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Fake-Inserate

Immer wieder ganze Wellen auch in den seriösen Qualitätsmedien.

Der Trick ist immer der gleiche. Ein Online-Inserat lockt mit einer Hammer-Schlagzeile. «Der Skandal um Alain Berset», Roger Federer habe unglaubliche Gewinne erzielt (nein, nicht mit On), usw.

Früher oder später werden die Neugierigen, die darauf reinfallen, auf eine Seite gelotst, wo man ihnen Angebote macht, die eines gemeinsam haben: wird Geld gezahlt, ist es weg.

Hier ist eine neue Ausgabe:

Sieht aus wie eine Meldung vom «Blick», könnte sogar online im «Blick» aufpumpen. Oder bei Tamedia. Oder bei CH Media. Oder wo auch immer. Eine Runde widerwärtiger ist dann diese Variante:

Die zirkuliert auf Facebook und Instagram, natürlich ohne den Aufkleber «Fälschung».

Was soll das, wie ist das möglich? Ganz einfach, die meisten Qualitätsmedien sind bis heute nicht in der Lage, ihre Inserateplätze online selbst zu verwalten. Also stellen sie sie Google zur Verfügung, und das Datenmonster bespielt die dann mit Inseraten, die bei Google in Auftrag gegeben werden. Weniger Arbeit für die Medien, aber viel weniger Geld. Denn den Löwenanteil der Einnahmen kassiert natürlich Google, nicht etwa das Medium, bei dem die Inserate erscheinen.

Nun ist die überwiegende Mehrheit harmlos, der übliche Werbeschrott halt. Der Werbetreibende hat dabei einen gigantischen Vorteil gegenüber Werbung in der realen Welt. Während ein Printinserat oder -plakat im Schrotschussverfahren alle potenziellen Leser anspricht (oder eben nicht, Streuverlust gigantisch), kann der Inserent bei Google selbst bestimmen, wie sein Zielpublikum aussehen sollte. Er kann auch bestimmen, was ihm ein Klick auf sein Inserat wert ist, oder er wählt «pay per view», also jedes Mal, wenn die Webseite aufgerufen wird und auf ihr sein Inserat aufpoppt, zahlt er etwas.

Je mehr er aufwirft, desto häufiger und prominenter erscheint sein Inserat, desto höher die Einschaltquote, desto grösser die Chance, dass jemand draufklickt.

Nun ist die attention span, die Aufmerksamkeitsspanne im Internet, bekanntlich knackkurz, ein paar Sekunden höchstens. Also muss ein Inserat sofort einen Klick-Reflex auslösen, sonst ist es verpulvertes Geld. Und natürlich kann der Inserent, auch im Gegensatz zur realen Welt, auf den Klick genau nachvollziehen, welche Resonanz sein Inserat hatte.

Nun gibt es aber, wie die beiden obigen Beispiele zeigen, auch – wie überall im Kapitalismus – Beschiss und Missbrauch. Im ersten Beispiel sollen User einfach auf betrügerische Abzockseiten gelenkt werden. Im zweiten Beispiel geht’s ums Gleiche, zudem soll noch einer bestimmten Nationalität eine reingewürgt werden.

Oliver Zihlmann beschwert sich auf Tamedia wortreich darüber, dass «internationale Techkonzerne wie das Instagram-Mutterhaus Meta viel zu wenig gegen solche Inserate» vorgingen. Und: «Der zweite Grund ist die Untätigkeit unserer Behörden.» Den dritten Grund lässt Zihlmann aber wohlweislich beiseite: auch sein Medienhaus tut und investiert viel zu wenig, um solche Inserate zu verhindern.

So absurd und einfach ist es nämlich: würden die grossen Medienkonzerne die Inserate ihrer Online-Auftritte selbst bespielen, würden solche Fake-Werbungen bei ihnen gar nicht auftauchen. Aber selbst versagen und dann vorwurfsvoll Richtung Techkonzerne und Behörden mopsen – typisch Journalist.

Ein grauenvolles Jahr

Tiefseebohrung. Das beschreibt den Zustand der Schweizer Medien im Jahr 2023.

Dass nach der Entlassungsrunde vor der Entlassungsrunde ist, daran mussten sich die verbliebenen angestellten Redakteure gewöhnen. Die grossen Verlagshäuser Tamedia, CH Media und Ringier zeigen damit den überlebenden Journalisten, was sie von ihnen halten: nichts.

Sie sind ein unangenehmer Kostenfaktor, bis die KI die meisten ihrer Aufgaben übernimmt. Den gutbezahlten Managern in der Teppichetage ist auch 2023 nur ein einziges Heilmittel gegen die Arglist der Zeit eingefallen: sparen, feuern, letzte Fleischreste vom Knochen abschaben. Das ist erbärmlich.

Allerdings tun auch die Journalisten nicht gerade viel, um die wichtigsten Assets, Glaubwürdigkeit und Vertrauen, zu schützen und zu bewahren. Nabelschau, kreischige Rechthaberei, Bedienung der Gesinnungsblase, Schwarzweiss-Verblödung. Wer dachte, man sei noch nie so schlecht über einen Krieg informiert gewesen wie in der Ukraine, sah sich eines Schlechteren belehrt. Was im Gazastreifen tatsächlich passiert, niemand weiss Genaueres.

In beiden Fällen versagt die Journaille auf einem ihrer wichtigsten Handlungsfelder: analytische Einordnung liefern, Argumente zur Bildung einer eigenen Meinung bei den Lesern. Da vielfach ältere und damit teurere Journalisten weggespart werden, sinkt das allgemeine Niveau der Berichterstattung auf erschreckend bildungs- und kulturlose Minusgrade. Historische Zusammenhänge, Kenntnis von Kultur und Literatur, was nicht im schnellen Zugriff mit Google aufpoppt, existiert nicht.

Wenn die Sprachverbrecher Lukas Bärfuss und Kim de l’Horizon als die zwei bedeutendsten Vertreter der Schweizer Gegenwartsliteratur angesehen werden, dann ist wohl der Boden der Geschmacklosigkeit erreicht. Wobei man mit solchen Vermutungen vorsichtig sein sollte. Bevor Kim auftauchte, meinte man den mit Bärfuss alleine schon ausgelotet.

Wer meinte, die Sprachreinigungshysterie, die Verhunzung der deutschen Sprache durch Gender-Sternchen und andere Methoden zur angeblichen Inkludierung habe einen dermassen hysterischen Höhepunkt erreicht, dass es nur noch vernünftiger werden könne, sah sich ein weiteres Mal getäuscht. Das gilt auch für alle Post-#metoo-Schwurbeleien.

Unbelegte Anschuldigungen öffentlichkeitsgeiler Weiber oder anonymer Denunzianten reichten auch 2023 aus, um Karrieren zu vernichten oder Menschen fertigzumachen. Trotz vielen Flops haben die Scharfrichter in den Medien nichts dazugelernt. Schnelle Vorverurteilung, grosse Entrüstung, dann peinlich berührtes Schweigen, wenn der Skandal mal wieder keiner war. Aber auf zum nächsten, der kommt bestimmt.

Auch als Jahresbilanz muss man festhalten: Dass sich die Medienproduzenten weiterhin von Google, Facebook & Co. online die Werbebutter vom Brot nehmen lassen, ist an Unfähigkeit und Dummheit nicht zu übertreffen. Das Gejammer über wegfallende Print-Inserate und der anhaltende Ruf nach staatlicher Unterstützung der Vierten Gewalt sollen nur übertönen, dass die Krise der Medien nicht den Umständen geschuldet ist, sondern selbstverschuldet.

Kein vernünftiges Distributionsmodell, das aberwitzige Geschäftsmodell, für immer weniger immer mehr zu verlangen, seichte Inhalte, sich im Hamsterrad der Online-Produktion bis zur Bewusstlosigkeit drehende News-Abdecker – wie kann man für diese klägliche Leistung ernsthaft Geld vom Konsumenten verlangen?

Geradezu autistisch richten viele Redakteure ihren Blick an diesen Problemen vorbei, schauen in sich hinein und langweilen den Leser mit der Leere, der sie dort begegnen. Oder regen ihn auf, indem sie ihre politischen und sozialen Steckenpferde auf offener Bühne zu Tode reiten. Ein Kommentar zur Gratis-Abgabe von Tampons, wieso traut sich keiner mehr, die einzig richtige Antwort an der Themenkonferenz zu geben: «Aber nicht im Ernst

In diesem Niedergang wird das Schweizer Farbfernsehen, die mit Gebühren alimentierten Radiosender immer wichtiger. Aber das Angebot der SRG ist dermassen lausig, dass die 200-Franken-Gebühreninitiative intakte Chancen hat. Auch hier ist es den privaten Unternehmen nicht gelungen, eine valable Konkurrenz dazu auf die Beine zu stellen. Das sei eben die Übermacht der SRG, jammert der Wannerclan von CH Media. Anstatt zuzugeben, dass die Einkaufstour in den elektronischen und Printmedien als deutlichstes Resultat lediglich eine Massenentlassung gebracht hat.

Völlig von der Rolle sind Tamedia und Ringier. Der Tagi war einmal eine ernstzunehmende, linksliberale Stimme, seine Leitartikel und Forderungen hatten Gewicht. Aber heute? Das nimmt doch keiner mehr ernst, wenn sich die Oberchefredaktorin zu Wort meldet und absurde Forderungen zu den nächsten Bundesratswahlen aufstellt.

Der «Blick» als wichtigstes Organ des Hauses Ringier wurde seines Wesenskerns beraubt, die Führungsriege geköpft, dafür ein Rudel von Heads und Chiefs installiert, deren Funktionsbezeichnungen kabarettreif sind. Weniger lustig sind allerdings ihre Leistungen. Springer zieht weiter in die Zukunft und trennt sich konsequent von seinen Printtiteln. Ringier kauft sie auf. Mathias Döpfner mag persönlich ein eher unausstehlicher Mensch sein, was er mit Marc Walder gemein hat. Aber der Unterschied im Wirken und in der Performance der beiden an ihren Unternehmen beteiligten CEOs ist unübersehbar.

Ach, und die NZZ? Ein Leuchtturm mit einigen blinden Flecken auf der Linse, das Bild ist schwer zu schlagen, so zutreffend ist es. Häufig Labsal und Kopfnahrung, manchmal aber auch ärgerliche Ausflüge ins Unterholz der vorgefassten Meinungen und neuerdings auch üblen Rempeleien in einer Tonlage, die die alte Tante seit Ende des Kalten Kriegs nicht mehr verwendete.

Auch der ruppige Umgang mit Chefredaktoren ist neu. War die Absetzung von Markus Spillmann zwar ein absolutes Novum, aber dennoch gerechtfertigt, wurde die Absetzung von Luzi Bernet und sein Ersatz durch Jonas Projer eher ruppig durchgeführt. Das war aber noch geradezu stilvoll und zartbesaitet im Vergleich dazu, wie dann Projer entsorgt wurde.

Dabei, wie bei der Nicht-Inauguration von Markus Somm als NZZ-Chefredaktor, spielte die Redaktion eine üble Rolle. Bei Somm stellte sich im Nachhinein heraus – als er mit der Absurd-Idee, aus dem «Nebelspalter» ein bürgerlich konservatives Kampforgan zu machen, baden ging –, dass der NZZ doch einiges erspart blieb. Aber der Zwergenaufstand in der Redaktion gegen Projer führte nur erwartungsgemäss dazu, dass die NZZaS viel näher an das Stammblatt gebunden wurde. Der notfallmässig installierte Beat Balzli ist noch viel mehr von der Gnade Eric Gujers abhängig als sein Vorgänger.

Allerhand Betrübliches und Besorgniserregendes ist von den Medien im Jahr 2023 zu vermelden. Gibt es Hoffnung für 2024? Für die klassische Medien nicht. Vor allem bei Jugendlichen haben sie längst die Meinungshoheit als Newslieferant verloren. Wenn der Bezahl-Inhalt qualitativ sich kaum von Gratis-Angeboten unterscheidet, wieso soll ein vernünftiger Mensch noch etwas bezahlen?

Natürlich sollte der Content einer Newsplattform nicht gratis sein. Eine Bezahlschranke macht aber nur dann Sinn, wenn dieser Inhalt auch etwas wert ist. «Blick+» ist das beste Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Die Idee wurde bei «Bild+» abgekupfert, aber jämmerlich umgesetzt. Tamedia macht ähnlichen Unsinn, indem es beim Berliner «Tagesspiegel» die Idee übernimmt, sauteure Angebote für spezifische Zielgruppen zu machen. Wer einen  fantasielosen Verwaltungsrat mit einer digitalen Offensive betraut, der sich dann an seine frühere Wirkungsstätte erinnert, ist selber schuld.

Nein, das ist kein Aufsteller,diese Jahresbilanz. Aber zum Jammertal, durch das der Journalismus wankt, passt eben auch, dass solche offenen Worte nurmehr hier auf ZACKBUM möglich sind.

Für das anhaltende Leserinteresse, liebe Worte (immer hinter vorgehaltener Hand) und auch (wenige) Widerworte danken wir ganz herzlich.

 

Wumms: Rainer Stadler

Wenn’s einer nicht lassen kann, wird’s traurig.

Rainer Stadler war eine Institution. Jahrzehntelang begleitete er als Medien-Mann der NZZ alle Entwicklungen auf diesem Gebiet. Informiert, eigenständig und kantig. Als Spielfeld hatte er eine eigene Medienseite. Das leistete sich nur noch das Intelligenzblatt von der Falkenstrasse.

Dann wurde Stadler eher unfein entsorgt, nach ihm die Medienseite. Nun hat er auf der Gratis-Plattform «Infosperber» einen Multiplikator für seine Ansichten gefunden. Das tut nicht wirklich gut.

So analysiert er die Folgen des Neins zur Milliardenspritze für darbende Medienclans recht eigenwillig. Er sieht einige Hoffnungsschimmer im Online-Markt, wo neue Player enstanden seien:  «Einige Initianten – etwa Branchenportale, die «Republik» oder der «Infosperber» – konnten Fuss fassen. Der Grossteil muss aber mit sehr bescheidenen Mitteln zurechtkommen, und das Informationsangebot dieser Akteure ist öfters ungenügend.»

Nun ist Eigenlob nicht verboten, aber die Auswahl ist schon etwas befremdlich. Die «Republik» ein Branchenportal? Der «Infosperber» muss nicht mit bescheidenen Mitteln zurechtkommen? Und wie steht’s mit dem erfolgreichsten Newscomer, «Die Ostschweiz»*?

Aber gut, Meinungsfreiheit. Dass die Ablehnung eine schlechte Nachricht für den Presserat sei, ist eigentlich eine gute Nachricht. Denn das Organ der freiwilligen Selbstkontrolle manövriert sich mit realitätsfernen Entscheidungen immer mehr ins Aus.

Sehr eigen ist dann Stadlers Kritik am Ansinnen von Medienhäusern, sich an grossen Plattformen wie Facebook oder Google schadlos zu halten, wenn die Newselemente verwenden, die als Content hergestellt wurden. Das ist selbstverständlich legitim, sofern die Medien nicht so blöd sind, das Angebot zur vermeintlichen Reichweitensteigerung gratis abzugeben. Aber Stadler schimpft:

«Mit einem Leistungschutzrecht verschaffen sich die Medienhäuser die Legitimität für einen Zugriff auf kontinuierliche Einnahmen, die den Anschein einer privatwirtschaftlichen Lösung haben, faktisch aber eine intransparente Art Medienförderung sind, welche die Staaten ein paar amerikanischen Grosskonzernen aufzwingen.»

Was daran intransparent sein soll und wieso die Forderung nach Abgeltung von Leistungen Medienföderung sein soll, das erschliesst sich nicht.

*Packungsbeilage: René Zeyer publiziert regelmässig auf «Die Ostschweiz».

 

Erregungsmaschinen

These: die Menschen waren schon immer so dumm. Man hat’s nur weniger gemerkt.

Schon der grosse Egoshooter Immanuel Kant wusste:

Damit meinte er, dass auch Zwang, Erziehung, Beratung, gutes Zureden nicht wirklich nützen. Aber er konnte wenigstens eine Richtschnur definieren, die das menschliche Handeln bestimmen soll.

Davon gibt es verschiedene Versionen, die wohl universellste lautet:

«Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.»

Das ist unter dem etwas pathetischen Begriff «kategorischer Imperativ» in die Geschichte eingegangen. Mehr ist nicht, da Kant nicht zu Unrecht lange Jahre auf dem Index der für Katholiken verbotenen Bücher stand. Weil er Setzungen der Bibel oder angeblich geoffenbarte göttliche Worte dahin verwies, wo sie hingehören: ins Reich des Glaubens, des nicht rational Begründbaren.

Fällt das als Handlungsanleitungen weg, fehlt die unbezweifelbare Letztbegründung, muss akzeptiert werden, dass alles, was wir unter Moral, Ethik, Anstand, Sitte verstehen, höchstens einsichtige Konventionen sind.

Ethik als Sammlung von Aussagen über das gute und gerechte Handeln des Menschen; Moral als Summe der geltenden Normen und Regeln, Tugend als Fähigkeit der richtigen Abwägung zwischen gut und böse, richtig und falsch. Alles schöne Begriffsturnereien, aber letztlich ohne viel praktische Brauchbarkeit.

Ich kann, weil ich will, was ich muss

Knackiger ist die Formulierung: «Ich kann, weil ich will, was ich muss.» Die wird Kant zugeschrieben, nur: hat er so nie gesagt. Aber das hier wäre der wahre Steinbruch der Erkenntniserweiterung, das wären eigentlich Fragen, mit denen sich der Mensch, der nicht mehr alle Energie darauf verwenden muss, sich am Leben zu erhalten, beschäftigen könnte.

In den (wenigen) zivilisierten Gegenden der Welt ist der Aufwand zur Selbsterhaltung, vulgo Arbeit oder Wertschöpfung genannt, überschaubar geworden. Schon mit einer Halbtagsstelle kann man sich über Wasser halten; mit genügend Konsumverzicht. Das vor Betreibung geschützte Existenzminimum beträgt in der reichen Schweiz bescheidene Fr. 1200. Plus Krankenkasse und Wohnung.

Also Zeit wäre genug vorhanden, sich mit bewusstseinserweiternden Fragen zu beschäftigen. Nur: dafür ist das krumme Holz offenbar nicht gemacht. Freizeit löst bei vielen Menschen Panik aus, wenn sie nicht irgendwie gefüllt werden kann. Womit auch immer. Ablenkungen jeder Art, sozial Depravierte verlieren sich in Videospielen, andere versuchen es mit Hobbys oder übermässigem TV-Konsum.

Neu entwickelte Zeitvernichtungsmaschinen

Seit rund 15 Jahren gibt es aber vorher unbekannte Zeitvernichtungsmaschinen, die mit grossem manipulativen Geschick durch Dauererregung die Menschen in ihrem Räderwerk behalten. Sie heissen soziale Plattformen.

Sie arbeiten mit der Illusion, dass der Vereinzelte in Kontakt mit vielen Menschen stünde, eigentlich Zugang zu Milliarden von Nutzern hätte. Auf diese Weise nicht nur soziale Kontakte knüpfen und pflegen könne, sondern auch Gedanken und Ansichten austauschen, sich damit bereichern solle.

Trotz allen Beteuerungen war das natürlich niemals die Absicht der Erfinder von Facebook, Twitter, Instagram usw. Sie haben sich damit Profitgeneratoren geschaffen, die unvorstellbare Prozentsätze von Reingewinn ermöglichen. Beliebig skalierbar, das funktioniert bei 10 Millionen Nutzern genauso wie bei 100 Millionen, genauso wie bei einer Milliarde.

Gleichzeitig richten diese transnationalen Monster, die sowohl fiskalisch wie juristisch kaum zu fassen sind, unvorstellbare Schäden auf dem Gebiet der öffentlichen Auseinandersetzung an. Sie können manipulativ verwendet werden (Cambridge Analytica), sie werden zum Tummelfeld von Trollen, bösartigen Kampagnen, computergenerierten Bewegungen.

Verdumpfung der Debatte

Aber sie sorgen vor allem für eine Verrohung, Versimplung, Verdummung der Debatte. Wer sich daran gewöhnt hat, auf maximal 280 Zeichen eine Meinung zu formulieren, ist geistig auf das Niveau eines Dreijährigen zurückgefallen, womit keine aufgeweckten Dreijährigen beleidigt werden sollen.

Differenzierung, Diskursfähigkeit, das Erfassen komplexer Zusammenhänge, das Durchdringen komplexer Situationen, das Suchen nach adäquaten Erklärungen für interagierende Kraftfelder, in denen sich Gesellschaften normalerweise bewegen – all das übersteigt den geistigen Horizont der Teilnehmer.

Wer nicht spielsüchtig ist, wundert sich, wie Menschen stundenlang vor Slotmachines sitzen können und die unablässig mit Münzen füttern. Das liegt auch daran, dass diese Maschinen mit grosser Ingenieurskunst und psychologischen Beeinflussungsmechanismen so gebaut sind und funktionieren, dass alle Suchtmechanismen im Hirn getriggert werden.

Genau gleich sitzen Hunderte von Millionen von Menschen vor den Slotmachines der sozialen Plattformen. Und füttern sie unablässig mit ihren Daten, in der irrigen Annahme, dass die Benutzung gratis sei. Das funktioniert dann am besten, wenn sie in einen Erregungszustand versetzt und in ihm gehalten werden.

Soziale Plattform, aus der Sicht des Betreibers.

Dann greift die fundamentale Erkenntnis von Gustave Le Bon, die er in seiner Untersuchung über die «Psychologie der Massen» festgehalten hat. Bei Massenveranstaltungen sinkt der durchschnittliche IQ der Teilnehmer auf den der dümmsten.

Genau das geschieht hier, im 21. Jahrhundert. Das Ausmass der menschlichen Dummheit ist nicht grösser geworden. Allerdings auch nicht kleiner. Zudem viel hör- und sichtbarer.

Face off bei Facebook

Welches Staatsversagen: Zensur privaten Anbietern zu überlassen.

Jetzt hat’s den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro erwischt. Wie Reuters meldete (und dann von deutschsprachigen Medien abgeschrieben wurde), haben YouTube und Facebook ein Video aus dem Account des Brasilianers entfernt.

Das war ihm schon im Juli widerfahren, als er in einer Videobotschaft zwei Medikamente gegen Covid 19 anpries, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nicht belegt ist. Nun hatte Bolsonaro behauptet, dass vollständig geimpfte Personen immungeschwächt seien und daher ein höheres Risiko hätten, an HIV zu erkranken.

Hier lächelt er noch.

Dass Bolsonaro ein irrlichternder Versager ist, muss nicht speziell erwähnt werden. Das Problem liegt woanders.

Der Ex-US-Präsident Donald Trump benützte als Erster während seiner Präsidentschaft die Plattformen der sogenannten sozialen Medien, vor allem Twitter, aber auch Facebook, YouTube und Co., um in direkten Kontakt mit seinem Wählerpublikum zu treten. Das hatte schon sein Vorgänger Barack Obama getan, aber Trump perfektionierte es.

Sein Vorteil: Trump umging damit die wichtigsten meinungsbildenden Medien in den USA, die ihm allesamt – gelinde ausgedrückt – kritisch gegenüberstehen. Selbst der deutsche «Spiegel» kündigte in völliger Überschätzung seiner Bedeutung damals an, dass er es als seine Aufgabe ansehe, Trump wegzuschreiben.

Der «Spiegel» spinnt.

Auch Trump war ein irrlichternder Versager, brachte aber die Mainstreammedien in einer Art zum Schäumen, liess sie völlig die Fassung verlieren, dass sie schwer beschädigt aus dieser Auseinandersetzung herauskamen.

Selbstverständlich äusserte Trump, so wie Bolsonaro, jede Menge blühenden Unsinn in seinen Direktkontakten mit seinen Followern. So hält er bis heute an der Behauptung fest, der Wahlsieg sei ihm gestohlen worden, eigentlich sei er der legitime Präsident der USA.

Ab ins Archiv: Trump ist bei Facebook weg.

Darüber, so wie über die absurden Ansichten Bolsonaros zum Thema Pandemie, muss nicht ernsthaft diskutiert werden. Aber: nach mehreren temporären Sperren wurde Trump unbegrenzt der Zugang zu den sozialen Medien gesperrt.

Ausgewittert und getwittert hat er auch.

Bolsonaros jüngstes Video wurde ebenfalls gelöscht, YouTube soll ihn nach brasilianischen Pressemeldungen zudem für sieben Tage gesperrt haben. Das passiert auch unzähligen weniger prominenten Benutzern dieser Multiplikatoren, wenn sie mit ihren Äusserungen gegen deren «Richtlinien» verstossen.

Facebook ist selbst in einem Shitstorm

Gleichzeitig ist vor allem Facebook selbst in die Kritik geraten. Ehemalige Mitarbeiter beschuldigen die Plattform, Profitmaximierung über alles zu stellen, beispielsweise in seinem grössten Markt Indien viel zu wenig gegen Gewaltaufrufe und Hetze zu unternehmen. Obwohl die USA nur zehn Prozent der Facebook-Nutzer stellen, gehe der Löwenanteil des Budgets zur Bekämpfung von Desinformation dorthin, während Indien von Gewaltaufrufen überschwemmt werde.

Facebook wehrt sich natürlich dagegen und behauptet, dass es seine Anstrengungen ständig verstärke, im Kampf gegen Hass- und Gewaltbotschaften auf seiner Plattform. Inzwischen arbeiten ganze Teams daran, den gröbsten Unrat zu entfernen. Vergeblich natürlich, angesichts der Nutzerzahlen. Facebook, Instagram, Messenger und WhatsApp werden von 2,3 Milliarden Menschen verwendet – täglich.

Will nur dein Bestes: Mark Zuckerberg.

Die überwältigende Mehrheit meint, dass das gratis sei. Oder aber, es ist ihr egal, dass sie mit persönlichen Daten, der Internetwährung, bezahlen. Der ARPU, also der durchschnittliche Umsatz pro Kunde, beträgt bis zu 17 US-Dollar – pro Quartal. Also eine unvorstellbare Geldmaschine.

Logisch, dass weder Mark Zuckerberg noch ein anderer Profiteur diese Profitquelle verstopfen will. Erst dann, wenn der Account gesperrt wird, werden sich die Nutzer bewusst, dass sie den Vorteil – Streuung und Distribution der eigenen Mitteilungen – nicht nur mit geldwerten Daten bezahlen, sondern sich auch in völlige Abhängigkeit vom Plattformbetreiber begeben haben.

Wie sehen denn eigentlich diese «Richtlinien» aus, wer legt sie fest, wie werden sie überwacht?

 

Lesen Sie Teil 2 morgen.

Noch so eine Tamedia-Niete

Oliver Zihlmann ist «Co-Leiter Recherchedesk». Nur ist das nicht so sein Ding.

Normalerweise kümmert sich Zihlmann um das Ausschlachten gestohlener Geschäftsunterlagen. Aus dieser Hehlerware entstehen dann Leaks und Papers und Gedöns. Zum Riesenskandal hochgejazzte Tropfen und Tröpfchen, die dann schneller als Eis an der Sonne verdunsten.

Oder erinnert sich noch jemand an die Paradise-, Panama- oder Pandora-Papers? Eben. Nun haben die sogenannten «Facebook Files» seine Aufmerksamkeit erregt. Das hört sich für Zihlmann so etwas nach seiner eigenen Lieblingsbeschäftigung an, also hat er etwas drin rumgeschnüffelt.

Das Thema ist nicht mehr wirklich taufrisch, aber natürlich hat die Welt mit angehaltenem Atem auf einen Kommentar des Co-Leiters gewartet. Bevor sie dabei rot und blau anläuft, hat er geliefert:

«Die Lektüre der Facebook Files hinterlässt ein Gefühl der Bedrohung.»

Obacht, Zihlmann fühlt sich bedroht. Das kann ja nicht gut enden: Die Papiere zeigten, «dass das soziale Netzwerk für zahllose Menschen eine Gefahr ist». Also für uns nicht, aber wir sind ja auch nicht zahllos. Andere werden aber sozusagen zahnlos: «Hass, Gewalt, Desinformation, gefährliche Seiten, die junge Menschen in Essstörungen treiben

Für Zihlmann kein Sympathieträger: Mark Zuckerberg.

Das sei aber nur die Spitze des Zuckerbergs. Viel gefährlicher sei noch, dass sich viele lediglich über Facebook informierten: «Für sie sind Hass und Desinformation eine echte Gefahr.» Allerdings, leichte Entwarnung: «Viele westliche Nutzer informieren sich derzeit noch in privaten und öffentlich-rechtlichen Medien und können so Gerüchte aus Social Media überprüfen.»

Eigenlob stinkt nicht: Selbstdarstellung des Recherchedesks.

Nun ja, wer sich beispielsweise mit der Einheitssosse von Tamedia zuschütten lässt, wo regierungshörige Berichterstattung vorherrscht, dazu Elendsjournalismus mit Papier- und Brainmangel, wo wilde Corona-Kreischen, Genderwahnsinnige im Nabelschaumodus, Antidemokraten und Fakefakt-Checker am Gerät sind, kann auch nicht als ungefährdet bezeichnet werden.

Knallharte Diagnose, knallharte Therapie

Nun outet sich auch noch der Recherche-King als Kaiser ohne Kleider. Denn nach der Diagnose kommt unweigerlich der Therapievorschlag: angesichts dieser Gefahr müsse «die Politik hier mit aller Härte eingreifen». Was, gegen Tamedia? Aber nein, so weit will Zihlmann nicht gehen.

«Warum zum Beispiel die Betreiber der sozialen Medien nicht haftbar machen für das, was sie verbreiten, wie bei jedem traditionellen Medium? Dann würden der Hass und die Falschinformationen wohl zum ersten Mal wirklich von den Seiten verschwinden.»

Das ist nun eine dermassen dämliche Frage, dass sich Zihlmann mit ihr die Pole-Position im Inkompetenz-Team von Tamedia erobert. Schliesslich gehört er auch zu den vielen Lesern von ZACKBUM, und nicht nur deswegen sollte er wissen, wieso die sozialen Medien eben nicht haftbar für ihre Inhalte sind. Wenn nicht, hätte er es am 19. Oktober nachlesen können, dort haben wir es auch für Begriffsstutzige in aller Ausführlichkeit erklärt.

Zum Beispiel, dass aus «T» «Tamedia» und daraus «Tx» wurde?

Heute möchten wir aber noch ein paar weitere intelligente Fragen in den Raum stellen. Warum zum Beispiel nicht den Hunger auf der Welt besiegen? Alle kriegerischen Handlungen einstellen? Warum nicht Rassismus, Diskriminierung und Hetze einfach verbieten? Dann würde auch eine gute Portion Hass und Falschinformationen verschwinden.

Gut, das liesse sich auch durch die Einstellung des Tamedia-Elendsjournalismus befördern, aber dann wäre Zihlmann arbeitslos, und das wollen wir auch nicht. Aber wir empfehlen ihm, das nächste Mal – wenn schon, denn schon – eine alte Forderung der Zürcher Jugendbewegung aufzunehmen, die auch noch nicht erfüllt ist: «Freie Sicht aufs Mittelmeer. Nieder mit den Alpen!»

Oder vielleicht:

Freie Sicht auf die Realität. Nieder mit den Denkbarrieren des Recherchedesks.

Die Macht des Mittelsmanns

Hersteller und Verbraucher. Dazwischen sahnt der Middle Man alles ab.

Zwischen Produktion und Konsumtion liegt die Distribution. Das ist eine Binsenwahrheit. Oftmals ist es so, dass der Verteiler sich eine grosse Scheibe vom Verkaufspreis abschneidet.

In der Warenwelt zeigt sich das in aller Hässlichkeit zum Beispiel beim Allerweltsprodukt Jeans. Lassen wir einmal den enormen Wasseraufwand (ca. 8000 Liter), Färbe- und Bleichmittelprozesse, überlange Transportwege und auch mögliche Kinderarbeit beiseite.

Baumwolle, Garn, Stoff, Färben, Nähen, Waschen: das kann weltumspannend zwischen Kasachstan, der Türkei, Tunesien, China und Europa stattfinden. Auch das lassen wir beiseite.

In der Warenwelt kassiert der Verteiler am meisten

Der Jeanspreis im Laden setzt sich normalerweise so zusammen:

  • 1 % Lohnkosten.
  • 11 % Transport, Gebühren und Steuern.
  • 13 % Materialkosten.
  • 25 % Design, Entwicklung, Marketing, Werbung.
  • 50 % Einzelhandel.

Also kassiert der Detailhändler den Löwenanteil, unabhängig davon, ob er dafür physisch mit einem Laden präsent ist oder nur im Internet den Distributeur spielt. Der physische Warenverteiler, abgesehen von Gütern des täglichen Gebrauchs wie vor allem Lebensmittel, ist am Aussterben. Teure Lokalmieten, Personal, Lagerkosten, diese Präsenz wird immer mehr zum Statussymbol von Luxus- und Prestigemarken.

Grosse Warenhäuser wie Amazon oder Alibaba, Handelsplattformen wie Google oder Facebook übernehmen Macht, Verteilung und sacken die Gewinne ein. Natürlich bestimmen sie die Preise und können auch Geld fürs Listing verlangen, also dafür, dass ein Produkt überhaupt in das Angebot aufgenommen wird.

Amazon …

Das alles sind die üblichen kapitalistischen Mechanismen in einer globalisierten Wirtschaft, bei der die Distanz zwischen den Produktionsschritten und dem Endverbraucher keine Rolle mehr spielt. Wo die Reise hingehen soll, darüber zerbrechen sich genügend Fachleute die Köpfe, das ist nur für die Beteiligten und Betroffenen von Interesse. Dem Konsumenten kann’s egal sein.

In der Warenwelt heuchelt der Konsument am meisten

Sollten ihm Hungerlöhne, Kinderarbeit, weite Transportwege und umweltschädliche Herstellung nicht passen, kann er ja auf zertifizierte Produkte umsteigen. Das tut er auch zunehmend – allerdings nur verbal. In der reichen Schweiz sind offiziell eigentlich alle gegen Kinderarbeit und solche Schweinereien. Daher wird pro Kopf massenhaft Geld für zertifizierte Produkte ausgegeben. Nun ja, haargenau 103 Franken pro Mensch und Jahr für Fair Trade.

Soviel zur üblichen Heuchelei.

Es gibt allerdings ein Gebiet, auf dem die Rolle des Mittelsmanns mehr als problematisch ist. Bei der Herstellung und dem Verkauf von News. Der wurde seit seinen Anfängen von zwei Einkommensquellen gespiesen. Der Konsument bezahlte den Hersteller direkt, das Abonnement. Der Hersteller bot sein Produkt als Transportmittel für andere Produkte an, das Inserat.

Wir bewegen uns immer noch auf dem Gebiet der Binsenwahrheiten. Aber nicht mehr lange.

Frühes Porträt eines Medienmanagers.

Alte Printwelt, nicht mehr so neue Digitalwelt

In der Printwelt kam ein Grossteil dieser Einnahmen dem Produzenten direkt zugute. Lediglich die Verteilung bspw. über Kioske bedeutete, dass er so einen Drittel des Verkaufspreises an den Verteiler abgeben muss. Zudem entstehen natürlich Unkosten durch Papiereinkauf, Druck und Distribution in jeder Form. Pro Stück Bedrucktes kann man im Normalfall, den Inhalt nicht inbegriffen, von einem Franken sprechen.

Das sind mehr oder minder Fixkosten, an denen nicht zu rütteln ist. Da die Newsproduzenten für sich eine besondere Stellung in der modernen Gesellschaft beanspruchen, wird in der Schweiz zum Beispiel die Zustellung staatlich subventioniert.

Ganz anders sieht es im Internet aus. Hier ist die direkte Wertschöpfung Produzent – Konsument durch den Verteiler unterbrochen. Der schneidet sich dafür natürlich, wir erinnern uns an das Beispiel Jeans, eine grosse Scheibe von der Wertschöpfung ab.

Genauer gesagt, er frisst den ganzen Kuchen auf. Online-Marketing, also alle Werbeformen im Internet, ist der am stärksten wachsende Werbemarkt in der Schweiz. Pro Jahr werden insgesamt rund 4,5 Milliarden Franken umgesetzt. Davon 40 Prozent im Internet, gefolgt von TV/Radio und schliesslich der Printbereich mit 21 Prozent.

Von diesen rund 2 Milliarden verfrühstücken die grossen Verteiler 90 Prozent. Also Google, Facebook & Co. Ihre Leistung dafür hält sich in bescheidenen Grenzen. Bei einem Umsatz von rund 90 Milliarden US-Dollar machte zum Beispiel Facebook 2020 einen Gewinn von 29,15 Milliarden. Das ist eine Profitrate von sagenhaften 32,4 Prozent.

Tarotkarte des Medienmanagers.

Was ist der Grund für so exorbitante Gewinne?

Wenn der «normale» Gewinn eines Verteilers bei 50 Prozent liegt, dann müssen die zusätzlichen 40 Prozent in der Schweiz einen anderen Grund haben. Der hat einen Doppelnamen. Dummheit und Unfähigkeit der Medien- und Verlagsmanager der grossen Familienclans der Schweizer Privatmedien.

Denen ist in all den Jahren, in denen das Internet existiert, keine Methode eingefallen, mit der der Hersteller des Produkts News sich einen akzeptablen Anteil an der Wertschöpfungskette zu sichern. Das kommerzielle Internet gibt es seit rund 25 Jahren. Das heisst, bald mal eine Generation von hochbezahlten Teppichetagenschlurfern haben «hm, ist nicht so gut» gemurmelt. Haben markig «da muss uns etwas einfallen» gefordert.

Das ist es auch. Sie krähen (heute!) nach einer Milliarde zusätzlicher Steuerknete, um unter anderem die «Digitalisierung» und «Transformierung» ihres Angebots besser bewältigen zu können. Das ist in der jüngeren Geschichte des Kapitalismus ohne Beispiel.

Das ist so, wie wenn die Benützer von Handwebstühlen 25 Jahre nach der Einführung mechanisierter Webstühle sagen würden: wir brauchen Staatshilfe. Das ist so, wie wenn die Hersteller von Dampfloks, die 25 Jahre lang dem Siegeszug der Elektroloks zugeschaut haben, sagen würden: wir brauchen Steuergelder.

Das Narrenschiff der Medienmanager.

Man kann Google, Facebook & Co. nicht den geringsten Vorwurf machen, dass sie sich dumm und krumm verdienen. Das ist das Versagen der Medien. Man kann ihnen auch keinen Vorwurf machen, dass sie mit den ihnen auferlegten Zensurvorschriften vor allem darauf achten, ihre eigenen Interessen zu schützen.

Die chinesixche Regierung findet Opposition nicht so toll? Zu Befehl, wird abgeschaltet. Das russische Regime ärgert sich über den Dissidenten Nawalny? Google und Apple entfernen seine App. In Deutschland ärgert man sich über die «Querdenker»? Stecker raus.

Dummheit und Unfähigkeit sind nicht gratis zu haben. Man muss bitter und teuer dafür bezahlen.

Medienmanager, porträtiert von Paul Klee als Narr.

Zensur? Zensur!

Das Verbieten von freien Worten ist eine hoheitliche Aufgabe des Staates. War.

In westlichen Verfassungen stehen markige Worte zum Thema: «Eine Zensur findet nicht statt», verfügt das deutsche Grundgesetz in Art. 5. Etwas weiter hinten steht es in der Schweizer Bundesverfassung: «Zensur ist verboten.»

Knapper kann man das nicht auf den Punkt bringen. Unsere Bundesverfassung ist überhaupt ein Quell weiser und träfer Formulierungen, so heisst es in unserem Art. 5: «Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.»

Kein langes Gezicke um ellenlange AGB, Monstervertragswerke und Fussangeln im Kleingedruckten. Etwas entspricht Treu und Glauben, also gesundem Menschenverstand und Anstand – oder eben nicht. Punkt.

Fortschritte im Kampf gegen Zensur

Nun ist es mit Zensur so eine Sache. Es war ein unbestreitbarer Fortschritt, als das Verbot des freien Wortes Königen, Potentaten und der Kirche entwunden wurde. Es war der Anfang des rasanten Fortschritts, der Welterkenntnis, der Verbesserung der Lebensumstände, als freie Debatten geführt werden durften. Als die Enzyklopädisten, welch ein Vorhaben, schlicht und einfach alles gesicherte Wissen der Menschenheit von A bis Z zusammenfassen wollten.

Eine bis heute unerreichte Grosstat des menschlichen Geistes, und das im absolutistischen 17. Jahrhundert, noch vor der Französischen Revolution. Aber Zensurfreiheit ist kein Gut, das einmal erobert ewige Gültigkeit hat. Immer wieder senkten sich seither finstere Zeiten über die Menschen.

Es ist immer eine der ersten Massnahmen einer Diktatur, das freie Wort, die Debatte, die Aufklärung, die Kritik zu verbieten. Mit den ewig gleichen Begründungen. Schädlich, konterrevolutionär, hilft dem Feind, stiftet Verwirrung, ist subversiv, verantwortungslos, usw.

In Diktaturen wie Russland, China, Afghanistan oder Singapur wird nicht lange gefackelt, um allen klarzumachen, dass es enge Grenzen des freien Wortes gibt. Auf der anderen Seite gibt es wohl keinen Staat, der die Meinungsfreiheit so hoch hält wie die USA. Bis über europäische Schmerzgrenzen hinaus gilt dort der entsprechende Verfassungszusatz, der es eigentlich allen erlaubt, so ziemlich alles zu sagen.

Keine Zensur darf es auch nicht geben

Völlige Zensurfreiheit gibt es nirgends – und darf es auch nicht geben. Aufrufe zu Pädophilie, rassistisch dummes Geblubber wie «alle Schwarzen sind dumm und faul», alles, was zu sehr angebräunt ist, das Leugnen von historischen Tatsachen, das alles ist verboten. Zu Recht.

ZACKBUM würde so weit gehen, Bert Brecht zuzustimmen, der in der Neufassung der «Dreigroschenoper» von 1948 nach dem Zweiten Weltkrieg dichtete:

«Und die da reden von Vergessen
Und die da reden von Verzeihn –
All denen schlage man die Fressen
Mit schweren Eisenhämmern ein.
»

Aber das mag vielleicht etwas extrem sein. Schwieriger, als die Verurteilung klarer Grenzüberschreitungen, schwieriger als die Denunziation offener Zensur ist die Debatte darüber, wo bei uns von ungerechtfertigter Zensur gesprochen werden kann.

Auch in der Schweiz steht ein «das darf doch wohl noch gesagt werden» einem ausgrenzenden Diskurs gegenüber, der immer weniger zwischen Mensch und Meinung unterscheidet. Dass man sich eine freie Meinungsäusserung auch leisten können muss, ist eine Binsenweisheit. Dass eine freie Meinungsäusserung kostspielig werden kann, den Verlust von Einnahmen, einer bürgerlichen Stellung, einer Anstellung nach sich ziehen kann, das ist halt der Preis dafür.

Dass eine Verengung der öffentliche Debatte stattfindet, schmerzlich sichtbar bei allen Auseinandersetzungen über die richtige Bekämpfung der Pandemie, das ist bedenklich. Dass die sogenannten Leitmedien damit ihre eigene Bedeutung zerkleinern, unzählige andere Kanäle im Digitalen aufgehen, ist ebenfalls bedenklich, aber gleichzeitig auch beruhigend.

Echt gefährlich, mehr als beunruhigend ist aber, dass der Staat als Zensurbehörde diese Aufgabe an private Veranstalter delegiert. Nur Deutschland konnte es einfallen, ein Gesetzesmonster mit einem Namensmonster zu versehen: das «Netzwerkdurchsetzungsgesetz».  Es erlegt den Betreibern von Plattformen schlichtweg auf, selber dafür zu sorgen, dass keine strafbewehrten Meinungsäusserungen veröffentlicht werden. Bzw. die Veröffentlichung innert knapper Fristen rückgängig zu machen.

Da das Internet bekanntlich keine Landesgrenzen kennt, bedeutet das auch, dass mindestens im ganzen deutschen Sprachraum, inklusive Schweiz, dieses deutsche Zensurgesetz gilt.

Zurück zur privaten Zensur von den Mastern des Internets

Keine Verschwörungstheoretiker – ein Artikel in der SZ von 2016.

Natürlich ist es richtig und nötig, den Versuch zu unternehmen, die Sümpfe der Hassgesänge, der dumpfen Brutalität, aus denen Hetze und feig-anonyme Drohungen quellen, so gut wie möglich trockenzulegen.

Niemand möchte, dass der Mob ungebremst und ungehemmt – besonders pervers auf Kanälen, die sich eigentlich dem Kampf gegen Hass und Hetze verschrieben haben – keifen, kreischen, pöbeln und menschenverachtendes Zeugs quäken darf.

Aber soll die Entscheidung darüber wirklich Facebook, Google, Twitter und Co. überlassen werden?

 

  • In der Fortsetzung: Probleme und Lösungen

Wenn Zwerge wachsen wollen

Zusammenschluss der grossen Marktplätze in der Schweiz: zu spät, zu klein, zu wenig innovativ.

Es war ja überfällig, nun ist’s raus: TX Group, Ringier und Mobiliar werfen ihre Marktplätze zusammen. Also Homegate, Ricardo, Scout24, Tutti usw.

Dazu wurde noch General Atlantic ins Aktionariat geholt. Also ein Finanzinvestor, der rund 35 Milliarden US$ Assets under Management hält und rund um den Globus in einem Gemischtwarenladen Minderheitsanteile hält. Neben vielem anderen auch bei Airbnb, Uber oder der deutschen Flixbus. Daher soll wohl seine «langjährige internationale Expertise im Bereich der digitalen Marktplätze» kommen, was den Schweizer Betreibern offensichtlich abgeht.

«Bündeln, vorantreiben, Vorreiter, Expertise, Wachstum», und selbstverständlich: Die gesamthaft 1000 Angestellten der Marktplätze würden alle vom neuen Unternehmen übernommen, sagte die TX Sprecherin auf Anfrage.

Grosse Zahlen und kleine Zahlen

Lassen wir doch mal einfach ein paar Zahlen sprechen. Amazon hat einen Jahresumsatz von 386 Milliarden $. Alphabet, der Mutterkonzern von Google & Co., liegt bei 182,5 Milliarden. Alibaba dreht jährlich 109 Milliarden um, hat bereits eine eigene Währung, ist auch Zahlungsdienstleister, Warenhaus und wohl die grösste Gefahr für alle Mitbewerber.

Ricardo zum Beispiel stemmt einen Jahresumsatz, Achtung, Trommelwirbel – von 660 Millionen. Gut harte CHF, immerhin. Aber anderseits: 500 mal weniger als Amazon. Man muss noch hinzufügen, dass die meisten der «Schweizer» Marktportale von neuen oder ausländischen Firmen auf den Markt geworfen und dann für teures Geld von diesen Schweizer Konzernen aufgekauft wurden.

Nun machen also die Schweizer Zwerge eine kleine akrobatische Übung. Sie stellen sich aufeinander und meinen, so könnte dann ein Riese entstehen. Ein Scheinriese allerdings. Ein verspäteter, verschlafener, sich erst noch sortieren müssender Riese.

Das wird nix, kann man jetzt schon prognostizieren. Wer sich alleine von Google und Facebook & Co. 90 Prozent des Online-Marketing vom Brot nehmen lässt, dem ist sowieso nicht zu helfen. So schaut’s im Online-Werbekuchen aus. Brosamen für die Schweizer Multimediahäuser, fast der ganze Kuchen für die anderen.

The winner takes it all

Schon längst ist bekannt, dass auch Facebook, Google und Amazon den Schweizer Markt entdeckt haben. Zwar relativ klein und sprachdivers, aber mit einem ausnehmend zahlungskräftigen Publikum.

Also alles eine Frage der Logistik für Warenlieferungen und eine Frage des Aufwands für einen kräftigen Markteintritt, was die üblichen Plattformen betrifft.

Tauschen und Krimskrams, Produktekauf aus breitem Angebot, Wohnungen und Häuser, Autos und andere Fahrzeuge plus alles, was zur neuen Sharing-Ökonomie à la Airbnb oder Uber gehört.

Aber da gilt im Internet noch brutaler als in der Realwirtschaft: the winner takes it all. Beziehungsweise: der Platzhirsch vertreibt alle anderen. Denn wer etwas handeln möchte, kaufen oder verkaufen, der geht nicht auf die kleinste Handelsplattform. Auch nicht auf die zweitgrösste. Sondern auf die grösste, logisch. Denn dort erwartet er die grösste Auswahl oder das grösste potenzielle Publikum.

Besonders brutal hat sich das bereits bei den Suchmaschinen gezeigt. Als Google 1997 online ging, war das ein Anbieter unter anderen. Heutzutage ist Google im Westen Fast-Monopolist. Amazon machte am Anfang einen wöchentlichen Umsatz von 20’000 Dollar, ausschliesslich mit dem Verkauf von Büchern.

Auch bei sozialen Plattformen gab es ein wildes Durcheinander diverser Anbieter, bis es dann nur noch Facebook als Überplattform gab.

Wenn Zwerge auf Augenhöhe von Riesen klettern wollen

Was also die Schweizer Zwerge versuchen, ist eigentlich Folgendes. Es gibt bei den Brausen Coca-Cola. Zuvor wurden in der Schweiz ein paar Mini-Colas hergestellt. Marktanteil, im Vergleich zu Coca-Cola: nicht wirklich messbar. Also beschlossen die Mini-Hersteller, sich zusammenzuschliessen, um endlich Coca-Cola auf Augenhöhe begegnen zu können.

Nur: selbst wenn sich Coca-Cola auf den Bauch legen würde und die Schweizer Cola-Zwerge noch eine Leiter kriegten: es wäre immer noch nicht Augenhöhe.

Was wird geschehen? Das ist, wie das meiste in der Zukunft, unvorhersehbar. Aber: eine sichere Prognose gibt’s. Ende dieses Jahr werden es nicht mehr 1000 Angestellte beim neuen Anbieter sein. Das ist so wahr wie dass aus drei Digital-Zwergen kein «Digitalriese» entsteht.

Trump gefährdet die öffentliche Ordnung

Das mag vielleicht sein. Aber dürfen nun Privatkonzerne Recht sprechen und Urteile fällen?

Ex-Präsident Donald Trump wird bis Januar 2023 keinen Zugang zu Facebook oder Instagram haben. Von Twitter ist er bereits lebenslänglich verbannt. Auch YouTube hat sich diesem Bann angeschlossen. Als diese Massnahmen zuerst im Zusammenhang mit der schändlichen Erstürmung des US-Kapitols bekannt gegeben wurden, passierten zwei Dinge.

Vom linken Mainstream wurden diese Zensurmasnahmen freudig begrüsst. Nur wenige Kommentatoren wagten es, sie als bedenklich und fragwürdig zu kritisieren. Nicht aus Sympathie für den notorischen Lügner Trump. Sondern weil es gefährlich ist, wenn solche Entscheide privater Gerichtsbarkeit überlassen werden.

Mit dem zunehmenden Bedeutungsverlusts Trumps, der wie der Politik-Irrwisch Steve Bannon wohl kaum ein Comeback feiern wird, liess zweitens das Interesse an der Debatte über solch eine Zensur aus privater Hand nach.

Zensur, also das Verbot bestimmter Inhalte, Publikationen, Meinungsäusserungen, diese Entscheidung war in modernen, zivilisierten Staaten ausschliesslich Staatsbehörden überlassen. Gegen die sich der Betroffene auf dem Rechtsweg wehren kann.

Wer entscheidet über Zensurmassnahmen?

Facebook, Twitter und Instagram sind dermassen weitverbreitet, dass es gerade für auf den Kontakt mit den Massen angewiesene Politiker einer schweren Strafe gleichkommt, diese Plattformen nicht mehr benützen zu können.

Das habe sich Trump selbst eingebrockt, mit seiner unverhohlenen anfänglichen Sympathie für den Abschaum, der den Sitz der US-Demokratie stürmte? Es geht doch nicht darum, dass diese Mann einen Sympathiewettbewerb gewinnen müsste.

Es geht darum, dass diese Verlängerung des Entscheids von Facebook (und damit Instagram), plus die Entscheide von Google oder Twitter aufgrund der Einschätzungen von Dunkelkammern gefällt werden. Bei Facebook heisst das «Oversight Board». Die hier versammelten Entscheidungsträger urteilen intransparent und nach Gusto, selbst Mark Zuckerberg muss sich diesen Entscheiden beugen.

Nur noch Berichterstatterpflicht in Schweizer Medien

Die Verlängerung wurde in den Schweizer Medienkonzernen als Meldung abgehandelt. Entweder, indem die SDA-Meldung übernommen wurde, oder – bei CH Media und der NZZ – eigene Korrespondeten so neutral wie möglich darüber berichteten. Ohne jede kritische Distanz, ohne wenigstens kurz darauf hinzuweisen, dass wohl die Mehrheit der Öffentlichkeit mit dieser zensur durchaus einverstanden ist, weil es sich um Trump handelt.

Wir müssten uns die Ohren zuhalten, würde das Barack Obama, Bill Clinton oder Jimmy Carter passieren. Die sind auch keine Gefahr für die öffentliche Ordnung? Mag sein, aber wer entscheidet das? Das ist die entscheidende, zentrale Frage. Um die sich offensichtlich «Blick», Tamedia, CH Media und auch die NZZ drücken wollen.

Einfach berichten, ja nicht werten. Überhaupt nicht die Debatte weiterführen, ob es wirklich eine gute Idee ist, US-Multimilliardären – oder von denen eingesetzten Gerichtshöfen – Entscheidungen von solcher Tragweite zu überlassen. Was Trump vor und während des Angriffs einer Meute aufs Kapitol alles gesagt oder verbreitet hat, ist übel und eines US-Präsidenten unwürdig.

Aber nochmal, ein offensichtlich verhaltensgestörte Mark Zuckerberg, ein mindestens so merkwürdiger Boss von Twitter, von den Google-Chefs ganz zu schweigen, nun soll es in deren Macht liegen, jemanden einen sozialen Tod sterben zu lassen?

Jetzt herrscht in der Schweiz offenbar die stillschweigende Übereinkunft: kein Büro aufmachen deswegen. Es trifft doch den Richtigen. Was mal wieder (fast) alle übersehen: Es trifft zuerst immer die Richtigen. Bis es dann nicht mehr die Richtigen trifft.

Aber dann ist Protest normalerweise vergeblich und zu spät.