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NZZ – Tagi: 3 : 0

Brutaler Niveauunterschied bei der Berichterstattung über das Kinderspital.

Das finanzielle Fiasko um den Neubau des Zürcher Kinderspitals ist Anlass für ambitionierten Lokaljournalismus. Im Gegensatz zum Gejammer der «Republik» funktioniert der bestens, wenn man sich auch Mühe gibt.

Gerade hier tun sich aber mal wieder Abgründe zwischen den beiden Zürcher Lokalmatadoren auf. Um es auf den Punkt zu bringen: der Tagi macht das, was man halt im Billig-Schnellschnell-Journalismus so tut. Er macht ein Interview mit dem Stiftungsratspräsidenten Martin Vollenwyder. Dafür bietet er gleich zwei Redaktorinnen auf. Aber Sabrina Bundi und Susanne Anderegg sind – sicherlich aus Zeitmangel – nur oberflächlich vorbereitet.

Das kann auch daran liegen, dass Bundi erst 2023 zum «Tages-Anzeiger» wechselte; zuvor war sie im Bündernland tätig. Aber Anderegg, seit 1995 beim Tagi, ist eine Veteranin im Themenbereich Gesundheitswesen.

So darf Vollenwyder zum Beispiel ungeniert flunkern: «Es gab damals in den Jahren 2011 und 2012 einen anonymen Wettbewerb unter 19 Architekturbüros. Das Spital sagte, was es braucht, und die Büros machten Vorschläge. Die Jury hat sich für ein Projekt entschieden, und als am Schluss das Couvert aufgemacht wurde, entpuppte sich das Büro Herzog & de Meuron als Gewinner.»

Wer die NZZ liest, weiss mehr, aber dazu später. In diesem Interview passiert das, was immer passiert, wenn ein Kenner der Sachlage von Journalisten befragt wird, die nur oberflächliche Kenntnisse der Hintergründe und Fakten haben. Vielleicht hätten sie besser zuvor die NZZ gelesen.

Da hätten sie sich bei der Gestaltung auch ein paar Scheibchen abschneiden können, schon formal heisst es 1 : 0 für die NZZ. Tagi ist gähnlangweilig:

Riesenfoto eines älteren Herrn in dunklem Anzug, darunter noch ein Minifoto des neuen Forschungszentrums.

Dagegen inszeniert die NZZ ihren Hintergrundartikel so, dass Leselust entsteht:

Hier geht es nicht einfach um die Wiederholung von Altbekanntem, nämlich dass das Kispi mit einem kantonalen Darlehen und Betriebskredit vor dem Kollaps gerettet werden muss. Es geht auch nicht darum, den verantwortlichen Gelegenheit zu bieten, wie üblich alle Schuld von sich zu weisen. Sondern der NZZ geht es darum, «die Geschichte hinter der Rettungsaktion für das grösste Kinderspital des Landes» zu erzählen.

Denn: «Wenn Monumente wanken, werden Menschen wütend. Das war bei der Swissair so, bei der Credit Suisse – und nun auch beim Kinderspital

Also blättern Jan Hudec und Marius Huber didaktisch geschickt die verschiedenen Aspekte durch, die zur finanziellen Katastrophe führten. Zuerst nehmen sie sich den lautstark erhobenen Vorwurf vor, dass das Kispi halt nicht zwei Stararchitekten hätte beauftragen sollen. Bei genauerer Betrachtung fällt diese Kritik in sich zusammen. Auch unterlegene Konkurrenten bestätigen, dass Herzog & de Meuron mit ihrem Vorschlag in einer anderen Liga spielten als die übrigen Teilnehmer am Wettbewerb: «Einleuchtende Betriebsabläufe, eine heimelige, kindgerechte Atmosphäre mit viel Holz und Pflanzen, eine unverwechselbare Erscheinung – Sieger in allen Kategorien. Und weil ihr Entwurf obendrein kompakter ist als alle anderen, sollte er laut der Kostenschätzung eines Experten auch der günstigste sein.»

Das bestätigt auch der damalige Stadtbaumeister, der die Jury präsidierte: «Es war, als ob Real Madrid in der Schweizer Super League angetreten wäre.» Allerdings, dass der Wettbewerb anonym durchgeführt wurde und am Schluss bei der Öffnung des Couverts der Name Herzog & de Meuron heraushopste, wie Vollenwyder im Tagi erzählt, stimmt so nicht: «Tatsächlich trifft dies aber nur für die erste Phase des Wettbewerbs zu, in der entscheidenden zweiten Phase wird die Anonymisierung aufgehoben – und kein Mitbewerber hat annähernd das Renommee von Herzog & de Meuron», weiss die NZZ. 2 : 0.

Erstes Fazit der NZZ: «Unter jenen, die mit der Materie vertraut sind, herrscht Konsens: Stararchitektur ist nicht der Grund, weshalb die Kosten für den Neubau des Kinderspitals zum Problem wurden. Die Wurzeln des Problems reichen tiefer

Zum Beispiel in die Zeitenwende, dass früher die Zürcher Spitäler davon ausgehen konnten, dass ihnen der Kanton ihre Bauten zahlt: Das Kinderspital bestellt, der Kanton übernimmt die Rechnung. «So wird dies 2009 in einer Vereinbarung festgehalten. Und davon geht die Eleonorenstiftung, die private Betreiberin des Spitals, aus, als sie die Kosten für den Neubau ermittelt

Die neuen Spielregeln lauten dann: «Grund dafür ist das neue Spitalfinanzierungsgesetz. Dieses sieht vor, dass die Spitäler ihre Infrastruktur aus den Fallpauschalen selbst finanzieren müssen

2015, so komplex ist die Vorgeschichte, geht dann Vollenwyder ins Risiko: «Er bewegt den Stiftungsrat dazu, den Neubau trotz komplett veränderten Spielregeln wie geplant zu realisieren und das Geld dafür selbst aufzutreiben.»

Wäre eine Alternative gewesen, das ganze Projekt zu stoppen? «Der Businessplan sei aufgegangen», behauptet er, alle Alternativen wären noch teurer geworden, und: «Was später kam – die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg –, habe niemand ahnen können

Dann steigen die Kosten, von 625 auf 680 Millionen Franken, dann auf 761 Millionen. Damit ist Ende Fahnenstange, denn in seiner Laufzeit könnte der Neubau höchstens 500 Millionen Franken refinanzieren. 100 Millionen waren von Anfang an als Spenden eingeplant, die wurden dann auf 150 Millionen angehoben. Aber selbst mit der Investition des Eigenkapitals der Stiftung reichte es nicht mehr, um 761 Millionen zu stemmen. 3 : 0 für die NZZ.

Daher der Hilferuf an den Kanton. Womit die Krise noch nicht ausgestanden ist, denn der Betrieb muss rentieren und auch in vier Jahren eine erste Anleihe von 200 Millionen refinanzieren.

Ein ambitioniertes Ziel, wie der Wirtschaftsprüfer vorsichtig sagt. Auf Deutsch: starker Harakiri-Verdacht.

Das alles weiss, wer den gründlich recherchierten, fundierten und im besten Sinne des Wortes Entscheidungsgrundlagen zur Beurteilung liefernden Artikel in der NZZ liest.

Wer den Tagi liest, hat nur die Verwertung von Altpapier verzögert. Was wieder einmal beweist: die Krise des Journalismus ist in weiten Teilen hausgemacht. Prinzip NZZ/Gujer gegen Prinzip Tamedia/Supino. Resultat: 3 : 0 für die NZZ. Real Madrid gegen FCZ eben.

 

 

Was interessiert das die Schweiz?

Wenn Hubert Wetzel unablässig die Welt regelt.

Der Mann hat Sendungsbewusstsein. Und spart nicht mit harschen Urteilen: «Macron hat aussenpolitisch seinen Bankrott erklärt». Nein nicht gerade jetzt, das war sein Verdikt im April.

Im November 2020 sah er noch ganz andere Gefahren: «So sterben Demokratien», raunte er. Für jeden, der sich auch nur bemüht, Motive von Putin zu verstehen, diesen «paranoiden Diktator», hat Wetzel nur Verachtung übrig: «putinfreundliche Verschwörungsschwurbler».

Bis 2022 war er USA-Korrespondent der «Süddeutschen Zeitung», womit sich seine Amokläufe auch in die Spalten des Qualitätsorgans «Tages-Anzeiger» ergossen. Seither wütet er in Brüssel, und Tamedia kriegt’s weiterhin ab.

Da muss er immer wieder streng werden und den europäischen Politikern und Regierungen die Kappe waschen. Zunächst aber ruft er eine Tatsache in  Erinnerung, die schon fast alle vergessen haben: «In der Ukraine herrscht Krieg.» Da fällt ihm selbst auf: «Das mag nach zwei Jahren des Tötens und Sterbens wie eine banale Feststellung klingen.» Wetzel und banal? Niemals; «aber es ist keine. Im Gegenteil». Was ist wohl das Gegenteil einer banalen Feststellung? Eine nicht-banale? Eine schwere, komplizierte, schwierige, komplexe?

Nun auf zu einer banalen Zweiteilung Europas: «Niemand rechtfertigt das Blutbad, das Wladimir Putin anrichtet. Aber im Grossen und Ganzen fühlen sich Spanien, Portugal oder Italien in ihrer Existenz durch den Krieg nicht wirklich bedroht

Typisch, diese lateinischen Schlappis. Mehr Zack herrscht «im zweiten Lager, dem der nördliche und der östliche Teil der EU-Staaten angehören».  Die wissen laut Wetzel: «In der Ukraine kämpfen nach dieser Deutung zwar ukrainische Soldaten, aber sie kämpfen stellvertretend für das EU-Europa und seine Prinzipien: Freiheit, Demokratie, Menschenwürde. Der Krieg ist nicht nur «deren Krieg», er betrifft nicht nur die Ukrainer. Der Krieg ist «unser Krieg» – Putin zielt auf uns alle, und er wird auch uns attackieren, wenn wir ihn nicht im Donbass aufhalten.»

Wenn «wir» ihn nicht im Donbass aufhalten? Müssen wir zukünftig auf die Schreibtischkommentare von Wetzel verzichten, weil er sich höchstpersönlich aufgemacht hat, den Iwan aufzuhalten? Da hält er sich dann doch bedeckt, schliesslich muss Europa seine ordnende Hand spüren: «Wie immer in solchen Fällen wäre es die Aufgabe Deutschlands und Frankreichs, die Führung zu übernehmen. Das aber funktioniert nicht.»

Wann genau haben Deutschland und Frankreich gemeinsam die Führung übernommen? Als sich Frankreich für die Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung den Euro ausbat? Oder lässt Frankreich neuerdings Deutschland an seiner Force de frappe teilhaben?

Aber es gibt noch eine viel grössere Gefahr, und die geht mal wieder von der SPD aus, diesen Pazifisten, Weichlingen, Defätisten, Diversanten. Ob sich hier eine neue Dolchstosslegende entwickelt? «Die Frage, ob man sich auf Deutschland – genauer: den Bundeskanzler – im Notfall verlassen kann, ist wieder zu hören, erst recht, seit in dessen SPD laut über das «Einfrieren» des Kriegs geredet wird.»

Die Frage sei zu hören? So, so, was Wetzel so alles hört. Und wie beantwortet er die Frage? Überhaupt nicht, denn neben der Feigheit vor dem Feind zeichnet ihn auch Feigheit vor der eigenen Regierung aus. Denn behaupten, auf den Bundeskanzler könne man sich «im Notfall» nicht verlassen, das wäre dann doch starker Tobak.

Die ganz grosse Frage ist allerdings: was interessiert den Schweizer Leser diese Schreibtherapie eines deutschen Wüterichs, der von einer düsteren Ankündigung zur nächsten stolpert, getrieben von typischer German Angst?

Die kann leicht beantwortet werden: überhaupt nicht, denn die Schweiz gehört weder zu Deutschland noch zur EU. Und auch, wenn Wetzel vielleicht meint, dass an seinem Wesen die Welt genesen sollte: ist hierzulande völlig unerheblich. Überflüssig. Eine ärgerliche Belästigung.

Wo bleibt die Bööggin?

Keine dummen Scherze mehr in geschlossenen Veranstaltungen.

Wer meint, er könne im engeren Freundeskreis angeheitert oder nüchtern sexistische, rassistische, exkludierende, postkolonialistische Vorurteile transportierende Scherze machen: aufgepasst. Trägt das jemand dem Qualitätskonzern Tamedia zu, dann steht nicht nur der Böögg im Feuer, sondern auch der Scherzkeks.

Es gehört zum Brauchtum, dass vor der Verbrennung des Winters die Zünfter sich in geschlossenen Veranstaltungen bespassen. Wenn man entre nous ist und der Alkohol nicht rationiert wird, kommt es zu gewissen Enthemmungen. Das ist völlig normal und erlaubt. Weder bei solchen Gelegenheiten noch im eigenen Schlafzimmer muss man damit rechnen, dass Geschehnisse an die Öffentlichkeit gezerrt werden.

Ausser, man engagiert den falschen Kameramann. Dann passiert Folgendes: «Der Vorfall wurde von dieser Redaktion publik gemacht.» Das liegt immerhin im Streubereich der Wahrheit; «diese Redaktion» veröffentlichte Material, das nicht für die Veröffentlichung bestimmt war und ihr zugespielt wurde. Und regte sich fürchterlich über den Inhalt auf:

«In der zweiten Hälfte des dreiviertelstündigen Showblocks betritt ein Mann die Bühne, dessen Gesicht schwarz angemalt ist. Er trägt eine schwarze Kraushaarperücke, einen Bastrock und hält einen grossen Knochen in den Händen.»

Falls jemandem die Widerwärtigkeit dieses Auftritts nicht klar sein sollte: «Das wird in der Fachsprache Blackfacing genannt. Die Kritik daran: Privilegierte Personen machen sich über eine Gruppe lustig, die in der Gesellschaft Diskriminierung erfahren hat.»

Gnadenlos fährt der Tagi in seiner Rekonstruktion fort: «Neben dem Geschminkten stehen ein als Frau verkleideter Mann mit blonder Perücke sowie eine Frau ganz in Schwarz und mit Federschmuck. Während des Gesprächs steckt sich der schwarz angemalte Mann den Knochen zwischen die Beine. Lacher im Publikum.»

ZACKBUM resümierte damals: Merke: wer Blackfacing macht, ist nicht wirklich lustig. Wer sich darüber erregt, ist wirklich lächerlich.

Die Tagi-Redaktoren David Sarasin, Jan Bolliger und Corsin Zander waren damals ausser sich und hofften auf einen Riesenskandal: «Das ist mehr als bloss ein misslungener Scherz. Damit schaden sie Zürich – das Sechseläuten hat noch immer eine Ausstrahlung weit über die Stadtgrenzen hinaus.» Aber ein paar Monate später mussten sie frustriert vermelden: «Skandal-Auftritt am Zunft-Ball: Blackfacing am Sechseläuten hat keine juristischen Konsequenzen».

Damit versanken die Herren erschöpft in tiefer Weinerlichkeit und Betroffenheit. Deshalb übernimmt nun Sascha Britsko: «Zürcher Zünfte wollen nicht mehr diskriminieren», titelt sie. Womit sie unterstellt: Früher wollten die das? Sonst schreibt sie Meldungen zusammen oder verbreitet harte Kritik an allen Diversanten, die doch der Ukraine tatsächlich Verhandlungen empfehlen, Titel «Sind Sie noch ganz bei Trost

Nun aber kehrt sie ins Lokale zurück. «Die Zünfte haben neu einen Leitfaden gegen Diskriminierung». Auch das hat sie nicht selbst rausgekriegt, sondern sie zitiert in guter Sitte und Tradition das «Regionaljournal» von SRF. Gut so: «Damit wolle man gegen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Sexismus vorgehen, sagt das ZZZ dem «Regionaljournal»», echot Britsko.

Damit folgen die Zürcher Zünfter den Basler Fasnächtlern, welch seltene Kollaboration. «So steht im Leitfaden beispielsweise, dass diskriminierendes Verhalten wie Beschimpfungen nicht zum Geist des Sechseläutens passe». Damit ist ZACKBUM vollumfänglich einverstanden. Beschimpfungen müssen nicht sein.

Allerdings will das Zentralkomitee der Zürcher Zünfte (ZZZ) seinen «Leitfaden» nur als Empfehlungen verstehen: «Wir können und wollen nicht befehlen, sondern einzig empfehlen, damit das Sechseläuten weiterhin ein fröhliches und von kommerziellen und politischen Einflüssen unabhängiges Fest bleibt», lässt sich der Mediensprecher des ZZZ zitieren.

Apropos Diskriminierungen. Dass lauter Männer auf Pferden, die nicht um ihr Einverständnis gefragt werden, um einen brennenden Holzstoss herumreiten, wobei auch mal einer auf den Latz fällt, dabei komische Fantasieuniformen tragen und furchtbar wichtig tun: ist das vielleicht nicht diskriminierend? Und wenn zuvor jemand so geschmacklos ist, sich ein Baströckchen anzuziehen und das Gesicht schwarz anzumalen, ist das wirklich diskriminierend?

Nehmen wir mal an, ein Tagi-Redaktor findet es lustig, seine Angetraute nach vielen Ehejahren damit zu überraschen, dass er im Schlafzimmer den wilden Schwarzen gibt, ist das diskriminierend? Das ist vor allem etwas, was die Öffentlichkeit schlichtweg einen feuchten Dreck angeht.

Denn peinlich in diesem ganzen Umzug ist ausschliesslich der Tagi, der diesem Pipifax eine ganze Reihe von Artikeln widmet – und sich nicht bewusst wird, wie er sich Mal um Mal damit lächerlich macht.

Dabei ist die wahre Diskriminierung gar nicht adressiert, wie man heutzutage so schön sagt. Da sollten sich alle Beteiligten spontan unwohl fühlen und in sich gehen, dass ihnen das nicht aufgefallen ist.

Wie heisst die Figur schon wieder, die Jahr für Jahr verbrannt wird? He? Böögg. Genau. Und welches eindeutig zugewiesene Geschlecht hat diese Figur? Genau, DER Böögg. Dass das auf Alemanisch auch noch Popel bedeutet, macht es auch nicht besser, denn es ist DER Popel.

Der wie männlich. Wie exkludierend. Mehr als die Hälfte der Menschheit fühlt sich hier nicht vertreten. Zudem trägt der Böögg noch eine Pfeife im Gesicht. Raucher. Und das wird Kindern gezeigt. Wer behandelt deren Schäden? Und wieso gibt es nicht ein Jahr einen Böögg, das nächste Jahr eine Bööggin? Oder überhaupt mal 100 Jahre nur Böögginnen, um all das Unrecht wiedergutzumachen?

Dann kommt aber ein Hypersensibler und sagt: ich fühle mich sehr unwohl. Die Bööggin erinnere ihn unselig an die Hexenverbrennungen des Mittelalters.

Und dann? Nun, lieber Zünfter, liebe Freunde des Sechseläutens: dann ist fertig mit diesem diskriminierenden, rassistischen, ungesunden Brauch. Das wäre wenigstens mal eine konsequente Forderung. Aber eben, auch beim Tagi arbeiten zu viele Weicheier.

Sparmassnahme? Niemals!

Der «Tages-Anzeiger» wird dünner. Pardon, flexibler.

Es darf mal wieder gelacht werden. Allerdings auf Kosten des Lesers. Oder im Double Speak der Tamedia-Chefredaktion am Dienstagmorgen auf der Front des Tagi:

«Ab sofort bieten wir Ihnen täglich zwei starke Seitenabfolgen in gewohnter Tagi-Qualität – die erste mit einem nachrichtlichen und einem gesellschaftlichen Fokus, die zweite mit regionalen Inhalten und dem Sportteil.»

Oder auf Deutsch: nur noch zwei, statt drei Bünde.

Aber es kommt noch besser für den Leser:

«Darüber hinaus fassen wir Ressorts zusammen: Die bisher mit «Inland» und «Wirtschaft» benannten Seiten erscheinen neu unter dem Seitenkopf «Politik & Wirtschaft». Damit tragen wir der Tatsache Rechnung, dass praktisch jede politische Entscheidung wirtschaftliche Implikationen hat und auch wirtschaftliche Vorgänge zuverlässig in der Politik Widerhall finden. Der erste Bund wird neu mit der Strecke «Kultur, Gesellschaft & Wissen» ergänzt

Ja potztausend, dass noch niemand vorher darauf kam, dass Politik und Wirtschaft irgendwie etwas miteinander zu tun haben. Und «neu» ist an der Strecke «Kultur, Gesellschaft & Wissen» gar nichts. Denn dass das mal ganz verschiedene Ressorts waren, das ist schon ein Weilchen her.

Aber damit ist die Leserverarschung, Pardon, die Erklärung der neuen Wertigkeit, noch nicht am Ende:

«Die bisherige kleinteilige Struktur war mit inhaltlichen Einschränkungen verbunden. Mit den Änderungen können wir Ihnen einen stärker auf die Aktualität ausgerichteten «Tages-Anzeiger» bieten, weil wir mehr Flexibilität in der Aufbereitung und bei der Gewichtung der Inhalte haben

Das muss man sich wieder auf der Zunge zergehen lassen. Bisher war die Struktur «kleinteilig», und daher mit «inhaltlichen Einschränkungen verbunden»? Als es noch fünf oder gar sechs Bünde gab, muss das ja furchtbar für den Leser gewesen sein; kein Wunder, dass er damals massenhaft abbestellte, während er heute treu abdrückt.

Aber nun ist der Tagi noch flexibler, obwohl er das doch schon immer war, wenn man nur die Editorials von Raphaela Birrer zum gleichen Thema liest.

Aber der Höhepunkt ist zweifellos «noch stärker auf die Aktualität ausgerichtet». Wahnsinn, wo soll das enden, denn «noch aktueller» ist immer der Schlachtruf, der eine Sparmassnahme begleitet. Also wird der Tagi irgendwann mal so aktuell, dass in ihm schon drinsteht, was erst gleich passieren wird. Das dann allerdings in äusserster Flexibilität nicht mehr in zwei Bünden, auch nicht in einem Bund, sondern auf einem Blatt. Weniger geht dann nicht mehr, aktueller geht’s dann auch nicht. Aber dafür ohne Leser.

Wobei, am Wochenende geht’s dann doch wieder anders: «Samstags erscheint der «Tages-Anzeiger» zwar mit den neuen Seitenköpfen, aber weiterhin mit drei Bünden und bietet zusätzlich vertiefenden Lesestoff fürs Wochenende.»

Ähm, also statt zwei «starken Seitenabfolgen» weiterhin die mühsamen drei, mitsamt «kleinteiliger Struktur» und «inhaltlichen Einschränkungen»? Und wieso soll eigentlich nur am Samstag «vertiefender Lesestoff fürs Wochenende» geboten werden? Wochentags braucht’s den nicht?

Schliesslich kommt einem bei dem letzten Satz noch ein schrecklicher Verdacht. Wenn also der Samstags-Tagi so viel Lesestoff fürs ganze Wochenende bieten soll, wozu braucht’s dann eigentlich noch die «SonntagsZeitung»? Um noch mehr zu vertiefen? Aber dann wäre ja man ja schon fast in Neuseeland angekommen, bei einer solchen Tiefe.

Also keine guten Nachrichten für niemanden. Nicht für die Leser, nicht für Arthur Rutishauser und seine Mannen (und Frauen, natürlich; sowie bi, hybrid, nonbinär, Transmenschen plus Kim).

Rechtsverständnis

Die Sanktionen gegen Russland ritzen den Rechtsstaat.

Die Auswirkungen der Sanktionen auf die russische Wirtschaft sind sehr überschaubar. Dank Mulitmilliardeneinnahmen aus Rohstoffverkäufen in neue Richtungen klingelt das Geld in der Kasse des russischen Staates.
Die Auswirkungen der Sanktionen auf den Schweizer Rechtsstaat sind gigantisch. Und bedenklich.

Zunächst übernimmt der Bundesrat unbesehen sämtliche Sanktionen der USA und der EU. Theoretisch prüft er sie, praktisch winkt er sie durch. Damit ist nicht zuletzt die Schweizer Neutralität in Frage gestellt.

Dann haben von ihnen Betroffene keinerlei Möglichkeit zur Gegenwehr. Ein rechtsstaatlich unmöglicher Zustand. Russe, reich, Oligarch. Das genügt, damit das Eigentumsrecht ausser Kraft gesetzt wird. Schlimmer noch: gegen solche Arrestierungen oder Beschlagnahmen kann kein Rechtsmittel eingelegt werden. Das Buebetrickli: es handelt sich um Beschlüsse des Bundesrats. Dagegen kann kein Gericht angerufen werden, das Parlament kann auch nicht eingreifen.

Wenn sich ein Betroffener an den Bundesrat direkt wendet, werden seine Schreiben schlichtweg in den Papierkorb geworfen, Antworten gibt es nie.

All das sind rechtsstaatlich mehr als fragwürdige Zustände. Aber es geht noch schlimmer.

Da sich die Sanktionen als untauglich erweisen, werden sie ständig verschärft. Alleine die EU hat bislang 1435 Sanktionen gegen Russland erlassen. Gerade hat sich die dsyfunktionale Staatengemeinschaft auf ein 13. Sanktionspaket verständigt. Es wird wie seine Vorgänger in der EU mehr Schäden anrichten als in Russland. Es wird sicherlich ohne zu zögern auch in der Schweiz angewendet.

Rechtsstaatlich besonders empörend ist die Bestimmung, dass Schweizer Anwälte russischen Firmen nicht rechtlich beistehen dürfen. Berät ein Schweizer Anwalt eine Firma mit Niederlassung in Russland, droht ihm eine Gefängnisstrafe von maximal einem Jahr.

Das will nun ein Parlamentarier abschaffen. Dafür kassiert Beat Rieder, Mitte-Ständerat aus dem Wallis, bereits steifen Gegenwind. Er konstatiert: «Wegen des Ukraine-Kriegs werden jetzt überall Grenzen überschritten, deren Überschreiten vor einigen Jahren noch unvorstellbar gewesen wäre.»

Immerhin bekommt Rieder Unterstützung vom FDP-Vizepräsidenten Andrea Caroni, der im Tagi so zitiert wird: ««In unserem Rechtsstaat gewähren wir allen einen Rechtsbeistand. Das gilt sogar für Terroristen, Mafiosi und Kriegsverbrecher. Das können wir nicht einzig russischen Sanktionierten verwehren.» Caroni, ebenfalls Rechtsanwalt von Beruf, betont, er stehe hinter allen anderen Sanktionen. Aber diese gehe zu weit.»

Von den Befürwortern werden Feinheiten wie die angeführt, dass schliesslich nur Rechtsberatung verboten sei, käme es zu einem Gerichtsverfahren, dürfe dort ein Anwalt tätig werden. Absurde Haarspaltereien.

Noch schlimmer als diese Verletzungen des Rechtsstaats, um einen Unrechtsstaat bzw. unbescholtene Firmen und Einzelpersonen zu sanktionieren, sind die hysterischen Reaktionen der Befürworter. So sagt die SP-Ständerätin Franziska Roth im «Tages-Anzeiger»: ««Schweizerische Anwälte sollen Verbrechern und Embargo-Brechern weiterhin beim Verstecken ihrer Reichtümer helfen – das ist es, was die Motion fordert.» Dies sei nicht nur aussenpolitisch, sondern auch sicherheitspolitisch fatal: «Die Sicherheit Europas und der Schweiz hängt auch davon ab, dass die Embargo-Beschlüsse gegen die Putin-Freunde tatsächlich wasserdicht umgesetzt werden.»»

Die Sicherheit der Schweiz hängt in erster Linie und vor allem davon ab, dass sie ein Rechtsstaat ist und bleibt.

Man sieht hier nicht zum ersten Mal, wie dünn die Firnis ist, die bei vielen Menschen ihr Verhältnis zum Rechtsstaat bedeckt. Geht es um Russland, verschwindet die blitzschnell, dahinter kommt Hässliches zum Vorschein. Willkür, die Umkehrung der Unschuldsvermutung, ein Sanktionierter ist durch Zugehörigkeit zu einer Ethnie schuldig und kann nicht einmal seine Unschuld  beweisen. Rechtliche Unterstützung ist ihm auch zu verweigern, diesem Paria, diesem Verbrecher durch Nachnamen.

Solche Zustände herrschen in Unrechtsregimes wie in Russland. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Schweiz wie Russland sei. Aber die Prinzipien des Rechtsstaas sind unser einziger und letzter Schutzwall vor Faustrecht und Barbarei, vor der politischen Auslegung von Gesetz und Recht, wie es gerade in den Kram passt.

«Nur ein starker Staat kann die vereinbarten Normen durchsetzen», tönt Roth auf ihrer Webseite. Vielleicht erklärt sich ihr Ausbruch gegen fundamentale Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit so: «Bevorzugtes Essen und Getränk: Hauptsache ein Glas Rotwein, alles andere ist Beilage.»

Denn zu diesen Normen gehört, dass jeder Mensch das Recht auf die Vertretung durch einen Anwalt hat. Aber für Roth ist das offenbar eine Floskel, die man in US-Krimis hört, die aber in der Schweiz keine Gültigkeit habe. Verbrecher, Embargo-Brecher, Mörder, Pädophile – auch betrunkene Autofahrer – alle haben das Recht auf einen Anwalt. Und kann man sich keinen leisten, wird er gestellt. Punkt.

Wer hinnimmt, dass Sanktionen gegen einen Unrechtsstaat den Schweizer Rechtsstaat beschädigen, hat eigentlich im Ständerat nichts zu suchen.

 

Eine Lanze für Krawallanten

Der Tagi mal wieder auf Abwegen.

Bei dem Blatt darf jeder alles. Vorausgesetzt, es ist woke, links und gutmenschlich. Diesmal ist Jigme Garne dran. Der «Redaktor und Blattmacher im Ressort Zürich Politik & Wirtschaft» und ehemalige Student der ZHAW darf eine Initiative plattmachen. Zunächst: Was heisst eigentlich «er studierte Kommunikation»? Mal eine Vorlesung besucht, sich ins ZHAW verlaufen? ZACKBUM studiert gelegentlich die Menükarte, sollte daher in unserem Lebenslauf erwähnt werden «studierte Kulinarik»?

Aber zur Sache. Garne versucht’s mit der alten Masche «ja, aber», das dann in ein «im Prinzip ja, aber so nicht» mündet. Sein «Leitartikel» befasst sich mit einer Initiative, die als «Anti-Chaoten-Vorlage» bekannt ist. Sie fordert, dass Teilnehmer an unbewilligten Demonstrationen für die Kosten des Polizeieinsatzes und Sachbeschädigungen aufzukommen haben.

Natürlich hat die Initiative schon mal den falschen Absender: die SVP. Damit ist sie, unbeschadet des Inhalts, für den Tagi von vornherein disqualifiziert. Nun muss Garne aber etwas Luft holen, weil er das ja nicht so platt darstellen kann. Also beginnt er auf Samtpfoten: «Chaoten gehören bestraft. Die Forderung ist so simpel wie richtig.» Wunderbar. Gleich gefolgt vom dicken Aber: «Die harte Hand gibt es allerdings nur zu einem hohen Preis.»

Nun kommen wir zu seinen «Gegenargumenten».

  1. Schon die heutige Gesetzeslage sei «ausreichend». Ist sie zwar nicht, weil nicht einmal ein Bruchteil der Kosten überwälzt werden.
  2. Macht aber nix, denn die Stadt Zürich «treibt kein Geld von Demonstranten ein». Ein Anfängerfehler von Garne, diesen schreienden Widerspruch zum ersten Satz nicht zu sehen.
  3. «Die von einer linken Bevölkerungsmehrheit gewählte Stadtregierung fällt mit ihrer Praxis aber weder dem Kanton noch einer anderen Gemeinde zur Last. Sie tut es auf eigene Rechnung.» Eigene Rechnung? Die Stadtregierung zahlt? Selbst? Oder nicht doch mit dem Geld der Steuerzahler? Garne scheint beim Staatskundeunterricht im Dauerschlaf gewesen zu sein.
  4. Dann das ewige Argument: «Eine zwingende, konsequente Kostenüberwälzung wäre mit einem Mehraufwand der Polizei und der Justiz verbunden.» Grossartig, wenn man diese Logik überträgt: lassen wir das doch mit der Verfolgung von Diebstählen. Ist mit einem Mehraufwand verbunden, und die Resultate sind überschaubar.
  5. «Die Versammlungsfreiheit ist ein Fundament der demokratischen Gesellschaft.» Genau wie das Verursacherprinzip und die Haftbarkeit für Straftaten.
  6. «Die beiden Vorlagen zielen oberflächlich zwar auf Gewalttäter ab. Faktisch aber würden sie jegliche spontanen und unbewilligten Demonstrationen kriminalisieren, obwohl diese grundrechtlich geschützt sind.» Wieso damit spontane, friedliche und gewaltfreie Demonstrationen «kriminalisiert» werden sollten, erschliesst sich wohl nicht einmal dem Autor. Rechte gehen mit Pflichten einher, oder ist ihm das neu?
  7. «Die Angst vor finanziellen Folgen würde wahrscheinlich mehr friedliche Aktivistinnen als gewaltbereite Chaoten davon abhalten, ihre Meinung auf der Strasse kundzutun.» Eine unbewiesene, wilde Vermutung; mit diesem Unsinn müsste sich Garne selbst für schadenersatzpflichtig beim gequälten Leser erklären.
  8. «Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kommt zum Schluss, dass die Vorlagen gegen Völker- und Verfassungsrecht verstossen und die Demonstrationsfreiheit gefährden.» Nun, wenn das die Verfassungsrechtspezialisten von AI behaupten, dann muss es natürlich stimmen. Dann dürfte aber diese Initiative und ihr Gegenvorschlag gar nicht zur Abstimmung kommen; schon mal daran gedacht, Garne? Denn verfassungswidrige Initiativen sind verfassungswidrig, um es für ihn ganz einfach zu erklären.

Das ist der Leitartikel eines Tagi-Blattmachers zu einer Abstimmung. Ist natürlich im Rahmen der Meinungsfreiheit erlaubt. So wie es erlaubt ist, dass sich jeder öffentlich zum Deppen machen darf. Aber, nochmals: dafür auch noch Geld zu verlangen, das ist nassforsch. Frech. Unverschämt.

Freierstündchen mit Folgen

Eine mediengeile Prostituierte zieht vor Gericht.

Die Dame mit dem hochgestochenen Pseudonym Salomé Balthus* kann mal wohl am neutralsten als Sexarbeiterin bezeichnen. Sie selbst zieht den Ausdruck «Hetäre» vor und bemüht sich unablässig, in den Medien aufzutauchen, denn die Konkurrenz in Berlin ist mörderisch – und ihre Preise nicht von schlechten Eltern.

Für das erste Skandälchen in der Schweiz sorgte sie, als sie bei Roger Schawinski in seiner damaligen Talkshow beim Schweizer Farbfernsehen zu Gast war. Nach einem Einspieler mit Alice Schwarzer, die die These aufstellte, dass freiwillige Prostituierte häufig in der Kindheit missbraucht worden seien, fragte sie der Talkmaster, ob dass auch bei ihr der Fall gewesen sei. Ohne grosse Regung verneinte sie das.

Nach der Sendung fiel Balthus dann plötzlich ein, sie sei mit dieser Frage bei Schawinski «missbraucht» worden. So überschrieb sie auf jeden Fall ihre damalige Kolumne bei der «Welt», und der Tagi titelte bissig «Der Pitbull hat ausgedient». Balthus verlor nach diesem Publicity-Stunt mitsamt Falschzitaten ihre Kolumne, auch Schawinskis Sendung wurde 2020 eingestellt, als «Sparmassnahme», sagte das Fallbeil vom Leutschenbach.

Genügend Grund für den «Weltwoche»-Redaktor Roman Zeller, sich der «Edelprostituierten» zu nähern. Für ein zweistündiges Gespräch drückte er den ordentlichen Tarif ab, 1000 Euro: ««Überreichen Sie der Hetäre das vereinbarte Honorar diskret in einem offenen Briefumschlag», lautet die Anweisung für den «heiklen Moment»», beschrieb er im Dezember 2019 die Begegnung in der Paris Bar in Berlin.

Für das Geld bietet sie ein wenig Unterhaltung, die Zeller als Gedächtnisprotokoll wiedergibt: «Diese Phase um den Schleifpunkt zum Orgasmus, der sofort wieder vorbei ist, sei von Mann zu Mann verschieden. «Auch die Laute, die sie machen», erzählt sie fasziniert und fragt: «Und wie stöhnst du?»»

Daraus entstand, eigentlich durchaus in ihrem Sinne, ein längerer Artikel. Aber noch schöner ist es natürlich, wenn sich auch daraus ein Skandal machen lässt. Also klagte sie die «Weltwoche» ein. Das Porträt sei gegen ihren Willen geschrieben worden: «Der Artikel hat mich zutiefst getroffen. Als ich ihn las, ist mir übel geworden, danach litt ich für einige Zeit unter Schlaflosigkeit und Niedergeschlagenheit.» So zitiert sie der «Tages-Anzeiger» vor dem Bezirksgericht Zürich. Deshalb habe sie die WeWo wegen Persönlichkeitsverletzung verklagt. Ausserdem stimmten die meisten Zitate von ihr nicht. Sie habe zwar gewusst, dass Zeller ein Journalist sei und über sie schreiben wolle, es sei aber ein reines Kennenlerngespräch, kostenpflichtig, vereinbart worden, nichts mehr.

Dann kommt der Höhepunkt (Pardon) ihrer Einlassung vor Gericht: «Wenn ein Kunde ein privates Treffen ausschlachten darf, um sexistischen Schmuddeljournalismus zu betreiben und mich mit falschen Zitaten herabzuwürdigen, dann kann ich meinen Beruf nicht mehr ausüben.»

Den übt sie aber weiterhin aus, wie sie – ein seltener Tiefpunkt des «NZZamSonntag Magazins» – zwischenzeitlich bekanntgab. Zuvor hatte sie es noch via «Blick» geschafft, in die Schlagzeilen zu kommen: «Schock für Edel-Prostituierte Balthus am WEF: «Plötzlich schaute ich in den Lauf einer Pistole»». Aber Entwarnung, der Sicherheitsbeamte habe «relativ schnell gemerkt, dass unter mein Negligé gar keine Waffe passt». Ist das vielleicht komisch.

Nun versucht sie als Beifang Schmerzensgeld und eine Gewinnherausgabe aus der WeWo zu pressen. Und freut sich natürlich, dass sie so mal wieder in die Medien kommt. Während der WeWo-Redaktor beteuert, dass er kein einziges Zitat erfunden habe, die käufliche Dame sehr wohl gewusst habe, dass er ein Porträt über sie schreibe und sie offenbar das Angenehme mit dem Nützlichen verknüpfen wollte. Publizität plus Penunse.

Publizität hat sie geschafft, ob es auch noch mehr Geld geben wird – das Urteil des Bezirksgerichts steht noch aus.

*Nach Leserhinweis korrigiert.

Faszinierende Gesinnungsblase

Im Nahkontakt mieft es bedenklich.

In aktuellen Debatten wird gerne der Begriff Gesinnungsblase verwendet. Er bezeichnet das Phänomen, dass meist unter Luftabschluss in einem Debattierraum nur geäussert wird, was sich innerhalb einer festgefügten Weltsicht abspielt. Rücksichten auf die Wirklichkeit, auf ihr widersprechende Fakten werden nicht genommen. Im besten Fall werden sie sophistisch und mit Wortklaubereien weggedrückt.

Was zudem extrem auffällt: eine Auseinandersetzung mit einer Meinung ausserhalb der Blase findet inhaltlich nicht statt. Das war ZACKBUM aus anderen Zusammenhängen und als eher abstraktes Ordnungskriterium bereits bewusst.

Doch nun kommt die direkte Erfahrung hinzu. Sie war zu erwarten, aber Ausmass, Massivität, Uniformität und vor allem die geradezu religiöse Fähigkeit, eine runde Erde als Scheibe zu betrachten, das verblüfft dann doch. Das genau zu diesem Zweck veranstaltete Experiment war eine Replik auf eine der vielen Kriegsgurgelkommentare im Gutmenschenblatt «Tages-Anzeiger». Dem muss man immerhin zugute halten, dass es eine zwar vom Autor gekürzte und stark abgeschwächte, aber dennoch dem Mainstream widersprechende Meinung zuliess.

Sie trug den recht banalen Titel «Waffen für die Ukraine? Das wäre gegen die Verfassung». Es ist eigentlich unbestreitbar, dass die vor allem auf Drängen der Linken verschärften Schweizer Waffenexportvorschriften solche Lieferungen nicht zulassen. Zudem hat das Parlament bekanntlich den Versuch, hier eine Ausnahme zu machen, klar abgelehnt.

Das sind die Fakten. Die Replik provozierte 70 Kommentare. Sie lassen sich in vier Kategorien einteilen, wobei sie sich teilweise auch überschneiden.

  1. Die argumentationslosen persönlichen Angriffe. Ein paar Duftmarken: «Ziemlich daneben und arrogant, dieser Gastbeitrag von Zeier», «Ein absolut arroganter, peinliche absurder Kommentar von R. Zeyer». «Was für eine gehässige Replik!» Das ist das übliche frustrierte Gewäffel  als Triebabfuhr von Genervten und Beleidigten, die aber nichts Sachdienliches zur Debatte beizutragen haben.
  2. Die Parallelisierer nach der Devise «dort doch auch». Duftmarken: «Nach Zeyer dürften keine Waffen nach Saudi Arabien geliefert werden.» «Was Herr Zeyer unterschlägt ist, dass Waffen sehr wohl in Kriegsführende Länder wie die USA oder Saudi Arabien ausgeführt werden.» «Wenn der so genannte «kriegsführende Fremdstaat» Saudi-Arabien ist, dann sehen das unsere Neutralisten nicht mehr so eng.» Das ist die absurde Argumentation im Sinne von: Andere klauen doch auch, dann werde ich ebenfalls zum Ladendieb. Wenn Waffenlieferungen an Saudiarabien einen (nicht geahndeten) Verstoss gegen das Kriegsmaterialgesetz bedeuten, dann wäre das noch lange kein Argument, einen neuen Verstoss damit zu legitimieren.
  3. Die Moralapostel, bei denen der angeblich gute Zweck alle Mittel heiligt. Duftmarken: «Verfassung und Gesetze dürfen nicht Unmoral legitimieren.» «Als neutrale Macht hat die Schweiz das Recht, jegliches Kriegsmaterial an kriegsführende Mächte zu liefern.» «Letztendlich ist es eine ethische und politische Frage. Für mich hat Solidarität Vorrang.» Der Verweis auf den geltenden Gesetzen angeblich übergeordnete Prinzipien sollen den Rechtstaat von Fall zu Fall aushebeln, wobei der Kommentator genau weiss, wann das erlaubt sein sollte.
  4. Die Schlaumeier, die sich an Wortklaubereien versuchen. Duftmarken: «Das Schweizer Waffenausfuhrgesetz ist kein göttliches Prinzip und auch kein Naturgesetz welches unsere Denkfähigkeit einschränkt.» «In der Schweiz hergestellte Rüstungsgüter könnten konform mit dem Bundesgesetz über das Kriegsmaterial (KMG) in seiner derzeitigen Form wie folgt an die Ukraine zur Verfügung gestellt werden …» «Als neutrale Macht hat die Schweiz das Recht, jegliches Kriegsmaterial an kriegsführende Mächte zu liefern.» Hier herrsche gar kein Krieg, sondern eine Partei verteidige sich gegen einen Aggressor, da gälten dann die entsprechenden, glasklaren Gesetze nicht. Sozusagen Anwendung von Fall zu Fall.

Man sollte nicht verallgemeinern, das ist richtig. Aber wenn man diese 70 Kommentare als repräsentativ nimmt, dann handelt es sich bei den Tagi-Lesern (mit wenigen löblichen Ausnahmen) um antidemokratische Feinde des Rechtsstaats, an dessen Gesetze sie sich nur halten wollen, wenn die ihrer Meinung nach akzeptabel sind. Stehen sie Handlungen im Weg, die als moralisch geboten erscheinen, kann und soll man drauf pfeifen. Der übergesetzliche Notstand. Hilfsweise legitimiere ein mögliches Unrecht das andere.

Oder wie einer in unüberbietbarer Dummheit formuliert: «Direkte Waffenlieferungen sind gegen die Verfassung. Das stimmt. nur… Das hat die Schweiz bei anderen Gelegenheiten auch nie gestört.»

Ist das zum Lachen oder zum Heulen? Sagen wir so: offensichtlich sind Rechtsstaat und Demokratie in der Schweiz doch recht stabil. Bei solchen Staatsbürgern …

Pfeifen im Wald, zweite Strophe

Peter Burghardt ist zurück in Washington. Und wärmt sich auf.

Allerdings will es scheinen, dass sein Hirn immer noch nicht ganz aufgetaut ist, nach der klirrenden Kälte in Iowa.

Aber die bittere Realität muss auch er zur Kenntnis nehmen; er versucht es mit einer Sportmetapher:

So steht’s in der «Süddeutschen Zeitung» so echot das Qualitätsorgan «Tages-Anzeiger». Nach der knirschenden Vermeldung des Unangenehmen (eigentlich müsste es 20 : 9 oder 20 : 17 heissen, denn so viele Delegierte bekommen seine zwei verbleibenden Konkurrenten, einzeln und zusammen), folgt wieder Pfeifen im Wald. Da wohl auch noch die Lippen gefroren sind, hört es sich recht schrill und schräg an:

«Die erste Vorwahl der Republikaner entscheidet der einstige Präsident klar für sich. Seine Kontrahenten DeSantis und Haley haben aber trotzdem noch Chancen.»

Dann knödelt sich Burghardt einen ab: «… und, ja, er gewann dann wie allgemein erwartet deutlich». Wie allgemein erwartet? Nun, zumindest nicht von Burghardt, der hoffte auf die Verliererin der Wahl, auf die angeblich ganz Amerika blickte.

Aber leider haben die Teilnehmer an dem Caucus mal wieder falsch abgestimmt, dumm von ihnen. Doch es gibt weiterhin Hoffnung: «Wirklich bedeuten muss das in diesem Fall andererseits noch wenig.» Zwar haben DeSantis und Haley zusammen nicht so viele Stimmen erreicht wie Trump alleine, aber man kann das auch so sehen: «Fast die Hälfte der republikanischen Sympathisanten ist demnach nicht ausschließlich begeistert von einem Frontrunner, der gegenwärtig mit vier Prozessen im Zuge von Anklagen in insgesamt 91 Straffällen zu kämpfen hat.»

Genau, mehr als 50 Prozent der Stimmen gekriegt, aber das bedeutet ja auch, dass er weniger als 50 Prozent eben nicht gekriegt hat. Gibt es noch weitere an den Haaren herbeigezogene Indizien für die Hoffnung, dass es Trump doch nicht schafft? Jawoll: «Auch wird ein Sieger in Iowa am Ende nicht automatisch der offizielle Kandidat einer Partei, im Gegenteil.»

Wie auch immer, ob Burghardt wohl wieder Kontakt mit der Wirklichkeit aufnimmt? Oder weiterhin seiner extraterrestrischen Logik folgt: ein Kandidat hat mehr als 50 Prozent der Stimmen bekommen. Seine beiden Konkurrenten 21 und 19 Prozent, Burghardts Liebling liegt abgeschlagen auf Platz drei. Der Gottseibeiuns hat 30 Prozent mehr als sein schärfster Konkurrent. Na und? Wichtig ist doch: fast die Hälfte aller Teilnehmer wollten Trump nicht. Das gibt Hoffnung. Gaga wie der Glaube an Ufos.

Bei so viel Elend ist auch noch Platz für das Leiden des Reporters: «Wer beim Tanken kurz die Handschuhe auszog, um die Kreditkarte aus der Tasche zu kramen, dem froren rasch die Finger ein.» Muss man bedauern, dass sie offenbar wieder auftauten?

Den Winsel-Artikel beendet Burghardt mit seinem letzten Hoffnungsschimmer: «Es ist Januar. Noch zehn Monate, zahlreiche Abstimmungen und mehrere Gerichtsverhandlungen bis November

Das nennt man eine ausgewogene Berichterstattung, die dem Leser die Motive der über 50 Prozent Trump-Wähler näherbringt. Zumindest in der Version Burghardt: die sind halt bescheuert.

Hätte, könnte, würde

Eine Meldung plus Denkstoff.

So titelt das Qualitätsorgan «Tages-Anzeiger»:

Der Medienminister behaupte, dass die Haushalte mehr Geld für Journalismus ausgäben – und begründet so, dass auch er eine Senkung der Zwangsgebühren für vertretbar hält. Aber Statistiken des Bundes zeigten das Gegenteil. So Titel und Lead des Artikels von Iwan Städler. Der arme Mann hat Karriere andersrum gemacht. Früher mal Mitglied der Chefredaktion und Redaktionsleiter «Tages-Anzeiger», ist er nun einfacher «Inlandredaktor». Der Kalauer sei erlaubt: mit Glied ist man halt nicht mehr Mitglied beim Tagi.

Zunächst: Tamedia ist bei solchen Fragen nicht ganz unbefangen. Zum einen meckert der Konzern kräftig gegen den Internetauftritt von SRF, das sei unfaire Konkurrenz. Zum anderen hängt auch Tamedia am Subventionstropf, gefüllt mit Steuergeldern. Zum Dritten hat auch Tamedia die Ablehnung der zusätzlichen Subventionsmilliarde für reiche Verlegerclans noch nicht verdaut. Und zum Vierten sucht man nach neuen Vorwänden, um mit den ewig gleichen Schlagwörtern («Vierte Gewalt, Kontrolle, Demokratie, staatstragend») noch mehr Kohle rauszuleiern.

Denn die Unfähigkeit des obersten Managements, Newsproduktion gewinnbringend zu verkaufen, wird nur durch die Geldgier des Coninxclans übertroffen.

In dieser Gemengelage ist es immer gut, den SVP-Medienminister anzugreifen. Denn der ist von der SVP, was schon mal gegen ihn spricht. Dann ist er beliebt, was nochmal gegen ihn spricht. Und dann war er Mitinitiant der Initiative, die die Zwangsgebühren auf 200 Franken deckeln will. Vertritt nun aber als Bundesrat tapfer einen Kompromissvorschlag. Aber wenn bei der SRG gespart werden könnte, dann ginge das doch auch bei der Subventionierung privater Medienkonzerne, so die Befürchtung von Tamedia.

Also auf ihn. «Sind die Medienausgaben der Schweizer Haushalte tatsächlich gestiegen? Entsprechende Zahlen sucht man in den Vernehmlassungsunterlagen vergeblich.» Nicht nur das, eine Statistik des Bundes besage, dass «die Medienausgaben von 2012 bis 2020 gesunken» seien, « – von 309 auf 264 Franken pro Haushalt und Monat».

Ha. Oder doch nicht? Röstis Departement führt eine repräsentative Umfrage ins Feld, laut der die Nutzung von Angeboten von Netflix und Co. deutlich gestiegen sei. Nun ja, räumt der Tagi ein, mag so stimmen, aber: «Topaktuell sind die Zahlen freilich nicht. Die neusten Daten beziehen sich aufs Jahr 2020.» Lustig, bei den vom Tagi ins Feld geführten Zahlen, die ebenfalls 2020 enden, stört das Städler aber nicht.

Damit legt er sich mit quietschenden Reifen in die Kurve, wobei man nicht sicher sein kann, ob er den Schluss ernst oder ironisch meint: «Es ist also nicht ausgeschlossen, dass seither die Ausgaben für Medien plötzlich wieder gestiegen sind. So würde die Aussage von Röstis Leuten doch noch zutreffen.»

Ja was denn nun? Alle arbeiten mit nicht «topaktuellen» Zahlen. Ob die Medienausgaben der Haushalte gestiegen sind oder gesunken, Genaues weiss man nicht. Kann man so oder so sehen. Kommt darauf an. Deine Statistik, meine Statistik. Einfache Arithmetik: 1 minus 1 ergibt 0. Ein Artikel als Nullnummer, Platzverschwendung, Leserverarschung. Ohne zählbaren Erkenntnisgewinn. Überflüssig wie ein zweiter Kropf.