Beziehungsdelikte
Die Steigerung zu: Journalisten interviewen Journalisten? Enkelin interviewt Grossmutter.
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Es ist eine altbekannte Unart. Wenn Journalisten überhaupt nichts mehr einfällt, dort, wo sie herumstehen, nichts los ist, dann interviewen sie sich gegenseitig. Als würde es den Leser interessieren, wenn Journalist A zu Journalist B sagt, dass er genauso wenig Ahnung hat wie sein Interviewer.
Aber im modernen Elendsjournalismus sind noch Steigerungen möglich. Ist nichts los, berichtet Journalist A über das Innenleben, das Befinden, die Qualen, die Zweifel, die körperlichen Funktionen von Journalist A. Auch das interessiert den Leser herzlich wenig.
Nun gibt es eine weitere Spielart des Selbstbespiegelungsjournalismus. Eines Journalismus, der meint, der Bote sei wichtiger als die Botschaft. Oder der Bote sei gleichzeitig die Botschaft.
Da spielt ein Redaktor, wenn er nicht gerade Elon Musk eintopft, mit seinem Sohn auf der Playstation. Und macht doch tatsächlich einen Artikel draus. Der genauso überflüssig ist wie sein Interview mit Dieter Bohlen.
Andere Kolumnisten lassen sich über Modefragen aus, über ihre Wünsche als Jugendliche, über Restaurantbesuche («war sehr gut»), über bezahlte Reisen, über Kochrezepte oder über ihre Wohnungseinrichtung.
All das, so meint man, sei schwer zu unterbieten. Aber es gibt ja nicht nur das Selbst des Journalisten, seine Sprösslinge oder Lebenspartner oder dramatischen Erlebnisse aus Kindheit, Leben und Krankheit. Es gibt auch noch die Eltern und die Grosseltern.
Da entblödet sich der Qualitätskonzern Tamedia nicht, zu verkünden: «Nina Kunz interviewt ihre Grossmutter». Nina who? Nun, laut Wikipedia ist Kunz eine «Schweizer Journalistin, Kolumnistin und Schriftstellerin». Ihr erstes Buch sei «eine Sammlung ihrer Texte unter anderem zu den Themen Leistungsdruck, Internet und Patriarchat». So wird man von der Kolumnistin zur Schriftstellerin. Der sehr passende Titel des Werks lautet: «Ich denk, ich denk zu viel.» So kann man sich täuschen.
Diese bedeutende Schriftstellerin interviewt nun ihre Grossmutter. Schon die Einleitungsfrage beweist, dass nicht übermässig gedacht wird: «Liebe Oma – du hast im Februar deinen fünfundachtzigsten Geburtstag gefeiert. Wie fühlt sich das an?» Wahrscheinlich wie das Feiern des 85., könnte man denken. Die Grossmutter lässt es bei einem freundlichen «gut» bewenden, gibt aber zu, dass sie mit dem Gedächtnis so ihre kleinen Probleme habe.
Deshalb macht ihre Enkelin gleich einen Gedächtnistest: «Vor einigen Monaten hast du mir erzählt, dass dich die jetzige Zeit immer wieder an deine Kindheit erinnere. Kannst du mir nochmals erklären, warum?» Das ersparen wir aber dem Leser. Wie geht’s weiter? Eine kleine Duftmarke soll genügen, bevor wir uns alle die Nase zuhalten:
«Als du in meinem Alter warst – das war dann 1966 –, warst du schon Mutter, verwitwet … – … und Vollzeit im Spital angestellt. – Eben. Und ich schaffe es ja kaum, meine beiden Orchideen am Leben zu halten.»
Das ist vielleicht launig und weist darauf hin, dass die Grossmutter altersmilde ihrer Enkelin alles nachsieht. Wird’s auch noch ernster? Unbedingt:
Kaum zu steigern, aber Kunz probiert’s:
Mit 17’388 Anschlägen quält hier das «Magazin» seine Leser. Wir wagen die Behauptung, dass sich selbst die «Republik» nicht trauen würde, eine solche Peinlichkeit auf eine solche Länge auszuwalzen.
ZACKBUM findet, dass unsere Leser mal wieder kräftig spenden sollten, weil wir ihnen den grössten Teil ersparen. Nur weil’s zum Grölen ist, kommt hier noch der Schluss der Quälstrecke. Uns fehlen dafür die Worte:
Danke für die klare Kante Zackbum. Soviel Banalität in einer komplexen Welt tut weh.