Zensur? Von Fall zu Fall

Freie Meinungsäusserung ist Lebensluft und Todeshauch zugleich.

 

Als am 6. April 1994 in Ruanda der Mensch dem Menschen ein Wolf wurde, ein rasender Mob in nur drei Monaten wohl eine Million Menschen umbrachte, spielte das «Radio Mille Collines» eine ganz fatale Rolle.

Heute ein Kleiderladen in Kigali, 1994 die Quelle des reinen Bösen.

Es gab dem Begriff «Hass-Radio» eine ganz neue Dimension, hetzte die weitgehend analphabetische Hutu-Mehrheit gegen die Tutsi auf, koordinierte Massaker. Das «Radio Machete» wurde dann im Juli 1994 geschlossen, die Verantwortlichen, soweit man ihrer habhaft werden konnte, zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Wer es erträgt, kann sich diesen Zvilisationsbruch in der Netflix-Serie «Black Earth Rising» erzählen lassen. Aber nur etwas für starke Nerven.

Was für ein Film, was für Schauspieler.

Was hätte an Unheil vermieden werden können, wenn «Der Stürmer» rechtzeitig verboten worden wäre? So viele andere Hetzblätter auf der Welt, unabhängig von Regimes und Ideologien? Hätte man Joseph Göbbels rechtzeitig das Maul gestopft, wäre der Zweite Weltkrieg wenigstens nicht bis zum bitteren Ende gekämpft worden?

Man weiss es nicht. Aber bei diesen Beispielen ist es sonnenklar: unbeschränkte Meinungsfreiheit darf und soll es nicht geben. Genauso wenig wie das Leichentuch der von der Obrigkeit verordneten Zensur von Kritik und unbotmässigem Denken.

Aber wo sind die Grenzen?

Nehmen wir ein konkretes Beispiel aus der Aktualität:

«Wir haben einen Beitrag mit falschen Informationen zu COVID-19 entfernt.»

Der stammte von Roger Köppel. Nun hat der Verleger, Herausgeber, Besitzer und Chefredaktor der «Weltwoche» durchaus noch andere Möglichkeiten, seine Meinungen oder gar «falschen Informationen» unters Volk zu bringen. Aber: Wer entscheidet hier? «Facebook» erklärt:

«Die Fehlinformationen waren Teil eines Videos. Er wurde von Nationalrat Roger Köppel geteilt. Wir lassen keine Fehlinformationen zu, die gesundheitliche Schäden hervorrufen können.»

Zuckerbergs Geldmaschine hat auch einen guten Ratschlag an den Nutzer – «was du tun kannst: Nationalrat Roger Köppel nicht mehr folgen.» Und: «Sieh dir die Fakten zu COVID-19 an», mit Link zur Weltgesundheitsorganisation WHO.

Verbreitet NR Köppel gesundheitsgefährdende Fehlinformationen? ZACKBUM weiss es nicht, weil es nur diesen Screenshot zugespielt bekam. Ist das, was der Politiker und Medienprofi verbreitet, tatsächlich schädlich? Verbissene Köppel-Hasser mögen das so sehen. Aber kann es selbst für die richtig sein, dass eine Dunkelkammer, bevölkert mit von einer Privatfirma bezahlten Zensoren, darüber entscheidet, was auf dieser Plattform Platz hat und was nicht?

Vom Lachhaften zum Gefährlichen

Da die Amis bekanntlich heuchlerisch und prüde sind (Pornos sind inzwischen die Haupteinnahmequelle in Hollywood, eine nackte Brustwarze führt zu kollektiver Schimpferei, das Wort «fuck» muss unbedingt mit einem Beep in TV und Radio unschädlich gemacht werden), fallen sie immer wieder mit Zensurmassnahmen gegen Kunstwerke oder Statuen auf, die nunmal den Menschen in seiner natürlichen Nacktheit zeigen.

Das ist der lachhafte Teil.

Gegenüber mächtigen Regimes wie China beugen sich die grossen Plattformen ohne grosses Murren allen Zensurwünschen, zu verlockend ist der Markt und seine Profitmöglichkeiten.

Das ist der widerliche Teil.

Gleichzeitig überlassen immer mehr Staaten eine wichtige hoheitliche Aufgabe privaten Anbietern. Es gibt private Sicherheitsfirmen und privat betriebene Gefängnisse und so weiter. Aber die Ausübung von Zensur privater Willkür zu überlassen, ohne Möglichkeit zur Gegenwehr durch Betroffene (oder schon mal versucht, Facebook zur Freigabe eines zensierten Posts zu bewegen?), das ist weder lachhaft noch widerlich.

Das ist brandgefährlich.

Das ist Staatsversagen, das zeugt von hilfloser Unfähigkeit der Politiker und der Regierungen. Denn so verludert die Meinungsfreiheit, geht’s schnurstracks zurück ins Mittelalter. Nur war das Heilige Offizium, die oberste Zensurbehörde der katholischen Kirche, niemals eine Geheimveranstaltung. Sie hat sogar eine Adresse. Im Gegensatz zu all den Internet-Zensoren.

Palazzo del Sant’Ufficio, Rom, Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre.

Problem erkannt. Lösung?

Eigentlich ist es wie bei der Kriegsführung. Die USA haben ja spätestens seit dem Irakkrieg selbst staatliche Aufgaben wie Kriegsführung ausgesourct. An private Söldnerbanden, deren Chefs sich krumm verdienten, während die gekauften Killer weitgehend von jeder Haftung freigestellt alles wegballern konnten, was ihnen blöd vorkam.

Das geht natürlich nicht. Das gleiche gilt auch für Zensurmassnahmen. Statt private Anbieter zu zwingen, diese staatliche Aufgabe zu übernehmen, muss der Staat, der Rechtsstaat die Verteidigung des letzten Bollwerks gegen Barbarei, eben ein funktionierendes Rechtssystem, wieder selber in die Hand nehmen. Zensur darf niemals wieder privatisiert werden. Obwohl sie es wurde. Aber Fehler lassen sich korrigieren.

 

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