Röhrenförmiges Blickfeld
Japsen und abschreiben. Das Elend des Journalismus.
Ist Mark Zuckerberg dem designierten US-Präsidenten Donald Trump hinten reingekrochen? Herrschen jetzt im Meta-Universum (Facebook, Instagram & Co.) auch anarchische Zustände wie auf X? Elon Musk plaudert mit der deutschen Kanzlerkandidatin der AfD Alice Weidel. Trump schliesst den Einsatz von Gewalt bei der Aneignung Grönlands und des Panama-Kanals nicht aus.
So nebenbei: tobt in der Ukraine nicht weiter ein Krieg? Legen die Israelis nicht weiter den Gazastreifen in Schutt und Asche, wenn das überhaupt noch möglich ist? Operieren israelische Truppen nicht völkerrechtswidrig im Libanon und in Syrien? Werden im Nahen Osten nicht weiterhin von allen Kriegsparteien Kriegsverbrechen begangen?
Aber es ist ein bekanntes Phänomen, dass sich die Journaille nur schwer auf mehr als ein Überthema konzentrieren kann. Das gilt nicht nur für Kriege, sondern auch für ganze Themengebiete.
Und das Themengebiet Social Media und Plattformen ist mit Mark Zuckerberg und Elon Musk abgedeckt.
Wer hat da noch den Schnauf, über Ma Huateng, Jack Ma, Zhang Yiming oder Jensen Huang zu berichten? Who? Huang ist CEO von Nvidia: der Halbleiterhersteller, der die nötige Technologie für KI-Anwendungen liefert, war letztes Jahr mal der wertvollste Konzern der Welt, mit einer Markkapitalisierung von 3,35 Billionen Dollar. Inzwischen ist er «nur» noch der zweitwertvollste.
Jack Ma und Zhang Yiming, obwohl inzwischen in den Hintergrund getreten (worden), haben Alibaba und Bytedance aufgebaut. Und Ma Huateng schliesslich ist der Chef von Tencent, der wohl umfangreichsten Plattform im ganzen Internet.
Alleine WeChat hat täglich 1,1 Milliarden Nutzer, doppelt so viele wie X. Allerdings haben die Platzhirsche Facebook (3 Milliarden) und YouTube (2,5 Milliarden) noch ein paar mehr, und auch WhatsApp und Instragram (je 2 Milliarden) haben die Nase vorn.
Aber bei den chinesischen Plattformen (inklusive TikTok mit 1,5 Milliarden Nutzern pro Tag) herrscht ein ganz anderes Verständnis von Datenschutz einerseits und Meinungsfreiheit andererseits. Datenschutz ist eigentlich hinexistent, Meinungsfreiheit ebenfalls. Das Sozialkredit-System soll offiziell zu mehr Aufrichtigkeit im Verhalten führen. Allerdings dient es zusammen mit einer ungeheuerlich effizient arbeitenden Gesichtserkenntungssoftware dazu, einen Überwachungsstaat in China zu installieren, gegen den Orwells «1984» Kinderkram ist.
Und schliesslich herrscht in China viel mehr als im kapitalistischen Westen das Primat der herrschenden Partei über die Wirtschaft. Selbst so mächtige Männer wie Jack Ma bekamen das zu spüren, wenn sie sich zu aufmüpfig gebärden. Und schliesslich verfolgen Chinas Machthaber keine Politik von den letzten Wahlen zu den nächsten. Sondern es gibt schlichtweg keine, und die Politik folgt Strategemen, die Zeiträume von 25 Jahren umfassen.
Das sind eigentlich mindestens so interessante Themen wie die Beschäftigung mit Zuckerberg, Musk oder Trump. Aber dafür bräuchte es ja Fachkenntnis und Überblick. Woher soll der auch kommen, wenn in der Hölle des Newsrooms Kindersoldaten und frustrierte Überlebende der letzten Kündigungswelle News am Laufmeter raushauen müssen, weil ihre Leistung an nichts anderem als an der Verweildauer der Leser auf ihren Werken gemessen wird.
Und da die Einschaltquote bei aktuellen Überthemen (Los Angeles, Waldbrand!) riesig, bei anderen wichtigen Themen eher gering ist, ist es klar, welche Themen bevorzugt behandelt werden.