Zensur? Zensur!

Das Verbieten von freien Worten ist eine hoheitliche Aufgabe des Staates. War.

In westlichen Verfassungen stehen markige Worte zum Thema: «Eine Zensur findet nicht statt», verfügt das deutsche Grundgesetz in Art. 5. Etwas weiter hinten steht es in der Schweizer Bundesverfassung: «Zensur ist verboten.»

Knapper kann man das nicht auf den Punkt bringen. Unsere Bundesverfassung ist überhaupt ein Quell weiser und träfer Formulierungen, so heisst es in unserem Art. 5: «Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.»

Kein langes Gezicke um ellenlange AGB, Monstervertragswerke und Fussangeln im Kleingedruckten. Etwas entspricht Treu und Glauben, also gesundem Menschenverstand und Anstand – oder eben nicht. Punkt.

Fortschritte im Kampf gegen Zensur

Nun ist es mit Zensur so eine Sache. Es war ein unbestreitbarer Fortschritt, als das Verbot des freien Wortes Königen, Potentaten und der Kirche entwunden wurde. Es war der Anfang des rasanten Fortschritts, der Welterkenntnis, der Verbesserung der Lebensumstände, als freie Debatten geführt werden durften. Als die Enzyklopädisten, welch ein Vorhaben, schlicht und einfach alles gesicherte Wissen der Menschenheit von A bis Z zusammenfassen wollten.

Eine bis heute unerreichte Grosstat des menschlichen Geistes, und das im absolutistischen 17. Jahrhundert, noch vor der Französischen Revolution. Aber Zensurfreiheit ist kein Gut, das einmal erobert ewige Gültigkeit hat. Immer wieder senkten sich seither finstere Zeiten über die Menschen.

Es ist immer eine der ersten Massnahmen einer Diktatur, das freie Wort, die Debatte, die Aufklärung, die Kritik zu verbieten. Mit den ewig gleichen Begründungen. Schädlich, konterrevolutionär, hilft dem Feind, stiftet Verwirrung, ist subversiv, verantwortungslos, usw.

In Diktaturen wie Russland, China, Afghanistan oder Singapur wird nicht lange gefackelt, um allen klarzumachen, dass es enge Grenzen des freien Wortes gibt. Auf der anderen Seite gibt es wohl keinen Staat, der die Meinungsfreiheit so hoch hält wie die USA. Bis über europäische Schmerzgrenzen hinaus gilt dort der entsprechende Verfassungszusatz, der es eigentlich allen erlaubt, so ziemlich alles zu sagen.

Keine Zensur darf es auch nicht geben

Völlige Zensurfreiheit gibt es nirgends – und darf es auch nicht geben. Aufrufe zu Pädophilie, rassistisch dummes Geblubber wie «alle Schwarzen sind dumm und faul», alles, was zu sehr angebräunt ist, das Leugnen von historischen Tatsachen, das alles ist verboten. Zu Recht.

ZACKBUM würde so weit gehen, Bert Brecht zuzustimmen, der in der Neufassung der «Dreigroschenoper» von 1948 nach dem Zweiten Weltkrieg dichtete:

«Und die da reden von Vergessen
Und die da reden von Verzeihn –
All denen schlage man die Fressen
Mit schweren Eisenhämmern ein.
»

Aber das mag vielleicht etwas extrem sein. Schwieriger, als die Verurteilung klarer Grenzüberschreitungen, schwieriger als die Denunziation offener Zensur ist die Debatte darüber, wo bei uns von ungerechtfertigter Zensur gesprochen werden kann.

Auch in der Schweiz steht ein «das darf doch wohl noch gesagt werden» einem ausgrenzenden Diskurs gegenüber, der immer weniger zwischen Mensch und Meinung unterscheidet. Dass man sich eine freie Meinungsäusserung auch leisten können muss, ist eine Binsenweisheit. Dass eine freie Meinungsäusserung kostspielig werden kann, den Verlust von Einnahmen, einer bürgerlichen Stellung, einer Anstellung nach sich ziehen kann, das ist halt der Preis dafür.

Dass eine Verengung der öffentliche Debatte stattfindet, schmerzlich sichtbar bei allen Auseinandersetzungen über die richtige Bekämpfung der Pandemie, das ist bedenklich. Dass die sogenannten Leitmedien damit ihre eigene Bedeutung zerkleinern, unzählige andere Kanäle im Digitalen aufgehen, ist ebenfalls bedenklich, aber gleichzeitig auch beruhigend.

Echt gefährlich, mehr als beunruhigend ist aber, dass der Staat als Zensurbehörde diese Aufgabe an private Veranstalter delegiert. Nur Deutschland konnte es einfallen, ein Gesetzesmonster mit einem Namensmonster zu versehen: das «Netzwerkdurchsetzungsgesetz».  Es erlegt den Betreibern von Plattformen schlichtweg auf, selber dafür zu sorgen, dass keine strafbewehrten Meinungsäusserungen veröffentlicht werden. Bzw. die Veröffentlichung innert knapper Fristen rückgängig zu machen.

Da das Internet bekanntlich keine Landesgrenzen kennt, bedeutet das auch, dass mindestens im ganzen deutschen Sprachraum, inklusive Schweiz, dieses deutsche Zensurgesetz gilt.

Zurück zur privaten Zensur von den Mastern des Internets

Keine Verschwörungstheoretiker – ein Artikel in der SZ von 2016.

Natürlich ist es richtig und nötig, den Versuch zu unternehmen, die Sümpfe der Hassgesänge, der dumpfen Brutalität, aus denen Hetze und feig-anonyme Drohungen quellen, so gut wie möglich trockenzulegen.

Niemand möchte, dass der Mob ungebremst und ungehemmt – besonders pervers auf Kanälen, die sich eigentlich dem Kampf gegen Hass und Hetze verschrieben haben – keifen, kreischen, pöbeln und menschenverachtendes Zeugs quäken darf.

Aber soll die Entscheidung darüber wirklich Facebook, Google, Twitter und Co. überlassen werden?

 

  • In der Fortsetzung: Probleme und Lösungen
1 Antwort
  1. Hans von Atzigen
    Hans von Atzigen sagte:

    Unsere zeitgenössische Staatsverfassung.
    Da steht und ist so einiges sehr gut einwandfrei aufgeführt und formuliert, keine Frage.
    Da steckt eben daneben auch noch sooooo einiges an hinterhältiger Rosstäuscherei in diesem Werk.
    Ganz besonders bei den substanziell fundamentalen Fragen, da ist soooo einiges schöngeistig weitläufig formuliert und im Gesamtwerk zielgerichtet interpretierbar schön verteilt, teilweise sich widersprechend und verwässernd aushebelnd, resp. nicht nachhaltig umsetzbar.
    Oh je, die damalige devise 1996-1999 lautete, jedem Tierchen sein Plessierchen, da sind sogar „Wanderwägli» Art.88 zu Fundamental Staatstragender Bedeutung erhoben. (Absolut nix gegen Fussmarsch, bin selbst wenn immer möglich für Fussmarsch.)
    Ist DAS eine Frage von fundamental Staatstragender Bedeutung?
    Eines ist sie, bis auf die Direkt-Demokratischen Sonderrechte zu 100 % (vorauseilend) EU tauglich.

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