehlerware zu verwenden. Die Resultate waren – im Vergleich zum Riesentamtam – sehr bescheiden. Niemals fiel ihnen dabei auf, dass immer ein einziges Land nie in diesen Datenmeeren vorkam: die USA. Zufall aber auch, wo eben diese USA die grössten Geldwaschmaschinen der Welt beherbergen, nirgendwo sonst schmutziges, kriminelles Geld sicherer und anonymer gelagert werden kann.

Dagegen die Leistung von Assange. Der Mann braucht offensichtlich dringend Erholung, Behandlung und die Sicherheit, dass er nicht in die Fänge der US-Wildwestjustiz gerät.

Erbärmlich wenig Medienorgane setzen sich dafür ein. Niemand will sich mit dem Land of the Free anlegen, dessen langer Arm – und dessen Armee von Helfershelfern und Schönschreibern – dafür sorgen, dass Assange höchstens eine Fussnote im aktuellen Hype um Nawalny bleibt.

Eine Schande, ein dicker Sargnagel für die Glaubwürdigkeit der westlichen Medien. Trotz aller anderweitiger Verirrungen gibt es allerdings in der Schweiz eine löbliche Ausnahme:

Das muss man der «Weltwoche» wieder neidlos anerkennen. Umso jämmerlicher wirkt der Rest der Schweizer Medien. Die beiden Kopfsalatkonzerne, der Blöd-«Blick», die NZZ oder der Gutmenschenfunk SRF, der sonst nie eine Gelegenheit auslässt, Diskriminierung und Unterdrückung zu beklagen. Wo bleiben sie hier?

Sie schauen sich ängstlich um, ob’s auch möglichst der grosse Bruder ennet des Teichs nicht sieht, dann heben sie ganz vorsichtig den Zeigefinger auf Bauchhöhe – und fahren ihn ganz schnell wieder ein, um sich mit grossen Taschentüchern den Angstschweiss von der Stirn zu wischen. Was für Feiglinge.

5 Kommentare
  1. René Küng
    René Küng sagte:

    Danke Chef.

    Irgendwo in der Weltliteratur gibt’s dann sicher noch die bittere Erkenntnis:
    wie die Medien, so die Mehrheit.
    Von der erbärmlichen Repressentanz des Volkes ganz zu schweigen, die wollen vor allem Eines: wiedergewählt werden. Ein ewiger Kreislauf?

    Antworten
  2. C. Wallens
    C. Wallens sagte:

    Unsere ganzen «Qualitätsmedien» sind zu einer einzigen transatlantischen Propagandaorganisation verkommen. Weniger Berufsethos als das des heutigen Journalisten gibt es nicht. Ausnahmen bestätigen die Regel.

    Antworten
  3. H.R. Füglistaler
    H.R. Füglistaler sagte:

    Super Titelbild der WeWo.
    Super Artikel von RZ. Hoffentlich bekommt Julian Assange diesen
    zu lesen. Moralische Unterstützung kann er dringend brauchen.

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