Huhn oder Ei

Wo liegen die Ursachen der allgemeinen Verblödung?

Kann sich die nordkoreanische oder russische Bevölkerung einigermassen wirklichkeitsnah über Dinge informieren, die nicht in deren unmittelbaren Lebenswirklichkeit liegen? Obwohl die Welt noch nie so kommunikativ erschlossen war wie heute, besteht diese Lebenswirklichkeit weiterhin aus  wenigen Quadratkilometern.

Was in Europa passiert, in den USA, in Uganda, auf den Kommodoren, in Tuvalu, Russland oder Nordkorea, das müssen wir aus zweiter Hand entnehmen. Entweder besteht diese zweite Hand aus dem unkontrollierten Krakeelen auf den asozialen Medien, mittels derer sich immer grössere Teile der Bevölkerung «informieren». Also davon, was sich wirklich abspielt, keine Ahnung haben.

Oder aber, wir müssen uns auf Nachrichtenagenturen und Korrespondenten verlassen. Sofern sie der Landessprache mächtig sind, was bei der Mehrzahl der China-Berichterstatter beispielsweise nicht der Fall ist, versuchen die, ein möglichst realitätsnahes Bild der Gesellschaft, ihrer Denkweise, von politischen Entscheidungsprozessen zu liefern.

Hervorragend gelingt das im Fall Russlands. Dort ist der Präsident wahlweise verrückt, krank, grössenwahnsinnig, machtgierig, ein Verbrecher, hat Minderwertigkeitskomplexe, brütet in finsterer KGB-Manier ein Mordkomplott nach dem anderen aus, blutrünstig, hinterlistig, sobald er den Mund aufmacht, lügt er.

Ähnliches gilt allerdings, muss man der Gerechtigkeit halber sagen, auch für den Präsidentschaftskandidaten Donald Trump in den USA. Während aber Russland bekanntlich eine Autokratie mit der Karikatur von freien Wahlen ist (bei denen es zum grossen Verdruss Putins leider kein Gegenkandidat schafft, die strenge Prüfkriterien für eine Teilnahme zu erfüllen), sind die Berichterstatter aus den USA etwas ratlos, wie sie ihren Lesern erklären sollen, dass schon wieder rund die Hälfte der Amis spinnt, bekloppt ist, Vollklatsche.

Selbst beim nordkoreanischen Dickerchen mit der speziellen Frisur verstehen die wenigsten Nordkorea-Versteher auf fernen Beobachtungsposten, dass der perfekt die «mad man»-Strategie umsetzt, was ihm (bislang) das Überleben an der Macht garantiert.

Im Allgemeinen funktioniert die Berichterstattung zunehmend nach einem einfachen Prinzip: je konfliktiver ein Thema, desto flacher, einseitiger, repetitiver, klischeehafter, unreflektierter ist die Berichterstattung. Man muss weit, meistens in die angelsächsischen Medien ausweichen, wenn man intelligenten Brainfood serviert bekommen will. CH Media ist genauso flach wie Tamedia, aber immerhin etwas zurückhaltender. Auch die NZZ zeigt deutliche Schwächeanfälle, die dem einmaligen Intelligenzlerblatt nicht anstehen. «Blick», es darf geplusst, Pardon, gelacht werden. WoZ von links, WeWo von rechts eiern auch, wobei die WeWo sich durch eine entschieden grössere Bandbreite auszeichnet, während die WoZ nur den Tunnelblick kennt. Und die «Republik» nimmt ja wirklich niemand mehr ernst.

Auf der anderen Seite: das Angebot findet (zwar schwindende) Nachfrage; reflektiert seine Dümmlichkeit also nur die Dümmlichkeit der Mehrheit der Leser? So nach der Devise: wieso sollen wir den Leser mit einer differenzierten Analyse belästigen, wenn Putin schlecht, Selenskyj gut doch ausreicht? Wieso die komplizierte Gesichte der Ukraine aufblättern, wo doch Russen Untermenschen, Ukrainer Helden reicht?

Wieso auf die fatalen Ähnlichkeiten der beiden Autokratien hinweisen, beide korrupt, mit Pressezensur und ruppigem Umgang mit Oppositionellen? Das will die Mehrheit der Leser nicht. Also kriegt sie es auch nicht.

Wo bleibt da der sonst so gepflegte Erziehungsauftrag? Der tobt sich mehr beim Umweltschutz, Klimaretten und Propaganda für untaugliche Alternativenergien aus. Dass es zur Sicherung der Energieversorgung den sofortigen Baubeginn von mindestens zwei AKW in der Schweiz bräuchte, diese banale Erkenntnis erschliesst sich den meisten Journalisten nicht.

Sogar im Gegensatz zu ihren Lesern. Richtig lustig wird’s da, wenn Tamedia der Mehrheit seiner Leser «kurzsichtigen Populismus» in die Fresse haut. Es gibt also einige Indizien, die darauf hinweisen, dass der durchschnittliche Redaktor dümmer ist als sein durchschnittlicher Leser.

Ist das nun eine gute oder eine schlechte Nachricht? Darüber sollte man nachdenken.

5 Kommentare
  1. Manfred
    Manfred sagte:

    Mein Senf zum sogenannten Henne/Ei-Problem: In einem Prozess legt etwas, das einer Henne ähnlich ist, etwas, dass einem Ei ähnlich ist, usw. Darwin und so …
    Und nun zum eigentlichen Thema dieses ‹rants› von Zackbum: Die Oberflächlichkeit ist m.E. eine Folge der Überforderung durch zu viel Information, die auch den aufgeklärten Zeitgenossen zunehmend dazu treibt, querzulesen und Wissenslücken durch wahlweise Ideologie oder Vorurteile aufzufüllen. (Wer kann es sich denn noch leisten keine Meinung zu haben, etwas nicht zu wissen, wo man doch alles googlen kann.) Erstaunlich dabei ist auch, dass uns das alles gar nicht direkt angeht: wir verstehen es nicht, wir können es nicht ändern und es macht meist auch keinen Unterschied. Was einen Unterschied macht ist der Unterhaltungswert der News; schliesslich ist das alles zum grossen Teil werbefinanziert, und da ist Langeweile verboten. Schliesslich darf auch die Macht der psycho-optimierten Werbemedien nicht unterschätzen. Alles was bleibt, sind also überforderte Narzisten, die sich freiwillig manipulativen Werbebotschaften aussetzen, um sich über Themen streiten, von denen sie nichts verstehen.

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  2. Noah Fetter
    Noah Fetter sagte:

    Herr Kommodore! – es heisst Komoren.
    Und die Frage nach dem Huhn und dem Ei ist längst gelöst. Nachzulesen in der Schöpfungsgeschichte: Genesis Kapitel 1, Vers 20-22. Dort steht geschrieben, dass Gott die Vögel erschaffen hat, nicht die Eier.
    Allen einen schönen Sonntag!

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    • Niklaus Fehr
      Niklaus Fehr sagte:

      Die biblische Lösung war mir bis anhin unbkannt. Ich wusste nur, dass sich ein Ei nicht aus dem Nichts entwickeln kann. Aber das ein Viech das lebend gebährt zu einem eierlegenden werden kann. Indem sich die Fruchtblase immer mehr verfestigt und zu einer Schale wird. Wäre auch für die Menschen eine Option. Weniger lang schwanger, dafür in einem Apparat ausbrüten.

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      • Beo B. Achter
        Beo B. Achter sagte:

        Auch für ein friedvolles Zusammenleben könnte es förderlich sein, wenn die Arterhaltung des Menschen dem der laichenden Fische gleichen würde. :-))

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