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Sittenverluderung

Darf man (mutmassliche) Massenmörder foltern?

Es gibt Verbrechen, bei denen die Volksseele hochkocht. Kinderschänder, Mörder, die ihr Opfer bestialisch quälen. Vollwahnsinnige wie Anders Breivik, der kaltblütig herumspazierte und junge Menschen abknallte. Überhaupt fundamentalistische Wahnsinnige, die immer wieder abscheuliche Taten begehen. Die unschuldige Zivilisten treffen, darunter auch Frauen und Kinder. Verabscheuungswürdig, widerlich, ekelerregend.

Da ist man schnell mit scharfen Worten zur Hand. Kopf, bzw. Schwanz ab. Kurzer Prozess. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Soll mindestens so leiden wie das oder die Opfer. Eine Zelle ist zu schade für den. Überlasst den nur mal für fünf Minuten mir. Wieso gibt es keine Todesstrafe mehr.

Und so weiter.

Nun tut beispielsweise Tamedia sehr gschamig: «Die Redaktion verzichtet auf detaillierte Bilder, welche die offenbar gefolterten Männer zeigen.»

Der «Blick» ist auch leicht derangiert, verbirgt das aber schamvoll hinter der Bezahlschranke:

 

Das Ex-Boulevardblatt bringt zwar das gleiche Foto von einem der mutmasslichen Täter, deckt ihn aber mit einem schwarzen Balken ab. Unschuldsvermutung, you know.

CH Media und die NZZ verzichten darauf, das geschundene Gesicht zu zeigen.

Da erheben sich einige Fragen. Ist die Reaktion: recht geschieht’s ihm, angebracht? Darf ein Staat, der sich etwas darauf einbildet, ein zivilisierter Rechtsstaat zu sein, foltern?

Natürlich ist die Antwort nein. In Deutschland gab es einmal die Situation, dass ein Entführer von der Polizei gefasst wurde. Sein Opfer drohte im von ihm gebauten Versteck zu ersticken, der Täter wollte aber den Standort nicht bekanntgeben. Da drohte ihm ein Vernehmungsbeamter körperliche Gewalt an.

Die USA lassen foltern oder betreiben Knäste wie Guantánamo auf Kuba; ein rechtsfreier Raum, der im Übrigen gegen den erklärten Willen der kubanischen Regierung existiert. Natürlich wird in vielen Ländern der Welt Folter angewendet. Legal, illegal, scheissegal.

Vielleicht hilft eine Erinnerung an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte:

«Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.»

Pipifax, kommt darauf an, im Prinzip ja, aber …?

Nein, es kommt nicht darauf an. Jeder Staat, seien das die USA oder sei das Russland (oder die Ukraine), der sich solcher Methoden bedient, hat sich verächtlich gemacht.

Kommt auch nicht mehr darauf an? Eben doch; solche Themen und Fragen sind tausendmal wichtiger als alles Geblödel über Gendern oder den angeblich korrekten Gebrauch der deutschen Sprache.

Aber hiergegen protestieren, das braucht eben ein Mü mehr Hirnschmalz als ein Gendersternchen einzufordern.

Wer war’s?

Nicht nur in einem Krimi eine gute Frage.

Die TV-Serie Columbo war grossartig. Nicht nur wegen des Hauptdarstellers, sondern auch, weil sie das klassische Krimimuster auf den Kopf stellte. Denn am Anfang konnte man dem Mörder beim Mord zuschauen. um dann gebannt zu verfolgen, wie es dem Kommissar («ich hätte da noch eine Frage») gelang, ihm auf die Schliche zu kommen.

Beim barbarischen Terrorakt von Moskau (ja, das ist eine Formulierung von Putin, ertappt) reklamiert eine Abspaltung des Islamischen Staats die Urheberschaft für sich. Offensichtlich kann sie das mit einigen Videos untermauern,

Das bedeutet aber noch lange nicht, dass ihr das alle abnehmen. Präsident Putin hat den Islamischen Staat Provinz Khorasan (IS-K) bislang mit keinem einzigen Wort erwähnt. Dafür macht er die Ukraine verantwortlich, zumindest als Helfershelfer. Sie habe den Attentätern, die laut russischen Aussagen in einer Grenzprovinz zur Ukraine festgenommen wurden, ein Fluchtfenster geöffnet.

Ganz anders sieht das der Militärexperte Albert Stahel. Der poltert auf «Inside Paradeplatz»: «Aufgrund ihrer Wirkungslosigkeit in Afghanistan ist es kaum vorstellbar, dass diese Splittergruppe von ihrer afghanischen Machtbasis aus, fähig gewesen wäre den Anschlag in Moskau zu planen, geschweige denn auszuführen.» Stattdessen sieht Stahel den russischen Geheimdienst FSB als möglichen Urheber, währenddessen SRF eine «Märchenstunde» abhalte, angefüttert von den Geheimdiensten BND und CIA.

Dieser Position kann man eine gewisse Originalität nicht absprechen. Der Terroranschlag auf einen Zug in Spanien, Bataclan in Paris, Nizza, Berliner Weihnachtsmarkt und nicht zuletzt 9/11: immer wieder zeigt es sich, dass westliche Gesellschaften nicht gegen brutale Terrorattacken gefeit sind. Ebenso wenig die autoritär kontrollierte russische.

Selbst in der überkontrollierten chinesischen Gesellschaft gab es Terroranschläge. Früher waren es häufig Links- oder Rechtsterroristen, wenn man beispielsweise an Italien denkt. Auch die spielen noch eine gewisse Rolle, vielleicht sollte man bei all diesen Anschlägen die Autobombe nicht vergessen, die der Rechtsextremist Timothy McVeigh 1995 in Oklahoma City zündete und die 168 Menschenleben forderte.

Die Liste ist leider endlos, auch wenn islamische Fanatiker in den letzten Jahren eindeutig die Haupttäter sind. Von ähnlichen Anschlägen in dieser Dimension durch christliche oder jüdische oder anderen Religionen angehörenden Fanatikern ist jedenfalls nichts bekannt.

Allerdings gibt es auch eine fatale Reaktion auf solche barbarischen Attentate. Die USA behaupteten nach 9/11 fälschlich, der Irak sei neben Afghanistan daran beteiligt. Resultat: völliges Desaster. Frankreich schlug in Mali zu, völliges Desaster. Israel wütet im Gazastreifen, Desaster.

Wer war’s nun in Moskau? Es sieht ganz danach aus, dass der Anschlag von Mitgliedern des IS-K durchgeführt wurde. Taten sie das ungeholfen – oder wurden sie unterstützt? Wenn ja, von wem? Dem russischen, ukrainischen, einem westlichen Geheimdienst? Die Lage ist unübersichtlich. Alleine Arthur Rutishauser versucht, eine kleine Kerze zu entzünden:

«Der einzige Hoffnungsschimmer, den es in dieser düsteren Lage gibt, ist, dass es doch ausgerechnet die Amerikaner waren, die Moskau vor Terroranschlägen warnten. Und dies, obwohl die Beziehungen zwischen Russland und den USA, zwischen Putin und Joe Biden, so schlecht sind wie kaum je zuvor.»

Zumindest wäre es interessant zu wissen, wie konkret diese Warnungen waren, ob sie Putin zu recht als «Provokationen» abtat – oder ob sich der autokratische Lenker im Kreml einmal mehr vertat.

Wer’s war, das ist hier wie in einem Columbo-Krimi von Anfang an klar. Motiv, Hintergründe, Helfershelfer? das würde nicht mal der geniale Detektiv herausfinden.

Gemeinsam ins Elend, Teil II

Endlich: Tagi und NZZ Seit´ an Seit´.

Der Qualitätskonzern Tamedia dilettiert im Nahen Osten. Da will die NZZ nicht abseits stehen. Der immer wieder mit klugen Kommentaren aufgefallene Chefredaktor und God Almighty Eric Gujer schielt nun aber in seinem aktuellen «anderen Blick» ganz gewaltig:

Mit diesem «Newsletter» wendet sich Gujer speziell an seine «Leserinnen und Leser in Deutschland». Hier in seiner Eigenschaft als Transatlantiker, Militärstratege und unverzichtbarer Ratgeber von Regierungen. Seine verbalen Marschflugkörper schiesst Gujer insbesondere gegen die deutsche Regierung ab.

Zunächst lässt er Insiderkenntnisse über den Taurus auf den Leser niederregnen: «Der Marschflugkörper weist eine hohe Reichweite und Präzision auf und zerstört gehärtete Ziele wie Bunker zuverlässig. Das hebt ihn von französischen und britischen Cruise-Missiles ab.»

Aber solche einzelnen Waffen seien natürlich nicht kriegsentscheidend, weiss der verhinderte Oberkommandierende: «Viel wichtiger ist es, das gesamte Kriegsgeschehen im Blick zu behalten. Die Ukrainer werden nur Erfolg haben, wenn viele Faktoren zusammenwirken. Notwendig sind etwa frische Einheiten, genügend Artilleriemunition oder eine funktionierende Logistik.»

Ist das immer blöd, dass weder die kriegsführende Ukraine noch ihre Unterstützer solch banale Tatsachen zur Kenntnis nehmen, obwohl sie ihnen von Gujer auf dem Silbertablett (wobei Vorsicht, Feind liest mit) serviert werden.

Deutschland könnte und müsste «endlich» die Munitionsproduktion hochfahren und «in der Zwischenzeit» Artilleriemunition auf dem Weltmarkt aufkaufen. Himmels willen, Scholz, Pretorius, wieso tut ihr das nicht?

Stattdessen muss Gujer nun schneidend streng werden:

«So steht der Kanzler einmal mehr als Hasenfuss da und seine Koalition als ein Käfig voller Narren.»

Da macht Gujer gleich ein bislang unbekanntes, neues Kriegsgebiet aus: «Das Regierungsbündnis ist inzwischen sein eigenes Schlachtfeld. Der Kreml lacht sich ins Fäustchen.»

Warum? Na, deshalb Ihr Dummerchen: «Deutschland macht sich zum nützlichen Idioten Putins.» Das hat vor und nach Hitler Deutschland bislang noch niemand vorgeworfen.

Nun nimmt sich Gujer den deutschen Kanzler zur Brust. Der möchte «sich als Friedenskanzler präsentieren». Immerhin: «Auf den ersten Blick ist der Plan nicht dumm.» Schröder, Irakkrieg, doch, doch. Aber das sei natürlich nicht vergleichbar, schulmeistert dann der NZZ-Chefstratege den eben doch dummen deutschen Kanzler Scholz. denn hier weht wieder einmal der Mantel der Geschichte: «Diesmal jedoch kommt es auf Deutschland an. Es steht im Zentrum einer epochalen geopolitischen Auseinandersetzung.»

Also doch: Germans to the front? Auf jeden Fall bräuchte s wohl mal wieder Schröders Politik der ruhigen Hand. Stattdessen: «Scholz wirkt zunehmend als Getriebener, eingeklemmt zwischen dem blauäugigen Pazifismus der SPD-Fraktion und den Kritikern seiner Politik bei Grünen und FDP. Er laviert und macht es niemandem recht.» In erster Linie Gujer nicht, und das sollte Scholz nun wirklich zu denken geben.

Vor allem, weil es Defätisten noch und nöcher gibt in Deutschland: «Moskau registriert die Unentschlossenheit des Kanzleramtes und den wachsenden Chor derjenigen, die den Krieg um jeden Preis beenden oder «einfrieren» wollen und Kiew damit zur Kapitulation drängen.» Wer vorschlägt, das Gemetzel, das Leiden und die Zerstörungen zu beenden, dränge Kiew zur Kapitulation?

Aber dann gibt es ja noch wie im bewährten Feindbild des Kalten Kriegs die Fünfte Kolonne, sogar die Fünften Kolonnen: «Nicht nur die AfD, auch das Bündnis Sahra Wagenknecht besorgt das Geschäft des Kremls.» das ist nun doppelt unverschämt.

Also, Putin lacht sich in Fäustchen, die deutsche Regierung ist ein Narrenkäfig, angeführt von einem Hasenfuss, Deutschland ist sich mit Frankreich uneins, schlimm und schlimmer. Immerhin, eine dem Geschimpfe beigefügte Tabelle macht mehr klar als der ganze Wortschwall voller Cruise Missiles, Blendgranaten und Flammenwerfer. Deutschland hat der Ukraine seit Kriegsbeginn Militärhilfen in der Höhe von 17,7 Milliarden Euro zugesagt. Dann gehen wir ganz nach unten, hinter Estland, Litauen oder Italien kommt dann Frankreich mit seinem kriegerisch schattenboxenden Präsidenten: 0,6 Milliarden Euro Militärhilfe.

Sonst noch Fragen, könnte man eigentlich sagen. Wir hoffen, dass es bei diesem einmaligen Ausrutscher von Gujer bleibt. Denn wenn sich die NZZ allgemein auf das Niveau von Tamedia hinunterliesse, dann würde es aber aschgrau.

Tagi neu mit Ton

Aber wenn der Inhalt gleich bleibt …

Tamedia versucht’s mit einer neuen Dienstleistung für seine Leser. Die können jetzt auch zu Hörern werden. Denn jedem Artikel ist ein Audioschnipsel vorgeschaltet. Wie meist beim Tagi ist’s eine halbe Mogelpackung. «Hören Sie diesen Artikel», verspricht sie, dabei sind es jeweils nur Teile des Artikels, die von einem Chatbot vorlesen werden. Kommen englische Ausdrücke vor, bekommt der Roboter plötzlich einen englischen Akzent. Mehr Unterhaltsprogramm also.

Bei Silke Bigalkes «Leitartikel» im Tagi ist es sogar nur die Einleitung, danach sollte man sich einloggen; also auch noch dafür zahlen, dass das Qualitätsmedienhaus aus Zürich mal wieder die Meinung der Moskau-Korrespondentin der «Süddeutschen Zeitung» mietet und übernimmt.

«Im Lande Putin» lautet der Originaltitel, der war dem Tagi offenbar nicht knackig genug:

Man könnte diesen «Leitartikel» schnell abhandeln, indem man einfach darauf hinweist, womit er sich die Seite teilt:

Offenbar hat der/die/das Kim seinen Schreibstau überwunden. Auch das noch.

Aber widmen wir uns nicht seinem Gestammel, sondern demjenigen obendrüber. «Der grössere Teil der Bevölkerung steht nicht mehr hinter dem Präsidenten», weiss Bigalke. Das ist eine steile These. Sie ist ungefähr so realistisch wie die Behauptung, eine Wahlbeteiligung von 46,6 Prozent in der Schweiz bedeute, dass mehr als die Hälfte der Stimmbürger «nicht begeistert hinter der Schweizer Demokratie» stünde, «sondern sie läuft eher passiv mit». Nur schrieb Bigalke natürlich Putin statt Schweizer Demokratie.

Aber Bigalke blickt noch tiefer in die Seele Russlands: «Auch russische Wähler gehen eher nicht wählen, wenn sie wissen, dass ihre Stimmen ohnehin nichts wert sind – und nie waren sie wertloser als jetzt.»

«Auch»? So wie die Schweizer Wähler? Sie beweist damit, dass eine Berufsgattung unkaputtbar ist: die des Kremlastrologen. Nur hat sich dessen Fokus verschoben. Früher konzentrierte er sich auf das Deuten der hermetisch abgeriegelten Prozesse innerhalb des Entscheidungszirkels der KPdSU und schloss beispielsweise aus leichten Umstellungen auf der Tribüne beim Abnehmen der Parade zum Ersten Mai auf Machtverschiebungen innerhalb des Politbüros. Krachte es dort dann tatsächlich mal, waren die Astrologen regelmässig überrascht, denn das hatte ihnen die Glaskugel nicht gezeigt.

Nun stellt Bigalke wilde Vermutungen auf. Wie die, dass «der grösste Teil» der Bevölkerung aus passiven Mitläufern bestehe. Das ist allerdings ein Phänomen, das weltumspannend nicht unbekannt ist. Und woran sie das bei Russland festmacht; irgend ein Indiz, der Hauch eines Arguments, das fehlt völlig.

Aber dieses wackelige Konstrukt ist nur das Sprungbrett für einen Abflug in die Zukunft. «Die Militarisierung der Gesellschaft wird zunehmen, die nationalistische Erziehung umfassender werden.» Prognosen haben den grossen Vorteil, dass sie zwangsweise aus reinen Vermutungen bestehen. Von  denen hat Bigalke jede Menge zu bieten: «Die Opposition wird völlig verschwinden. Gelegenheiten für Andersdenkende, sich gefahrlos öffentlich zu zeigen, werden seltener werden.»

Solche Wahrsagereien haben noch einen zweiten Vorteil. Schon morgen wird sich niemand mehr daran erinnern. Auch nicht an den dunklen Schluss dieses Leitartikels: «Die Frage ist, wann es nicht mehr reicht, einfach nicht dagegen zu sein.» Hä?

Was will uns die Russland-Kennerin damit sagen? Die Mehrheit der Russen sei nicht für Putin, sondern einfach nicht gegen ihn, bestehe aus Mitläufern. Aber irgendwann reiche das nicht mehr? Wieso, wofür, warum?

Wenn der Tagi schon meinungslos Gequatsche von der SZ übernimmt, könnte er doch wenigstens für teures Geld seiner Leser dafür sorgen, dass der einen Leitartikel auch versteht. Aber das ist offenbar zu viel verlangt, heutzutage.

Wahlen sind Quatsch

Putin wurde überraschend wiedergewählt.

Der Mann mit dem Napoleon-Komplex hat Russland in einen desaströsen Abnützungskrieg geführt. Er hat sich zum Paria gemacht, indem er die völkerrechtliche Zusicherung, dass die territoriale Integrität der Ukraine von Russland respektiert werde, brach. Er hat Russland einen Schaden zugefügt, der noch lange über sein persönliches Ende hinauswirken wird.

Letztlich hat Putin Russland zum Rohstoff- und Waffenlager Chinas degradiert.

Selbst hochkorrupt, herrscht er über eine Kleptokratie, betreibt eine kriminelle Günstlingswirtschaft und lässt unliebsame Kritiker umbringen. In einem Interview äusserte er unlängst höflich ausgedrückt befremdliche Ansichten über die Rolle Polens beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Daher muss man sich fragen, wie limitiert sein Zugang zur Wirklichkeit ist.

Nun hat er die Wahlen mit dem Traumergebnis von 87,85 Prozent «gewonnen». Gesteigert wird das lediglich von Nordkorea. Dort schafft man gelegentlich sogar 100 Prozent Zustimmung bei 100 Prozent Wahlbeteiligung. An höheren Zahlen arbeitet man noch. China verzichtet vollständig auf solchen Quatsch wie Wahlen.

Selbst die «Weltwoche» äussert leise Kritik: «Echte Oppositionskandidaten waren nicht zugelassen, gegen Kritiker ging die Regierung mit grosser Härte vor. Die Wahl wurde von Protestaktionen begleitet, trotz Einschüchterungsversuchen der Behörden.»

Das kommt aber bei der Mehrheit der Kommentarschreiber ganz schlecht an.

«Wenn man mich heute fragt, ob Wahlen in Russland oder den USA fairer und freier sind, muss ich leider mit Russland antworten. – Im Unterschied zu Russland stehen im Westen ausschließlich Kandidaten der Macht auf dem Wahlzettel. – Vladimir Putin hat die Wahlen gewonnen in Russland, ob jetzt diese Wale für den Westen legitim ist oder nicht kann uns allen egal sein. – Fakt ist aber, dass hinter Putin und Lukaschenko wirklich und real 60% der Wähler stehen! – Die Russen dürfen ihren Präsidenten wählen. Das dürfen die Deutschen nicht, weder den Präsidenten noch den Kanzler. – Ein unwiderlegbarer Beweis dafür, dass die Wahlen nicht demokratisch waren, liefert keine Zeitung vor.»

Meinungsfreiheit ist eine schönes Sache, und jeder darf sich öffentlich zum Deppen machen. Aber vielleicht sollte sich die «Weltwoche» fragen, welchen Anteil – um nicht zu sagen welche Mitschuld – sie an dieser Ansammlung von gehirnamputierten Meinungen hat.

Unter den anfänglich 67 Kommentaren hat es einige wenige, für die die Kommentatoren in Russland ein paar Jährchen ins Straflager kämen. Aber was einem hier mehrheitlich an dumpfer Dummheit entgegenschlägt, ist beeindruckend.

Geschwurbel, Whataboutism, Realitätsverlust, Unkenntnis oder Unfähigkeit, die Realität zur Kenntnis zu nehmen.

Einzig interessant wäre die Beantwortung der Frage, wieso Putin diese Farce überhaupt abhalten liess und wieso er so ängstlich darauf bedacht war, mehr als ein Dutzend Kandidaten von der «Wahl» ausschliessen zu lassen. Um oppositionelle Manifestationen identifizieren und liquidieren zu können? Als Temperaturfühler? Aber dazu eigenen sie sich ja auch nicht, so manipuliert, wie sie waren.

Dabei ist Putins Problem ein ganz anderes. Solche Wahlen dröhnend gewinnen, das ist der einfache Teil. Unbeschädigt oder lebend die Abgabe der Macht in ferner Zukunft zu überstehen, das ist dann der wirklich anspruchsvolle Teil seiner Lebensplanung. Denn Diktator in Pension, das hat bislang nur ein einziger geschafft. Der grosse Fidel Castro in Kuba. Alle anderen starben, während sie an der Macht waren – oder wurden gewaltsam von der Macht entfernt. Was sie nie überleben.

Multitasking

Woher Tamedia seine Meinung übernimmt.

Es ist ein anhaltender Skandal, dass einer der wenigen überlebenden Medienkonzerne der Schweiz seine Meinung aus München übernimmt und sie seinen zahlenden Schweizer Lesern als Eigenleistung präsentiert. Man kann hier sogar von einem Etikettenschwindel sprechen.

Denn Clara Lipkowski wird dem Tamedia-Leser serviert als «Redaktorin im Ressort International mit Schwerpunkt Ukraine und Russland».  Die Wahrheit ist, dass sie nach einem Volontariat «freie Mitarbeiterin» der «Süddeutschen Zeitung» ist, «seit August 2020 Korrespondentin für Franken». All das qualifiziert sie ungemein, neben Artikeln über das Wachsen Nürnbergs, über «Warum es an Bayerns Flughäfen zu Reiseausfällen kommt» oder «Eltern tun alles, um einen Kita-Platz zu finden» einen Kommentar über die russischen Wahlen abzusondern.

Ein Kommentar, den die SZ selbst (bislang) nicht für veröffentlichungswürdig hält. Anscheinend funktioniert dort noch eine gewisse Qualitätskontrolle. Aber bei Tamedia mausert er sich zum «Leitartikel». Das Wort bedeutete früher mal was.

Aus ihrer sicheren Schreibstube rechnet Lipkowski mit Präsident Putin ab: «Seine Macht kennt kaum Grenzen. Er räumt aus dem Weg, wer ihm gefährlich wird. Alexei Nawalny musste deshalb sterben. Putin steuert die Medien, er personifiziert die Alternativlosigkeit, neben ihm gibt es keinen Platz.»

Die Wahlen in Russland seien eine Farce, erklärt sie überraschungsfrei. Dann aber wagt sie einen Blick in  die Zukunft: «Wie kann Russland zurückfinden zu einer russischen Demokratie?» Zurückfinden, Demokratie? Wann gab’s denn das? Unter den Zaren? Unter Lenin? Unter Stalin? Unter Gorbatschow? Unter Jelzin? Hat die Dame neben Kenntnissen über Franken auch nur den Hauch einer Ahnung von Russland?

Aber auf jeden Fall weiss sie, was in Russland geschehen sollte:

«Die Eliten sind es, die Putin die Gefolgschaft verwehren müssten. Sicherheitskräfte, auch die Putin unterstellte Nationalgarde, müssten Befehle ignorieren, die Waffen niederlegen. Staatsbedienstete dem Staat den Dienst verweigern. Kremltreue Konzernchefs Putin den Rücken kehren. Erst so kann das System von innen beginnen zu bröckeln.»

Fränkisches Wolkenkuckucksheim. Aber sie schwebt noch höher in Illusionswolken: wie soll der Westen mit den Wahlen umgehen? «Ein Weg wäre es, sie und damit Putin als Präsident nicht anzuerkennen. So wie es der Westen 2020 im Fall von Alexander Lukaschenko getan hat.»

Das empfiehlt sie allen Ernstes EU-Politikern; für zwei hat sie noch einen weiteren Ratschlag zur Hand: «Wirkung hätte dieser Schritt wohl nur, wenn der Westen geeint agiert. Wenn Leute wie der französische Präsident Emmanuel Macron und der deutsche Kanzler Olaf Scholz aufhören würden, sich in öffentlich ausgetragenen Streitereien um europäische Bodentruppen oder Marschflugkörper in der Ukraine zu zerreiben.»

Sagen wir so: In der SZ existieren offenbar noch Spurenelemente einer Qualitätskontrolle, wo man sogar einer Autorin (!) zu sagen wagt: schreib lieber etwas über Franken, davon verstehst du vielleicht was.

Aber Tamedia weiss weder, wo Franken liegt, noch, was man dem Leser nicht zumuten sollte. Statt ständig Rochaden in der Teppichetage vorzunehmen. Mathias Müller, vulgo von Blumencron, beendet seine Tätigkeit als «publizistischer Leiter». Woran man das merkt? Gute Frage. An seiner Stelle rauscht nun Simon Bärtschi an seiner Chefin Raphaela Birrer vorbei. Zuvor war er ihr Untergebener als Chef «Berner Zeitung» und «Bund». Dort erwies er sich als gehorsamer Terminator, als Tamedia das heilige Versprechen brach, dass niemals nie «BZ» und «Bund» verschmolzen würden. Und nun ist er als neuer «publizistischer Leiter» Birrers Vorgesetzter.

Sein gröbstes Problem dabei: er ist (soweit ZACKBUM bekannt) ein Pimmelträger. Und keine Quotenfrau. Wo bleibt da der versprochene Anteil von mindestens 40 Prozent Frauen (trans, hybrid, fluid, queer, notbinär, Pardon, nonbinär ist leider nicht berücksichtigt)? ZACKBUM will sich keinesfalls in den Intimbereich Bärtschis einmischen. Aber das offizielle Macho-Foto mit männlich-bestimmtem Blick und Dreitagebart, muss das sein? Da erwarten wir wenigstens etwas weibliche Sanftheit. Sonst gibt’s dann mal wieder ein Protestschreiben …

zVg Tamedia

Neues aus Absurdistan

Putin ist eigentlich ganz anders. Er kommt nur so selten dazu.

So könnte man eine gute Zeile von Udo Lindenberg anwenden, wenn man das neuste Friedensgedöns in der «Weltwoche» liest. Da behauptet doch Wolfgang Koydl: «Dokumente belegen: Russland wollte keinen Krieg, sondern Frieden und Stabilität in Europa. Doch der Westen lehnte ab.»

Schon fatal, dass also der kriegslüsterne Westen den friedensliebenden Präsidenten Putin sozusagen dazu zwang, die Ukraine zu überfallen. Pardon, zu entnazifizieren. Nein, eine zeitlich begrenzte Spezialoperation durchzuführen.

Seine kühne Behauptung stützt Koydl auf «Dokumente» die schon lange bekannt sind. Sie wurden im Dezember 2021 den USA und der NATO vorgelegt. Darin waren russische Vorschläge für zwei Verträge enthalten.

Sie umfassten Forderungen wie: «Alle Mitgliedstaaten der Nordatlantikvertrags-Organisation verpflichten sich, von jeder weiteren Erweiterung der Nato abzusehen, einschliesslich der Ukraine und anderer Staaten.»

Oder: «Die Vertragsparteien verzichten auf die Stationierung von Kernwaffen ausserhalb ihrer nationalen Hoheitsgebiete und bringen solche Waffen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrags bereits ausserhalb ihres Hoheitsgebiets stationiert sind, in ihr nationales Hoheitsgebiet zurück. Die Vertragsparteien beseitigen alle bestehenden Infrastrukturen für die Stationierung von Kernwaffen in ihren nationalen Hoheitsgebieten.»

Der NATO sollte es also verboten werden, weitere Beitrittsgesuche wie beispielsweise von nordischen Staaten entgegenzunehmen. Die USA sollten einseitig alle ihre Atomwaffen aus Europa abziehen und beide Seiten sollten sie einmotten. Zur Freude der übrigen Atommächte wie China, Indien, Frankreich, England oder Israel.

Das sind Forderungen, die nicht wirklich als ernsthaftes Verhandlungsangebot betrachtet werden können. Sie sind so absurd, wie wenn Selenskyj heute einen bedingungslosen Abzug aller russischen Truppen und die Einsetzung eines Kriegsverbrechtertribunals ausschliesslich zur Aburteilung russischer Straftaten verlangt – als Voraussetzung für Verhandlungen.

Das als «Beleg» aufzuhübschen, dass Russland keinen Krieg, sondern «Frieden und Stabilität» gewollt hätte, ist ungefähr so glaubwürdig wie Präsident Putin, der noch kurz vor Beginn der Invasion behauptete, dass Truppenzusammenzüge an der ukrainischen Grenze lediglich für Manöver vorgenommen würden.

Selbst unterstellt, Russland habe das gewollt. Selbst unterstellt, es gab Provokationen in der Ukraine, selbst unterstellt, es gab zumindest mündliche Zusicherungen nach der Wiedervereinigung Deutschlands, dass es keine NATO-Osterweiterung geben werde: das alles ändert nichts an dem Fakt, dass Putin unter Bruch internationaler Verträge und der versprochenen Unantastbarkeit des ukrainischen Staatsterritoriums zuerst die Krim annektierte und schliesslich militärisch in die Ukraine einfiel.

In der gescheiterten Absicht, durch eine schnelle Eroberung der Hauptstadt und der Sicherstellung von Versorgungslinien diese Spezialoperation in wenigen Tagen zu beenden. Selten ist ein Invasionsplan kläglicher gescheitert, und die USA sind Meister in gescheiterten Invasionsplänen.

In der Geschichte will offiziell nie jemand einen Krieg. Es wird ausschliesslich verteidigt, zurückgeschossen, allenfalls auf eine Provokation reagiert. Natürlich wird auch immer auf Hilferufe reagiert, werden Massenvernichtungswaffen gesucht, muss ein grausamer Diktator, ein faschistisches Regime beseitigt werden.

Selbstverständlich haben die USA bei ihren unzähligen Militärinterventionen seit dem Zweiten Weltkrieg immer nur Freiheit und Demokratie verteidigt. So wie die UdSSR und später Russland andere hehre Werte in Ungarn, der Tschechoslowakei, Afghanistan, Georgien und schliesslich in der Ukraine.

Das ist das übliche Propagandagedöns. Wir wollten Frieden. Wir kamen in Frieden, aber natürlich bewaffnet, um den Frieden zu verteidigen.

Dabei geht es hier ausschliesslich um imperiale Politik. Um Grossmächte zu bändigen, gibt es nur Verträge und die Hoffnung auf ihre Einhaltung. Die Ukraine hatte so einen Vertrag, sein Bruch macht Russland zum Paria unter den Staaten und Putin zu einem noch grösseren Lügner als Trump.

Das ist so lachhaft und durchschaubar, dass man sich mal wieder wundert, wieso die «Weltwoche» ihre Spalten für eine solch billige, durchschaubare Propaganda hergibt.

Ach, und Roger Köppel verkündet ungefragt, warum er Trump wählen würde. Weil er auf einen notorischen Lügner, einen Betrüger, einen grossmäuligen Narzissten und Versager, einen gescheiterten Geschäftsmann und überführten Kriminellen steht? Wir wollen es gar nicht wissen. ZACKBUM ist nur froh, dass weder Köppel noch wir in den USA wählen dürfen. Denn die Wahl zwischen dem kleineren Biden und dem grösseren Trump, zwischen einem senilen Greis und einem Amok-Greis, ist wirklich nicht einfach.

Hihi, Blihi, Blick

Nur hier gibt’s wirklich immer wieder was zu lachen.

ZACKBUM wird immer wieder köstlich unterhalten, das möchten wir mit unseren Lesern teilen. Vor allem mit denen, die demnächst dank «Blick» Millionär werden, das aber hier erfahren haben und deshalb ZACKBUM eine kräftige Spende rüberwachsen lassen werden.

Denn «Blick» gibt da im Moment alles:

Gut, zuerst muss man sie gewinnen, aber das ist ein Detail im Vergleich dazu, wie man sie dann nicht teilt.

Nun mag es sein, dass so doch nicht alle «Blick»-Leser Millionär werden. Aber auch da weiss das Blatt mit dem Regenrohr im Logo Abhilfe:

Aber aufgepasst, dieser Tipp ist für die ganz wenigen reserviert, die ein Abo für «Blick+» abgeschlossen haben. Sollten sich diese unhappy few manchmal gefragt haben, ob das nicht rausgeschmissenes Geld ist, nun haben sie die Gewissheit, eine Siegerwette abgeschlossen zu haben. Denn nur sie, weltweit exklusiv nur sie erfahren, wie man wirklich Millionär wird. Ausser, ZACKBUM würde es hier verraten. Tun wir aber nicht.

Aber auch für die wenigen, die dann halt doch nicht Millionär werden, hält «Blick» Rat und Tat  bereit:

Danke, «Blick», das ist echte Lebenshilfe, denn wer, selbst als Millionär, möchte schon nicht ein Spar-Profi sein? Indem er das «Blick+»-Abo kündigt? Aber nein, der Beitrag hier ist doch gratis, allerdings: «Dies ist ein bezahlter Beitrag, präsentiert von Cembra.» Och, keine Eigenleistung, schnief.

Aber was ist noch wichtiger als Geld? Richtig, die Gesundheit, das Leben. Wie gefährdet das ist, erfahren aber wieder nur wenige:

Dabei wollen wir doch alle wissen, wie wenig es braucht. Wenn er die Einlagen für seine Schuhe nicht findet? Wenn eines der vielen Telefone neben seinem Schreibtisch nicht funktioniert? Wenn einer «na, Kleiner?» zu ihm sagt? Wenn er feststellt, dass er inzwischen zu alt ist, um sich mit nacktem Oberkörper beim Reiten ablichten zu lassen? Wenn der chinesische Präsident schon wieder den Telefonhörer nicht abnimmt? Fragen über Fragen.

Nun kommen wir aber, nun ja, zu einer Nachricht, mit der wir den Leser eigentlich nicht behelligen wollten. Wir mussten da durch, wieso sollen wir das anderen ersparen. Aber wir sind sanfter als der «Blick», wir zeigen kein Bild:

Während alle «Blick»-Leser, also zumindest alle «Blick+»-Leser wissen, was eine Rektusdiastase ist, liefern wir hier die Übersetzung: Mittellinienbruch. Hä? Nun ja, der linke und der rechte Bauchmuskel trennen sich voneinander, es entsteht ein senkrechter Spalt auf dem Bauch. Typisch für unsere männerdominierte Welt: das passiert bei einer Schwangerschaft.

Geht da noch einer? Oh ja, während  Tamedia ganz sensibel den von seinem zweimonatigen Ausflug nach Vietnam und den Philippinen zurückgekehrten Cédric Wermuth befragt, wie’s ihm so gehe, ist der «Blick»-Leser weniger nett zu ihm:

Wobei man noch hinzufügen sollte: auf Kosten des Steuerzahlers und des Wählers.

Wir wollen es diesmal mit einer ernsten Warnung ausklingen lassen:

Richtig, das ist aus der Serie dieser Fake-Inserate, auf die immer wieder jemand reinfällt. Davor warnt «Blick». Nachdem zuvor solche Inserate auch bei ihm erschienen sind und er daran verdient hat. Ein neuer Beitrag zum Thema Leserverarsche.

NZZ schwelgt in der Vergangenheit

Was aktuell ist, bestimmt immer noch die alte Tante.

«Zwei Jahre Krieg in der Ukraine», das ist der NZZ eine eigene Rubrik wert. Allerdings nicht unbedingt aktuelle Artikel. Der erste ist vom 24. Februar. Allerdings 2023. Der älteste stammt gar vom August 2022. Das ist mal eine souveräne Handhabung der Aktualität.

Dabei wäre das Thema durchaus von latenter Aktualität: «Wie soll die Ukraine mit dem umstrittenen «Nationalhelden» Stefan Bandera umgehen?» Da punktet die NZZ mal wieder damit, dass sie einen kompetenten Wissenschafter zu einem Gastbeitrag aufgeboten hat. Grzegorz Rossolinski-Liebe ist sicherlich der beste Bandera-Kenner zurzeit.

Der Kriegsverbrecher, Faschist und Nazi-Helfer Bandera wird nicht nur in der Westukraine bis heute kultig verehrt. Der konfliktive Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andri Melnik, musste seinen Posten nicht etwas wegen seiner rüden Art räumen, sondern weil er dem Nationalistenführer Bandera mit uneingeschränkter Verehrung begegnete.

Diese postfaschistische Heldenverehrung machte es Präsident Putin einfach zu behaupten, das Hauptziel des russischen Überfalls sei die Ent-Nazifizierung der Ukraine.

Zur Verteidigung Banderas wird häufig angeführt, dass er einige Jahre während der Nazi-Besatzung der Ukraine im Gefängnis verbrachte. Also sei er doch an der Ermordung von 800’000 Juden durch die Deutschen in der Westukraine nicht beteiligt gewesen.

Aber Helfershelfer seiner Organisation töteten bis 1944 in Wohlhynien und Galizien weitere 100’000 Polen. Dazu schreibt Grzegorz Rossolinski-Liebe: «In seiner Gefangenschaft war Bandera nicht im Detail über den Verlauf der Ereignisse informiert. Aber die Massenmorde an Juden und Polen, deren Ziel ein ethnisch-homogener Staat war, entsprach weitgehend seinen politischen Vorstellungen und den Zielen der OUN.»

Nachdem Bandera in seinem Exil in Deutschland 1959 vom KGB ermordet worden war – in der damaligen Sowjetunion war er als Kriegsverbrecher in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden – wurde er in der Westukraine zunehmend zum Nationalhelden stilisiert. Dieser Mythos «manifestiert sich in zahlreichen Denkmälern, Museen, Strassennamen, Briefmarken, Musikfestivals und den Tattoos seiner Anhänger».

Schlimmer noch: «Denn der Kreis der Bandera-Verehrer schliesst eben nicht nur nationalistische Politiker oder rechtsradikale Fanatiker ein, sondern auch Personen aus dem gesellschaftlichen Mainstream: Musiker, Schriftsteller, Gymnasiallehrer und Geschichtsprofessoren – oder eben Diplomaten wie den Botschafter Melnik.»

Spätestens seit Putins Überfall ist in der Ukraine allerdings jeder kritische Umgang mit dem faschistischen Verbrecher Bandera tabu. Dabei muss man ihn als weitere führende Figur des europäischen Faschismus sehen, er «hätte er seinen Platz als eine Figur im Kontext des europaweiten Faschismus, zwar nicht gleichzusetzen mit Hitler oder Mussolini, aber mit ähnlicher Bedeutung, wie sie etwa der kroatische Ustasa-Führer Ante Pavelic hat».

So aber bleibt diese Verehrung eines Anhängers von ethnischer Säuberung, eines Antisemiten und eines Kriegsverbrechers ein Schandfleck, worauf immer wieder hingewiesen werden sollte. Dass auch Teile der ukraninischen Armee, die berüchtigte Brigade Asow, nicht nur faschistische Kennzeichen mit Stolz auf ihren Uniformen trägt, sondern auch postfaschistisches Gedankengut pflegt, ist eine weitere Tatsache.

Aber solche Komplexitäten sind nicht nach dem Geschmack der terribles simplificateurs, die sich von nichts das Narrativ Ukraine/Selenskyj gut, Russland/Putin böse stören lassen möchten.

Huhn oder Ei

Wo liegen die Ursachen der allgemeinen Verblödung?

Kann sich die nordkoreanische oder russische Bevölkerung einigermassen wirklichkeitsnah über Dinge informieren, die nicht in deren unmittelbaren Lebenswirklichkeit liegen? Obwohl die Welt noch nie so kommunikativ erschlossen war wie heute, besteht diese Lebenswirklichkeit weiterhin aus  wenigen Quadratkilometern.

Was in Europa passiert, in den USA, in Uganda, auf den Kommodoren, in Tuvalu, Russland oder Nordkorea, das müssen wir aus zweiter Hand entnehmen. Entweder besteht diese zweite Hand aus dem unkontrollierten Krakeelen auf den asozialen Medien, mittels derer sich immer grössere Teile der Bevölkerung «informieren». Also davon, was sich wirklich abspielt, keine Ahnung haben.

Oder aber, wir müssen uns auf Nachrichtenagenturen und Korrespondenten verlassen. Sofern sie der Landessprache mächtig sind, was bei der Mehrzahl der China-Berichterstatter beispielsweise nicht der Fall ist, versuchen die, ein möglichst realitätsnahes Bild der Gesellschaft, ihrer Denkweise, von politischen Entscheidungsprozessen zu liefern.

Hervorragend gelingt das im Fall Russlands. Dort ist der Präsident wahlweise verrückt, krank, grössenwahnsinnig, machtgierig, ein Verbrecher, hat Minderwertigkeitskomplexe, brütet in finsterer KGB-Manier ein Mordkomplott nach dem anderen aus, blutrünstig, hinterlistig, sobald er den Mund aufmacht, lügt er.

Ähnliches gilt allerdings, muss man der Gerechtigkeit halber sagen, auch für den Präsidentschaftskandidaten Donald Trump in den USA. Während aber Russland bekanntlich eine Autokratie mit der Karikatur von freien Wahlen ist (bei denen es zum grossen Verdruss Putins leider kein Gegenkandidat schafft, die strenge Prüfkriterien für eine Teilnahme zu erfüllen), sind die Berichterstatter aus den USA etwas ratlos, wie sie ihren Lesern erklären sollen, dass schon wieder rund die Hälfte der Amis spinnt, bekloppt ist, Vollklatsche.

Selbst beim nordkoreanischen Dickerchen mit der speziellen Frisur verstehen die wenigsten Nordkorea-Versteher auf fernen Beobachtungsposten, dass der perfekt die «mad man»-Strategie umsetzt, was ihm (bislang) das Überleben an der Macht garantiert.

Im Allgemeinen funktioniert die Berichterstattung zunehmend nach einem einfachen Prinzip: je konfliktiver ein Thema, desto flacher, einseitiger, repetitiver, klischeehafter, unreflektierter ist die Berichterstattung. Man muss weit, meistens in die angelsächsischen Medien ausweichen, wenn man intelligenten Brainfood serviert bekommen will. CH Media ist genauso flach wie Tamedia, aber immerhin etwas zurückhaltender. Auch die NZZ zeigt deutliche Schwächeanfälle, die dem einmaligen Intelligenzlerblatt nicht anstehen. «Blick», es darf geplusst, Pardon, gelacht werden. WoZ von links, WeWo von rechts eiern auch, wobei die WeWo sich durch eine entschieden grössere Bandbreite auszeichnet, während die WoZ nur den Tunnelblick kennt. Und die «Republik» nimmt ja wirklich niemand mehr ernst.

Auf der anderen Seite: das Angebot findet (zwar schwindende) Nachfrage; reflektiert seine Dümmlichkeit also nur die Dümmlichkeit der Mehrheit der Leser? So nach der Devise: wieso sollen wir den Leser mit einer differenzierten Analyse belästigen, wenn Putin schlecht, Selenskyj gut doch ausreicht? Wieso die komplizierte Gesichte der Ukraine aufblättern, wo doch Russen Untermenschen, Ukrainer Helden reicht?

Wieso auf die fatalen Ähnlichkeiten der beiden Autokratien hinweisen, beide korrupt, mit Pressezensur und ruppigem Umgang mit Oppositionellen? Das will die Mehrheit der Leser nicht. Also kriegt sie es auch nicht.

Wo bleibt da der sonst so gepflegte Erziehungsauftrag? Der tobt sich mehr beim Umweltschutz, Klimaretten und Propaganda für untaugliche Alternativenergien aus. Dass es zur Sicherung der Energieversorgung den sofortigen Baubeginn von mindestens zwei AKW in der Schweiz bräuchte, diese banale Erkenntnis erschliesst sich den meisten Journalisten nicht.

Sogar im Gegensatz zu ihren Lesern. Richtig lustig wird’s da, wenn Tamedia der Mehrheit seiner Leser «kurzsichtigen Populismus» in die Fresse haut. Es gibt also einige Indizien, die darauf hinweisen, dass der durchschnittliche Redaktor dümmer ist als sein durchschnittlicher Leser.

Ist das nun eine gute oder eine schlechte Nachricht? Darüber sollte man nachdenken.