Beobachtung als Qual
Ob der Tagi das absichtlich macht?
Am früheren Morgen begeistert das Qualitätsorgan seine Leserschaft mit diesem erschütternden, brandaktuellen und weltbewegenden Stoff als Aufmacher:
Aber obwohl er es auf Platz vier der «Beliebtesten Artikel» schafft, hat die Pinkelpause vielleicht doch nicht so performt. Also wird sie ganz oben hiervon abgelöst:
Fast kongenial ist die dazugeschaltete Werbung. Vielleicht hilft das «Niveau Cellular Luminous 630 Intensiv-Serum», ganze 30 ml für schlappe 24.70 im Sonderangebot, bei der Work-Life-Balance.
Aber weiter im wilden Galopp; die breaking news überschlagen sich:
Man beachte auch die Karikatur nach der Devise: Scherz, keiner versteht dich.
Apropos breaking news:
Das Unwetter war am Mittwochmorgen …
Aber es gibt neuere Meldungen, die unbedingt in ein Qualitätsmedium gehören:
Da pausiert selbst der US-Wahlkampf. DIE Heidi Klum, die «Queen of Halloween», hat sich, die Sensation, als ET verkleidet. Hat man Worte? ZACKBUM nicht.
Aber wenn alle Stricke reissen, sind Polizeimeldungen die letzte Rettung für eine verzweifelte Redaktion:
Eigentlich steht der Mann unter Quarantäne, aber hier übertrifft er sich mal wieder dermassen selbst, dass zumindest der Titel seiner Blödel-Kolumne dokumentiert werden muss:
Bei allen Heiligen, das soll der Aufmacher der Rubrik «International» sein? Dann doch lieber jeder beliebige Schwachsinn aus München.
Aber Gott sei Dank greift dann noch der «Newschef beim Tages-Anzeiger; verantwortlich für die aktuelle Berichterstattung und das Sitemanagement» mit einem richtigen Brüller ein. Allerdings abgeschrieben aus der englischen «Daily Mail», auch so einem Qualitätsblatt:
«Zugetragen habe sich der Vorfall 1993 im New Yorker Plaza Hotel», kolportiert der «Newschef» Adrian Eng. Dort habe Trump sie auf sein Hotelzimmer bestellt, wo sie sicherlich erwartete, von ihm Tipps zum Haarfärben zu bekommen. Stattdessen habe er sie «unaufgefordert geküsst» und begrapscht. Allerdings sei es nicht zum Äussersten gekommen, weil das Model ganz clever war: «Keul habe sich aus der misslichen Lage befreien können, indem sie Trump auf ein anderes Mal vertröstet habe. Sie hätten sich dann noch für rund eine halbe Stunde unterhalten, Trump habe ihr angeboten, für sie in den USA einen Platz an einer Universität zu organisieren.»
Das steht ursprünglich in diesem hochstehenden Organ:
Ach, und wieso brauchte Keul doch mehr als 30 Jahre, um mit diesem schrecklichen Vorfall an die Öffentlichkeit zu gehen?
«Sie habe dann alle Dokumente in eine Kiste geworfen und versucht, das Geschehene zu vergessen. Jetzt sei sie beim Aufräumen wieder auf die Sachen gestossen, und die Erinnerung sei wieder hochgekommen», übernimmt der Newschef ihr Geflunker. Denn den wirklichen Grund enthüllt das Ex-Model dann selbst: «Laut Informationen auf ihrer Webseite soll demnächst ein Buch erscheinen. Zudem hat Keul seit Ende Oktober diverse Social-Media-Kanäle eröffnet.»
Das ist exemplarischer Qualitätsjournalismus eines schreibenden Vorbilds, wie ihn sich Simon Bärtschi erträumt.
ZACKBUM gibt zu: nach diesen Storys haben wir ermattet aufgegeben. Berichterstatterpflicht das eine, aber was der Tagi bietet, ist einfach stärker als wir. Allerdings fragen wir uns, wie das seine Leserschaft aushält:
«Sie schminkt Leichen» und «Essen teilen? Nein, danke!» Perfekte Mischung, denn es käme einem sowieso wieder hoch.