Schlagwortarchiv für: USA

Venezuela: Einer hat gewonnen

Sieg Maduro oder grosser Beschiss?

Venezuela ist ein typisches Beispiel für das Versagen der Leitmedien. Das Land verfügt über eines der modernsten digitalen Abstimmungssysteme der Welt. Der seit 2013 herrschende Autokrat Nicolás Maduro behauptet, er habe die jüngsten Präsidentschaftswahlen knapp, aber mit absolutem Mehr gewonnen.

Die Opposition behauptet, laut ihren Auswertungen habe ihr Kandidat Edmundo González Urrutia 67 Prozent und Maduro nur 30 Prozent der Stimmen erhalten. Die USA haben González Urrutia bereits als Wahlsieger anerkannt.

Demgegenüber sagt der mexikanische Präsident Manuel López Obrador, es gebe keine Beweise für Betrug bei den offiziellen Zahlen. Die OEA (Organisation amerikanischer Staaten) hat einen Antrag der USA, Argentiniens, Uruguays und Paraguays zurückgewiesen, dass die venezolanische Wahlbehörde alle Unterlagen veröffentlichen solle. Das, obwohl 17 Mitgliedsstaaten dafür waren, sich 11 enthielten und 5 nicht anwesend waren. Es hätte aber das qualifizierte Mehr von 18 Stimmen gebraucht …

Diese Abstimmungsergebnis kam auf Betreiben der beiden linken Präsidenten von Mexiko und Brasilien zustande.

So weit, so alles unklar. Bereits 2018 war Maduros Wiederwahl von der EU, den USA und anderen Ländern nicht anerkannt worden; sie unterstützten den damaligen Parlamentspräsidenten Juan Guaidó, der sich selbst zum Präsidenten ernannt hatte. Vergeblich, Maduro konnte sich, unterstützt vom Militär, an der Macht halten.

Unbestreitbar ist, dass Venezuela durch Misswirtschaft und unerträgliche Korruption faktisch ruiniert ist, obwohl es über die grössten Erdölvorräte der Welt verfügt. 7,7 Millionen Venezolaner haben die Flucht ergriffen, im Land leben nur noch 28,3 Millionen, nach offiziellen Angaben. Das ist die prozentual grösste Flüchtlingswelle der Welt.

Dass der widerlich korrupte Maduroclan in der Bevölkerung keinen grossen Rückhalt mehr besitzt, ist – ausser in linken Kreisen – unbestritten. Auch sein Propagandagedöns, dass hier ein aufrecht linker Staat auf dem Weg zum Sozialismus von den imperialistischen USA bedrängt werde, verfängt immer weniger.

Das alles ändert aber nichts daran, dass bislang keine behaftbaren Zahlen vorliegen, die Sieg oder Niederlage Maduros bewiesen. Es gibt seine Behauptungen, es gibt die Behauptungen der Opposition, die sich auf eigene Auswertungen der Abstimmungsresultate in rund 80 Prozent aller Wahllokale stützen wollen.

Hier wäre es nun die Aufgabe von Recherchiermedien, den Wahlprozess, die Stimmenzählung, die möglichen Manipulationen etc. zu erklären und aufzuzeigen. Das findet in der spanischsprachigen Presse auch durchaus statt.

Da aber selbst die wenigen verbliebenen Korrespondent deutschsprachiger Medien nur über beschränkte Spanischkenntnisse verfügen – oder aber Ferndiagnosen aus Mexiko City, Sao Paulo oder wo auch immer abgeben –, wird der Leser mal wieder für dumm verkauft, bzw. mit all dem alleine gelassen, was ihm angeblich geliefert werden soll: Analyse, Einordnung, Hintergründe, Erklärungen.

Selbst die NZZ beschränkt sich darauf, eine DPA-Meldung ins Netz zu stellen, dass die USA den Oppositionskandidaten als Wahlsieger anerkannt haben.

Ist das eine erlaubte Einmischung in innere Angelegenheiten angesichts horrender Wahlfälschungen? Oder ein imperialistischer Übergriff, um ein unliebsames Regime zu destabilisieren?

Da wäre Recherche, Erklärung, Hintergrund gefragt. Stattdessen das übliche, repetitive copy/paste, viele Worte für: Genaueres weiss man halt nicht.

 

NZZ, quo vadis?

ZACKBUM wiederholt sich. Die NZZ leider auch.

Wenn ein Klugschwätzer wie Christoph Koopmann im fernen München via Tamedia UnausgegorenesPutin, der Pate») absondert, dann ist das halt eines der vielen Anzeichen des unaufhaltsamen Niedergangs.

Aber Peter Rásonyi ist immerhin Auslandchef der NZZ. Deren Auslandberichterstattung ist (meistens) ein Leuchtturm in der Tiefebene der deutschen Medienlandschaft. Ausser, wenn sich Rásonyi zu den USA äussert. Oder zum Krieg im Nahen Osten. Oder zum Ukrainekrieg.

Da nimmt auch Rásonyi ein von westlichen Geheimdiensten in die Welt gesetztes Gerücht für bare Münze: «Der russische Geheimdienst hat einen Mordanschlag auf den CEO des grössten deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall geplant.»

Hier erhebt sich langsam die Frage, ob der Sohn von Ungarn-Flüchtlingen unbedingt öffentlich ein Familientrauma abarbeiten muss. Dieses Propagandagetöse westlicher Geheimdienste, die notorisch falsch liegen, müsste dringlich auf seine Substanz abgeklopft werden. Sonst ist es nicht mehr als ähnliche unsinnige Behauptungen der russischen Propaganda. Aber für Rásonyi ist alles Anlass, seine ewig gleiche Schallplatte zu spielen: «Der Fall zeigt, dass der Krieg, den Präsident Putin seit mehr als zwei Jahren gegen die Ukraine führt, sich längst auch gegen den ganzen Westen richtet.» Kleines Problem: es gibt keinen Fall.

Aber wenn die Schallplatte sich mal dreht, dann kommt er nicht aus der Rille: «Derzeit stecken Putins Panzer in der östlichen Ukraine fest, aber niemand weiss, wie weit sie fahren würden, wenn sie könnten. Deshalb liegen all die angeblichen Friedensvermittler in Deutschland und ganz Europa falsch.»

Falscher als falsch liegt natürlich einer, der Rásonyi nahe und fern liegt: «Die Nato verhalte sich mit ihrer Unterstützung der Ukraine zunehmend wie eine kriegerischen Organisation, warnte der ungarische Ministerpräsident Orban diese Woche am Nato-Gipfel in Washington.»

Ganz falsch, donnert Rásonyi, denn er weiss, was richtig wäre: «Der Preis für Russlands Raubzug im Westen muss durch die starke Gegenwehr und die Unterstützung der Ukraine so hoch geschraubt werden, dass Putin künftig weder Mittel noch Anreiz zu solchen Verbrechen hat. Nur dann wird Europa wieder in Ruhe und Sicherheit schlafen können. Und genau das tun die Nato-Staaten, wenn sie die Ukraine unterstützen. Wenn die europäische Geschichte etwas gezeigt hat, dann den kontraproduktiven Effekt von Appeasement gegen brutale Diktatoren

Grosse Imperien unternehmen Raubzüge und wollen ihre Flanken schützen. Niemals würden es die USA akzeptieren, wenn Mexiko russische Militärstützpunkte zulassen würde. Als die Sowjetunion selig Atomraketen auf Kuba stationierte, die nicht näher an den USA waren als US-Atomraketen in der Türkei oder der BRD, endete das beinahe im Dritten Weltkrieg.

Schliesslich der «kontraproduktive Effekt von Appeasement gegen brutale Diktatoren». Der ewige schiefe Vergleich mit der Politik Grossbritanniens gegenüber Hitler vor dem Zweiten Weltkrieg. Wie alle Verkürzungen einer komplexen historischen Situation untauglich. Putin ist nicht Hitler mit Atomwaffen. Und hätte der Naziverbrecher solche besessen, wäre die Geschichte ganz anders ausgegangen. Hitler wollte nicht weniger als die ganze Welt erobern und die jüdische Rasse vernichten. Beides will Putin nicht.

Wenn ein Krieg nicht mit Verhandlungen endet, endet er mit der völligen Niederlage einer der beiden Kriegsparteien. Was ist an dieser einfachen, klaren und richtigen Analyse zu schwer zu kapieren? Die USA haben seit dem Zweiten Weltkrieg jede Menge Kriege verloren. Korea, Vietnam, Irak, Afghanistan, dennoch wurden sie niemals für die Verheerungen die sie anrichteten, zur Verantwortung gezogen. Ganz einfach, weil es niemanden gibt, der das einer Atommacht gegenüber tun könnte. Und Russland? Was soll an diesem Vergleich zu schwer zu kapieren sein?

Selbst die Militärmacht USA, die alleine so viel für Rüstung ausgibt wie die zehn nächsten Staaten zusammen, kam an ihre militärischen Grenzen; knapp bevor sie Atomwaffen in Vietnam einsetzte, wie es der verrückt gewordene General Westmorland forderte, so wie es zuvor General McArthur in Korea gefordert hatte. Eine Atommacht aus einem Krieg herausbugsieren, das geht nur mit Fingerspitzengefühl und Verhandlungen. Wer das als «Appeasement» denunziert, der zeigt ein bedenkliches Unvermögen zur Analyse.

Kann jedem passieren. Sollte dem Auslandchef der NZZ nicht passieren. Kann ihm einmal passieren. Aber in dieser hohen Kadenz und Wiederholung? Da hat God almighty Eric Gujer – bei all seiner atlantischen Sympathie – neben Beat Balzli noch ein zweites gröberes personelles Problem. Je schneller er es löst, desto besser für die NZZ.

Dummköpfe auf der Jagd

Reich, Russe, Geld weg. So dumm kann ein Weltbild sein.

In linken Kreisen ist’s ein ewig beliebtes Narrativ: Die Schweiz als Hort und Hüter grauslicher Gelder vom gesamten Abschaum der Welt. Steuerhinterzieher, Blutdiamantenhändler, Drogen- und Diktatorengelder – und nicht zu vergessen die reichen russischen Oligarchen, die nur zu Wohlstand kamen, weil sie Speichellecker Putins sind.

Beschlagnahmen, wegnehmen, verwerten. Wie meist zuvorderst fabuliert Fabian Molina, der SP-Nationalrat, Fan des Schwarzen Blocks und Vielschwätzer. Er wollte im Parlament erreichen, dass eine «Whistleblower-Hotline zur Aufdeckung russischer Oligarchengelder» eingerichtet wird. Ist der Bundesrat dazu bereit, fragte er schon 2022 inquisitorisch, «Wenn nein, warum nicht

Vielleicht deswegen nicht, weil staatliche Beihilfe zur Denunziation keine gute Idee ist? Wenn die Schweiz aus guten rechtsstaatlichen Gründen der «Oligarchen-Taskforce» nicht beitritt, schimpft Molina, sein Lieblingsgegner FDP betreibe «Politik für die faulen Eier auf dem Finanzplatz».

Dummschwätzer Molina hat bis heute nicht kapiert, worum es bei dieser Hetzjagd eigentlich geht. Er ist nicht der Einzige. Es geht einzig und allein um den ewigen Streit zwischen Finanzplätzen. Da hat die kleine Schweiz das Pech, dass sie hier ganz gross ist – und damit ein Dorn im Auge der anderen zwei ganz grossen. England und die USA.

Aberwitzig, aber wahr: einerseits haben in den vergangenen 20 Jahren viele reiche Russen Teile ihres Vermögens in die USA transferiert. Weil sie annahmen, dort sei es sicher und rechtsstaatlich geschützt. Aus dem gleichen Grund taten das reiche Russen in der Schweiz.

Nun wird es absolut absurd. Wie auch die NZZamSonntag einmal mehr aufzeigt, sind die USA bei solchen Finanzfragen schamlos verlogen. So wie sie sich im Steuerstreit als rächende Unschuld gebärdeten, in Wirklichkeit aber die grössten Steueroasen der Welt betreiben und nicht mal dem Informationsaustauschsystem AIA beitraten, tun sie so, als müssten sie andere Finanzplätze – wie die Schweiz – massregeln, dass die zu schlapp gegen russische Gelder vorgingen.

Das Gegenteil ist der Fall. Inzwischen ist es sogar so, dass reiche Russen – so sie noch können – ihre Gelder aus der Schweiz abziehen und in Sicherheit bringen. Wohin? Natürlich in die USA, wo in Delaware, in Texas, South Dakota, Alaska und Nevada weiterhin idyllische Zustände für alle herrschen, die den Zugriff auf ihre Vermögen erschweren oder verunmöglichen wollen. Angabe des Beneficial Owner, also des eigentlichen Besitzers eines Vermögens, das hinter einem Dickicht von Holdings, Trusts und Anwälten versorgen ist? In den USA Fehlanzeige. «Don’t tell, don’t ask», die alte Militärparole gegenüber Schwulen gilt auch hier.

Und während die pflichtbewussten – und treudoofen – Schweizer tapfer bekanntgaben, dass sie bis zu 150 Milliarden «russische» Gelder in der Eidgenossenschaft vermuten, sagen die USA dazu keinen Ton. Kritisieren aber lauthals die Schweiz, dass die «erst» einen einstelligen Betrag eingefroren habe.

Dabei ist die Wirklichkeit eine andere. Kaum noch eine Schweizer Bank – um nicht zu sagen keine – würde heute einen Russen, jemand mit russischen Verbindungen, jemand mit russischen Geschäftsbeziehungen als Neukunden aufnehmen. Compliance viel zu teuer, Risiko, vom Bannstrahl der OFAC getroffen zu werden, viel zu hoch.

Also geht der Russe in die USA, wo er in Delaware zum Beispiel in zehn Minuten einen Trust eröffnen kann. Das grösste Problem dabei: immer wieder einen neuen Namen finden. Sonstige Probleme: keine, and have a nice day.

Friedenstaube Schweiz

Ihr Ruf als neutraler Staat ist angekratzt. Der Bürgenstock soll’s richten.

Die Schweiz lädt zur grossen Friedenskonferenz in Sachen Ukraine. Dialog, erster Schritt für einen «umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden», behauptet das EDA.

Die öffentliche mediale Meinung dazu ist, gelinde formuliert, durchwachsen. Wie üblich recht staatshörig gebärdet sich mal wieder Tamedia. Da darf Aussenminister Cassis in einem Gastbeitrag für seinen «Friedensgipfel» werben.

«Beitrag leisten, im Geiste unserer Tradition, Verantwortung übernehmen, humanitäre Tradition, zuhören, sich austauschen, voneinander lernen».

Wunderbares Wortgeklingel. Aber vielleicht etwas weltfremd. Ob’s daran liegt, dass der Aussenminister laut eigenem Bekunden «keine Zeitungen mehr liest»? Könnte ihm deswegen entgangen sein, dass ein Friedensgipfel, an dem eine der beiden Kriegsparteien nicht teilnimmt, eher wenig Sinn macht? An den Pariser Friedensverhandlungen zum Vietnamkrieg, die von Kriegsverbrecher Kissinger torpediert wurden, nahmen immerhin Vietnam und die USA teil.

Aber auf dem Bürgenstock wird Russland fehlen. Man sei nicht eingeladen worden, heisst es aus Moskau, und überhaupt sei das eine Farce. Wie hochrangig die USA vertreten sein werden, steht noch in den Sternen. Präsident Biden wird im heraufziehenden Wahlkampf wohl nicht seine Zeit verschwenden, um für einen Grüssaugust-Gipfel in die Schweiz zu reisen.

Nur Ukraines Präsident Selenskyj will gerne anreisen. Aber nicht, um über Frieden zu verhandeln. Sondern um für weitere finanzielle Unterstützung und Waffen zu betteln. Was auch nicht sonderlich friedfertig ist. Zudem wird er wohl seinen «Friedensplan» wiederholen, der als Voraussetzung für Verhandlungen mit Russland den vollständigen Abzug russischer Truppen (inkl. Krim) und die Errichtung eines internationalen Kriegsverbrechertribunals zur ausschliesslichen Aburteilung russischer Verbrechen vorsieht.

Während Russland rundum eine Teilnahme ablehnt, verbrämt China seine Abwesenheit diplomatischer, es sei nicht der richtige Zeitpunkt dafür.

Das alles erinnert fatal an die «Wiederaufbau-Konferenz» von Lugano im Sommer 2022. Das war im Prinzip eine erfolgreiche Betteltour Selenskyjs, da bei einem in der Ferne liegenden Kriegsende an Wiederaufbau gar nicht zu denken ist. Denn sollte Russland seine Kriegsziele erreichen, will der Westen garantiert nicht die auf eroberten Gebieten entstandenen Schäden heilen.

Nun macht ein Friedensgipfel mit nur einem kriegerischen Teilnehmer, unter Abwesenheit Russlands und Chinas, unter fraglicher hochrangige Beteiligung der USA, schlichtweg keinen Sinn. Schlimmer noch: die Schweiz macht sich damit lächerlich und ramponiert ihr Image als neutraler Verhandlungsort noch mehr, als sie es durch die sklavische Befolgung aller EU- und USA-Sanktionen ohnehin schon tut.

Aber angesichts des elenden Zustands der grossen Massenmedien (vom Schweizer Farbfernsehen ganz zu schweigen) sind solche Erkenntnisse nicht jedem Journalisten gegeben. Offensichtlich wirkt die untertänige Obrigkeitshörigkeit aus der Coronazeit bis heute nach.

Wer war’s?

Nicht nur in einem Krimi eine gute Frage.

Die TV-Serie Columbo war grossartig. Nicht nur wegen des Hauptdarstellers, sondern auch, weil sie das klassische Krimimuster auf den Kopf stellte. Denn am Anfang konnte man dem Mörder beim Mord zuschauen. um dann gebannt zu verfolgen, wie es dem Kommissar («ich hätte da noch eine Frage») gelang, ihm auf die Schliche zu kommen.

Beim barbarischen Terrorakt von Moskau (ja, das ist eine Formulierung von Putin, ertappt) reklamiert eine Abspaltung des Islamischen Staats die Urheberschaft für sich. Offensichtlich kann sie das mit einigen Videos untermauern,

Das bedeutet aber noch lange nicht, dass ihr das alle abnehmen. Präsident Putin hat den Islamischen Staat Provinz Khorasan (IS-K) bislang mit keinem einzigen Wort erwähnt. Dafür macht er die Ukraine verantwortlich, zumindest als Helfershelfer. Sie habe den Attentätern, die laut russischen Aussagen in einer Grenzprovinz zur Ukraine festgenommen wurden, ein Fluchtfenster geöffnet.

Ganz anders sieht das der Militärexperte Albert Stahel. Der poltert auf «Inside Paradeplatz»: «Aufgrund ihrer Wirkungslosigkeit in Afghanistan ist es kaum vorstellbar, dass diese Splittergruppe von ihrer afghanischen Machtbasis aus, fähig gewesen wäre den Anschlag in Moskau zu planen, geschweige denn auszuführen.» Stattdessen sieht Stahel den russischen Geheimdienst FSB als möglichen Urheber, währenddessen SRF eine «Märchenstunde» abhalte, angefüttert von den Geheimdiensten BND und CIA.

Dieser Position kann man eine gewisse Originalität nicht absprechen. Der Terroranschlag auf einen Zug in Spanien, Bataclan in Paris, Nizza, Berliner Weihnachtsmarkt und nicht zuletzt 9/11: immer wieder zeigt es sich, dass westliche Gesellschaften nicht gegen brutale Terrorattacken gefeit sind. Ebenso wenig die autoritär kontrollierte russische.

Selbst in der überkontrollierten chinesischen Gesellschaft gab es Terroranschläge. Früher waren es häufig Links- oder Rechtsterroristen, wenn man beispielsweise an Italien denkt. Auch die spielen noch eine gewisse Rolle, vielleicht sollte man bei all diesen Anschlägen die Autobombe nicht vergessen, die der Rechtsextremist Timothy McVeigh 1995 in Oklahoma City zündete und die 168 Menschenleben forderte.

Die Liste ist leider endlos, auch wenn islamische Fanatiker in den letzten Jahren eindeutig die Haupttäter sind. Von ähnlichen Anschlägen in dieser Dimension durch christliche oder jüdische oder anderen Religionen angehörenden Fanatikern ist jedenfalls nichts bekannt.

Allerdings gibt es auch eine fatale Reaktion auf solche barbarischen Attentate. Die USA behaupteten nach 9/11 fälschlich, der Irak sei neben Afghanistan daran beteiligt. Resultat: völliges Desaster. Frankreich schlug in Mali zu, völliges Desaster. Israel wütet im Gazastreifen, Desaster.

Wer war’s nun in Moskau? Es sieht ganz danach aus, dass der Anschlag von Mitgliedern des IS-K durchgeführt wurde. Taten sie das ungeholfen – oder wurden sie unterstützt? Wenn ja, von wem? Dem russischen, ukrainischen, einem westlichen Geheimdienst? Die Lage ist unübersichtlich. Alleine Arthur Rutishauser versucht, eine kleine Kerze zu entzünden:

«Der einzige Hoffnungsschimmer, den es in dieser düsteren Lage gibt, ist, dass es doch ausgerechnet die Amerikaner waren, die Moskau vor Terroranschlägen warnten. Und dies, obwohl die Beziehungen zwischen Russland und den USA, zwischen Putin und Joe Biden, so schlecht sind wie kaum je zuvor.»

Zumindest wäre es interessant zu wissen, wie konkret diese Warnungen waren, ob sie Putin zu recht als «Provokationen» abtat – oder ob sich der autokratische Lenker im Kreml einmal mehr vertat.

Wer’s war, das ist hier wie in einem Columbo-Krimi von Anfang an klar. Motiv, Hintergründe, Helfershelfer? das würde nicht mal der geniale Detektiv herausfinden.

«Blick» in die USA

Man kann die Berichterstattung wirklich nicht mehr ernst nehmen.

Von Tamedia hat sich ZACKBUM diesbezüglich schon verabschiedet. Nun sagen wir auch leise Servus zum einzigen Organ mit Regenrohr im Logo. Denn da gluckert nur verdünntes Wasser durch. Wie das geht? Keine Ahnung, aber es geht.

Da hätten wir den einschlägig bekannten «USA-Kenner» Peter Hossli. Der vernachlässigt seine Pflichten als Leiter der Ringier Journalistenschule und gurkt auf Redaktionskosten durch die USA. Und beglückt den Leser mit Erkenntnissen wie: «Der Verlierer der republikanischen Vorwahlen am Super Tuesday heisst: Joe Biden (81). Dabei stand der Präsident bei den Republikanern gar nicht zur Wahl.» Ist’s auch gaga, so hat’s doch Methode. Aber glücklicherweise schützt die Bezahlschrank fast alle «Blick»-Leser davor, damit belästigt zu werden.

Aber die News von gestern ist von heute aus gesehen schon längst versickert. Denn nun gilt:

Warum? Weil der Mann so schrecklich geliftet ist, dass er wie eine Mumie auf Urlaub aussieht? Auch hinter der Bezahlschranke verborgen, räsoniert Samuel Schumacher: «Der US-Präsident legte in seiner Rede zur Lage der Nation einen brillanten Auftritt hin.» Da fragt man sich zunächst: was erlauben sich Schumacher? Der ist kein Head, kein Chief, kein Leiter, kein Chef, der ist einfacher «Ausland-Reporter» mit einem Auslauf, der ungefähr so gross ist wie sein Desk in der Hölle des Newsrooms.

Was hat denn Joe Biden gewuppt? «Eine Stunde und sieben Minuten lang sprach, ja rief Biden seine Rede mit ganz wenigen Versprechern in den Saal, zeigte sich kämpferisch und witzig, gut gelaunt und zuversichtlich.»

Wahnsinn. Gibt es auch Wermutstropfen? Ach, kleine, ganz kleine:

«Klar: Biden musste sich hie und da räuspern (eine Folge seines Säurereflux, unter dem etwa jeder fünfte Erwachsene leidet). Klar: Hie und da verhaspelte sich der auffällig schnell sprechende Präsident. Aber: Biden war witzig.»

Säurereflux, hat fast jeder, kein Problem, sagt Dr. med. Schumacher. In Rücksichtnahme auf den angenommenen IQ des «Blick+»-Lesers (Devise: wie kann man nur so blöd sein, dafür Geld auszugeben), macht Schumacher immer schön ein Fazit: «Stark! Trump wird schäumen! Biden ergreift im Nahen Osten die Initiative.»

Wunderbar, der Mann ist in einen Gesundbrunnen gefallen und hat Rejuvenierungspritzen gekriegt. Oder doch nicht? «Über weite Strecken hielt sich der US-Präsident an die sorgfältig ausgearbeiteten Sätze seiner Rede.» Aber dann, oh je: «Sobald er improvisieren muss, wird’s rasch schwierig für Biden. Und: In den drei bereits festgelegten Debatten gegen Donald Trump im Herbst wird er keine Teleprompter haben

Da machen wir doch auch mal ein Fazit, dem «Blick»-Niveau angepasst. Der 81-jährige Präsident ist noch in der Lage, einen Text weitgehend stotterfrei vom Teleprompter abzulesen, den ihm die besten Wortschnitzer der USA gebastelt haben. Super Leistung. Weicht er einmal davon ab, kommt er ins Haspeln und Stolpern. Beunruhigend.

Fazit: Hossli und Schumacher sollten sich mal ins Vernehmen setzen. Fazit: ist ein geliftetes, weisse Gesicht unter schütterem und schlecht drapiertem Haar abschreckender oder ein mit zu viel Bräuner zugeklatschtes Gesicht unter einer hellorangenen Fantasiefrisur, auf die Kim der Dickere eifersüchtig ist?

Schwierige Frage. Aber nicht einmal darauf antwortet der «Blick». Thema erledigt.

Huhn oder Ei

Wo liegen die Ursachen der allgemeinen Verblödung?

Kann sich die nordkoreanische oder russische Bevölkerung einigermassen wirklichkeitsnah über Dinge informieren, die nicht in deren unmittelbaren Lebenswirklichkeit liegen? Obwohl die Welt noch nie so kommunikativ erschlossen war wie heute, besteht diese Lebenswirklichkeit weiterhin aus  wenigen Quadratkilometern.

Was in Europa passiert, in den USA, in Uganda, auf den Kommodoren, in Tuvalu, Russland oder Nordkorea, das müssen wir aus zweiter Hand entnehmen. Entweder besteht diese zweite Hand aus dem unkontrollierten Krakeelen auf den asozialen Medien, mittels derer sich immer grössere Teile der Bevölkerung «informieren». Also davon, was sich wirklich abspielt, keine Ahnung haben.

Oder aber, wir müssen uns auf Nachrichtenagenturen und Korrespondenten verlassen. Sofern sie der Landessprache mächtig sind, was bei der Mehrzahl der China-Berichterstatter beispielsweise nicht der Fall ist, versuchen die, ein möglichst realitätsnahes Bild der Gesellschaft, ihrer Denkweise, von politischen Entscheidungsprozessen zu liefern.

Hervorragend gelingt das im Fall Russlands. Dort ist der Präsident wahlweise verrückt, krank, grössenwahnsinnig, machtgierig, ein Verbrecher, hat Minderwertigkeitskomplexe, brütet in finsterer KGB-Manier ein Mordkomplott nach dem anderen aus, blutrünstig, hinterlistig, sobald er den Mund aufmacht, lügt er.

Ähnliches gilt allerdings, muss man der Gerechtigkeit halber sagen, auch für den Präsidentschaftskandidaten Donald Trump in den USA. Während aber Russland bekanntlich eine Autokratie mit der Karikatur von freien Wahlen ist (bei denen es zum grossen Verdruss Putins leider kein Gegenkandidat schafft, die strenge Prüfkriterien für eine Teilnahme zu erfüllen), sind die Berichterstatter aus den USA etwas ratlos, wie sie ihren Lesern erklären sollen, dass schon wieder rund die Hälfte der Amis spinnt, bekloppt ist, Vollklatsche.

Selbst beim nordkoreanischen Dickerchen mit der speziellen Frisur verstehen die wenigsten Nordkorea-Versteher auf fernen Beobachtungsposten, dass der perfekt die «mad man»-Strategie umsetzt, was ihm (bislang) das Überleben an der Macht garantiert.

Im Allgemeinen funktioniert die Berichterstattung zunehmend nach einem einfachen Prinzip: je konfliktiver ein Thema, desto flacher, einseitiger, repetitiver, klischeehafter, unreflektierter ist die Berichterstattung. Man muss weit, meistens in die angelsächsischen Medien ausweichen, wenn man intelligenten Brainfood serviert bekommen will. CH Media ist genauso flach wie Tamedia, aber immerhin etwas zurückhaltender. Auch die NZZ zeigt deutliche Schwächeanfälle, die dem einmaligen Intelligenzlerblatt nicht anstehen. «Blick», es darf geplusst, Pardon, gelacht werden. WoZ von links, WeWo von rechts eiern auch, wobei die WeWo sich durch eine entschieden grössere Bandbreite auszeichnet, während die WoZ nur den Tunnelblick kennt. Und die «Republik» nimmt ja wirklich niemand mehr ernst.

Auf der anderen Seite: das Angebot findet (zwar schwindende) Nachfrage; reflektiert seine Dümmlichkeit also nur die Dümmlichkeit der Mehrheit der Leser? So nach der Devise: wieso sollen wir den Leser mit einer differenzierten Analyse belästigen, wenn Putin schlecht, Selenskyj gut doch ausreicht? Wieso die komplizierte Gesichte der Ukraine aufblättern, wo doch Russen Untermenschen, Ukrainer Helden reicht?

Wieso auf die fatalen Ähnlichkeiten der beiden Autokratien hinweisen, beide korrupt, mit Pressezensur und ruppigem Umgang mit Oppositionellen? Das will die Mehrheit der Leser nicht. Also kriegt sie es auch nicht.

Wo bleibt da der sonst so gepflegte Erziehungsauftrag? Der tobt sich mehr beim Umweltschutz, Klimaretten und Propaganda für untaugliche Alternativenergien aus. Dass es zur Sicherung der Energieversorgung den sofortigen Baubeginn von mindestens zwei AKW in der Schweiz bräuchte, diese banale Erkenntnis erschliesst sich den meisten Journalisten nicht.

Sogar im Gegensatz zu ihren Lesern. Richtig lustig wird’s da, wenn Tamedia der Mehrheit seiner Leser «kurzsichtigen Populismus» in die Fresse haut. Es gibt also einige Indizien, die darauf hinweisen, dass der durchschnittliche Redaktor dümmer ist als sein durchschnittlicher Leser.

Ist das nun eine gute oder eine schlechte Nachricht? Darüber sollte man nachdenken.

Die NZZ kann Hintergrund

Wieso ist sie damit so verdammt alleine?

Nachdem der zweitletzte Konkurrent von Donald Trump aufgegeben hat, herrscht allgemeines Rhabarber, was das denn nun bedeute. Ob Trump nun tatsächlich, Himmels willen, als Präsidentschaftskandidat der Republikaner gesetzt sei – oder ob Nikki Haley doch noch eine Chance habe.

Vermutungs- und Hoffnungsjournalismus, Pfeifen im Wald, Wundenlecken, die Journalisten sich selbstverschuldet durch unsinnige Prognosen zugefügt haben. Wildeste «würde, könnte, wenn, unter Voraussetzung, dass»-Turnereien.

Aber erklärt mal jemand, wie denn eigentlich das Vorwahlsystem der Republikaner genau funktioniert, was das für die weitere Entwicklung der Vorwahlen bedeutet? Dagegen spricht schon mal, dass es bei genauerer Betrachtung verdammt kompliziert ist.

Die Caucuses laufen nach verschiedenen Prinzipien ab, «the winner takes it all» gegen Proporzwahlsysteme, wobei eine absolute Mehrheit wieder Auswirkungen haben kann. Letztlich sieht es schwer danach aus, als ob Trump einen totalen Triumph einfahren könnte.

Woher ZACKBUM das weiss? Weil es die NZZ detailliert erklärt. Nolens volens endet der Autor Andreas Rüesch mit der düsteren Feststellung: «Trump könnte sogar einen eigentlichen Vorwahlkantersieg erringen, mit Erfolgen in sämtlichen Gliedstaaten. In der Geschichte der beiden Grossparteien ist dies, abgesehen von wieder antretenden Präsidenten, noch nie jemandem gelungen – und wäre, ohne Trumpsche Übertreibung, «really huge»

Das ist mal eine Analyse und Prognose mit Hand und Fuss. Kann doch gar nicht so schwer sein. Was unweigerlich zur Frage führt, wieso sich die übrigen deutschsprachigen Medien – vor allem auch die Deutschschweizer – dermassen damit schwertun, ihren Lesern inhaltlichen Mehrwert zu bieten?

Hier sind nur Vermutungen möglich, aber doch solche mit Hand und Fuss.

  1. Dem Journalisten ist die Zurschaustellung der eigenen Befindlichkeit wichtiger als die Befriedigung des Leserinteresses.
  2. Der Journalist sieht seine Aufgabe nicht in der möglichst akkuraten Wiedergabe der Wirklichkeit, sondern in der Beschreibung, wie sie sein sollte.
  3. Der Journalist will nicht rapportieren, was seiner Meinung nach ist, sondern wie es sein sollte, könnte, müsste.
  4. Der Journalist will nicht aufklären, sondern belehren, erziehen, das Richtige vom Falschen trennen, den Konsumenten bevormunden.
  5. Der Journalist möchte seiner schwindenden Bedeutung mit dem Reiten seiner Steckenpferde begegnen. Sei das Wokeness, Genderwahnsinn, Warnung vor einem neuen Faschismus oder Polemik gegen alles, was ihm nicht in den Kram passt.
  6. Der Journalist missbraucht schreiben oder berichten als Selbsttherapie, indem er den Konsumenten mit seiner eigenen Befindlichkeit langweilt.

Es ist eine allgemeine zunehmende Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Brötchengeber, dem Zahler zu verzeichnen. Es ist so eine Haltung, wie wenn der Verkäufer im Laden sagen würde: ach, Sie möchten dieses Produkt kaufen? Sind Sie sicher? Also ich würde das nicht tun. Und haben Sie sich schon mal überlegt, ob es nicht von Kindern in der Dritten Welt hergestellt wurde? Und überhaupt, wollen Sie nicht zuerst meine Meinung zum Produkt und über die Welt anhören?

Ein solcher Verkäufer würde hochkant auf die Strasse gestellt – oder der Laden ginge pleite. Aber im Journalismus …

Die Umschreiber

Zwischen Fakt und Fiktion. Selbstentleiber auf den Redaktionen.

Nehmen wir an, es passe nicht ins korrekte Weltbild, dass es schneit. Während vor den Fenstern dicke Flocken vom Himmel fallen, holt der Umschreiber in seiner Verrichtungsbox tief Luft, setzt sich die schalldämpfenden Kopfhörer auf und legt los.

Die Bezeichnung Schneefall für das Symptom des Klimawandels hält einer näheren Betrachtung nicht statt. Oberflächlich betrachtet sieht es danach aus, aber wie wissenschaftliche Untersuchungen erwiesen haben, sind die einzelnen Schneeflocken deutlich kleiner als früher, ihre kristalline Struktur ist durch Umweltverschmutzung zerstört. Das Gleiche gilt übrigens für die gedankenlose Verwendung von «es regnet».  Die Anzahl Regentropfen hat deutlich ab-, ihr Giftgehalt zugenommen. Genauer müsste man von saurem, toxischem Tröpfeln sprechen.

Es käme doch keiner der wahrhaftigen Wiedergabe der Realität verschriebenen Journalisten auf die Idee, einen solchen Stuss zu sabbern? Aber sicher doch.

Eine hochwissenschaftliche Studie zweier angesehener Professorinnen über die Karrierewünsche von Studentinnen wird mit untauglichen Argumenten niedergemacht. Die Wahlchancen von Donald Trump. Die angebliche Existenz eines Netzwerks von rechtspopulistischen und verschwörungstheoretischen Infokriegern. «SonntagsZeitung» und «Tages-Anzeiger» mit rechtspopulistischer Agenda. Die faschistoide, wenn nicht offen faschistische AfD. Die wünschens- und lebenswerte 10-Millionen-Schweiz. Alles Männer- (seltener Frauen-)Fantasien wie von einem anderen Planeten.

Die Abfolge an Beispielen reisst nicht ab und vermehrt sich täglich ins Absurde: in den meisten Massenmedien, ganz extrem aber bei Tamedia und im Randgruppenorgan «Republik», findet ein bemühtes Umschreiben der Wirklichkeit statt. Was nicht passt, wird passend gemacht. Framing, Narrative, festgelegte und unerschütterliche Weltbilder haben Neugier auf die Realität, auf die Fähigkeit, Widersprüchlichkeiten auszuhalten und darzustellen, besiegt.

Selbst krachende Niederlagen in der Vergangenheit vermögen nicht, Wiederholungen von blühendem Wunschdenken zu verhindern. Längst vergessen, dass das Schweizer Farbfernsehen noch tief in die Wahlnacht hinein es nicht wahrhaben wollte, dass die USA nicht zum ersten Mal eine Frau zur Präsidentin gewählt hatten. Auch nachher kamen die «Analysen» nicht über das Niveau hinaus, dass die Amis halt massenhaft ungebildete Schwachköpfe seien, die trotz strengen Ermahnungen falsch gewählt hätten.

Ein ewiger Topos bei diesen Umschreibern ist auch das Verhältnis der Schweiz zur EU. Auch wenn sich angesichts völlig klarer Meinungsumfragen kaum einer mehr traut, offen für den Beitritt zu diesem dysfunktionalen Gebilde mit einer absaufenden Währung zu fordern, wird in Dauerschleife das Abseitsstehen der Schweiz, die Rosinenpickerei, die dramatischen Auswirkungen auf Forschung und Wirtschaft bedauert und bejammert. Es sei vermessen, einen «Sonderweg» zu wählen, sich nicht dreinzuschicken. Nur «Populisten» von der SVP verträten diese irrige Meinung. Damit schreiben diese Besserwisser an der Mehrheit ihrer eigenen Leser vorbei.

Einen Erziehungsauftrag sehen viele, meist männliche Kampfschreiber auch auf dem Gebiet der korrekten Schreibe und Denke. Jedes Sprachverbrechen, jede Verunstaltung ist ihnen recht, wenn sie angeblich inkludierend, nicht rassistisch, nicht frauenfeindlich sei. Dass der überwältigenden Mehrheit der Leser das Gendersternchen und andere Verhunzungen nicht nur schwer am Allerwertesten vorbeigehen, sondern von ihr als nervig und störend empfunden werden – was soll’s, da sieht die Chefredaktorin von Tamedia nur verschärften Erziehungsbedarf.

Interessant zu beobachten ist, dass sich CH Media weitgehend bedeckt und normal verhält, was das Umschreiben der Wirklichkeit betrifft. Der «Blick» ist gegenüber seinem früheren Lieblingsfeind, der SVP und ihrem Herrgöttli aus Herrliberg, oder ihrem «Führer», wie ihn das Hausgespenst zu titulieren beliebte, handzahm geworden. Aber auf dem Weg dorthin hat sich das Boulevardblatt, das keins mehr sein darf, selbst entkernt, entleibt, seiner Existenzberechtigung beraubt.

Einigermassen vernünftig verhält sich lediglich die NZZ, die sich gelegentlich intellektuell und sprachlich hochstehend über all diese Genderverirrungen der Kollegen lustig macht.

Wenn es nur der Kampf um den Mohrenkopf wäre, könnte man das als realitätsfernen Spleen einiger Journalisten abtun, die sich an der Sprache abarbeiten, weil ihnen die Realitätsbeschreibung zu anstrengend ist. Aber leider metastasiert dieses Phänomen in alle Winkel und Räume der Welt. Erschwerend kommt noch hinzu, dass immer mehr Journalisten fachfremd, ungebildet und ohne Hintergrundwissen sind. Ein peinliches Trauerspiel, wie die gesamte Schweizer Wirtschaftsjournaille eins ums andere Mal von angelsächsischen Medien bei der CS-Katastrophe abgetrocknet wurde.

Multikulti, Ausländerkriminalität, Aufarbeitung des Regierungshandelns während Covid, die Suche nach der Wirklichkeit im Ukrainekrieg, eine realitätsnahe Darstellung Chinas und anderer gegendarstellungsfreier Räume, Interviews, in denen dem Gesprächspartner nicht einfach Stichwörter zur freien und beliebigen Beantwortung hingeworfen werden – da herrscht zunehmend «flat lining». So nennt der Arzt den Hirntod, wenn auf dem Monitor nur noch flache Linien statt Ausschläge zu sehen sind.

Es ist eine Mär, dass mit weniger Mitteln halt nur noch Mittelmässiges, Mittelloses hergestellt werden könnte. Ein Blick aus dem Fenster genügte, um zu faszinierenden Storys zu kommen. Denn nie war die Wirklichkeit bunter, scheckiger, widersprüchlicher, interessanter, faszinierender, verwirrender als heute. Aber das muss man aushalten können.

Schlimmer noch: um das zu beschreiben, braucht es gewisse intellektuelle Voraussetzungen und sprachliche Fähigkeiten. Aber in ihrem tiefsten Inneren wissen viele dieser Rechthaber, Umschreiber, Umerzieher, dieser Worthülsenwerfer («dringend geboten, müsste sofort, energische Massnahmen, Fehler korrigieren»): damit decken sie nur das eigene Unvermögen zu, die tiefe Verunsicherung, die mangelhafte Beherrschung der deutschen Sprache zwecks Annäherung an die Wirklichkeit.

Aber es ist wie bei des Kaisers neuen Kleidern: immer mehr Leser sehen, dass diese selbsternannten Meinungskönige pompös daherschreiten, mit strengem Blick Zensuren verteilen, Handlungsanweisungen geben, der Welt sagen, wie sie zu sein hätte – aber in Wirklichkeit nackt sind. Lächerlich nackt. Und was ist schon ein lächerlicher Kaiser? Das Gleiche wie ein lächerlicher Journalist: überflüssig und machtlos.

Vorwärts, es geht zurück

Moderne Kriegsberichterstattung: Massaker an der Wahrheit.

Wie steht es denn nun mit der grossen Offensive der Ukraine? Geländegewinne, Durchbruch, die russische Front wankt, Putin wackelt, Prigoschin schwebt über seinen Wagner-Söldnern? Gibt’s die eigentlich noch?

Will Selenskyj die Krim zurückerobern oder ist er verhandlungsbereit? Bringt der deutsche Leopard etwas oder wird er reihenweise abgeschossen? Ist Uranmunition, sind Streubomben nun eigentlich geächtet oder nur dann, wenn sie von Feinden der Freiheit eingesetzt werden?

Desertieren russische Soldaten massenhaft oder kaufen sich Ukrainer massenhaft vom Wehrdienst frei, in einer der korruptesten Armeen der Welt? Werden russische Soldaten in der Knochen- und Blutmühle verheizt oder hat die Ukraine bereits 400’000 Mann Verluste zu verzeichnen?

Nehmen wir einen Querschnitt durch die deutsche Medienlandschaft: «Militärexperte Gustav Gressel über die Lage an der Front» («Stern»). Was weiss der Militärexperte im fernen Berlin über die Front? «Auf der russischen Seite sieht man schon deutliche Verschleißerscheinungen».

««Gepanzerte Faust» soll Putins Truppen zerschlagen» («Frankfurter Rundschau»). «Die Ukraine setzt auf eine ‚gepanzerte Faust‘, um jetzt durch die nächsten Linien zu stoßen, erklärte der österreichische Oberst Markus Reisner.»

««Kann ich nicht nachvollziehen». Major kritisiert Deutschlands Taurus-Zögern» («zdf Nachrichten»). Nein kein Major, Claudia Major weiss: «Die Ukraine hat in der Tat in den letzten Tagen große Fortschritte gemacht und hat die Initiative in der Offensive wieder.»

«Die entscheidende Frage der Gegenoffensive» («Welt»). Eine Stimme der Nachdenklichkeit: «Die Ukraine hat bei ihrer Offensive im Süden eine wichtige Verteidigungslinie durchbrochen. Das als entscheidende Erfolgsmeldung zu werten, ist jedoch ein Irrtum. Denn der Durchbruch hat einen hohen Preis

«Militärexperte: Höhepunkt der ukrainischen Offensive rückt näher» («Berliner Zeitung»). Auch hier ein Zukunftsseher mit Rückversicherung: «Militäranalyst Franz-Stefan Gady geht davon aus, dass es in den nächsten Wochen zu entscheidenden Kämpfen kommt.» Ausser, es kommt in den nächsten Wochen zu nicht entscheidenden Kämpfen. Oder so.

Vorwärts oder Rückzug? Gepanzerte Faust oder Abnützungserscheinungen? Demoralisierte Russen oder verzweifelnde Ukrainer?

Unglaublich, aber wahr: das Publikum, die Öffentlichkeit war wahrscheinlich über den Krimkrieg (1853 bis 1856) besser und umfassender informiert als wir heute über den Ukrainekrieg. Instant News via Internet, (wenige) Kriegsreporter vor Ort, massenhaft Analysten in der sicheren Etappe. Fernseher und Fernheiler und Ferndiagnostiker bis zum Abwinken.

Die Offensive ist steckengeblieben, ist erfolgreich, hat Durchbrüche erzielt, hat keine nennenswerte Erfolge gezeitigt. Die Russen sind am Ende, die ukrainische Armee ist am Ende. Den Russen geht das Material aus, der Ukraine geht das Material aus. Die russischen Waffen sind veraltet und untauglich, die westlichen Waffen sind nicht so überlegen, wie behauptet wird.

Was weiss man sicher? Eigentlich nur, dass gebombt, gekämpft und gestorben wird. Dass es hier nicht um einen Endkampf zwischen Freiheit und Demokratie gegen slawischen Untertanengeist und Diktatur geht. Sondern dass ein korruptes Regime mit einer Verbrecherclique an der Macht ein anderes korruptes Regime überfallen hat und sich gewaltig täuschte, wie einfach das sei.

Dass hier ein Stellvertreterkrieg stattfindet, aus dem China als der lachende Dritte auf jeden Fall als Sieger hervorgehen wird. Die Verlierer sind die ukrainische und die russische Bevölkerung. Die Verlierer sind die Europäer, wieder einmal nicht zu einer eigenständigen Aussenpolitik oder zur Verteidigung ihrer Interessen in der Lage. Der Verlierer ist das Putin-Regime. Als wortbrüchiger, unfähiger Haufen entlarvt, die russische Armee in all ihrer Unfähigkeit bis zur Lächerlichkeit demaskiert. Die russischen Waffensysteme weitgehend Schrott. Das wird vielen Waffenkäufern schwer zu denken geben.

Natürlich sind auch die zarten Anfänge einer Demokratie in der Ukraine niedergemacht worden. Opposition mundtot gemacht, eine Pressezensur, die der russischen in nichts nachsteht. Genauso wenig wie die ukrainische Oligarchenclique. Der Unterschied zur russischen besteht nur darin, dass sie Putin domestiziert hat und dominiert. Während sich Selenskyj zwar einigen seiner ehemaligen Förderer und Geldgeber entledigt hat, aber weiterhin über ein Regime herrscht, das im Korruptionswettbewerb ebenfalls mit Russland mithalten kann.

Aber all das sind Probleme der Ukrainer und der Russen. Unsere Problem ist: das Wort von der Lügenpresse trifft nur deswegen nicht ins Schwarze, weil in westlichen Medien nicht nur gelogen wird. Es ist schlichtweg auch reine Unfähigkeit, Hilflosigkeit, Uninformiertheit, mangelnde Kenntnis historischer Zusammenhänge, Gesinnungsjournalismus, mit anderen Worten ein allgemein erbärmliches Niveau der Journaille zu beklagen.

Wenn man den Lackmustest machen könnte, was wäre wohl das Resultat? Eine einfache Frage: wie viele der Ukraine-Berichterstatter kennen die Namen Stepan Bandera oder Kolomojskyj? Kleiner Tipp: es sind sicherlich weniger als 50 Prozent. Fügen wir noch die Frage hinzu: wie viele der ukrainischen Juden fielen im Zweiten Weltkrieg dem Holocaust zum Opfer, und welche Rolle spielten dabei grosse Teile der ukrainischen Bevölkerung, dürften wir mit den richtigen Antworten in den einstelligen Bereich der Berichterstatter kommen.

Das ist unser Problem, und es ist ein gravierendes. Aber Problembewusstsein? Ach was. Viel wichtiger ist doch: war der Sommer nun in der Schweiz zu heiss oder zu kalt? Zu trocken oder zu feucht? Und wie wird das Wetter am kommenden Wochenende? Kann man sich auf die Zahlen von SRF Meteo nun verlassen oder nicht? Das sind doch die weltbewegenden Themen. So ein blöder Krieg, eigentlich weit weg, unter Beteiligung einer Atommacht, na und? Ach, und die Schweizer Neutralität? Irgendwie schon, aber dann doch nicht wirklich. Oder so.