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Hat sie alles erfunden?

Die NZZ versucht, nicht nur den biographischen Geschichten auf den Grund zu gehen.

Und scheitert, wie Autor Lucien Scherrer unumwunden zugibt. Er hat umfangreich versucht, all die vielen romanhaft wirkenden Anekdoten aus dem Leben der Schriftstellerin Sibylle Berg zu verifizieren – oder zu falsifizieren.

Herausgekommen ist ein interessantes Feuilletonstück über die neue Fluidität, nicht nur, was die sexuelle Ausrichtung betrifft, sondern auch die eigene Biographie.

Einleitend beschreibt Scherrer die wichtigsten Eckpunkte dieser Biographie. Der schwere Autounfall: «Das Scharnier des Cabriodachs bohrt sich in ihren Kopf, bleibt kurz vor der Hirnhaut stecken. Klinisch tot wird Berg geborgen. Ihre Stirnhöhle ist seither weg, ihr Gleichgewichtssinn ebenfalls. Sie muss 19-mal, 20-mal oder auch 22-mal operiert werden, man muss ihr Plastikteile unter das Gesicht ziehen.»

Der Selbstmord der Mutter, Bergs Ausreiseantrag, direkt an den damaligen Staatschef Erich Honecker. Ihr Geburtsdatum im Jahr 1952, 1962, 1966 oder 1968. Zu all dem finden sich Angaben, oftmals von Berg selbst. Die handkehrum zugibt, dass sie das mit dem Brief an Honecker erfunden habe.

Weder für den Autounfall, noch für den Selbstmord der Mutter, noch für viele weitere biographische Anekdoten lassen sich Belege finden. Was nicht beweise, dass es nicht so gewesen sei, relativiert Scherrer vorsichtig.

Allerdings: «Belege für ihre Selbstdarstellung als DDR-Dissidentin gibt es bis jetzt keine.» Da fängt dann das Schräge an. Scherrer fährt fort: «Wer einen schweren Unfall erlebt hat, weiss in der Regel das Datum und die Uhrzeit, weil es ein Leben davor und eines danach gibt. Es gäbe Untersuchungsakten der Justiz, Polizeiberichte, Fotos, in spektakulären Fällen auch Medienberichte. Im Fall von Sibylle Berg gibt es bis dato: nichts, nicht einmal eine eindeutige Jahresangabe.»

Nun darf eine Schriftstellerin auch ihr Leben zur fiktionalen Erzählung machen, warum nicht. Als Scherrer aber Nachfragen stellt, hat Berg zunächst keine Zeit für Antworten. Als er insistiert, meldet sich ein Anwalt:

«Dieser wertet die Fragen der NZZ – gibt es Dokumente zu ihrem Unfall?, hat sie ihre Kindheit nun in Rangsdorf oder Constanta verbracht?, kann jemand ihre DDR-Biografie bestätigen? – als «verstörenden Vorstoss in die intimsten Bereiche eines Menschen» und droht mit juristischen Schritten.»

Sehr schräg wird es, wenn es um den Inhalt von Reportagen geht, die Berg geschrieben hat. 1996 ein Bericht für das damalige Magazin «Facts» über einen polnischen Massenmörder. «Der Text, den Berg schreibt, nennt alle Details aus Pekalskis Leben. Sie weiss, wie es in seinem Haus gerochen hat, was seine Opfer gedacht haben und was er beim Morden gefühlt hat und dass er sich einst eine Gummipuppe gewünscht hat. … Ein Jahr später ist Sibylle Berg für das «Zeit»-Magazin in Kambodscha, dem «Land der frohen Mörder». Zufällig sitzt sie im Strandrestaurant neben einem Anführer der Roten Khmer, der drei Touristen aus einem Zug kidnappen und hinrichten liess. Der Mörder sieht nett aus und hübsch, während des Gesprächs zermalmt er mit einer Hand ganz langsam ein grosses Insekt. … 2016 ist Sibylle Berg zufällig vor Ort, als ein islamistischer Attentäter in Tel Aviv zwei Menschen erschiesst und zehn verletzt. Sie sitzt, so schreibt sie in einem Augenzeugenbericht in der «Welt» und im «Bund», in ihrer Wohnung an der Diezengoffstrasse, rennt auf den Balkon und sieht schreiende Menschen.»

Schliesslich kam sie neulich in die Schlagzeilen, als sie sich beklagte, dass sie vergeblich 62 Wohnungsbewerbungen geschrieben habe, ein Opfer der Zürcher Wohnungsnot. «Ob es die 62 Bewerbungen wirklich gibt? Und wie gross ist die Not einer Schriftstellerin, die bestens im Zürcher Bürgertum vernetzt ist, nach eigenen Aussagen eine Wohnung im Tessin hat und von einer weiteren Wohnung in Tel Aviv schreibt?», merkt Scherrer spitz an.

Allerdings gerät Berg zumindest unter Relotius-Verdacht, was den Wahrheitsgehalt ihrer Reportagen betrifft. Sind es literarische Fiktionen, handelt es sich um Etikettenschwindel.

Aber auch dieses Thema steht natürlich unter Sexismusverdacht. Also eilt Alexandra Kedves von Tamedia der Autorin zu Hilfe:

Bei Tamedia ist man für kleine Werke niemals um grosse Begriffe verlegen. Das sei eine «Analyse», sei der NZZ-Bericht «ein Aufreger? Wir ordnen ein». Kedves, also «wir», ist ansonsten nicht so für Einordnung, eher für backfischartiges Schwärmen. So sülzte sie über die Amtseinführung von Joe Biden: «Zum Heulen schön: Was für eine Biden-Show!» – «Kehle-Zuschnür-Momente, die hier für diese so gespaltene, so wunde Nation geschaffen wurden.» – «Das rote Haarband der schwarzen Poetin und Aktivistin Amanda Gorman – der jüngsten Dichterin, die je zur Vereidigung eines US-Präsidenten auftrat

Also hat auch Kedves etwas Mühe, zwischen Realität und Schwärmerei zu unterscheiden. In ihrem grossen Berg-Verteidigungsartikel zählt sie zuerst die literarischen Meriten auf, die von niemandem bestritten werden. Dann repetiert sie auszugsweise die Ergebnisse der Recherche der NZZ. Dann geht Kedves zur freihändigen Verteidigung des nächsten Idols über: «Bezüglich ihres Privatlebens darf sie sich bedeckt halten, so wie das eine Menge Autorinnen und Autoren vor ihr taten.» Das wäre richtig, wenn nicht fast alle dieser widersprüchlichen Erzählungen über das Privatleben der Schriftstellerin – von Berg selbst stammen würden.

Dann lässt Kedves ein wenig Bildung aufblitzen. Allerdings mit ausnahmslos falschen Vergleichen. Der Verleger von «Gullivers Reisen» habe die Identität des Autors nicht gekannt. Dass es 1726 nicht sehr ratsam war, selbst romanhaft verkleidet scharfe satirische Spitzen gegen die herrschende englische Klasse zu schreiben, mag wohl auch Kedves einsichtig erscheinen. Wenn sie es denn wüsste. Dann führt sie noch die Brontë-Schwestern an, die unter Pseudonym geschrieben haben. Das hat aber nichts damit zu tun, dass sie sich bezüglich ihres Privatlebens «bedeckt halten wollten». Und schliesslich noch «der amerikanische literarische Superstar Thomas Pynchon», der sich den Medien «fast komplett» verweigere. Das ist richtig, damit steht er aber in scharfem Gegensatz zu Berg, die sich niemals den Medien verweigert.

Ausser, wenn sie mit kritischen Fragen konfrontiert wird. Dagegen urteilt Kedves nassforsch: «Die Lesenden haben kein Anrecht auf ihre private Geschichte.» Das mag stimmen, beantwortet aber nicht die Frage, ob und warum Berg bei den vielen Erzählungen über ihre Biographie geflunkert, erfunden, dazugedichtet, umgedichtet hat.

Das mag noch angehen. Sollte das auch bei ihren non-fiktionalen Reportagen der Fall gewesen sein – hier trippelt dann Kedves auf den Zehenspitzen: «Dass da eine Claas-Relotius-hafte Imaginationskraft mitgeschrieben hat, will der NZZ-Journalist nicht ausschliessen» –, gibt es ein gröberes Problem mit Sibylle Berg. Ein Problem der Glaubwürdigkeit.

Denn bei aller Liebe zum Fluiden: Claas Relotius und Tom Kummer sind eine Schande ihres Berufs, da nützt auch keine noch so verschwurbelte Erklärung oder gar Rechtfertigung etwas. Denn was sie betrieben (oder noch betreiben), ist Leserverarschung. Ein Anschlag auf die sowieso schon erschütterte Glaubwürdigkeit der Medien. Mit einem Wort: eine Schweinerei.

 

Die Leihmeinung

Tamedia meint immer seltener selbst.

Aber immerhin, Ronen Steinke von der «Süddeutschen Zeitung» hat doch die Lösung aller Probleme gefunden: «machen wir Schluss mit Sexismus». Und wenn wir schon dabei sind, Kriege sind auch ganz schlecht, Hunger gehört abgeschafft, und machen wir endlich Schluss mit der Klitorisbeschneidung.

Da nun bereits so ziemlich alle so ziemlich alles repetitiv zum Rammelstein-Vorfall gesagt haben, muss Steinke tief Luft holen, um nicht nur Wiederholungen beizutragen: «Eine Debatte um frauenfeindliche Rollenbilder ist notwendig

Hoppla, diese Forderung wurde nun allerdings schon bis zum Gehtnichtmehr erhoben.

Auch anschliessend bewegt sich Steinken auf ausgetretenen Pfaden:

««Ich schlafe gerne mit dir, wenn du schläfst», hat der Sänger 2020 in einem Gedicht geschrieben. «Etwas Rohypnol im Wein (etwas Rohypnol ins Glas). Kannst dich gar nicht mehr bewegen. Und du schläfst, es ist ein Segen», so liest man da, heute noch angewiderter als damals.»

Wieso «noch angewiderter»? Na, «der Vorwurf, den Frauen gegen Lindemann erhoben haben – und den er bestreitet –, ist die Überwältigung mit K.-o.-Tropfen».

Okay, ganz langsam. So wie kein Krimiautor Mordgelüste hat, so wie Edgar Allen Poe zwar ausgeklügelte Mordmaschinen erfand und sogar einen sonderlichen Mörder, so wie Stevenson weder Jekyll noch Hyde war, so wenig haben literarische Fantasien normalerweise mit den Autoren zu tun. Diese Liedzeilen angewidert oder nicht so zu zitieren, zeugt von Flachdenken.

Nun geht Steinke detektivisch dem Verdacht nach, dass hier K.o.-Tropfen zum Einsatz kamen. Aber leider: «K.-o.-Tropfen sind nur für wenige Stunden im Blut nachweisbar.» Dann geht er ins Detail: «da helfen auch die klarsten Paragrafen traurigerweise nichts, wenn die Betroffenen nicht rasch zur Polizei gelangen und dort – wichtig – ebenso rasch von der Polizei ernst genommen werden. Eine gynäkologische Spurensicherung funktioniert unter Umständen zwar noch etwas länger. Aber das hilft in einer Rockstar-Fan-Konstellation auch nicht, wenn nicht gleichzeitig die K.-o.-Tropfen nachgewiesen werden können. Weil sonst der Beschuldigte sagen kann: Das war einvernehmlich.»

Am Schluss stehe Aussage gegen Aussage. Zudem gebe es Zweifel: «Den Frauen drohen dann oft Unterstellungen, die von Beratungsstellen als «Vergewaltigungsmythen» bezeichnet werden. Wie etwa: Frauen würden sich Vorteile davon versprechen, sich als Opfer zu inszenieren. Oft ist das sexistisch und abstrus. Wer in der notwendigen, durch den Fall Rammstein angestossenen gesellschaftlichen Debatte erst auf das Strafrecht wartet, wartet am Ende vielleicht vergeblich.»

Damit unterstellt Steinke etwas gewundener, was schon andere Denunzianten getan haben: Till Lindemann ist doch wohl schuldig, nur kann man es ihm halt leider nicht beweisen. Während Frauen per Definition Opfer sind, wird Lindemann als Täter inszeniert.

Das ist nun noch knapp einen halben Schritt vor der Selbstjustiz. Denn wenn das Recht nicht greift, obwohl für Steinke die Sache eigentlich klar ist, dann muss man doch das Recht in die eigenen Hände nehmen. So wie das auch anderweitig im Tagi gefordert wird; es könne doch nicht sein, dass die beiden Konzerte in Bern einfach stattfänden. Zunächst müssten doch die «schwersten Vorwürfe» untersucht werden, aber selbstverständlich gälte die Unschuldsvermutung.

Aber eben, wer auf da Strafrecht warte, «wartet am Ende vergeblich», behauptet Steinke. Nun sind zwar die ersten Strafuntersuchungen angestossen worden. Aber Steinke weiss schon jetzt, wie sie ausgehen werden. Also was tun? Den Abbruch der Konzerttournee fordern ist das eine. Aber wie machen wir denn nun «Schluss mit Sexismus»? Wohl am besten, indem wir ein Exempel statuieren. Den Sänger unermüdlich ans mediale Kreuz nageln. Mit Andeutungen, Unterstellungen, Behauptungen, anonymen Aussagen.

Ist doch immer noch besser, als ihn gleich zu lynchen, was dieser Triebtäter doch eigentlich verdient hätte.

Wumms: Nicola Forster

Tagi-Interview, realoaded.

Offenbar kann  jeder, der unbelästigt von wirklich kritischen Fragen etwas loswerden will, auf  Tamedia zählen. Das betrifft auch Nicola Forster. Das ist der Marko Kovic der politischen Bewegungen.

Er hat die «Operation Libero» ins Leben gerufen, die gerade von Sanija Ameti beerdigt wird. Und die «Denkfabrik» Foraus, die gerade in der Bedeutungslosigkeit versinkt. Schön, dass er als Präsident der altehrwürdigen «Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft» wieder ein Zubrot gefunden hat.

Dort schmiss er mal kurz den langjährigen Geschäftsleiter Lukas Niederberger raus, verkrachte sich heillos mit Teilen des Vorstands und hob «Pro Futuris» aus der Taufe. Immerhin hat Forster hier Zugang zu einer Kriegskasse von  rund 100 Millionen Franken.

Nun merkt der abgesägte Co-Chefredaktor von Tamedia kritisch an: «Der Netzwerker ist unter Druck geraten.» Aber gemach, wer Mario Stäuble ein Interview gibt, bzw. «Jetzt redet zum ersten Mal der Präsident, der scharf attackiert worden ist», weiss, dass er hier mit Samthandschuhen angefasst wird.

Daher darf er gleich am Anfang kompetent und inhaltlich überzeugend zu einer kritischen Frage Stellung  nehmen:

«Herr Forster, sind Sie ein Vereinsdiktator? – So ein Hafechääs
So geht’s dann weiter; pseudo-kritsche Frage, nicht hinterfragte Nonsens-Antwort. «Sie wollen Herrn Kallay nun aus dem Vorstand werfen. Nicht gerade demokratisch. – Es ist mir ein grosses Anliegen, alle Kräfte einzubinden. Aber dafür muss man sich in die Augen schauen können. Und in diesem Fall wurde unser Vertrauen Mal für Mal verspielt, wobei es nie um politische Fragen ging. Deswegen ist dieser Schritt unumgänglich. – Moment, Sie können Ihrem Widersacher nicht mehr in die Augen schauen? – Ich kann ihm sehr gut in die Augen schauen, aber… (bricht ab) Es ist eine schwierige Situation. Wir haben immer wieder versucht, ihn einzubinden, aber das hat nicht funktioniert.»

Hä?

Forster sistiert Neueintritte von Vereinsmitgliedern, kassiert immerhin 48’000 Franken für seine Tätigkeit (sein Vorgänger 12’000, die er gleich wieder spendete), die Organisation ist seit Amtsantritt Forster in hellem Aufruhr – alles gut, alles kein Problem, alles unter Kontrolle.

Es ist offensichtlich so: wer ins ideologische Raster von Tamedia passt, bekommt ein Gefälligkeitsinterview serviert, in dem er auf vermeintlich kritische Fragen ungehindert seine Propaganda-Show abziehen darf.

Das hat mit Journalismus ungefähr so viel zu tun wie eine Kuh mit Foxtrott. Nur verlangt die keinen Eintritt für ihre blamable Leistung.

 

Tut nichts, der Sänger wird verbrannt

Bislang hat Till Lindemann den Shitstorm überlebt …

Früher war es eine Methode der englischen Boulevardmedien, zwecks Auflagen-Steigerung schlichtweg alles zu unternehmen. Paparazzi lauerten Prominenten mit den leistungsstärksten Teleobjektiven auf. Hörten deren Gespräche ab. Bestachen das Personal für Insider-Informationen. Machten aus einer vagen Vermutung einen konkreten Verdacht, juristisch abgedämpft durch ein Fragezeichen.

Ähnlich Sitten haben inzwischen im deutschen Journalismus Einzug gehalten. Nicht etwa bei «Bild» und «Bunte», sondern bei «Spiegel» und «Süddeutsche Zeitung». Durch die unselige Kooperation aus Spargründen mit Tamedia schwappt diese Jauche aus beiden Organen auch in die Schweiz.

Immerhin hat sich Tamedia aufgerafft, gegen seinen Kooperationspartner «Spiegel» Klage einzureichen. Allerdings nur deswegen, weil sich Big Boss Pietro Supino in die Nähe des verurteilten Straftäters Harvey Weinstein gerückt fühlt. Dass der «Spiegel» einer frustrierten Ex-Mitarbeiterin, deren Mobbing nicht den gewünschten Erfolg hatte, seine Spalten öffnete, um Unschlitt über ihren ehemaligen Chef zu giessen, das kratzte Tamedia weniger.

Nachdem der «Spiegel» sich seit seiner Hetze gegen Luke Mockridge sozusagen eine Pole Position erobert hatte, die er mit Schmierereien gegen einen erfolgreichen Schauspieler und einen Drei-Sterne-Koch ausbaute, wollte nun auch die «SZ» nachziehen. Als sei’s ein Stück von Tom Kummer feuerte das Blatt aus München eine Breitseite gegen den Sänger der Band Rammstein ab.

Das Gebräu besteht immer aus den gleichen Zutaten. Anonyme Anschuldigungen, Behauptungen, aufgejazzt und verbal aufgepumpt zu Ungeheuerlichkeiten. Sogar die NZZ verstieg sich – unglaublich – zum Titel «Aus dem Künstler ist ein Täter geworden». Erst, als der Verstand wieder einsetzte, wurde er korrigiert, ohne das transparent zu machen. Das entspräche den «üblichen redaktionellen Prozessen», machte sich das Weltblatt gegenüber ZACKBUM lächerlich.

Dabei bestehen die Anschuldigungen gegen den exzentrischen Sänger bislang aus vagen Behauptungen der Ausübung von Dominanz zur Erlangung von sexuellen Handlungen. Wohlgemerkt von Groupies. Nicht einmal eine Klage wurde eingereicht, nicht einmal eine Vergewaltigung wurde bislang behauptet.

Aber wenn die Meute losgaloppiert, ist kein Halten mehr. Dass die Band sich von den Anschuldigungen betroffen zeigte, wurde als halbes Schuldeingeständnis missinterpretiert. Dass sie darauf besteht, dass die Unschuldsvermutung gelte, wurde hohnlächelnd rapportiert.

Nun hat Till Lindemann durch seine Anwälte verlauten lassen, dass diese Vorwürfe «ausnahmslos unwahr» seien – und juristische Konsequenzen hätten. Die Anwälte sagen:

«Wir werden wegen sämtlichen Anschuldigungen dieser Art umgehend rechtliche Schritte gegen die einzelnen Personen einleiten.»

Hoffentlich umfasst das auch alle Medien, die diese Anschuldigungen kolportierten.

Die abgesehen davon diese juristische Offensive bislang mit Schweigen quittierten. Und sich für unangreifbar halten. Denn man hat ja nur, von den Verlagsjuristen abgeschmeckt, im Konjunktiv Behauptungen aufgestellt, sich dabei auf angeblich vorhandene Zeugenaussagen abgestützt, nur seiner Berichterstatterpflicht nachgelebt.

Ist es eigentlich irgend einem Mitglied der Journaille bewusst, welch unglaubliche Lächerlichkeit in dieser Meldung steckt? «Auf dem Konzertgelände gibt es «Awareness-Bereiche» und «Safe Spaces» für Besucherinnen und Besucher, die sich möglicherweise unwohl fühlen.» Da fehlen die Worte …

Aber keinesfalls könne man etwa dafür, wenn der Ruf Lindemanns, so wie der von Luckridge, Canonica, Schweiger und anderen, rettungslos ruiniert ist. Für immer wird an ihm kleben: ist das nicht der, der Groupies mit Drogen oder Alkohol willfährig gemacht hat?

Wenn sich herausstellen sollte: nein, das ist der nicht, das hat er nicht gemacht, das waren unbelegte Anschuldigungen von willigen Groupies, die sich auf seine Kosten ihre 15 Minuten Ruhm verschaffen wollten, dann wird das nicht mal erinnert werden.

«Tut nichts, der Jude wird verbrannt», heisst es in «Nathan der Weise» von Lessing. Aber wer kennt schon noch Lessing, wer kennt noch Nathan der Weise. Keiner dieser journalistischen Frettchen.

Die Abschreiber Reloaded

Tamedia im ungebremsten Sturzflug.

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Langsam gehen die Metaphern aus. Das hier ist das Original:

Und das hier die Kopie, die Tamedia zahlenden Lesern serviert:

Man beachte zunächst die feinen Unterschiede. Während in der «Süddeutschen Zeitung» der Titel eine allgemeine Abhandlung einleiten will, arbeitet Tamedia mit einem vermeintlichen Zitat und stellt im Lead eine steile Behauptung auf, es gebe die «vorherrschende Haltung: Die Frauen tragen selber Verantwortung dafür, was sie tun».

Das ist wieder saukomisch. Denn: tragen sie die nicht? Wenn nein, wer dann? Sind Frauen also doch männlich dominiert, bestimmt, willenlos? Das will wohl nicht einmal Tamedia, unter weiblicher Leitung, seinen Lesern sagen.

Worum geht es hier eigentlich? «Um den Verdacht auf mutmasslichen sexuellen Machtmissbrauch gegenüber Fans der Band Rammstein und deren Sänger Till Lindemann». Das schmecke man ab: «Verdacht auf mutmasslichen sexuellen Missbrauch». Also um luftige Verdachts- und Vermutungsberichtertstattung, die lediglich mit anonymen Aussagen unterfüttert ist. Eigentlich eine Schande für seriösen Journalismus.

Was macht nun der SZ-Autor Joachim Hentschel? Er erzählt eine «Geschichte zum Beispiel, die im Dezember 1970 in München spielt». Dann erzählt er eine Geschichte «um 1995, privater Rahmen, eine Mitbewohnerin erzählt». Dann faselt er von «Row One», der Fachmann für Groupie-Fragen weiss nicht mal, dass das «Row Zero» heisst …

Dann nudelt er Uschi Obermaier und andere berühmte Groupies aus der Geschichte durch. Um zur merkwürdigen Zwischenbilanz zu kommen: «Niemand würde diesen Frauen absprechen wollen, ihre Situationen weitgehend unter Kontrolle gehabt zu haben.» Ja was denn nun? Logik ist seine Sache nicht wirklich, denn nach all diesem Vergangenheitsschrott versteigt sich Hentschel zum Diktum: «Das grösste Problem, und hier liegt am Ende der toxische Kern der Sache: Auch viele Musiker scheinen 2023 noch in dieser rückschrittlichen, aus der Muffkiste des Rock’n’Roll gekrochenen Illusion zu leben.»

Dass die Gedankengänge etwas abgehackt bei Tamedia wirken, liegt wohl auch daran, dass der Originaltext von 10’679 A in der SZ auf 6075 A in der Printversion des Tagi zusammengehackt wurde. Damit die Seite dennoch voll ist, hat Tamedia noch ein zweites Stück drangeklebt: «Rammstein in der Schweiz: Der Veranstalter schweigt noch immer». Auch das liegt höchstens im Streubereich der Wahrheit, um es höflich zu formulieren.

Oder wie Martin Burkhalter und Ane Hebeisen schreiben, denn auch für diesen Pipifax müssen zwei Fachkräfte ran: «Die kruden Fakten zuerst: Die beiden Rammstein-Konzerte in Bern am Samstag, 17., und Sonntag, 18. Juni, werden – Stand heute – stattfinden.»  Was soll an zwei Konzertterminen roh, grob oder unverdaulich sein? Aber Sprachbeherrschung war früher mal.

Stimmt wenigstens die Aussage, dass der Veranstalter schweige? «Die Gadget abc Entertainment Group AG hat gegenüber dieser Redaktion auf eine erneute Anfrage wiederum damit geantwortet, dass man die Geschehnisse verfolge und zu den erhobenen Anschuldigungen keine Stellung beziehe.»

Wie geht das? «noch immer schweigen», aber «wiederum antworten»? Logik war gestern, mit dem Titel dem Lauftext eins in die Fresse hauen, das ist heute. Aber der Platz ist noch nicht voll auf der Seite, also muss weitergelabert werden. Es gäbe noch «vieles zu klären». Zum Beispiel? «Die Frage, ob es üblich ist, dass aus den Fanreihen Frauen für Backstage-Partys quasi ausgewählt werden

Nein, üblich ist, dass Lose an alle Konzertbesucher verteilt und die Gewinner jeweils vor der letzten Zugabe ausgerufen werden. Üblich ist, dass die «Row One» wie das Musikexperte Hentschel formulieren würde, mit kleinwüchsigen Menschen gefüllt wird, damit auch die ungehinderten Blick auf die Bühne haben.

Es ist auch verflixt, die beiden Autoren müssen noch mehr Zeilen schinden: «Aber auch auf ganz praktische Fragen gibt es bislang keine Antwort. Etwa auf jene, ob man sich sein Ticket zurückerstatten lassen kann, wenn man jetzt keine Lust mehr auf ein solches Konzert hat

ZACKBUM hätte die praktische Frage, ob man sein Geld zurückerstatten lassen kann, wenn man keine Lust mehr auf solche Texte hat. Allerdings ist die «ganz praktische Frage» ganz gaga. Seit wann soll «kä Luscht» ein ausreichender Grund sein, ein Ticket zurückgeben zu dürfen? Oder halt, es wurden ja schon Konzerte abgebrochen, weil sich Zuhörer plötzlich «unwohl» fühlten. Gab aber kein Geld zurück  …

Nun kommt auch hier die Climax, der Höhepunkt: «Es herrschen patriarchale, oft toxische Strukturen. Der Unterschied ist, dass im Musikbusiness immer noch weitgehend darüber geschwiegen wird, was alles hinter verschlossenen Türen passiert

Was die beiden Fachleute nicht alles wissen. Martin Burkhalter ist Redaktor bei der «Berner Zeitung», Co-Leiter Berner Literaturfest und Mitarbeiter Internationales Literaturfestival Leukerbad. Wenn die Angaben auf seiner lange nicht aktualisierten Webseite noch stimmen. Ane Hebeisen ist Musikredaktor beim «Bund» (gibt’s den eigentlich noch?). Zwei ausgewiesene Kenner des internationalen, toxischen Musikbusiness.

In heller Verzweiflung hangeln sich die beiden dann zum Schluss; bei den Münchner Konzerten seien «Row Zero» und After-Show-Party gestrichen. Aber: «In der hiesigen Politik gibt es noch keine dahingehenden Überlegungen. Hier ist also – zwei Wochen vor den Konzerten – noch alles beim Alten

Himmels willen, muss also befürchtet werden, dass – nur krude Fakten, bitte – in Bern Groupies vorne vor der Bühne kreischen dürfen und anschliessend an After-Partys, nein, wir wollen uns das gar nicht vorstellen.

Allerdings: obwohl ZACKBUM kein Fan der Bühnenkunst und des pathetisch-provokativen Gehabes der Band ist: lieber sich so ein Konzert anhören, als den Tagi lesen müssen.

 

 

 

 

Forever old

Ein Beitrag zur Qualitätsoffensive bei Tamedia.

Wem es bislang entgangen sein sollte: Es gibt ein neues «Gefäss» bei Tamedia. Das heisst «Forever Young». Da ist nun nomen nicht wirklich omen:

Das sind die vier «neusten» hier angepriesenen Artikel. Erscheinungsdatum von links nach rechts: 17.5., 20.5., 23. 5., 17. 5. Wir schreiben heute den 30. Mai

Aber das kann man (bzw. frau, denn die Chefredaktion ist bekanntlich weiblich) noch steigern:

Dieses «Interview in der Serie «Forever Young»» mag dem einen oder anderen «Magazin»-Leser nicht ganz unbekannt vorkommen. Denn wer noch so jung ist, dass ihn noch nicht Alzheimer im fortgeschrittenen Stadium ereilt hat, erinnert sich noch, dass dieser Artikel, neu auf der Webseite von Tamedia unter dem schnuckeligen Titel «News Pause», aber angepriesen als «Beitrag der Serie «Forever Young»», am 7. 10. 2022 zum ersten Mal das Licht der Welt erblickte.

Wahrscheinlich ist das ein Beitrag dazu, was das Mitglied der Chefredaktion Kerstin Hasse als «digital Storytelling» versteht. Vielleicht ist das ein weiblicher Ansatz, der sich dem männlichen Verständnis entzieht. Das ist die eine Variante.

Die andere: in dieser «neuen» Rubrik bleiben alte Artikel tagelang auf der Webseite stehen, weil es keine neuen gibt. Das mag ja noch knapp angehen, obwohl es alle Regeln des digitalen Erzählers widerspricht. Aber vielleicht war Hasse damit ausgelastet, ein lustiges Video über die Käfigtierhaltung im neuen Newsroom von Tamedia, Pardon, «Tages-Anzeiger», zu drehen.

Aber dass man (oder vielmehr frau) nun die Stirn hat, einen fast 8 Monate alten Artikel zu rezyklieren, der schon damals schnarchlangweilig war, das zeugt nun von einer Leserverachtung, um ein stärkeres Wort zu vermeiden, die schon bemerkenswert ist.

Die Fragen sind nach wie vor brandaktuell: «Liebe Oma – du hast im Februar deinen fünfundachtzigsten Geburtstag gefeiert. Wie fühlt sich das an?» Wohl so, wie sich dieses Jahr das Feiern der 86. angefühlt hat. Unvergesslich auch diese Passage:

«Warst du auch mal überfordert vom Grundkonzept des Existierens? – Vom was? – Also, dass man ungefragt auf diese Erde geworfen wird … – … und in den meisten Fällen auch ungefragt wieder gehen muss. – Genau.»

Solche investigativen Fragen und luziden Antworten kann man gar nicht oft genug lesen. Dass man dafür allerdings zuerst ein Abo abschliessen müsste, das ist schon ein starkes Stück. Der zukünftige Abonnent, den Chefredaktorin Raphaela Birrer bekanntlich «an die Paywall heranführen» will, soll also Geld abdrücken dafür, dass er einen Uralt-Artikel, der als neu serviert wird, lesen darf.

Dass er in eine Serie «Forever Young» eintauchen darf, die so was von alt ist.

Dass er Beiträge der «Süddeutschen Zeitung» aus München lesen darf, die schon dort kaum jemanden interessieren, und dort leben Deutsche. In der Türkei leben Türken, und die haben gewählt. Und sich wieder für Recep Erdogan entschieden. Da wäre es sicherlich interessant zu erfahren, was der grösste Schweizer Medienkonzern mit seinen unzähligen Kopfblättern in der Zentralredaktion in Zürich dazu zu kommentieren hat.

Aber leider behält er das für sich, wahrscheinlich wollte sich Auslandchef Christof Münger davon nicht seine Pfingstferien verderben lassen. Also kommentiert «Raphael Geiger aus Istanbul». Der Korrespondent der «Süddeutschen». Der ist herausragend qualifiziert, denn er übt diesen Job seit 2023 aus. «Zuletzt war Geiger USA-Korrespondent in New York.»

Auch das ist ein spezielles Verständnis von Qualität. Statt die eigene, theoretisch noch vorhandene Auslandredaktion zu bemühen, lässt der Qualitätskonzern Tamedia einen seit 2023 im Amt befindlichen SZ-Korrespondenten in die Tasten greifen, der zuvor in den USA stationiert war. Und für diesen Schrott, «Erdogan ist gerade noch einmal davongekommen», will Tamedia auch noch Geld, bevor man das lesen darf.

Eigentlich ist’s so. Wer Tamedia zuschaut, begleitet einen Fallschirmspringer auf dem Weg nach unten. Und blickt ihm in die Augen, als er merkt, dass sich der Fallschirm nicht öffnet. Brrr.

 

 

Schweigen über Schweinereien

#hateleaks? Gar nicht erst ignorieren. Obwohl der vierte Teil Abscheuliches aufzeigt.

Obwohl oder weil Jolanda Spiess-Hegglin unablässig die Öffentlichkeit sucht mit dem Argument, dass sie endlich einmal aus der Öffentlichkeit verschwinden wolle, ist das Verhältnis der Medien zu ihr kompliziert.

Nun hat die Tamedia-Journalistin und Buchautorin Michèle Binswanger die sogenannten «#hateleaks» angestossen. Eine Blog-Reihe, die aus ihr zugespielten Chats und internem Meinungsaustausch des Umfelds von JSH besteht. Ziel der Teilnehmer war offenbar, das «Scheissbuch» (die grüne Fraktionschefin Aline Trede) zu verhindern, bzw. die Autorin «zum Auswandern» zu bewegen, wie JSH unverblümt die Marschorder ausgibt. Dafür machte JSH mitsamt Gesinnungsgenossen gerne «die kleine Drecksarbeit».

Dabei waren auch Journalisten wie Pascal Hollenstein, Hansi Voigt oder Miriam Suter. Was hier alles an Hetze geplant wurde, widerspricht den hehren Zielen von «Netzcourage». Wenn JSH wie an der HSG als Spezialistin für «digitale Gewalt» auftritt, könnte sie eigentlich einfach aus dem Nähkästchen plaudern.

Nun haben aber die grossen Multiplikatoren ein Problem mit dem Thema. Ringier möchte sich überhaupt nicht äussern, schliesslich steht der Verlag in einem Rechtsstreit mit JSH, die eine Gewinnherausgabe der über sie im «Blick» erschienenen Artikel fordert.

Tamedia, Pardon, «Tages-Anzeiger» hat lange Zähne, weil Binswanger eine leitende Funktion einnimmt. Und für die NZZ ist das Ganze doch etwas zu boulevardesk, nachdem sie sich schon im Fall Roshani schwer die Finger verbrannt hat mit einer sehr einseitigen Berichterstattung, um dann anschliessend die übrigen Medien wegen zu einseitiger Berichterstattung in die Pfanne zu hauen.

Das Schweizer Staatsfernsehen, Pardon, der Zwangsgebührensender SRF hat auch Schlagseite in Richtung JSH (und Roshani), der fällt aus.

Also veröffentlicht ein Investigativ-Team eine Blogfolge nach der anderen – und es herrscht Schweigen. Abgesehen von der Mini-Plattform «inside-justiz» («Zickenkrieg»), persoenlich.comDokumente sollen Kampagne gegen Journalistin belegen») und dem Autor dieser Zeilen mit einem fleissig kommentierten Artikel in der «Weltwoche» («Verschwörung gegen eine Journalistin»).

Nun traut sich immerhin noch «20 Minuten» an die Sache ran, mit einem geeierten Titel: «Spiess-Hegglins Team: Chatgruppe gegen «Tagi»-Journalistin – prominente Politikerinnen lasen mit». So vorsichtig geht’s dann auch im Artikel weiter: «In einem Gruppenchat sollen Netzaktivistin Jolanda Spiess-Hegglin und ihre Mitstreiterinnen die «Tages-Anzeiger»-Journalistin Michèle Binswanger beleidigt haben.»

Nicht wirklich, sie haben nachweisbar und eingestanden versucht, die Publikation von Binswangers Buch über die Zuger Landammannfeier mit allen schmutzigen Tricks zu verhindern. Dann wird ausführlich der Hintergrund des im Investigativ-Team mitarbeitenden Journalisten Stefan Millius beschrieben: «Er arbeitet daneben auch für das Radio «Kontrafunk» und den «Nebelspalter». Er will für die Corona-kritische Gruppierung «Aufrecht» in den Nationalrat.»

Als ob das bei seiner Tätigkeit hier eine Rolle spielen würde. Der «Politologe» der Wahl Mark Balsiger kann sich nur zu einem sanften «Geschmäckle» als Kritik aufraffen. Die mehr als fragwürdige Rolle des ehemaligen Leiters Publizistik von CH Media, Pascal Hollenstein,  wird gar nicht erwähnt. Auf Anfrage von «20 Minuten» blieben die Teilnehmerinnen Tamara Funiciello und Sibel Arslan genauso stumm wie JSH selbst.

«Eine weitere Teilnehmerin hat sich via Twitter öffentlich von der Gruppe distanziert», berichtet das Gratis-Blatt: ««Alles stimmt und hat so stattgefunden. Ich war ein Teil davon», schreibt sie. Und ergänzt: «Wenn einem die Vergangenheit über die Schulter schaut, wird es zuweilen peinlich.»

Das gilt allerdings auch für die aktuelle Berichterstattung über diesen Skandal. Insbesondere, seit Teil 4 der «#hateleaks» publiziert wurde. Diesmal wird aufgezeigt, wie die «Kampagne» (JSH) ins Rollen kam, mit «Verleumdung, Provokation, Verhöhnung». Immer angeleitet von der grossen Kämpferin gegen Hasskampagnen und Shitstorms JSH, sollten Zweifel an der Person Binswanger gesät werden, zum Beispiel auch mit Fake-Accounts; nicht zuletzt von der Rädelsführerin selbst unterhalten:

«Das ist mein letzter (!) fakeaccount, der ist noch nicht blockiert», vermeldet JSH. Besonders widerlich war auch der Versuch, Binswanger zu provozieren und ihr Aussagen zu entlocken, die man dann gegen sie verwenden könnte.

So berichtet JSH ihren «lieben Frauen» triumphierend: «MB hat wieder Zeugs getwittert, was ihr enorm schaden wird vor Gericht. Das ist super. Und sie überlegt wirklich zu wenig. … Statements entlocken können … Ihr seid super. Alles kommt gut.»

Ist das lustig: Binswanger als kleiner Don Quijote …

Fake-Accounts verwenden, um eine missliebige Person zu ihr schadenden Äusserungen zu provozieren, das gehört wohl zum Abscheulichsten, was man im Internet machen kann.

Das wäre ein klassischer Fall für «Netzcourage». Wenn nicht die Gründerin und Geschäftsführerin selbst diese Widerwärtigkeiten orchestrieren würde. Und ihr Vereinspräsident Hansi Voigt entblödete sich nicht, der Journalistin Binswanger genau diese Methode zu unterstellen. In seinem Fall aber als blosse Behauptung. So wie er jetzt behauptet, all diese dokumentierten Zitate könnten Fälschungen sein.

Was für ein Paar. Selten haben sich zwei dermassen desavouiert wie diese beiden  – nun ja, da leider immer noch Geld für eine Anwältin vorhanden ist, die zwar gegen alles klagt und meistens verliert, aber dabei für alle Beteiligten hohe Kosten verursacht, überlässt ZACKBUM es seinen Lesern, hier die geeigneten Qualifikationen einzusetzen. Denn uns fällt nichts ein, was nicht einwandfrei justiziabel wäre.

 

Hasse mit Aufgabe

Viele fragen sich, was Kerstin Hasse eigentlich in der Chefredaktion zu suchen hat.

«Die Journalistin amtete zwei Jahre als Präsidentin der Medienfrauen Schweiz, wo sie sich für mehr Chancengleichheit in der Medienbranche einsetzte.» So preist Tamedia das Mitglied der Chefredaktion Kerstin Hasse an.

Zuvor war die «Chefredaktorin Digital» in verantwortungsvoller Stelle bei der «Annabelle» tätig. Zuvor beim «Bündner Tagblatt». Bislang meldete sich Hasse am liebsten um den 8. März herum zu Wort. Internationaler Tag der Frau, you know. Das letzte Mal behauptete sie: «Wir müssen über Geld reden». Mehr Lohntransparenz, folgt dem Beispiel von Laeri, die ihren Lohn offengelegt habe, trompetete Hasse: «Wer es ernst meint mit der Gleichberechtigung, muss das Schweigen über Geld brechen

Toller Ansatz, nur: über ihren eigenen Lohn schwieg sich Hasse aus, offenbar meint sie es doch nicht ernst mit der Gleichberechtigung. Sonst könnte man sich fragen, wieso sie so viel für süsses Nichtstun verdient. Denn von der «Chefredaktorin Digital», die mit vollmundigen Ankündigungen angetreten war, ist seither nichts zu hören oder zu sehen.

Aber nun hat sie eine Aufgabe gefunden. Sie fordert nicht mehr nur eine «komplette, ehrliche und offene Gleichstellung», was immer das sein mag. Sie fällt nicht nur durch Selfies im goldumkrusteten Spiegel des Luxushotels «Trois Rois» auf.

Nein, nun geht’s voran mit Digital:

Hasse darf den neuen Newsroom von Tamedia, Pardon «Tages-Anzeiger» zeigen. Im Bewegtbild. Mit Kameraschwenks. Mit spontan-peinlichen Interviews. Mit der eigenen Chefredaktorin! Auch ein Mann kommt vor. Dazu Einblicke in die Käfighaltung der Journalisten, wo der eigene Bildschirm nur durch wenige Zentimeter vom Bildschirm des Nachbarn links oder rechts getrennt ist. Wo es eine niedliche Telefonkabine gibt, falls jemand mal tatsächlich das Bedürfnis nach einem vertraulichen Gespräch haben sollte, was im Journalismus aber kaum der Fall ist.

Und dann, Schlussbrüller, gibt es noch eine lauschige Sitzecke, wo man Mühle spielen kann. Wozu aber auch, wenn man schon in dieser News-Mühle steckt, wo die vornehmste Aufgabe der Fachkoryphäen darin besteht, aus Artikeln der «Süddeutschen Zeitung» die ß rauszuoperieren.

ZACKBUM ist Kerstin Hasse wirklich dankbar. Wir konnten uns vorher unter der Tätigkeit eines Chefredaktors Digital (generisches Maskulin, you know) eigentlich nichts vorstellen. Diese Wissenslücke hat Hasse endlich gefüllt. Daher lehnen wir uns wie sie zurück und warten auf ihr nächstes Wort zum Frauenkampftag. Im März 2024.

 

Auch Anwälte wollen werben

Christophe Germann passt sich dem Tamedia-Niveau an.

«Legal thinking out of the box», so preisen sich «Germann Avocats» aus Genf an. Das Team besteht aus Dr. Christophe Germann und Dr. Flavia Germann, höchstwahrscheinlich verwandt oder verschwägert.

Nun dürfen Anwälte bis heute keine Werbung für sich machen. Aber Tamedia bietet gerne nicht nur eigenen Mitarbeitern Gelegenheit, Unsinn zu verzapfen: «Die Schweiz hat den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen ratifiziert. Die kürzlich fusionierten Banken UBS und CS tragen massiv zur Verletzung dieses internationalen Abkommens bei

Oha, ist das eine Tatsache oder einfach eine Behauptung? Zweiteres: «Credit Suisse und UBS sind gemäss dem neusten Bericht von PAX und der Friedensnobelpreisträgerin International Campaign to Abolish Nuclear Weapons (Ican) «Risky Returns: Nuclear Weapon Producer and Their Financiers» die einzigen Schweizer Geldinstitute, die noch beträchtliche Finanzdienstleistungen für das Kernwaffenwettrüsten liefern. Diese NGOs schätzen die Investitionen beider Banken in Unternehmen, die nukleare Massenvernichtungsbomben produzieren, auf über 5 Milliarden Dollar.»

Was NGOs so alles behaupten, wenn der Tag lang ist. Dann stellt Germann weitere absurde Behauptungen auf, bei denen er aber selbst einen solchen «Beleg» schuldig bleibt: «Der Scherbenhaufen CS kostet die Schweizer Öffentlichkeit voraussichtlich den Betrag von 109 Milliarden Franken, was ein Viertel der Kosten eines Wiederaufbaus der Ukraine ausmacht, welche die Weltbank zurzeit auf 411 Milliarden Dollar schätzt.»

Kann Germann behaupten, mit dem dritten Auge der Zukunftssicht ausgestattet zu sein? Es sind insgesamt 259 Milliarden, die im Feuer stehen. Ob davon überhaupt etwas von der «Schweizer Öffentlichkeit», also vom Steuerzahler, berappt werden muss, steht in den Sternen. Dass der Wiederaufbau der Ukraine entschieden mehr als 411 Milliarden Dollar kosten wird, das ist hingegen ein Fakt.

Nach diesem Ausflug in die Ukraine kehrt Germann mit mehr schlechten Nachrichten in die Schweiz zurück: «Dieses Geld wird voraussichtlich verpulvert, nachdem die Nationalbank im letzten Jahr einen Verlust von 134 Milliarden Franken hat verbuchen müssen. Eine volkswirtschaftliche Apokalypse ist zu befürchten: Beim nächsten Börsen-Windstoss wird das Kartenhaus zusammenfallen. Allzu grosse Bank, um unterzugehen, allzu kleiner Staat, um zu überleben.» Was die Staatsgarantien für die Bankenfusion mit den Verlusten der SNB zu tun haben, das erklärt Germann genauso wenig wie seine düstere Ansage einer Apokalypse, dem drohenden Untergang der Schweiz gar.

Nun steigert sich Germann am Schluss seines «Gastkommentars» selber zum apokalyptischen Reiter: «Im Vergleich zu diesem relativ harmlosen Szenario riskiert die Ukraine hingegen einen Weltuntergang im leibhaftigen Sinne, der heute nicht bloss volkswirtschaftlich durch selbst verursachte Misswirtschaft jederzeit erfolgen kann. Es geht ums schiere Überleben dieser Nation. Die Schweizer Neutralität ist im Lichte dieser Realität neu zu definieren – wer Zeuge wird von Vergewaltigung und Meuchelmord am helllichten Tag und auf offener Strasse, kann nicht einfach gegenüber Opfer und Täter «neutral» wegschauen. Dasselbe gilt für schlimmste Verletzungen des Völkerstrafrechts: Unser Land muss sich krasse Doppelmoral vorwerfen lassen, wenn es die Lieferung von konventionellen Waffen zur Verteidigung der Ukraine gegen das kriminelle Putin-Regime verweigert und gleichzeitig amoralischen Ultralaxismus bei der Finanzierung von nuklearen Massenvernichtungsmitteln betreibt.»

Eine «volkswirtschaftliche Apokalypse» samt Untergang der Schweiz wird also zu einem «relativ harmlosen Szenario». Nun geht es plötzlich gar nicht mehr darum, sondern um die Schweizer Neutralität und die mit ihren Gesetzen übereinstimmende Weigerung, in ein Kriegsgebiet Waffen zu liefern. Gerade für eine Anwalt ist das schon speziell, wenn der die Schweizer Regierung dazu auffordert, gegen Schweizer Gesetze zu verstossen.

Gegen das Mitteilungsbedürfnis einer Genfer Anwaltskanzlei ist nichts einzuwenden; Werbung in eigener Sache ist erlaubt, wenn’s Tamedia zulässt. Nur sei eine kleine Frage gestattet: Würden Sie einen Anwalt mandatieren, der mit wilden Behauptungen um sich wirft und offen zum Rechtsbruch auffordert?

 

Wumms: Tamara Funiciello

ZACKBUM gesteht: eine Dame im Umzug hatten wir vergessen.

Gegen die Studie von zwei Uni-Professorinnen ist viel gewäffelt worden, von allen üblichen Verdächtigen. Aber natürlich gibt es noch eine gewichtige Stimme, die bislang nicht zu hören war.

Das hat Tamedia verdienstvoll geändert. In der Tradition von «was wollten Sie schon immer mal unbelästigt von kritischen Fragen sagen?», hat nun Alessandra Paone die SP-Nationalrätin Tamara Funiciello interviewt. Das ist allerdings der falsche Ausdruck; Paone lieferte die Stichworte, um Funiciello einen ungehinderten Diskurs zu erlauben.

Die Linkspolitikerin hat sich bekanntlich geweigert, Randale-Umzüge des Schwarzen Blocks zu verurteilen («ich möchte über Dinge sprechen, die mir wichtig sind»). Dazu gehört der Kampf gegen Frauendiskriminierung, der Kampf gegen Frauendiskriminierung – und der Kampf gegen Frauendiskriminierung.

Wenn man (oder frau) Funiciello ungebremst schwatzen lässt, dann wiederholt sie ungeniert die ewig gleichen Behauptungen. Natürlich darf auch sie gegen die Umfrage unter Studentinnen an ETH und Uni Zürich vom Leder ziehen, ist doch klar. Weil schon andere dagegen schimpften, ist sie für Tamedia inzwischen eine «umstrittene Hochschulstudie». Was wollten Sie schon immer mal dazu sagen, Frau Funiciello?

«Die besagte Studie ist meines Wissens weder publiziert noch peer-reviewt, also von unabhängigen Wissenschaftlern überprüft. Die Resultate sollten daher mit Vorsicht betrachtet werden.»

Da würde sich die Frage aufdrängen, was das an den klaren Aussagen der Studie ändert, und ob Funiciello damit den beiden anerkannten Wissenschaftlerinnen, die die Studie verfassten, unterstellen will, sie seien voreingenommen oder abhängig. Was sogar stimmen könnte, als amtierende Präsidentin der Gleichstellungskommission der Uni und als ihre Vorgängerin sind die beiden Professorinnen sicherlich für die Sache der Frau voreingenommen.

Von Funiciellos akademischem Werdegang ist nur bekannt, dass sie an der Uni Genf ein Studium in «Internationalen Beziehungen» begann und dann an die Uni Bern wechselte, um dort Geschichte und Sozialwissenschaften zu studieren. Von Abschlüssen weiss man nichts. Aber dermassen qualifiziert kann Funiciello sicherlich den wissenschaftlichen Wert der Unistudie beurteilen.

Paone verunstaltet dann eine Erkenntnis der Untersuchung, indem sie formuliert: «Margrit Osterloh, eine der beiden Autorinnen der Zürcher Studie, sagt, Frauen werde eingeredet, gegenüber dem männlichen Geschlecht diskriminiert zu werden. Die Kritik richtet sich nicht zuletzt auch an Politikerinnen wie Sie, die sich für Gleichstellung einsetzen. Wie reagieren Sie darauf

Richtig wäre, dass die Umfrage ergab, dass keine der Teilnehmerinnen konkrete Beispiele für Diskriminierung aufführte, aber die allgemeine Frage, ob Frauen diskriminiert würden, mehrheitlich mit ja beantwortet wurde. Auf diesen Widerspruch hat Osterloh aufmerksam gemacht. Aber Paone will ja nur Funiciello den Sprachteppich auslegen, damit die blaffen kann: «Das ist lächerlich

Starke Ansage, wieso denn das? «Niemand redet Frauen ein, dass sie diskriminiert werden, sie spüren es selbst. Oder pfeift irgendjemand Jungs hinterher? Werden vor allem Männer in Clubs sexuell belästigt? Kaum! Es ist eine traurige Tatsache, dass jedes Jahr in der Schweiz im Schnitt 25 Femizide begangen werden.»

In der Studie ging es wohlgemerkt um die Frage, ob Frauen im Studium diskriminiert werden.

Aber Paone will noch weitere Schimpfereien von Funiciello abholen und doppelt nach, dass nicht nur die Autorinnen dieser Studie zum Schluss kommen, dass die angebliche vielfältige Diskriminierung von Frauen einfach einem Narrativ entspricht, das dringend an der Realität überprüft werden müsste.

Dagegen führt Funiciello, mangels Argumenten, eine unsinnige Behauptung an:

«Wenn sich Frauen auf die Seite des Patriarchats stellen, dann ist ihnen dessen Applaus sicher

Wir versuchen, die Nationalrätin zu verstehen. Wenn ihr die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie, breit abgestützt und von kompetenten sowie über jeden Zweifel der Voreingenommenheit erhabenen Professorinnen durchgeführt, nicht passen, dann behauptet sie einfach, die Autorinnen stellten sich auf die Seite des Patriarchats.

Die Präsidentin der Gleichstellungskommission auf der Seite des Patriarchats? Da lachen ja die Hühner, aber leider weder Paone noch Funiciello.