Darf der das?

Auch die NZZ ist enthemmt.

Man hätte vermuten dürfen, dass NZZ-Kommentator Ueli Bernays nach seinem skandalösen Titel «Der Künstler als Täter» ein Weilchen auf die Strafbank müsste. Nachdem bei der alten Tante der Verstand wieder einsetzte, wurde das immerhin in «Was ist Tat, was ist Fiktion» geändert. Ohne das allerdings dem Leser gegenüber transparent auszuweisen. Genauso wenig wie ein Plagiat in Bernays seinem Text. Das entspreche «selbstverständlich den üblichen redaktionellen Prozessen», machte sich das Weltblatt gegenüber ZACKBUM lächerlich.

Eine Wiederholung? Sicher, aber die NZZ, bzw. Bernays wiederholt sich doch auch …

Nachdem Bernays bedeutet wurde, dass eine Vorverurteilung trotz Unschuldsvermutung vielleicht nicht so toll sei, wechselt er nun das Pferd, das er zu Tode reiten möchte: «Justiziabel oder nicht – das moralische Empfinden sollte nach den Anschuldigungen gegen Till Lindemann nicht aussetzen.»

Aber dann kann er es doch nicht lassen: «Dass es dabei zu sexuellen Handlungen kam, legen die immer zahlreicheren Zeugnisse von Fans nahe, die sich in den Medien äussern. Immer wieder wird auch der Verdacht vorgebracht, einzelne Groupies seien mit Alkohol oder anderen Drogen gefügig gemacht worden.»

Zurück zu Bernays Wurzeln, der Künstler als –mutmasslicher, verdächtigter – Täter. Nun setzt Bernays zu einem logischen Salto mortale an:

«Es ist richtig, dass sich moderne Gesellschaften auf Gesetze verlassen, um sich von religiösen oder moralischen Zwängen zu befreien. Aber dabei sollte das moralische Empfinden nicht ganz ausgesetzt werden wie bei den zahlreichen Lindemann-Apologeten, die derzeit mit kühlem Zynismus über menschliche Abgründe hinwegsehen wollen.»

Hat man da Worte? Nein. Oder höchstens: Journalismus darf kein Deckmantel sein für Machtmissbrauch. Aber ob Bernays das versteht? Das versteht ja nicht einmal die NZZ …

Im Vollbesitz des allgemeingültigen moralischen Empfindens galoppiert Bernays aufs Neue los: «Zunächst wirken die systematische Groupie-Rekrutierung und das Machtgefälle stossend, das zwischen Rockstar und Groupies klafft

Weiter im Unterstellung- und Vermutungsjournalismus: «Hat aber auch jemand darauf geachtet, dass sie volljährig waren?» Weiss man’s? Weiss es Bernays? Gab es belästigte Minderjährige? Nichts Genaues weiss man nicht, aber man wird doch wohl noch denunziatorisch fragen dürfen.

Dann unterscheidet Bernays, immer noch im Vollbesitz seiner moralischen Kräfte, zwischen Kunst und Pornografie: «In der Kunst mag ja vieles als Rollenspiel durchgehen. In der Wirklichkeit der Pornografie kann sich der Darsteller aber nicht durch ein «lyrisches Ich» aus der Verantwortung ziehen.»

Dann wird’s ziemlich schwabbelig und schwurbelig: «Ähnlich der Volksmusik brauchen die Künstler so wenig Vorbildung wie ihr Publikum. Andrerseits hat sich aber ein hypertropher Starkult ausgeprägt, in dem sich Religiosität mit libidinösen Energien mischt.»

Hä?

Dann gibt Bernays ungefragt wohlfeil-absurde Ratschläge: «Wenn ein erwachsener Künstler auf einen jugendlichen Fan trifft, sollte er ähnlich wie ein Guru das Vertrauen des Schützlings nicht für seine Zwecke missbrauchen. Man sollte von Musikern eine professionelle Distanz den Fans gegenüber erwarten dürfen – gerade auch weil Stars der Versuchung wiederholt erlegen sind.»

Man sollte von einem NZZ-Journalisten auch dies und das erwarten dürfen …

Nun wäre Bernays eigentlich am Ende seiner moralischen Schaffenskraft, aber da ist noch Platz im Kommentar, den er auf 9118 Zeichen aufpumpt. Wie gelingt das? «Der Amerikaner Brian Warner alias Marilyn Manson sieht sich mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert; gegen ihn läuft ein gerichtliches Verfahren.»

Das unterscheidet nun Manson von Lindemann, gegen den zurzeit kein Verfahren läuft. Aber das ist für Bernays nur ein Treppchen, um zur nächsten Verleumdung zu schreiten: «Aufschlussreich ist auch der Fall des R’n’B-Stars R. Kelly, der unterdessen mehrfach dafür verurteilt worden ist, dass er minderjährige Fans sexuell missbraucht hat. Obwohl seine Vergehen in seiner Entourage ebenso bekannt waren wie im weiteren Musikbusiness, liess man ihn jahrelang gewähren; alle schauten weg

Nun kommt eine neuerliche Ungeheuerlichkeit: «So war es lange auch im Falle von Lindemann. Von den Mitmusikern über das Management bis hin zum Musiklabel – allen fehlte es einerseits an Zivilcourage und moralischer Intelligenz.»

Bezüglich Intelligenz sollte Bernays nun wirklich nicht mit Steinen werfen …

Tamedia-Boss Pietro Supino klagt gegen den «Spiegel», weil der ihn im Rahmen des Roshani-Skandals in die Nähe des verurteilten Sexualstraftäters Harvey Weinstein gerückt hat.

Hoffentlich klagt Lindemann gegen die NZZ, weil die das Gleiche tut. R. Kelly ist ein verurteilter Sexualstraftäter, den man jahrelang habe gewähren lassen.

«So war es lange auch im Fall Lindemann

ZACKBUM wiederholt sich: gibt es auch bei der NZZ keine Qualitätskontrolle mehr? Aber wir fragen nicht nach, die Antwort kennen wir schon, alles «übliche redaktionelle Prozesse». Meine Fresse.

 

2 Kommentare
  1. Tim Meier
    Tim Meier sagte:

    Aus «Fans», die sich bei den Medien melden, werden «Zeugen». Ist deren Anzahl > 1, dann muss was dran sein. So einfach stellt sich Ueli der Schreiberling die Arbeit von Staatsanwälten und Richtern vor.

    «Ähnlich der Volksmusik brauchen die Künstler so wenig Vorbildung wie ihr Publikum.» Der Ueli disst die original Uelis.

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  2. René Küng
    René Küng sagte:

    Im Grossen wurde die Gesellschaft die letzten drei Jahre auseinander gerissen auf Goeppel komm raus: Grippe, Ukraine, Tschänder, Klima.
    Und lokal geht’s im Detail weiter: Tillemann, Reichsbürger, Laeri-Ameti-Spiessli&Co*, Treichler und zwischendurch ein Nicht-Schweizer-Fussball-Nationalfalschspieler oder so.

    Wenn alles soweit auseinander dividiert ist, dass niemand mehr weiss, was oben und unten, seine oder Molinas Meinung ist, dann hilft Kowatsch weiter.

    Dass totale Spaltung der Gesellschaften der beste Garant ist, damit die mit den grössten*, milliardenschweren und staatlich verbogenen Sprachrohren platt walzen können, was, wer, warum gewählt werden soll.
    Der Rest besorgt dann:
    https://uncutnews.ch/atlantic-council-nimmt-das-schwert-der-zensur-in-die-hand/

    Und zur Beunruhigung der geneigten Leserschaft, zackbum gehört sicher nicht *dazu.
    Dies Rohr ist zu fadegrad, meistens.

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