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Jetzt fahren schon Anwälte Trittbrett

Und finden Dumme, die drüber schreiben.

Dr. Stefanie Schork ist «Fachanwältin für Strafrecht». Im juristischen Fachblatt Linkedin hat sie sich zu Wort gemeldet:

«Wenn es nicht so bitter wäre, würde man über die Presseerklärung der Kollegen für #Rammstein fast lachen müssen. Sie wissen es natürlich besser. Eine Strategie zur Rechtewahrnehmung für #Lindemann kann dahinter nicht stehen. Die wird es auch nicht mehr geben, so wie die Dinge liegen. Dem Mann ist presserechtlich nicht mehr zu helfen.»

Starke Worte, damit kommt man in die Medien, wenn es ein aufmerksamer Journalist liest. Schork behauptet munter: «Die öffentlich gewordenen Schilderungen sind so deutlich geeignet, einen hinreichenden Mindestbestand an Tatsachen zu begründen, dass sich niemand daran gehindert sehen muss, über die Vorwürfe zu berichten.»

Schork erreichte schon eine gewisse mediale Berühmtheit als Vertreterin des Mannes, der das sogenannte Ibiza-Video erstellt und verbreitet haben soll. Damit wurde der damalige österreichische Vizekanzler Heinz-Christian Strache zum Rücktritt gezwungen, der sich angetrunken um Kopf und Kragen geredet hatte.

Schorks Kanzlei vermeldet unter Aktuelles: «Das LG Berlin hat gegen zwei Presseverlage einstweilige Verfügungen wegen der Verbreitung von anonymen Anschuldigungen zum Nachteil der Band sowie ihres Sängers Monchi erlassen.» Hier handelt es sich um «Feine Sahne Fischfilet», eine radikale Punkband mit Hang zur Gewaltverherrlichung. Ihrem Sänger waren anonym sexuelle Übergriffe vorgeworfen worden. Da geht das natürlich nicht.

Aber bei Rammstein dann doch, so ist halt die juristische Logik. Kann man so oder so sehen. Der Schweizer «Blick» hat diese Meldung über die Behauptungen von Schork im «Focus» gesehen. Das schreiben dann die beiden Mitarbeiter fmü/bang brühwarm ab, natürlich ohne Quellenangabe.

Aber mit «Blick»-typischer Zuspitzung: «Rechtsanwältin zerlegt Rammstein-Statement». Immerhin einer der bekanntesten Medienanwälte Deutschland hatte hier alle Anschuldigungen als «ausnahmslos unwahr» zurückgewiesen und rechtliche Schritte gegen alle angekündigt, die solche Behauptungen aufstellen oder verbreiten.

Da möchte «Blick» auch gerne dabei sein, und Rechtsanwältin Schork hat offenbar Entzugserscheinungen bezüglich medialer Aufmerksamkeit. Alles ein Beitrag zum modernen Pressesumpf, in dem täglich das Niveau niedriger gelegt wird.

Auch der «Spiegel» mischt kräftig mit. Früher war eine Titelgeschichte noch ein Ereignis und eine Auszeichnung. Aber heute:

In der «Hausmitteilung» vermeldet der «Spiegel» sensibel: «Viele der weiblichen Fans, mit denen sie gesprochen hat, hätten sich inzwischen von der Band abgewandt: »Einige bekommen jetzt schon von der Musik Panikattacken.«»

Dann verschwendet das ehemalige Nachrichtenmagazin acht bunt bebilderte Seiten auf diese Story, die sich sicherlich in  der «Bunten» gut machen würde. Ganze 13 «Spiegel»-Mannen und -Frauen haben sich ins Zeug gelegt, auf knapp 40’000 Anschlägen wiederzukäuen, was schon länger kursiert. Auch hier arbeitet das Blatt mit Andeutungen und Vergleichen, die ihm schon beim Roshani-Skandal kräftig Ärger einbrockten:

Indem der verurteilte Sexualstraftäter Harvey Weinstein und der Schock-Rocker Manson, gegen den ein Verfahren läuft, in den Text gestreut werden, insinuiert der «Spiegel», dass es sich bei Till Lindemann doch wohl um einen vergleichbaren Fall handelt könnte – obwohl bislang keine einzige Klage eingereicht, keine Strafanzeige gestellt wurde.

Auch sonst arbeitet der «Spiegel» mit viel Konjunktiven, Andeutungen, zitiert ja bloss. Um zum drakonischen Urteil zu gelangen:

«Die Rockmusik hat jetzt also ihren #MeToo-Skandal.»

Um dann richtig hinterfotzig zu werden: «Und genau wie im Fall Weinstein geht es um mehr als nur um einen einzigen mächtigen Mann.»

Was hat denn das Riesenteam vom «Spiegel» ausgegraben? «Der SPIEGEL hat mit rund zwei Dutzend Personen gesprochen, einige aus dem engeren Arbeitsumfeld von Rammstein. Darunter sind viele Frauen, die von ihren eigenen Erfahrungen mit der Band und vor allem mit Till Lindemann berichten. Manche davon haben ihre Geschichte bereits anderen deutschen Medien erzählt.»

Dann geht der übliche Sound los: «Da ist zum Beispiel Zoe, ihr Name lautet eigentlich anders. … Oder es gibt Anna, eine junge Frau aus Wien, ebenfalls ein großer Rammstein-Fan (ihr echter Name ist der Redaktion bekannt)

Oder solche Stückchen: «Makeeva (bei Rammstein für die Row Zero zuständig, Red.) sei bei Manson für die Rekrutierung junger Frauen zuständig gewesen. Auch gegen Manson haben einige Frauen Anschuldigungen erhoben, sie reichen von psychischer Gewalt und Freiheitsberaubung bis zu Vergewaltigung und Folter. Manson bestreitet die Vorwürfe und hat kürzlich einen Prozess gewonnen.»

Und was liegt eigentlich an Verwertbarem auf dem Tisch, gab es Vergewaltigungen, strafbare Übergriffe? Da gibt es nur Gedöns: «Wird Till Lindemann angeklagt werden? Einige der Vorwürfe wiegen schwer. Mittlerweile beschäftigt sich die Polizei in Litauen mit Shelby Lynns Schilderungen.»

Was der «Spiegel» nicht schreibt: laut «Bild» sind die Ermittlungen eingestellt worden. Es wird interessant sein, welche Auslegung die «Verdachtsberichterstattung» bei den sicherlich folgenden Auseinandersetzungen vor Gericht erfahren wird.

Dass Lindemann zweifellos mit seinem brachialen Pathos und martialischen Texten sowie Auftritten und einer sexuellen Obsession nicht gerade ein Sympathieträger ist, ist das eine. Ob er sich sexuelle Übergriffe zuschulden kommen liess, wäre das andere. Das noch Zu-Beweisende – Behauptungen reichen nicht.

Kleiner Tipp: Wer wie der NZZ-Redaktor Ueli Bernays titelt «Der Künstler als Täter», hat ganz schlechte Karten bei einem allfälligen Prozess …

 

 

 

 

Darf der das?

Auch die NZZ ist enthemmt.

Man hätte vermuten dürfen, dass NZZ-Kommentator Ueli Bernays nach seinem skandalösen Titel «Der Künstler als Täter» ein Weilchen auf die Strafbank müsste. Nachdem bei der alten Tante der Verstand wieder einsetzte, wurde das immerhin in «Was ist Tat, was ist Fiktion» geändert. Ohne das allerdings dem Leser gegenüber transparent auszuweisen. Genauso wenig wie ein Plagiat in Bernays seinem Text. Das entspreche «selbstverständlich den üblichen redaktionellen Prozessen», machte sich das Weltblatt gegenüber ZACKBUM lächerlich.

Eine Wiederholung? Sicher, aber die NZZ, bzw. Bernays wiederholt sich doch auch …

Nachdem Bernays bedeutet wurde, dass eine Vorverurteilung trotz Unschuldsvermutung vielleicht nicht so toll sei, wechselt er nun das Pferd, das er zu Tode reiten möchte: «Justiziabel oder nicht – das moralische Empfinden sollte nach den Anschuldigungen gegen Till Lindemann nicht aussetzen.»

Aber dann kann er es doch nicht lassen: «Dass es dabei zu sexuellen Handlungen kam, legen die immer zahlreicheren Zeugnisse von Fans nahe, die sich in den Medien äussern. Immer wieder wird auch der Verdacht vorgebracht, einzelne Groupies seien mit Alkohol oder anderen Drogen gefügig gemacht worden.»

Zurück zu Bernays Wurzeln, der Künstler als –mutmasslicher, verdächtigter – Täter. Nun setzt Bernays zu einem logischen Salto mortale an:

«Es ist richtig, dass sich moderne Gesellschaften auf Gesetze verlassen, um sich von religiösen oder moralischen Zwängen zu befreien. Aber dabei sollte das moralische Empfinden nicht ganz ausgesetzt werden wie bei den zahlreichen Lindemann-Apologeten, die derzeit mit kühlem Zynismus über menschliche Abgründe hinwegsehen wollen.»

Hat man da Worte? Nein. Oder höchstens: Journalismus darf kein Deckmantel sein für Machtmissbrauch. Aber ob Bernays das versteht? Das versteht ja nicht einmal die NZZ …

Im Vollbesitz des allgemeingültigen moralischen Empfindens galoppiert Bernays aufs Neue los: «Zunächst wirken die systematische Groupie-Rekrutierung und das Machtgefälle stossend, das zwischen Rockstar und Groupies klafft

Weiter im Unterstellung- und Vermutungsjournalismus: «Hat aber auch jemand darauf geachtet, dass sie volljährig waren?» Weiss man’s? Weiss es Bernays? Gab es belästigte Minderjährige? Nichts Genaues weiss man nicht, aber man wird doch wohl noch denunziatorisch fragen dürfen.

Dann unterscheidet Bernays, immer noch im Vollbesitz seiner moralischen Kräfte, zwischen Kunst und Pornografie: «In der Kunst mag ja vieles als Rollenspiel durchgehen. In der Wirklichkeit der Pornografie kann sich der Darsteller aber nicht durch ein «lyrisches Ich» aus der Verantwortung ziehen.»

Dann wird’s ziemlich schwabbelig und schwurbelig: «Ähnlich der Volksmusik brauchen die Künstler so wenig Vorbildung wie ihr Publikum. Andrerseits hat sich aber ein hypertropher Starkult ausgeprägt, in dem sich Religiosität mit libidinösen Energien mischt.»

Hä?

Dann gibt Bernays ungefragt wohlfeil-absurde Ratschläge: «Wenn ein erwachsener Künstler auf einen jugendlichen Fan trifft, sollte er ähnlich wie ein Guru das Vertrauen des Schützlings nicht für seine Zwecke missbrauchen. Man sollte von Musikern eine professionelle Distanz den Fans gegenüber erwarten dürfen – gerade auch weil Stars der Versuchung wiederholt erlegen sind.»

Man sollte von einem NZZ-Journalisten auch dies und das erwarten dürfen …

Nun wäre Bernays eigentlich am Ende seiner moralischen Schaffenskraft, aber da ist noch Platz im Kommentar, den er auf 9118 Zeichen aufpumpt. Wie gelingt das? «Der Amerikaner Brian Warner alias Marilyn Manson sieht sich mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert; gegen ihn läuft ein gerichtliches Verfahren.»

Das unterscheidet nun Manson von Lindemann, gegen den zurzeit kein Verfahren läuft. Aber das ist für Bernays nur ein Treppchen, um zur nächsten Verleumdung zu schreiten: «Aufschlussreich ist auch der Fall des R’n’B-Stars R. Kelly, der unterdessen mehrfach dafür verurteilt worden ist, dass er minderjährige Fans sexuell missbraucht hat. Obwohl seine Vergehen in seiner Entourage ebenso bekannt waren wie im weiteren Musikbusiness, liess man ihn jahrelang gewähren; alle schauten weg

Nun kommt eine neuerliche Ungeheuerlichkeit: «So war es lange auch im Falle von Lindemann. Von den Mitmusikern über das Management bis hin zum Musiklabel – allen fehlte es einerseits an Zivilcourage und moralischer Intelligenz.»

Bezüglich Intelligenz sollte Bernays nun wirklich nicht mit Steinen werfen …

Tamedia-Boss Pietro Supino klagt gegen den «Spiegel», weil der ihn im Rahmen des Roshani-Skandals in die Nähe des verurteilten Sexualstraftäters Harvey Weinstein gerückt hat.

Hoffentlich klagt Lindemann gegen die NZZ, weil die das Gleiche tut. R. Kelly ist ein verurteilter Sexualstraftäter, den man jahrelang habe gewähren lassen.

«So war es lange auch im Fall Lindemann

ZACKBUM wiederholt sich: gibt es auch bei der NZZ keine Qualitätskontrolle mehr? Aber wir fragen nicht nach, die Antwort kennen wir schon, alles «übliche redaktionelle Prozesse». Meine Fresse.

 

Denunziationsmaschine #metoo

Kevin Spacey nochmals freigesprochen.

Francis Underwood wäre das nicht passiert. Mit der Verkörperung dieser Figur in «House of Cards» hatte Spacey wohl die Rolle seines Lebens gefunden. Er hob die Darstellung eines skrupellosen, intelligenten, mit allen Wassern gewaschenen Machtpolitikers auf eine neue Ebene. Er spielte nicht Underwood, er war seine Figur. Er machte den Zuschauer zu seinem Komplizen, wenn er mit charismatischer Bösartigkeit direkt in die Kamera sprach und seine machiavellistischen Schachzüge erläuterte.

Das hätte noch gut und gerne eine Weile so weitergehen können, wenn ihm nicht #metoo passiert wäre. Die Protagonistin der Bewegung musste sich schnell einmal selbst Missbrauchsvorwürfen erwehren. Und natürlich brachte sie Schweinebacken wie Harvey Weinstein zur Strecke, der den unseligen Hollywood-Brauch der Castingcouch weiterhin gepflegt hatte.

Wobei hoffnungsfrohe Schauspielerinnen ihm unfreiwillig, aber auch freiwillig zu Willen waren, um ihre Karriere zu befördern. Schnell aber wurden die Vorwürfe immer absurder und reichten in die tiefste Vergangenheit zurück. So musste sich Dustin Hoffman für einen möglichen Vorfall entschuldigen, der sich 1985 zugetragen haben sollte.

Auch Kevin Spacey sah sich unter anderem damit konfrontiert, dass er 1986 einen damals 14-Jährigen unsittlich berührt haben sollte. Der hatte 2017, als #metoo auf ihrem Höhepunkt war, diesen Vorwurf erhoben. Bei einer Party in Manhatten in Spaceys Apartement sei der zu ihm ins Schlafzimmer gekommen, habe ihn wie eine Braut hochgehoben und sich schliesslich quer über ihn gelegt. Dafür wollte das vermeintliche Opfer 40 Millionen Dollar Schadenersatz.

Die Jury brauchte dann nicht einmal eine Stunde, um Spacey von diesem Vorwurf freizusprechen. Dazu beigetragen hatte die Ausführung seiner Anwältin, dass es für den geschilderten Tathergang eine nicht vorhandene Wand und eine ebensolche Türe gebraucht hätte, denn Spaceys damalige Wohnung war eine Loft ohne eigenes Schlafzimmer. Zudem habe der 14-Jährige damals an einem Theaterstück mitgewirkt, in dem genau so eine Szene gespielt wurde.

Damit sind in den USA alle Vorwürfe gegen Spacey erledigt. Allerdings warten in England noch weitere Prozesse auf ihn. Die Zwischenbilanz ist auf jeden Fall ernüchternd. Natürlich hat #metoo den Blick auf Übergriffe geschärft, die unter Ausnützung von Abhängigkeitsverhältnissen, der jugendlichen Unerfahrenheit oder mit Hilfe des Nimbus der Berühmtheit begangen wurden.

Natürlich gibt es in all diesen Fällen eine Grauzone, wo ein Nein nicht als nein gemeint ist und ein Ja nicht als ja. Die Grauzone, dass zwischen Erwachsenen im gegenseitigen Einverständnis so ziemlich alles stattfinden kann. Die Grauzone, dass im Nachhinein einer der beiden Beteiligten aus welchen Gründen auch immer zur Erkenntnis gelangt, dass seine Teilnahme doch nicht freiwillig und einverständig erfolgte.

Allerdings ist Spacey bis heute so unschuldig wie alle Leser von ZACKBUM, die keinen Eintrag im Strafregister haben. Nur ist seine Karriere zerstört worden, hat er die Rolle seines Lebens verloren, wurde sogar in der allgemeinen Hysterie aus einem schon abgedrehten Film herausgeschnitten, als sei er ein Aussätziger, dessen Anblick man keinem Kinogänger zumuten könnte.

Wie meistens bei ins Hysterische umschlagenden Bewegungen übernimmt natürlich der Mob keinerlei Verantwortung für die Zerstörung von Karrieren und Existenzen. Denn gerade Vorwürfe, die sich auf Ereignisse beziehen, für die es normalerweise nur zwei Zeugen gibt, gerade Vorwürfe, die sexuelle Übergriffe zum Thema haben, bleiben an allen Betroffenen kleben. Seien sie schuldig oder unschuldig.

Deshalb müssten sie eigentlich mit grossem Verantwortungsbewusstsein erhoben werden. Im Wissen darum, dass vor allem ein Prominenter damit häufig seine Karriere beenden muss. Das ist aber auch bei Nicht-Prominenten der Fall. Man stelle sich nur vor, wie oft schon ein Vorgesetzter (seltener auch eine Vorgesetzte) wegen eines unbedachten Worts oder sogar wegen eines erfundenen Vorfalls aus Amt und Würden gejagt wurde.

Denn noch verächtlicher als ein sexueller Übergriff ist seine Erfindung als Waffe.