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Verkäufer saurer Milch

Nur im Journalismus möglich: dem zahlenden Konsumenten eins über die Rübe.

Stellen wir uns vor: Migros (kann auch Coop, Aldi oder Lidl sein) schreibt sich auf die Fahne, dass man der Kundschaft saure Milch verkaufen möchte.

Viele Jahre lang war sich der Konsument gewöhnt, dass es frische, schmackhafte Milch gibt, zu zwar sanft steigenden, aber erträglichen Preisen. Plötzlich kommt aber Migros auf die Idee, in einer schrumpfenden Packung immer weniger Milch zu verkaufen. Wobei der Preis aber der gleiche bleibt.

In der Managerkaste des Detailhändlers wundert man sich leicht, wieso der Verkauf von Milch deutlich zurückgeht. Das sei den allgemeinen Marktbedingungen geschuldet, sagt man sich, schliesslich sei der Absatz auch bei Coop rückläufig, ganz allgemein erlebe der Milchverkauf eine Strukturkrise, wird getönt. Und leider gebe es da noch ein zusätzliches Problem. Denn die Manager der Migros waren in ihrer unendlichen Weisheit auf die Idee gekommen, Milch im Laden weiterhin kostenpflichtig anzubieten. Wer aber Milch im Internet bestellt, bekommt sie gratis nach Hause geliefert. Auch diese weise Entscheidung trug nicht gerade zur Steigerung des Verkaufs bei.

Also wurde sie langsam wieder rückgängig gemacht; Milch gibt es nur ab und an noch gratis im Internet, immer häufiger muss auch dort dafür bezahlt werden. Was allerdings – zur grossen Verwunderung der Teppichetage – ebenfalls zu Einbrüchen im Verkauf führt.

Aber damit waren die Manager noch nicht am Ende mit ihrem Latein. Statt gewohnter Frischmilch liessen sie saure Milch abfüllen. Mit der Absicht, den Konsumenten zu erziehen. Umzuerziehen. Frische Milch sei ungesund. Ein verantwortungsbewusster Konsument liebt saure Milch. Alles eine Frage der Einstellung, und die könne, ja müsse geändert werden. Der Umwelt zuliebe. Den Kühen zuliebe. Noch besser als saure Milch sei daher Sojamilch. Hafermilch. Milchersatz. Teurer, aber noch nachhaltiger.

Zudem wurde die saure Milch noch eingefärbt. In Pink, in Grün, sogar der Regenbogen konnte hineingemecht werden. Damit sei die Milch aus der alten Geschlechterrolle befreit worden. Es gebe nun inklusive Milch, die auch die Bedürfnisse von nonbinären, hybriden, transsexuellen und überhaupt Transgender-Personen berücksichtigt.

Schliesslich versuchte es das Management, unterstützt von den Milchproduzenten, noch mit Warnhinweisen auf der schrumpfenden Packung. Denken Sie an die vielen Kinder auf der Welt, die keine Milch trinken können. Nicht nur schlucken, auch spenden. Seien Sie achtsam mit der Milch. Trinken Sie nur handgemolkene Milch.

Das Ziel wurde dann erreicht, als jeder Milchtrinker bei jedem Schluck ein schlechtes Gewissen hatte. Allerdings wurde immer weniger geschluckt, denn immer weniger Konsumenten waren bereit, für immer weniger saure Milch mit Belehrungen und Beschimpfungen immer mehr Geld auszugeben.

Da jammerte die Migros aber laut (und Coop, Lidl und Aldi schlossen sich an), die Nahrungsmittelverteilung sei schliesslich unabdingbar in einer funktionierenden demokratischen Gesellschaftsordnung. Das sei sozusagen ein Service Public, seine Einstellung würde zu schwersten Schäden führen. Daher müsse die sinnvolle Tätigkeit der Detailhänder unbedingt mit Subventionen unterstützt werden.

Dass Coop und Migros gleichzeitig eine gemeinsame Verkaufsplattform aus der Taufe hoben und damit Sondergewinne in Milliardenhöhe einfuhren, nun, das ändere ja nichts daran, dass der Milchverkauf schwer ins Stocken gekommen sei – und daher unbedingt subventioniert werden müsse.

Wegen mangelnder Nachfrage müssten in regelmässigen Abständen Kühe geschlachtet werden, und obwohl das eine Weichenstellung für qualitativ höhenwertige Milch sei, müsste der Konsument halt die Augen schliessen und zustimmende Geräusche machen, während er saure Milch hinunterwürgte, wobei ihm eigentlich kotzübel wurde.

Würde ein Manager bei der Migros – die ja auch vor Fehlern nicht gefeit ist – ein solches Zukunftsszenario bezüglich Milchverkäufe entwickeln, er würde nicht mal gefeuert. Sondern man würde unauffällig nach der Ambulanz schicken, eine Beruhigungsspritze setzen, vorsichtig die Zwangsjacke überstülpen und den Irren in eine gepolsterte Zelle verfrachten, deren Türe innen keine Klinke hat.

Keine dieser Massnahmen würde auch nur ernsthaft angedacht werden, geschweige denn, umgesetzt. Schon die Idee, für weniger Inhalt mehr Geld zu verlangen, würde mit ungläubigem Kopfschütteln und schallendem Gelächter beantwortet. Die Vorstellung, das Publikum, die Konsumenten erziehen zu müssen, würde als geschäftsschädigend vom Tisch gewischt.

Wenn Verkäufer die Konsumenten mit langfädigen Beschreibungen des eigenen Gemütszustands langweilen würden, den potenziellen Käufer mit Ratschlägen für eine bessere Lebensführung überschütteten, sie würden abgemahnt und anschliessend entlassen werden.

Aber bei Tamedia ist das alles Gang und Gebe. CH Media tut’s nicht ganz so aufdringlich. Dafür ist der «Blick» völlig enteiert, hat zwar noch grosse Buchstaben und bunte Bilder, aber scheut den Boulevard wie der Teufel das Weihwasser. Er macht keine Kampagnen mehr, gibt nicht mehr Volkes Stimme, lockt kaum noch mit absonderlichen Sexgeschichten; blutrot ist nur noch das Logo, und Ratgeber gibt es für alle Lebenslagen, bloss nicht mehr für Sex.

Schon der Sozialismus musste bitter erkennen: wer am Konsumenten vorbeiproduziert, seine Wünsche ignoriert, eine absurde Preispolitik betreibt – der ist zum Untergang verurteilt.

Exemplarisch führt das Tamedia vor. Das Management ist ideen- und hilflos und vergreift sich in der Wortwahl in einer Art, dass peinlich nur das Vorwort ist. Und die Mannschaft belehrt ungestüm die Kundschaft, haut ihr falsches Abstimmungsverhalten um die Ohren, kümmert sich angelegentlich um die Bedürfnisse sexueller Randgruppen und schreibt prinzipiell an den Interessen der Leserschaft vorbei.

Gleichzeitig sind die immer mutig mit dem Zeigefinger wackelnden Rechthaber feige und rückgratlos, wenn es um ihre eigenen Interessen geht. 200 Drucker auf der Strasse? Geschähe das bei irgend einer Firma in der Schweiz, man sähe die Halszäpfchen der Journis, so laut würden sie protestieren und halsen. Aber im eigenen Haus? Kein kritisches Wort, kein einziges. Duckmäusertum und Schweigen.

Es werden 90, 55, 47, 112, wer weiss es schon – Mitarbeiter gefeuert, als besondere Folter wird über Wochen nicht bekannt gegeben, wen’s trifft – schweigende Schockstarre. Bloss nicht auffällig werden, alle schlurfen mit dem Blick nach unten durch die Hölle des Newsrooms. Keiner wagt es, Versagern wie Bärtschi, Birrer, Peppel-Schulz oder Supino die Meinung zu sagen.

Oder kurz: Mitleid null, verdient haben sie’s, selber schuld sind sie. Diese Verkäufer halbleerer Packungen saurer und eingefärbter Milch.

Miserable Medien

Was gäbe es zum Fall Assange zu sagen?

Eigentlich vieles. Die langjährige Isolationshaft und die vorangehende Marter im Asyl in der ecuadorianischen Botschaft, die merkwürdigen Anschuldigungen aus Schweden, die mögliche Auslieferung an die USA, die keinerlei Gewähr dafür bieten, ihm einen rechtsstaatlich akzeptablen Prozess zu machen, allein das wären genug Gründe, damit jede anständige Tageszeitung täglich einen Button aufschalten müsste, mit dem auf Julian Assanges Schicksal hingewiesen wird.

Während Kritikaster wie Stefan Kornelius an der Person des Wikileaks-Gründers Assange herummäkeln, muss in Wirklichkeit dessen unschätzbarer Verdienst beim Durchleuchten vieler Dunkelkammern gelobt werden.

Das Video über die Ermordung von 12 Personen, darunter zwei Mitarbeiter von Reuters, in Bagdad durch den Bordschützen eines US-Helikopters im Jahre 2007, die Iraq War Logs von 2004 bis 2009, die Guantánamo Files von 2011, interne Dokumente der CIA, und, und, und. Wikileaks ist sicherlich die bedeutendste Enthüllungsplattform, seit es das Internet gibt.

Man kann nun über Landesverrat, die Gefährdung von Spionen und andere Probleme debattieren. Man kann die sicherlich nicht unproblematische Persönlichkeit von Assange kritisieren. Man kann auf dunkle Flecken hinweisen. Lange Zeit wurden sogar die Anschuldigungen von zwei Frauen aus Schweden zustimmend kolportiert, die Assange sexueller Übergriffe beschuldigten.

Zusammenfassend ist es aber völlig klar, dass er zu den Hauptfeinden des militärisch-industriellen Komplexes der USA gehört, weil es ihm immer wieder gelang, aus verschiedenen Quellen gewonnene, entlarvende interne Dokumente des Pentagons und anderer Staatsdunkelkammern unerschrocken zu veröffentlichen.

Im Gegensatz zu Edward Snowden war aber Assange die Gefahr nicht bewusst, in der er schwebte. Oder er ignorierte sie schlichtweg. Denn niemand enthüllt ungestraft Kriegsverbrechen des mächtigsten Militärimperiums der Welt, das grossen Wert darauf legt, trotz seiner schmutzigen Methoden als Siegelbewahrer alles Guten gesehen zu werden.

2012 hätte er aufgrund dubioser Anschuldigungen von England nach Schweden ausgeliefert werden sollen, von wo aus er womöglich an die USA weitergereicht worden wäre. Dieser Gefahr entzog er sich durch die Flucht in die ecuadorianische Botschaft in London. Dort verbrachte er die nächsten sieben Jahre.

Im April 2019 wurde er mit Einverständnis des US-freundlichen neuen ecuadorianischen Präsidenten in der Botschaft verhaftet; seither sitzt er im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Auslieferungshaft. Von seinem Umfeld wird sein körperlicher und geistiger Zustand nach all diesen Jahren der Isolation unter dem Damoklesschwert einer Auslieferung an die USA als besorgniserregend bezeichnet.

Wie sagte der ehemalige Gouverneur von Arkansas Mike Huckabee: «Alles ausser einer Hinrichtung ist eine zu milde Strafe.»

Assange hat einen hundertmal wichtigeren Beitrag zur Aufklärung und Enthüllung von schmutzigen Geheimnissen geleistet als all die Leaks, Papers, Secrets und anderen gehypten «Enthüllungen» mittels gestohlener Geschäftsunterlagen zusammen.

Obwohl er nicht völlig vom Radarschirm der Mainstreammedien verschwunden ist, geben sie angesichts dieser Lebensleistung und den Konsequenzen, die Assange ertragen muss, ein jämmerliches Bild ab. Ein Schreiberling wie Kornelius  – eine Schande des Berufs – darf unwidersprochen behaupten: «Die Publikation von einer Viertelmillion Datensätzen hält keinem Vergleich stand, in ihrer Masslosigkeit und Radikalität widerspricht sie allen journalistischen Grundsätzen». Das ist ein seltener Tiefpunkt in der daran nicht armen Geschichte der «Süddeutschen Zeitung» und von dieser kopierenden Tamedia.

Diese Organe haben, zusammen mit Helfershelfern weltweit, nie davor zurückgeschreckt, ihnen von anonymen Diebesbanden zugesteckte Datengebirge in Gigabyte-Grösse auszuschlachten und als Hehlerware zu verwenden. Die Resultate waren – im Vergleich zum Riesentamtam – sehr bescheiden. Niemals fiel ihnen dabei auf, dass immer ein einziges Land nie in diesen Datenmeeren vorkam: die USA. Zufall aber auch, wo eben diese USA die grössten Geldwaschmaschinen der Welt beherbergen, nirgendwo sonst schmutziges, kriminelles Geld sicherer und anonymer gelagert werden kann.

Dagegen die Leistung von Assange. Der Mann braucht offensichtlich dringend Erholung, Behandlung und die Sicherheit, dass er nicht in die Fänge der US-Wildwestjustiz gerät.

Erbärmlich wenig Medienorgane setzen sich dafür ein. Niemand will sich mit dem Land of the Free anlegen, dessen langer Arm – und dessen Armee von Helfershelfern und Schönschreibern – dafür sorgen, dass Assange höchstens eine Fussnote im aktuellen Hype um Nawalny bleibt.

Eine Schande, ein dicker Sargnagel für die Glaubwürdigkeit der westlichen Medien. Trotz aller anderweitiger Verirrungen gibt es allerdings in der Schweiz eine löbliche Ausnahme:

Das muss man der «Weltwoche» wieder neidlos anerkennen. Umso jämmerlicher wirkt der Rest der Schweizer Medien. Die beiden Kopfsalatkonzerne, der Blöd-«Blick», die NZZ oder der Gutmenschenfunk SRF, der sonst nie eine Gelegenheit auslässt, Diskriminierung und Unterdrückung zu beklagen. Wo bleiben sie hier?

Sie schauen sich ängstlich um, ob’s auch möglichst der grosse Bruder ennet des Teichs nicht sieht, dann heben sie ganz vorsichtig den Zeigefinger auf Bauchhöhe – und fahren ihn ganz schnell wieder ein, um sich mit grossen Taschentüchern den Angstschweiss von der Stirn zu wischen. Was für Feiglinge.