Schlagwortarchiv für: Skelett

Nach dem Feuern ist davor …

Tamedia macht’s schon wieder: rausschmeissen.

Tamedia arbeitet unermüdlich daran, das Qualitätsniveau weiter zu steigern – mit immer weniger Mitarbeitern. Ein Wunder in der Liga von Wasser in Wein verwandeln. Denn schon rauscht die nächste Kündigungswelle durch den Newsroom und durch das Glashaus.

Psychologisch geschickt nützt die unfähige Teppichetage die Spalte zwischen Nationalratswahlen und Monatsende. Da sind doch hoffentlich die anderen Medien ausgelastet. Wahlen, Naher Osten, ein wenig Ukraine, wo soll’s da noch Platz für die Meldung geben, dass schön nach Ressorts aufgeteilt mal wieder unerfreuliche Nachrichten verkündet werden mussten.

Im neu eingeweihten, schnuckeligen Newsroom, wogegen die Käfigtierhaltung geradezu grossräumig und grosszügig erscheint, hat einer der Gekündigten vor lauter Freude über einen so sozialen und verantwortungsbewussten Arbeitgeber dermassen fest in einen Papierkorb getreten, dass man in den Verrichtungsboxen kurz aufschreckte.

Schon bei der letzten Sparrunde wurden manche Ressorts faktisch halbiert. Aber wenn die Überlebenden meinten, dass man nun ein Skelett nicht mehr weiter abmagern könne, dann haben sie sich getäuscht. Einer geht noch, muss wohl die Devise von oben sein.

Die Stimmung erreicht neue Höhepunkte in der Tamedia-Mannschaft. Überall wird geschmürzelt, gespart und gefeuert. Nur nicht beim hypertroph aufgeblasenen Overhead. Ganz oben sind es Familienbande, im Verwaltungsrat regiert vernetzte Hilflosigkeit, aber in der Redaktionsspitze ist der einzig entscheidende Faktor das Geschlecht. Peinlichkeit ist hingegen hier kein Kriterium, Untätigkeit auch nicht.

Also, liebe Überlebende, weint den Verflossenen nicht zu viele Tränen nach. Spart noch ein paar für euch selbst auf.

Wolkig, sehr wolkig

Altes Wasser in neuen Schläuchen beim Tagi.

Man habe dies und das geändert, gibt die Redaktion stolz bekannt. Also schauen wir mal, ob jemand wirklich bereit ist, für dieses Produkt Fr. 4.60 auszugeben.

Denn im Gegensatz zur Meinung vieler Redaktoren ist die Welt und das Publikum nicht auf ihre Meinung angewiesen oder kann sich ein Leben ohne gar nicht vorstellen. Sondern die Frage ist ganz einfach: bekommt der Konsument genügend Gegenwert für sein Geld?

Beginnen wir mit einem Quervergleich. Wir drehen das Rad der Zeit 25 Jahre zurück. Wie sah denn die Ausgabe des «Tages-Anzeiger» am 22. Juni 1998 aus?

Damals bekam der Konsument satte 75 Seiten geliefert. Für Fr. 2.20 Kioskpreis. Und heute? Heute sind es noch 32 Seiten. Das war damals ein Seitenpreis von rund 3 Rappen. Heute sind wir bei 14,5 Rappen pro Seite. Also fast eine Verfünffachung. Dafür ist der Inhalt dann sicherlich auch fünfmal besser, dichter, kompakter, einfach mehr Qualität. Na ja:

Heute haben wir Anrisse, Anrisse und nochmal Anrisse auf der Front. Plus eine mässig lustige, dafür riesige Karikatur und ein mässig interessanter Artikel als Rehash über die Folgend es angekündigten Rücktritts von Alain Berset.

So geht’s dann auch auf den Seiten zwei und drei weiter. Ein mässig interessanter Kommentar der Chefredaktorin Raphaela BirrerDas ist für die SP ein gefährlicher Zeitpunkt»), ein überdimensioniertes Foto eines Berset, der in New York auf einem Randstein sitzt (x-mal verwendet, Gähnfaktor 10), plus ein mässig interessanter Text der beiden Koryphäen Philipp Loser und Markus Brotschi. Selbst wenn man mit der Corona-Politik Bersets nicht einverstanden war: das hat er nicht verdient.

Auch auf Seite 4 ist der Tagi monothematisch; die möglichen Nachfolger. Ein mässig interessanter Text mit Altbekanntem von Charlotte Walser (die schon die Front bestreiten durfte), Markus Häfliger und Iwan Städler.

Seite 6 ist dann die Lieblingsseite der Journalisten: «Meinungen». Allerdings: alles Leihmeinungen. Peter Burghardt von der «Süddeutschen Zeitung» wirft sich für den ungeratenen Sohn des US-Präsidenten Biden in die Bresche, als wäre er dessen Wahlkampfleiter: «Kein Vergleich mit den Taten Trumps». SZ-Autor Arne Perras wirft immerhin ein Schlaglicht auf den Krieg im Sudan («Die Gleichgültigkeit wird sich für Europa rächen»). Und schliesslich fordert Damian Müller (Luzerner FDP-Ständerat) «klare Signale in der Asylpolitik». Der Tagi selbst bleibt hier meinungslos.

Eine schlappe Seite Wirtschaft, eine Seite Börsenkurse, eine Seite Ausland, Doppelseite Ukraine-Krieg. Dann nochmal Ausland, Simon Widmer regt sich darüber auf, dass das verschollene Tauchboot mit 5 Insassen mehr Aufmerksamkeit erziele (unter anderem beim Tagi) als die Flüchtlingstragödie im Mittelmeer.

Der «Zürich»-Teil macht mit der abgehangenen Story «Zürichs Ländereien in Deutschland» auf; hoffentlich bleibt da noch etwas für später, wenn man alle Sommerloch-Artikel jetzt schon verballert. Seite 16 präsentiert die «Wochen-Hits» der Migros, immerhin hoher Nutzwert.

Sport ist halt Sport, dann kommt «Kultur & Gesellschaft», das Sammelgefäss für alles Übriggebliebene, neu auch Reisen und so weiter. Ein Interview mit einer englischen Bestsellerautorin von einer Münchner Autorin der SZ, schon wieder Eigenleistung null. Dann das Nachtreten von Andreas Tobler gegen den Ex-Chefredaktor der NZZaS, ein entsetzlich peinliches Stück.

Autoseite, Rätsel, Wetter und schliesslich noch «Wissen»: «So erkennen Sie, ob Hagel droht». Und tschüss. Das waren bereits die 32 Seiten.

Kann man nun sagen, dass sich der fünffache Seitenpreis im Vergleich zu 25 Jahre zurück lohnt? Kann man wohl nicht sagen. Kann man sagen, dass sich dieser Seitenpreis dafür lohnt, dass vieles, allzu vieles von der SZ in München übernommen wird, inklusive deutsche Meinungen? Kann man wohl nicht sagen.

Kann man sagen, dass die Strategie – weniger Inhalt, weniger Eigenleistung für deutlich mehr Geld – zukunftsträchtig ist? Kann man nicht sagen. Kann man sagen, dass weitere Millioneneinsparungen zu einer deutlichen Qualitätsverbesserung beitragen werden? Kann man sicher nicht sagen.

Kann man sagen, dass nach der Corona-Peinlichkeit, der Ukraine-Einseitigkeit, die kritiklose Akklamation der Klimapolitik die Glaubwürdigkeit des Tagi steigern wird? Kann man nicht sagen.

Kann man schliesslich sagen, dass die Mischung aus Häme gegen Konkurrenten und das Totschweigen eigener Skandale in eigenen Glashaus bei den Lesern gut ankommt? Kann man nicht sagen. Kann man sagen, dass das Aufdrängen der eigenen Meinung (wenn sie mal dürfen) so vieler Redaktoren, das Herumreiten auf einer angeblich gendergerechten Sprache, obwohl das der überwältigenden Mehrheit der Leser!Innen** schwer an einem gewissen Körperteil vorbeigeht, die Leser-Blatt-Bindung erhöht? Kann man nicht sagen.

Was kann man dann über den Tagi noch sagen? Bis zum Skelett abgemagert, will er Haut und Knochen exorbitant teuer verkaufen. Das kann nicht gutgehen. Nicht nur diejenigen, die der nächsten Sparrunde zum Opfer fallen werden, sollten sich schon jetzt nach einer neuen Stelle umschauen. Die Schlaueren tun das schon längst.

 

Lieber Pietro Supino

Offener Brief: Sagen Sie beim Abschied leise «ciao».

Wissen, wann man aufhören sollte, ist das Schwierigste in einer Managerkarriere. Sie waren als Anwalt bei Bär & Karrer tätig, als Consultant bei McKinsey, als Gründungspartner des Vermögensverwalters Private Client Partners. Man erinnert sich an «Moonstone Trust», aber Schwamm drüber.

2007 wurden Sie als Nachfolger von Hans Heinrich Coninx Präsident des Tamedia-Verwaltungsrats. Sie gestatten, dass wir die Bude weiterhin so nennen, weil die ständigen Namenswechsel zwar gutes Geld für die Schilderwechsler am Haupteingang bedeuteten, sonst aber eher nerven. Aber gut, Sie sind auch noch «Executive Chairman» der «Tx Group».

Unter ihrer Führung wurde das Haus Tamedia um- und abgebaut. Sie verwandelten es in eine Ansammlung von Profitcentern unter dem Dach einer Holding. Die Bezahlmedien wuchsen durch den Ankauf dicker Brocken wie der «Basler Zeitung», der «Berner Zeitung», des «Bund» zum zweitwichtigsten Konglomerat in der Deutschschweiz; Sie beschallen damit über eine Million Leser.

Dem Flaggschiff «Tages-Anzeiger» wurden die Einkommensquellen der Handelsplätze weggenommen und als Tx Markets ausgegliedert. Dermassen ausgehungert, wurden die Redaktionen zu Skeletten heruntergespart; in Zürich stellt eine Zentralredaktion die Einheitssauce her, die sich dann in alle Blätter ergiesst, die dazu noch rudimentäre Lokalberichterstattung stellen. Zum inhaltlichen Schwund gesellt sich der Schwund an zahlenden Lesern.

Bei der Abstimmung über die zusätzliche Subventionsmilliarde agierten Sie als Präsident des Verlegerverbands mehr als unglücklich. Die Bekanntgabe einer Sonderdividende und des milliardenschweren Zusammengehens der Handelsplattformen mit Ringier, plus eine selten bescheuerte Kampagne, sorgten dafür, dass die Abstimmung verlorenging. Ein seltenes Kunststück, wo doch die geballte Medienmacht der Mainstream-Verlage dafür war.

Das Geschäftsergebnis des letzten Jahres ist desaströs, ein gewaltiger Gewinneinbruch, trotz weiteren Sparmassnahmen in Multimillionenhöhe, die der Glaubwürdigkeit der Bezahlorgane den Rest geben werden.

Sie sind also geschäftlich gescheitert.

Wie Sie die Affäre Roshani gehandhabt haben, ist ein Musterbeispiel, wie man es nicht machen sollte. Juristisch gingen Sie nur gegen die Konkurrenz von CH Media vor, als Sie persönlich angegriffen wurden. Ihren ehemaligen Chefredaktor Finn Canonica liessen Sie im Regen stehen, die interne Kommunikation war unter jeder Sau, offen gesagt.

Nachdem Sie und ihre beiden Geschäftsführer in dieser Affäre jämmerlich versagt hatten, liessen Sie den sachkompetenzfreien Mathias Müller von Blumencron Wortblasen zur zukünftigen Strategie schwatzen, dass es dem Leser ganz blümerant wurde und man sich zusätzlich Sorgen um die Zukunft der Tamedia-Redaktore machen musste.

Unabhängig davon, ob das angeblich schon lange geplant war; die Degradierung von Arthur Rutishauser zum Nur-noch-Chefredaktor der «SonntagsZeitung» liess klar erkennen, dass nach der versemmelten Roshani-Affäre ein Bauernopfer fällig war. Schon bei der bis heute nicht bewältigten Affäre um unbewiesene Anschuldigungen von 78 erregten Tamedia-Redaktorinnen machten Sie eine ganz schlechte Figur.

Als Krisenkommunikationsmanager sind Sie mehrfach gescheitert.

Aber als Familienmitglied des Besitzerclans Coninx sind Sie unantastbar.

Nun haben Sie mit der Wahl der Nachfolgerin von Rutishauser nochmals unter Beweis gestellt, dass Ihnen Qualität, Kompetenz, strategische Fähigkeiten und Glaubwürdigkeit bei den Bezahlmedien schnurzegal sind. Die Wahl von Raphaela Birrer kann nur als Sparmassnahme in jeder Beziehungen interpretiert werden.

Dass Charaktermasken wie Philipp Loser, Andreas Tobler, Marc Brupbacher oder Christian Brönnimann unzensiert und ungeniert von Flop zu Flop publizieren und wüten dürfen, ist ein Armutszeugnis sondergleichen.

Während es vor Jahren noch einen Konkurrenzkampf zwischen der NZZ und dem «Tages-Anzeiger» gab, ist Ihr Blatt inzwischen runtergewirtschaftet, übernimmt im Übermass Inhalt von der Münchner «Süddeutschen Zeitung», garniert ihn mit Tickermeldungen der SDA und schmeckt das Ganze mit besserwisserischen und völlig überflüssigen Kommentaren ab.

Die Auswechslung des Kolumnistenteams ist ein weiteres Beispiel für den beschleunigten Weg nach unten. Wer sich gegen dessen Willen und auf unschöne Art von Rudolf Strahm trennt, um ihn durch No-Names zu ersetzen, darunter ein Mode-Dummschwätzer, der schneller vergessen gehen wird als er zu zweifelhaftem Ruhm aufstieg, das Wirken einer Nora Zukker als Literaturchefin, das sind alles Mosaiksteine auf einem Sargdeckel.

Dass für dieses heruntergewirtschaftete Angebot weiterhin stolze Preise im Abonnement und im Einzelverkauf verlangt werden – nach der Devise: weniger Inhalt für gleiches Geld –, ist eine Bankrotterklärung.

Sie haben als Content-Manager krachend versagt.

Offenbar sind Sie nicht in der Lage, dringend nötige strategische Impulse zu geben. Die ewige Leier, dass das alles zur Qualitätsverbesserung diene, dass man sich der Bedeutung der Medien als Vierte Gewalt und Kontrollinstanz bewusst sei – das wirkt nicht mal mehr lächerlich, sondern nur noch peinlich.

Wenn Ihnen wirklich etwas an Publizistik liegt, an dringend nötiger Kontrolle, statt liebedienerischer Lobhudelei staatlicher Massnahmen wie während der Pandemie, dann sollten Sie Platz machen für einen Nachfolger, der noch weiss, worum es bei Newsproduzenten geht.

Treten Sie zurück, Herr Supino, die Leser, das Land, die Mitarbeiter werden es Ihnen danken.

*Packungsbeilage: ZACKBUM-REdaktor René Zeyer war bei der «Sonntagszeitung» tätig.

10’000 Todesfälle

Jeder Tod eines Menschen ist eine Tragödie. Die Berichterstattung über Covid-19 ist ein Skandal.

Eines ist sicher: Die Auswirkungen des Covid-19-Erregers auf die Medien sind letal. In nur 20 Monaten hat sich die sogenannte vierte Gewalt ihrer überlebenswichtigen Eigenschaften begeben. Um sinngebend und wertschöpfend zu funktionieren, brauchen Informationsorgane unverzichtbare Attribute.

Die sind überschaubar: Vertrauenswürdigkeit, Glaubwürdigkeit, Behaftbarkeit und Transparenz. Der zahlende Konsument eines Newsherstellers will gewisse Sicherheiten. Banaler Art, wie beim Kauf eines Liters Milch. Die Verpackung sollte einen Liter enthalten. Die ausgewiesenen Eigenschaften des Inhalts sollten zutreffen. Wenn es Vollmilch ist, dann sollte der Fettgehalt auch der Definition entsprechen.

Steht oder fällt mit Vertrauen.

Der Konsument sollte auch auf das Haltbarkeitsdatum vertrauen können; darauf, dass ihm kein gesundheitlicher Schaden entsteht und dass er das Recht hat, sollte die Milch wider Erwarten sauer oder ungeniessbar sein, Ersatz gestellt zu bekommen. All diese banalen Voraussetzungen, die Grundlage für ein funktionierendes Angebot mitsamt vorhandener Nachfrage, treffen auf Bezahlmedien weitgehend nicht mehr zu.

Wo Nachricht draufsteht, sollte auch eine drin sein

Angefangen bei so Banalem, dass es geradezu hirnrissig ist, es überhaupt erwähnen zu müssen. Wo Milch draufsteht, sollte auch Milch drin sein. Wo «Nachricht» draufsteht, sollte ein Inhalt vorhanden sein, der dem Bemühen geschuldet ist, verdichtete, kompetent aufbereitete und möglichst wahrhaftig dargebotene Wirklichkeit abzubilden.

Die aktuelle Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit der Pandemie in der Schweiz beträgt 10’906 nach den verfügbaren Statistiken. Das Medianalter der an oder mit Covid-19 Verstorbenen liegt bei der durchschnittlichen Lebenserwartung in der Schweiz. Die Todesfallstatistik weist von Anfang bis heute aus, dass es eine signifikante Zahl von Todesfällen bei Ü-70-Jährigen gibt. In diesem Alter ist es beinahe ausgeschlossen, dass nicht eine oder mehrere Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Rheuma, Arthritis oder Herzinsuffizienz vorhanden sind.

Drei Journalisten treffen sich …

Das sind unbestreitbare Tatsachen. Aus diesen wenigen Zahlen lassen sich die Thesen ableiten, um das Elend der Schweizer Bezahlmedien zu beschreiben.

Das Elend in 11 Thesen
  1. Was vor allem am Anfang – teilweise bis heute – an Horrorszenarien in den Medien herumgeboten wurde, grenzt an Straffälligkeit. Oder ist es keine Schreckung der Bevölkerung, wenn von bis zu 100’000 Toten, einem zusammenbrechenden Gesundheitssystem, schrecklichen Szenen vor überlasteten Intensivstationen, ja sogar einem Faustkampf um Beatmungsgeräte berichtet wurde?
  2. Prognosen sind immer mit Unsicherheit behaftet, niemand hat eine Glaskugel, in der er in die Zukunft schauen kann. Aber wäre es nicht Ausdruck von Redlichkeit und Anstand gewesen, sich für krachende Fehlprognosen zu entschuldigen – statt sie einfach durch neue zu ersetzen?
  3. Mit der falschen Behauptung, dass nur Unmenschen einen Zusammenhang zwischen einem Menschenleben und Kosten zu seiner Erhaltung sähen, wurde versucht, jede Debatte über die ungeheuerlichen finanziellen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Bekämpfung abzuwürgen. Damit wird den folgenden Generationen – ungefragt – ein Schuldenberg in der Höhe von schätzungsweise 200 Milliarden Franken aufgebürdet. Diese Verantwortungslosigkeit wird in den Medien kaum thematisiert.
  4. Die Newsmedien verloren schnell jede Distanz zum Handeln der Regierenden. Wenn der Ausdruck Gleichschaltung nicht historisch vergiftet wäre, wenn der Vergleich mit Staatsmedien im ehemaligen Ostblock mangels Ostblock nicht verfehlt wäre: selten war der Unterschied zwischen SRG und Privatmedien in der Schweiz und Staatsfunk oder dem «Neuen Deutschland» oder der «Prawda» kleiner als heute.
  5. Eine freie Gesellschaft konstituiert sich über eine freie Debatte. Die nur Sinn macht, wenn sie öffentlich ausgetragen wird. Trotz Social Media, Blogs und allen Multiplikatoren im Internet finden solche Debatten weiterhin in den klassischen Medien statt. Fänden statt, wenn nicht selbst ernannte Zensoren, Inquisitoren und Besitzer der guten und richtigen Wahrheit mit mittelalterliche Strenge zwischen richtig und falsch, gut oder böse, erlaubt oder verboten entscheiden würden.
  6. In einer offenen und modernen Gesellschaft ist man sich bewusst, dass jede Form von Entscheidung multifaktorielle Auswirkungen hat; Rückkoppelungen, Spiegelungen, Dinge beeinflusst, an die man gar nicht gedacht hat. Nicht nur im Materiellen. Die psychischen Auswirkungen in allen Formen, auf Kinder, Heranwachsende, Ehepaare, Kleinunternehmer, die Veränderung der Ursachen für Suizide, die Kosten für steil ansteigenden Bedarf an psychologischer Beratung oder Behandlung – alles Themen, die im Tunnelblick der Monokausalität weitgehend untergegangen sind.
  7. Ein Journalist ist meistens ein Mensch, der meint, über alles alles zu wissen. Ein Generalist, der gestern über einen Naturschutzpark, heute über interne Vorgänge in der EU-Kommission und morgen über die Folgen des Attentats auf den haitianischen Präsidenten berichten kann. Dabei auch selbstverständlich zum Epidemiologen, Virologen, Seuchenspezialisten herangereift ist. Rechthaberisch, arrogant, beratungsresistent.
  8. Es hat sich eine fatale Komplizenschaft zwischen einzelnen Wissenschaftlern und den Medien ergeben. Seuchenspezialist ist normalerweise keine akademische Betätigung, mit der man sich im Scheinwerferlicht sonnen kann. Ausser bei einer Seuche. Karriere, Forschungsgelder, Geltungsdrang trifft auf Unkenntnis und der Suche nach Steigerungen in den Medien. Daraus entstand ein absolut unbekömmliches Gebräu, zum Schaden des Ansehens der Wissenschaft, der Medien und auch der Regierenden. Denn die liessen sich von den resonanzverstärkten Fachleuten vor sich hertreiben. Ohne zu berücksichtigen, dass ein Virologe wohl von Viren Ahnung hat. Aber von Wirtschaft, Gesellschaft, Psychologie, gesamtheitlichem Denken – null.
  9. Wer regiert, muss handeln. Wer handelt kann Fehler machen, schuldig werden. Muss mit Auswirkungen umgehen, die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung gar nicht absehbar waren. Für die er aber dennoch harsch kritisiert wird. Denn Politik ist nicht gerecht oder nett. Sondern ein Kampf um Wählerstimmen, Macht und Posten. Völlig befreit davon sind – Medien und Wissenschaftler. Die einen dienen als willfährige Multiplikatoren, die anderen geben wohlfeile Ratschläge. Beide fordern, kreischen, überbieten sich in der Erregungsbewirtschaftung mit immer absurderen Extremen. Verantwortungslos, zum Schaden ihrer Metiers.
  10. Es gibt keine andere Berufsgattung, bei der die Fähigkeit und der Wille zum Austeilen, zum Kritisieren, zum Rechthaben in einem derartigen Missverhältnis zur Einsicht in eigene Fehler steht. Zur Fähigkeit, Kritik zu vertragen, nicht Besserwisser zu sein, sondern besser zu wissen – als bei Medienschaffenden. Das Eingeständnis eines Irrtums, das Zeigen von Lernfähigkeit, das Beschränken auf Wissensgebiete, über die der Journalist tatsächlich Kenntnisse hat – nur unter Folter denkbar.
  11. Die Darstellung der Wirklichkeit in all ihrer Widersprüchlichkeit, Komplexität, Unüberblickbarkeit – das bräuchte Mut und die intellektuelle Fähigkeit zum «ich weiss doch auch nicht, aber ich beschreib’s halt mal». Ausgeschlossen, wer nicht aus dem Stand bereit ist, dem US-Präsidenten, der Bevölkerung jedes beliebigen Landes der Welt, der Wissenschaft, der Autoindustrie oder der Klimaforschung ungefragt Ratschläge zu erteilen, deren Fehler zu kritisieren, masslose Forderungen aufzustellen – der scheint den Beruf verfehlt zu haben und sollte besser nicht als Journalist tätig bleiben.
Summa summarum: Das sind die wirklichen Krankheitssymptome des Journalismus. Nicht etwa wegbrechende Inserate, schrumpfende Auflagen, flüchtende Abonnenten. Da kann auch Staatshilfe nichts Positives bewirken. Sie gleicht dem Versuch, den Komatösen rote Bäckchen zu verpassen – während die Gehirnaktivitäten gegen null tendieren.

Zu Tode gesparter Journalist betrachtet sich selbst.

Aber keine Panik, das Bedürfnis nach Information über das Nahe und das Ferne, das ist ungebrochen vorhanden. Dafür wird auch in Zukunft Geld ausgegeben. Für die Medien des Duopols in der Schweiz sieht es allerdings aschgrau aus. Zappenduster. Schwarz wie Druckerschwärze. Arme Hungerkünstler, die noch einmal wichtig tun wollen, als klappernde Skelette um die verglimmenden Lagerfeuer der öffentlichen Meinungen tanzen. Umso überzeugter von ihrer Wichtigkeit und Bedeutung, desto deutlicher sie fröstelnd spüren, wie der Nachtwind sie in die Vergänglichkeit weht.

Journalist (früher, nur für Gebildete).