Wo liebt man sein System?

Bürger in der Schweiz und in China am zufriedensten.

Von Felix Abt

Die Schweizer und die Chinesen fühlen sich durch ihr Regierungssystem besser demokratisch vertreten als die Bürger jeder anderen Nation durch das ihre, so das Ergebnis einer grossen neuen Studie. Die Umfrage wurde von einer europäischen Einrichtung organisiert, die für ihre leidenschaftliche Verteidigung der westlichen liberalen Demokratie bekannt ist.  Der jährlich erscheinende «Democracy Perception Index» ist die weltweit grösste Studie über demokratische Einstellungen und erhebt jährlich Daten aus 52 Ländern in Asien, den USA, Lateinamerika und Europa. Er wird von dem Meinungsforschungsinstitut Latana für die Stiftung «Alliance of Democracies» in Europa durchgeführt.

Aus der Studie geht hervor, dass in der Schweiz und in China die geringste Lücke (9 %) klafft zwischen den demokratischen Erwartungen der Bürger und dem Umfang der tatsächlichen Vertretung, die sie als gegeben ansehen. In den USA dagegen sagten 63 %, dass die US-Regierung nur einer Minderheit diene.

Interessanterweise beschweren sich in den Vereinigten Staaten auch weit mehr Menschen über mangelnde Meinungsfreiheit als in vielen anderen Ländern, auch in den angeblich «zensierten» asiatischen Ländern. Wie kommt das? Der Individualismus und die im Westen als sehr wichtig empfundene freie Meinungsäusserung geniesst bei den Bürgern in Japan, Singapur, China und Malaysia, wie auch in Saudi-Arabien und Russland, einen weit geringeren Stellenwert als im Westen. Der Unterschied ist wichtig, wenn man unterschiedliche Gesellschaften verstehen will. Er wird aber zugunsten einer «der Westen hat Recht, der Osten hat Unrecht»-Haltung zum Thema ignoriert.

Wie jedes Jahr werden Politiker und Medienschaffende wieder behaupten, dass die Zahlen Chinas falsch sind, weil die 1,4 Milliarden Einwohner rund um die Uhr in Angst leben und nichts Negatives über die Behörden sagen können. Dies ist jedoch eine lächerliche Ansicht in einer Zeit, in der jeder, der Chinesisch versteht, Millionen von kritischen Kommentaren finden kann, wenn er sich in soziale Medien einloggt oder sich in Cafés in China unterhält.

Die auffälligen Ähnlichkeiten in den Einstellungen zwischen China,  Japan und Singapur zeigen, dass es an der Zeit ist, sich von dem Stereotyp «China als riesiges Gefängnis» zu verabschieden und offen zu sein für die Tatsache, dass sich die Einstellungen in Asien schlicht und einfach von denen im Westen unterscheiden.

Und «anders» bedeutet ja auch nicht unbedingt «schlecht». Aber das Gros der westlichen Medienberichterstatter haben diese Lektion, auf die viele Asiaten jahrzehntelang gewartet haben, immer noch nicht gelernt.

 

 

1 Antwort
  1. René Küng
    René Küng sagte:

    Danke Herr Abt, allein schon das Finden, aufmerksam machen, verlinken zu DPI, spannend.

    Hingegen etwas schade, dass der Artikel fast schon eine neue Kategorie erfordern würde:
    short & too short,
    denn in dem Thema steckt viel viel mehr (ich weiss, Sie wissen).
    Unterwürfigkeit, Gehorsam, Achtung (Angst?) vor der Autorität / dem Alter, werden dort von klein auf und in jeder Schule, KungFu Schule, Meditationsgruppe, Armee gelehrt. Indoktriniert?
    Und was früher auch bei uns noch etwas mehr so war, so gelebt wurde:
    inwiefern hat es damit zu tun, dass uns die Alten (und Autoritäten) abhanden gekommen sind?
    Weil die seit Jahrzehnten zunehmend mit Stutz verdienen, lobbyieren, mischeln beschäftigt sind, um dann die Kohle irgendwo steuerfrei zu bunkern?
    Wer findet da noch überzeugende Vorbilder, die leben was sie predigen?
    Geschweige Bundesräte (und rätterinnen), denn die letzten Politiker mit Integrität werden im Parlament ausgesiebt, that’s the system.

    Ganz interessant, dass es in den USA nicht nur brodelt, schon kocht 63% – bald pfeift’s denen um die Ohren.
    Während in der Schweiz, 9%, alles etwas länger dauert. Früher hiess es mal 5 Jahre, oder so.
    Bis die goldene Scheisse von dort bei uns gelandet und implementiert ist.
    Im Internetzeitalter…… mal sehen, wie der Schweizer Schminkkoffer ab Herbst aussieht.

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