Wolkig, sehr wolkig
Altes Wasser in neuen Schläuchen beim Tagi.
Man habe dies und das geändert, gibt die Redaktion stolz bekannt. Also schauen wir mal, ob jemand wirklich bereit ist, für dieses Produkt Fr. 4.60 auszugeben.
Denn im Gegensatz zur Meinung vieler Redaktoren ist die Welt und das Publikum nicht auf ihre Meinung angewiesen oder kann sich ein Leben ohne gar nicht vorstellen. Sondern die Frage ist ganz einfach: bekommt der Konsument genügend Gegenwert für sein Geld?
Beginnen wir mit einem Quervergleich. Wir drehen das Rad der Zeit 25 Jahre zurück. Wie sah denn die Ausgabe des «Tages-Anzeiger» am 22. Juni 1998 aus?
Damals bekam der Konsument satte 75 Seiten geliefert. Für Fr. 2.20 Kioskpreis. Und heute? Heute sind es noch 32 Seiten. Das war damals ein Seitenpreis von rund 3 Rappen. Heute sind wir bei 14,5 Rappen pro Seite. Also fast eine Verfünffachung. Dafür ist der Inhalt dann sicherlich auch fünfmal besser, dichter, kompakter, einfach mehr Qualität. Na ja:
Heute haben wir Anrisse, Anrisse und nochmal Anrisse auf der Front. Plus eine mässig lustige, dafür riesige Karikatur und ein mässig interessanter Artikel als Rehash über die Folgend es angekündigten Rücktritts von Alain Berset.
So geht’s dann auch auf den Seiten zwei und drei weiter. Ein mässig interessanter Kommentar der Chefredaktorin Raphaela Birrer («Das ist für die SP ein gefährlicher Zeitpunkt»), ein überdimensioniertes Foto eines Berset, der in New York auf einem Randstein sitzt (x-mal verwendet, Gähnfaktor 10), plus ein mässig interessanter Text der beiden Koryphäen Philipp Loser und Markus Brotschi. Selbst wenn man mit der Corona-Politik Bersets nicht einverstanden war: das hat er nicht verdient.
Auch auf Seite 4 ist der Tagi monothematisch; die möglichen Nachfolger. Ein mässig interessanter Text mit Altbekanntem von Charlotte Walser (die schon die Front bestreiten durfte), Markus Häfliger und Iwan Städler.
Seite 6 ist dann die Lieblingsseite der Journalisten: «Meinungen». Allerdings: alles Leihmeinungen. Peter Burghardt von der «Süddeutschen Zeitung» wirft sich für den ungeratenen Sohn des US-Präsidenten Biden in die Bresche, als wäre er dessen Wahlkampfleiter: «Kein Vergleich mit den Taten Trumps». SZ-Autor Arne Perras wirft immerhin ein Schlaglicht auf den Krieg im Sudan («Die Gleichgültigkeit wird sich für Europa rächen»). Und schliesslich fordert Damian Müller (Luzerner FDP-Ständerat) «klare Signale in der Asylpolitik». Der Tagi selbst bleibt hier meinungslos.
Eine schlappe Seite Wirtschaft, eine Seite Börsenkurse, eine Seite Ausland, Doppelseite Ukraine-Krieg. Dann nochmal Ausland, Simon Widmer regt sich darüber auf, dass das verschollene Tauchboot mit 5 Insassen mehr Aufmerksamkeit erziele (unter anderem beim Tagi) als die Flüchtlingstragödie im Mittelmeer.
Der «Zürich»-Teil macht mit der abgehangenen Story «Zürichs Ländereien in Deutschland» auf; hoffentlich bleibt da noch etwas für später, wenn man alle Sommerloch-Artikel jetzt schon verballert. Seite 16 präsentiert die «Wochen-Hits» der Migros, immerhin hoher Nutzwert.
Sport ist halt Sport, dann kommt «Kultur & Gesellschaft», das Sammelgefäss für alles Übriggebliebene, neu auch Reisen und so weiter. Ein Interview mit einer englischen Bestsellerautorin von einer Münchner Autorin der SZ, schon wieder Eigenleistung null. Dann das Nachtreten von Andreas Tobler gegen den Ex-Chefredaktor der NZZaS, ein entsetzlich peinliches Stück.
Autoseite, Rätsel, Wetter und schliesslich noch «Wissen»: «So erkennen Sie, ob Hagel droht». Und tschüss. Das waren bereits die 32 Seiten.
Kann man nun sagen, dass sich der fünffache Seitenpreis im Vergleich zu 25 Jahre zurück lohnt? Kann man wohl nicht sagen. Kann man sagen, dass sich dieser Seitenpreis dafür lohnt, dass vieles, allzu vieles von der SZ in München übernommen wird, inklusive deutsche Meinungen? Kann man wohl nicht sagen.
Kann man sagen, dass die Strategie – weniger Inhalt, weniger Eigenleistung für deutlich mehr Geld – zukunftsträchtig ist? Kann man nicht sagen. Kann man sagen, dass weitere Millioneneinsparungen zu einer deutlichen Qualitätsverbesserung beitragen werden? Kann man sicher nicht sagen.
Kann man sagen, dass nach der Corona-Peinlichkeit, der Ukraine-Einseitigkeit, die kritiklose Akklamation der Klimapolitik die Glaubwürdigkeit des Tagi steigern wird? Kann man nicht sagen.
Kann man schliesslich sagen, dass die Mischung aus Häme gegen Konkurrenten und das Totschweigen eigener Skandale in eigenen Glashaus bei den Lesern gut ankommt? Kann man nicht sagen. Kann man sagen, dass das Aufdrängen der eigenen Meinung (wenn sie mal dürfen) so vieler Redaktoren, das Herumreiten auf einer angeblich gendergerechten Sprache, obwohl das der überwältigenden Mehrheit der Leser!Innen** schwer an einem gewissen Körperteil vorbeigeht, die Leser-Blatt-Bindung erhöht? Kann man nicht sagen.
Was kann man dann über den Tagi noch sagen? Bis zum Skelett abgemagert, will er Haut und Knochen exorbitant teuer verkaufen. Das kann nicht gutgehen. Nicht nur diejenigen, die der nächsten Sparrunde zum Opfer fallen werden, sollten sich schon jetzt nach einer neuen Stelle umschauen. Die Schlaueren tun das schon längst.
Wenn ich den Tagesanlüger lesen will, dann lese ich lieber Zackbum. Aber das stimmt natürlich gar nicht: Ich will den Tagesanlüger überhaupt nie lesen, aber Zackbum durchaus – hier lese ich dann, was mir alles entgangen ist. Da kommt Schadenfreude auf.
Echte Nachrichten, objektive Berichterstattung und spannende Recherche sucht man im Tagesanzeiger längst vergebens. Das Blatt ist zum links-woken Meinungseinpeitscher geworden. Jeder Artikel, jeder Abschnitt und jede Zeile trieft nur so vor Haltung und moralisierendem Oberlehrergehabe. Gleichzeitig sitzt Supino in seiner fetten Goldküsten-Villa, schlürft ein paar frisch eingeflogene Austern und lacht sich tot über seine grüne Leserschaft, die in den Foren über das Sammeln von Joghurt-Deckeli debattiert.
Dass eine Zeitung auch mit weniger Umfang, höherem Preis und gesteigertem Bildanteil Erfolg haben kann, das zeigt die unverzichtbare NZZ. Das Streben nach Qualität, die Arbeit nach liberal-konservativen, bürgerlichen Werten und Prinzipien, all das zahlt sich langfristig eben aus.
Gar nicht so beim linken, hedonistischen Tollhaus Tagi. Denkfaulheit, Arroganz, Haltungsstarrheit und totale Ichbezogenheit führt in die Irrelevanz. Was für ein lächerlicher, trauriger Haufen dort.
Die NZZ war schon immer das Blatt der Besserverdiener. Heute ist es auch der Tagi, ein Blick auf die Leserkommentare ist aufschlussreich: EFH-Besitzer mit PV auf Dach und E-Auto sind dort gut vertreten. Denn wer 6000 im Monat verdient, bezahlt nicht 600-700 für ein Zeitungsabo. Mit SRG-Zwangsgebühr kommt man leicht auf 1000, macht 80/Mt. Das war bis vor 20-30 Jahren anders, der Tagi war fast in jedem Haushalt in Zürich und Umgebung selbstverständlich. Auflage ca. 260’000. Aber klar, links-grüne Propaganda und Anything goes helfen nicht.