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Hyperventilieren ist nicht gesund

Banken, Ukraine, Rentenreform. Himmels willen …

Für die modernen Sparmedien gibt es zwei Ausnahmezustände. Der eine: es ist nichts los. Es ist wirklich nichts los. Dieser Ausnahmezustand wird dann mit einer ausführlichen Betrachtung und Beschreibung des eigenen Bauchnabels bewältigt. Der Leser bekommt ungefragt Beziehungsprobleme, Essgewohnheiten, Alltagserlebnisse, Kindergeburtstage und andere Nebensächlichkeiten serviert. Soweit tiefe Einblicke in die physische und psychische Verfassung des Journalisten.

Die gehobenere Form besteht darin, der Schweiz, der EU, der Ukraine, Russland, China, ja überhaupt der ganzen Welt mal wieder zu geigen, was sie zu tun und zu lassen hätte. Was sie falsch macht (fast alles) und was sie richtig macht (sehr wenig).

Beide Themen werden jeweils mit dieser gravitätischen Unwucht der eigenen Bedeutungsschwere abgehandelt. Das ist leider eine zunehmende Erkrankung vieler Schriftwerke. Umso unbedeutender, unwichtiger die Meinungsäusserungen von Journalisten werden, desto mehr pumpen sie ihre Werke mit vermeintlicher Wichtigkeit auf, geraten schnell in den Diskant, werden kreischig, behaupten wie der Irrwisch Seibt, dass es nun um alles gehe, um wirklich alles.

Dabei geht es meistens nur darum, im Print Spalten zu füllen und im Digitalen den Eindruck einer Themenfülle zu erwecken, die gar nicht existiert.

Der zweite Ausnahmezustand besteht darin, dass mehr als ein grosses Ereignis zeitgleich passiert. Denn seit mehr als einem Jahr ist der Grundbrummton durch den Ukrainekrieg gegeben. Wenn dann noch ein Erdbeben in der Türkei dazukommt, ist schnell einmal die Belastungsgrenze des normalen Journalisten erreicht.

Glücklicherweise haben es Erdbeben aber so an sich, dass sie schnell stattfinden, ihre Verheerungen aus dem Stehsatz beschrieben werden können, der Reigen von Fachleuten, Betroffenen, Schuldigen und überlebenden wird vorgeführt, und dann ist auch wieder gut.

So etwas wie die neuste Rentenreform ist schon sperriger. Eher kompliziertes Thema, irgendwie bedeutend, aber wo soll man noch Platz finden neben der Ukraine? Vor allem, wenn ja wie immer aus heiterem Himmel ein völlig unerwartetes Problem über uns hereingebrochen ist: der Credit Suisse geht es nicht so gut.

Da tut zum Beispiel Tamedia, verflixt, das heisst doch «Tages-Anzeiger», auch in Bern oder Basel, also da tun die Organe des Coninx-Clans das, was für sie inzwischen das Höchste der Gefühle ist. Sie richten einen «News-Ticker» ein, damit der überforderte Redaktor die Agenturmeldungen einfach per copy/paste ins Internet rammen kann.

Und es wird ein eigenes «Gefäss» mit eigenem Titel und eigenem Auftritt geschaffen. Hier heisst es originellerweise «Krise bei der Credit Suisse». Bei der UBS wäre es dann wohl «Unfall bei der UBS», bei den Genossenschaftern «Reibungen bei Raiffeisen», bei der Post «Panik bei Postfinance» und bei der ZKB als letzte der systemrelevanten Banken vielleicht «Zackbum bei ZKB». Dagegen würden wir natürlich energisch Einsprache erheben.

Aber auch bei der «Krise bei der Credit Suisse» wird getan, was man kann. Also nicht viel. Bei Tamedia (wir wollen uns diese Bezeichnung, auch Priska Amstutz zu Ehren, nicht abgewöhnen) gibt’s das obligaten Interview mit dem Fachmann, die «Antworten zur Rettung der Credit Suisse», die bange Frage «Bahnt sich eine Finanzkrise an?» und den kritischen Titel «Der Bundesrat tagt – und schweigt».

Dafür werden gleich zwei Koryphäen in die Schlacht geworfen. Aber Markus Brotschi (Bundeshausredaktor) und Charlotte Walser (promovierte Philosophin aus dem «Bundeshausteam») haben die undankbare Aufgabe, aus einem schweigenden Bundesrat einen Artikel zu melken. ZACKBUM kann eine gewisse Bewunderung nicht verhehlen:

«Im Bundeshaus herrschte am Donnerstag so etwas wie knisternde Anspannung.» Das ist schon mal gut, ein starker Anfang. Nennen wir es gebremstes Tremolo, denn es ist ja nur «so etwas» wie angespanntes Knistern. Und die Frage stand im Raum, schwebte unter der Parlamentskuppel, trieb die Volksvertreter durch die Wandelhalle: «Wie würde der Bundesrat reagieren

Um diese Frage zu beantworten, muss das Bundeshausteam seine Muskeln anspannen, die Ohren spitzen, Beziehungen ausnützen, um berichten zu können: «Tatsächlich traf sich die Landesregierung, wie im Lauf des Tages ruchbar wurde, am Nachmittag zu einer Krisensitzung

Trommelwirbel, nun muss aber der Knaller kommen: «Über den Inhalt der Sitzung werde nicht informiert, schreibt die Bundeskanzlei.» Das ist natürlich bitter, aber dem findigen Journi fällt schon noch etwas ein, denn sonst wäre der Artikel ja fertig: «Im Parlament sorgt die Nicht-Reaktion der Exekutive für Verunsicherung. Parlamentarier formulieren gegenüber dieser Zeitung zunächst ihre Irritation, wollen sich später dann aber nicht zitieren lassen.» Ist das aber nochmal ein Pech. Zuerst sagt der Bundesrat nix, dann sagen die Parlamentarier was, wollen aber doch nix gesagt haben.

Was kann da noch helfen? «Ein Insider spekuliert …», das ist immer das Ende jeder ernstzunehmenden Berichterstattung. Aber hier geht’s doch weiter: «Doch nun müsse man «gesetzgeberisch vorsorgen, dass so etwas nie mehr vorkommt», betonte Co-Präsident Cédric Wermuth». Wunderbar, der Vielschwätzer ist immer mit einer Stellungnahme zur Hand, und so bleibt uns allen ein Zitat von Fabian Molina erspart.

Das gibt natürlich Reaktionen: ««Die SP ist vorgeprescht», sagt (Mitte-Präsident, Red.) Pfister.» Damit ist ein Fass aufgemacht: «FDP-Präsident Thierry Burkart ist ebenfalls der Ansicht …», selbstredend «Für den Banker und SVP-Nationalrat Thomas Matter hat die CS nun die Hauptaufgabe …». Nur: offenbar haben es die Grünen und die Grünliberalen nicht rechtzeitig geschafft, etwas in die Mikrophone zu murmeln.

Dürfen wir kurz zusammenfassen: der Credit Suisse geht es schlecht, sie benützt die Kreditlimite von 50 Milliarden, die ihr bei der SNB zusteht. Der Bundesrat hat sich darüber informieren lassen und sagt nichts. Die Parteien sagen das, was sie meistens sagen.

ZACKBUM fragt aber: Wenn dieser Artikel das Niveau der Berichterstattung illustriert, kann man da dem Hause Tamedia die Kompetenz zutrauen, sinnvoll über die Ukraine, die Türkei, China, Russland, die USA und überhaupt die Welt zu berichten? Sieht das bei CH Media besser aus? Oder bei Ringier? Bei den Randgruppen-Postillen? Wenn man die NZZ als Ausnahme gelten lässt: ist das nicht ein unvorstellbares Elend?

Was für ein Schwätzer

Tamedia-Leute, fürchtet Euch! Müller von Blumencron hat gesprochen.

Mathias Müller von Blumencron (wir gestatten uns, ihn der Einfachheit halber Müller zu nennen) hat eine durchwachsene Karriere hinter sich. 2008 war er in die für ihn viel zu grossen Fussstapfen des «Spiegel»-Chefredaktors Stefan Aust getreten. Zusammen mit Georg Mascolo, denn die Überlegung war soweit richtig, dass es mindestens zwei Leichtgewichte für das Schwergewicht Aust brauche.

2013 dann das Aus, beide wurden gefeuert. Seither irrlichtert er durch die deutsche Presselandschaft, mal als «Chefredakteur digitale Medien» der FAZ. Der Kurzzeitjob dauerte von 2013 bis 2018. Dann sollte er mal Co-Chefredakteur des «Tagesspiegel» werden. Dauerhafter ist sein Einsatz bei Tamedia. Seit 2013 ist er dort «Beirat für Digitalisierung», dann Verwaltungsrat. Und seit dem abrupten Abgang von Marco Boselli ist er nun «interimistisch» der Leiter «Publizistik und Produkt» der Tamedia-Bezahlzeitungen.

Das ist immerhin eine gute Nachricht für «20 Minuten». Trotz seiner zehnjährigen Tätigkeit als Digitalisierungs-Guru ist Tamedia digital schwach auf der Brust und verfehlt eins ums andere Mal die gesteckten Ziele deutlich. Das hat dann Boselli den Kopf und die Anstellung gekostet, aber doch nicht dem digitalen Beirat und Verwaltungsrat Müller.

Der hat nun dem ehemaligen «Medienwoche»-Chefredaktor Nick Lüthi in seiner neuen Funktion als persönlich.com-Redaktor ein Interview gegeben. Das hätte er vielleicht nicht tun sollen. Denn wenn Worte leichter als Bytes sind und der Inhalt des Gesagten weder Schall noch Rauch ist, dann muss sich der Tamedia-Mitarbeiter zu recht vor der digitalen Zukunft fürchten.

Ein harsches Urteil: Ja, aber wohlverdient. Wir zeigen mal einige Luftblasen im Schnelldurchlauf:

«Wir wollen schneller mehr digitale Abonnentinnen und Abonnenten gewinnen. … wir hoffen sowohl beim Tages-Anzeiger als auch in Bern, in Basel und im Zürcher Umland noch überzeugender für unser Publikum zu werden … wir können niemanden zwingen, ein Abo zu kaufen, wir können nur überzeugen. Die Nützlichkeit des Journalismus spielt deshalb heute eine viel stärkere Rolle als früher … wir wollen noch verlässlicher auf der schnellen Ebene sein, noch gründlicher in Analysen und Storys … für jede dieser Kompetenzen, also Newsmanagement, Storys und Nutzwert sowie Podcasts und digitale Innovationen, ist ein Mitglied der neuen Chefredaktion verantwortlich … wenn die Antwort dagegen Tages-Anzeiger lautet, sagen alle, klar, kenne ich … einmal geht es darum, im Kleinen das Grosse zu entdecken. Dann gibt es auch die Spielart, das Grosse herunterzubrechen auf die unmittelbare Umgebung … wir entwickeln etwa gerade mikrolokale Newsletter, die kleine Areale abbilden … wir müssen natürlich aufpassen, dass wir unsere Kolleginnen und Kollegen nicht überfordern … ich bin in vielen Punkten absolut begeistert, was für eine Power, was für eine publizistische Leidenschaft in Redaktionen und Verlag steckt … wir sind zu langsam vorangekommen in den letzten Jahren. Insofern wollen und müssen wir uns nun schneller bewegen … im Moment gucken weder Andreas Schaffner noch ich auf die Uhr, sondern überlegen ständig, wie wir gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen am besten vorankommen.»

Bevor der ZACKBUM-Leser um Gnade winselt: wir mussten uns von vorne bis hinten durch diese schlecht gebackene lauwarme Luft quälen, ohne dass ein Sauerstoffzelt zur Wiederbelebung zur Verfügung stand.

Wer alleine die x-te Umbenennung eines Titels, eines Konzernbestandteils damit begründet, dass niemand den Namen Tamedia kennen würde («Aber wenn jemand fragt, wo man arbeitet, und die Antwortet lautet dann Tamedia, sagen viele Leute: Das habe ich aber noch nie gehört»), während in Bern oder Basel die Sympathiewerte nach oben schnellen, wenn man sagt «ich arbeite beim «Tages-Anzeiger»», der hat sich bereits restlos disqualifiziert. Wer seit zehn Jahren für das Digitale mitverantwortlich ist und zugeben muss, dass die Vorgabe 200’000 Digitalabos mal wieder elend gerissen wurde, ist disqualifiziert.

Wer ein ganzes Interview lang keinen einzigen Satz von sich gibt, dem man eine gewisse inhaltliche Relevanz zubilligen könnte, ist dermassen disqualifiziert, dass ihm eigentlich nochmals widerfahren sollte, was er aus seiner Karriere sehr gut kennt. Eine Trennung «aufgrund unterschiedlicher Auffassungen». Aber leider ist es so: wenn der oberste Boss auch nicht wirklich weiss, was er will (oder kann), dann regiert er mit Bauernopfern (Boselli, Rutishauser), beruft Mediokres an entscheidende Positionen (Birrer, Hasse) und lässt Dampfplauderer um sich sein, die ihm wie Müller in keiner Art und Weise das Wasser abgraben könnten. Und man kann sich nicht wegen unterschiedlicher Auffassungen trennen, wenn einer gar keine hat …

Es ist richtig, dass auch in der Schweiz alle Medienkonzerne herumeiern, wie sie dem ja absolut neuen Phänomen des Internets und des Digitalen begegnen sollen. Wie sie sich nicht weiter von Google, Facebook, Amazon & Co. die Butter vom Online-Werbemarkt nehmen lassen wollen. Aber im Vergleich zu diesem hilflosen Gestammel sind NZZ, CH Media und Ringier sehr gut aufgestellt. Wer ihnen Übles will, könnte ihnen eine Mitarbeit von Müller ans Herz legen. Aber dafür dürften dort die Entscheidungsträger zu schlau sein.

Wumms: Fabian Renz

Bei Tamedia ist inzwischen alles erlaubt.

Dann lümmelt er weiter: «Von der Schweiz haben die Angegriffenen in der Ukraine nichts zu erhoffen und die russischen Aggressoren nichts zu befürchten. Stattdessen werden wir pflichtschuldig beiden Seiten unsere Guten Dienste anbieten. Die Neutralität zeigt wieder mal ihr kaltes Zahnpastalächeln

Ob diese Zügellosigkeit, diese Rechtsfeindlichkeit, diese erschreckende Nonchalance, dieses kalte Lächeln womöglich ungeputzter Zähne gegenüber dem Rechtsstaat erlaubt ist, weil mit Raphaela Birrer eine schwache Chefredaktorin eingesetzt wurde? Renz führt dann seinen Feldzug gegen gültige Gesetze bezüglich Rüstungsmittelexport, gegen die Regeln der Schweizer Neutralität fort: «Sollte ein Staat der Ansicht sein, die Schweiz verletze das Neutralitätsrecht, könnte er Klage erheben. Dieses Risiko dürften wir angesichts des Ukraine-Kriegs eingehen

Verstehen wir ihn richtig? «Die Schweiz», also Renz, möchte gerne gültige Gesetze in die Tonne treten und dann schauen, ob jemand dagegen klagt? Der Mann muss verbotene Substanzen eingenommen haben, anders lässt sich dieser Ausraster nicht erklären.

Waffenexporte in Kriegsgebiete, an eine kriegsführende Partei sind verboten. Auch über Drittstaaten, sonst gäbe es dort ein scheunentorweit klaffendes Loch in diesem Gesetz. Um das zu kapieren, muss man nicht Journalismus studiert haben. Ein Restbestand von gesundem Menschenverstand reicht.

Aber bei Renz geht Rechtsstaat so: Also gut, Diebstahl ist verboten. Aber für eine gute Sache klaue ich mal ein Portemonnaie. Wenn jemand denkt, das sei ein Gesetzesverstoss, dann soll er doch klagen.

Wahnsinn ohne Methode, unglaubliche Zustände im Hause Tamedia. Es deutet alles darauf hin, dass Pietro Supino völlig die Kontrolle verloren hat. Oder aber, es ist ihm völlig schnurz, was in seinen Blättern publiziert wird.

Nachtreten wie im Kindergarten

Wenn das die ersten Signale der neuen Chefredaktorin sind …

ZACKBUM ist es gelungen, mit versteckter Kamera eine Aufnahme von einer Redaktionskonferenz im «Tages-Anzeiger» zu machen. Wir waren perplex …

«Dafür bedankt er sich für die Geduld des Reporters, der seine Tirade bis zum Schluss ausgehalten hat.» So beendet Cyrill Pinto seine Berichterstattung über einen Vortrag des «Weltwoche»-Chefs Roger Köppel. Wie bei seiner grossen Vordenkerin mit kleinem Besteck, wie bei Raphaela Birrer, kann man Pinto als mildernden Umstand zubilligen, dass er wahrscheinlich gar nicht weiss, was das Fremdwort Tirade bedeutet.

Keine mildernden Umstände gibt’s aber für dieses Nachtreten von Tamedia. Als Köppel bekanntgab, dass er bei den nächsten Wahlen nicht mehr antreten wird, titelte das ehemalige Qualitätsorgan: «Roger Köppel will nicht mehr. Oder darf er nicht mehr

Begleitet wurde diese haltlose Spekulation von einem geschmacklosen Kommentar der designierten neuen Überchefredaktorin des Konzerns. Als ob die SVP bestrebt wäre, den mit dem besten Resultat aller Zeiten gewählten Nationalrat eine neuerliche Kandidatur zu verwehren. Absurd, aber hier ist kein Untergriff zu abwegig.

Eigentlich wollte Köppel einen Vortrag über «Krieg und Frieden» halten, leitete den aber mit einer offenbar einstündigen Philippika über die Berichterstattung der «Mainstream-Medien» zu seiner Ankündigung ein.

Zunächst gibt der «Reporter» etwas O-Ton wieder: «Köppel störte sich auch daran, dass SVP-Parteimitglieder anonym zitiert wurden, wonach man ihm den Rücktritt wegen seiner Haltung zum Krieg in der Ukraine nahegelegt habe. Das sei «frei erfunden», hielt Köppel zuvor auch auf Twitter fest.»

Dann macht Pinto das, was Schmierenjournalismus immer mehr auszeichnet. Er tritt nach, weil er als Autor natürlich das letzte Wort behalten kann: «Tatsächlich hatten ihn Parteischwergewichte wie der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker für seine Haltung zum Krieg in der Ukraine kritisiert. An der Delegiertenversammlung im April 2022 kanzelte Stocker die «Putin-Versteher» öffentlich ab.»

Das ist nun voller dummer Perfidie. Denn tatsächlich hatte Stocker diesen Ausdruck verwendet und Köppel wohl mitgemeint. Aber weder Stocker noch andere SVP-Exponenten hatten Köppel den Rücktritt nahegelegt, und darüber regt sich der WeWo-Chef auf.

Dann geht Pinto – sicherlich unbeabsichtigt – zu einer Realsatire über: «In seiner Tirade gegen die «Mainstreammedien» – zu denen er offenbar alle ausser der eigenen «Weltwoche» zählt – zeichnete er das Bild von Redaktionen, in denen nicht diskutiert werde und abweichende Meinungen abgekanzelt würden.»

Nochmal Tirade? Zeichnet er? Das ist nun echt lustig, denn wer wüsste es besser als Pinto, dass es auf seiner Redaktion genau so zu und her geht. Abweichende Meinungen, Pro und Contra, wenigstens eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Zielen der Friedensdemo am nächsten Samstag in Bern? Verständnis für Corona-Massnahmenkritiker, so neben der ewigen Kreische Marc Brupbacher? Bei Tamedia? Niemals.

Eine Stellungnahme der Redaktion zur Affäre Roshani? Grabesstille. Sämtliche Zeugen, inklusive Roshani, stehen im Schweizer Telefonbuch. Da hätte das sogenannte Investigativ Desk für einmal nicht von anderen gestohlene Geschäftsunterlagen ausschlachten müssen, sondern hätte zeigen können, dass es die Grundlagen des Journalismus beherrscht. Ein Konflikt findet vor der Haustüre statt. Eine ehemalige Redaktorin erhebt schwerste Vorwürfe gegen ihren ehemaligen Chefredaktor. Wie war’s wirklich? Telefonhörer in die Hand nehmen, anrufen, fragen, Indizien sammeln, den Untersuchungsbericht behändigen, banal.

Worin besteht die Berichterstattung über diese Affäre? Werden hier die neuen, skandalösen Entwicklungen wenigstens referiert? Schliesslich entwickelt sich die Anklage eines angeblichen weiblichen Opfers immer mehr zum Rohrkrepierer. Aber der grosse Qualitätskonzern Tamedia hat es im Monat seit dem Platzen der Affäre bei einem einzigen Artikel bewenden lassen: «In eigener Sache. Stellungnahme zum «Spiegel»-Artikel». Gezeichnet von der «Chefredaktion». Da hätte man nun doch vielleicht drüber diskutieren können. Aber da’s bei Tamedia so ist, wie es Köppel beschreibt …

Schlimmer noch: bei Tamedia ist das Handwerk nicht mehr vorhanden. Nicht mal banale Handgriffe werden ausgeführt. Dafür herrscht Banalität im Denken und Schreiben. Aschgrau.

Sag mir, wo die Mädchen sind

ZACKBUM fragt unerschrocken: Chefinnen, wo seid ihr?

Im Konkurrenzkampf um Posten und Karriereschritte gibt es seit einiger Zeit eine neue Waffe. Eine wahre Atombombe. Mit der verhält es sich aber etwa so wie nach Hiroshima. Nur eine Weltmacht ist im Besitz dieser schrecklichen Bedrohung.

Damals waren es die USA, heute sind es die Frauen. Der Vorwurf eines sexuellen Übergriffs ist diese Waffe. Der mag schon viele Jahre zurückliegen, spielt keine Rolle. Der mag schon längst verjährt sein. Völlig egal. Der mag verbal stattgefunden haben. Ohne Belang. Es gibt keine Zeugen dafür. Unerheblich. Der einzige Beweis besteht aus der Behauptung des weiblichen Beteiligten. Unschuldsvermutung ade.

Wenn eine mässig erfolgreiche Frau von der mickrigen Performance von ihr angepriesener Finanzprodukte ablenken will, die sie unter dem Label Feminismus verkauft, zieht sie die Sexismuskarte. Wenn die gleiche Frau sich mal wieder in die Medien bringen will, erzählt sie von einem x Jahre zurückliegenden Kussversuch. Den sie damals nicht meldete, obwohl es alle nötigen Institutionen gegeben hätte. Über den sie angeblich zuvor nie sprechen konnte. Der sie bis heute beschäftige.

Während man so einer Einlassung früher mit schallendem Gelächter begegnet wäre, müssen heute alle betroffene Gesichter machen und ohne loszuprusten Untersuchungen ankündigen. Und der damalige Küsser, wenn es ihn überhaupt gab, muss befürchten, dass er ernsthafte Probleme bekommen könnte. Heute.

Der Gipfel der Unverfrorenheit war der Protestbrief von 78 erregten Tamedia-Frauen. Indem sie nur anonymisierte Beispiele für ihre ruf- und geschäftsschädigenden Vorwürfe vorbrachten, stellten sie sämtliche männliche Tamedia-Mitarbeiter unter den Generalverdacht, sexistische Schweine zu sein. Kein einziger, ZACKBUM wiederholt, kein einziger dieser Vorwürfe ist bis heute erhärtet oder verifiziert. Wie auch, wenn er darin besteht, dass zu einem unbekannten Zeitpunkt ein nicht genannter Mann in einem nicht definierten Zusammenhang ohne Ohrenzeugen irgend etwas gesagt haben soll.

Das liefe eigentlich unter übler Nachrede. Aber stattdessen entschuldigte sich der damalige Oberchefredaktor Arthur Rutishauser präventiv, und der Big Boss von Tamedia Pietro Supino zeigte sich furchtbar betroffen. Statt die Rädelsführerinnen sofort zu feuern und die Unterzeichnerinnen abzumahnen. Deren weibliche Solidarität zeigte sich zudem darin, dass sie kommentarlos hinnahmen, dass das eigentlich für den internen Gebrauch vorgesehene Protestschreiben via eine sehr fragwürdige Botin an die Öffentlichkeit getragen wurde. Zahllose Fragenkataloge von ZACKBUM blieben unbeantwortet; keine einzige der 78 Frauen hatte den Anstand, darauf zu reagieren. ZACKBUM fragte auch alle Nicht-Unterzeichnerinnen an, gleiche Reaktion.

Eine Führungsperson, Voraussetzung männlich, erfährt heute, dass gegen sie Vorwürfe wegen angeblicher sexueller Belästigung erhoben werden. Sollen angeblich schon viele Jahre zurückliegen. Am besten sucht sie sich vorausschauend gleich eine neue Stelle und betet, dass diese Vorwürfe nicht öffentlich werden. Gegenwehr ist völlig zwecklos.

Grauenhaft ist der aktuelle Fall, der dieses System auf die Spitze treibt. Eine Mitarbeiterin, die die Stelle ihres Chefs wollte, dann so massiv gegen ihn vorging, dass eine externe Untersuchung zum Schluss kam, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht möglich sei, erreichte ihr Ziel nicht, sondern wurde sogar selbst gefeuert. Nachdem sie sich in der Illusion wiegen konnte, nach der Entlassung ihres Chefs doch noch seinen Sessel besteigen zu können.

Diese Frau darf dann immerhin im «Spiegel» über vier Seiten vom Leder ziehen, dass es nur so kracht. Das wird als «persönlicher Erfahrungsbericht» verkauft, weil die Gegenseite keine Gelegenheit zur Richtigstellung bekam. Dazu wird behauptet, dass die inzwischen grösstenteils widerlegten oder zumindest stark in Zweifel gezogenen Anschuldigungen der Anklägerin nachrecherchiert und so weit wie möglich mit Dokumenten und Aussagen untermauert worden seien.

Inzwischen stellt sich heraus, dass es sich höchstwahrscheinlich um das Aufwärmen uralter Vorwürfe handelt, um eine gemeinsame Racheaktion der aktuell und von damals Entlassenen. Was dem «Spiegel» – gefangen in Framing und Narrativen von Frauen als Opfer und Männern als Schweine – offenbar entgangen ist. Selbst die «Zeit», sonst immer noch der Leuchtturm von seriösem und verantwortungsbewusstem Journalismus, lässt eine einschlägig parteiische Kraft in ihrem Schulaufsatzstil unbelegte Behauptungen aufstellen, anonyme Zeugen zitieren und Ereignisse im Indikativ darstellen, die in einem ernsthaften Journalismus eigentlich im Konjunktiv, weil noch nicht bewiesen und blosse Behauptungen, stehen müssten.

Was auch niemandem auffällt: wenn Anuschka Roshani über Jahre hinweg angeblich diesen fürchterlichen Misshandlungen durch ihren Chef ausgesetzt war und damals zu den Unterzeichnerinnen des Protestschreibens gehörte, wieso benützte sie dann nicht diese Gelegenheit, um auf ihr schreckliches Schicksal hinzuweisen? Oder hatte sie damals noch die Hoffnung, Finn Canonica wegmobben zu können und selber Chefin zu werden?

Aber das ist noch nicht die ganze Misere. Wo sind eigentlich die weiblichen Führungsfiguren im Journalismus, die – Feministen, aufgepasst, Grund zur Erregung – nicht aus Quotengründen an ihre Stelle kamen und dort etwas wuppen? Eine der auffälligsten Aufsteigerinnen ist Ladina Heimgartner bei Ringier, die eine extralange Visitenkarte bräuchte, um all ihre Titel aufzuzählen. Die Darstellung ihrer Leistungen hätte ebenfalls auf einer Visitenkarte platz, aber im Normalformat. Die bestehen aus einer Kastrierung und Verweiblichung des «Blick», der sich damit als ernstzunehmendes Boulevard-Organ verabschiedete. Und im fleissigen Gebrauch des nichtssagenden Modeworts «Resilienz».

Kerstin Hasse, der «Digital Editor en Chief» von Tamedia, ist auch so eine Nullnummer ohne Anschluss an Leistungen, die niemals eine solche Karriere gemacht hätte, wenn es nicht konjunkturelle Umstände gäbe. Ähnliches gilt auch für die beiden Führungskräfte Aline Wanner und Nicole Althaus bei der NZZ. Während es im Hause Wanner bei CH Media interessanterweise kaum zu solchen Vorkommnissen kommt. Aber CH Media ist auch (bislang) bei der Sexismusdebatte ungeschoren davongekommen. Ob da ein Zusammenhang besteht?

ZACKBUM gönnt allen Menschen, auch weiblichen, jeden Karriere- und Einkommensschritt. Aber hier greift eine Entwicklung um sich, vor der nur gewarnt werden kann. Es gibt viele Gründe und Ursachen, wieso der Journalismus vor die Hunde geht. Die Anwendung der Sexismus-Atombombe ist einer davon, und nicht mal der unwichtigste. Denn wenn es Figuren wie eine Patrizia Laeri, eine Salome Müller, eine Raphaela Birrer, von der hasserfüllten Kämpferin gegen Hass im Internet ganz zu schweigen, die aus einem weinseligen Abend ein ganzes Geschäftsmodell aufbaute, wenn es also solche Randfiguren in die Medien und dort in wichtige Positionen spült, dann kann man nur recht hoffnungslos in die Zukunft der Presse blicken.

Wenn dann noch Dünnbrettbohrer wie Franziska Schutzbach, die immer mit zwei Rudern unterwegs ist, eines nach vorne, eines nach hinten, wenn Pseudowissensschaftler wie Marko Kovac ernsthaft und unwidersprochen zitiert werden, wenn «Fachexperten» nur noch so ausgewählt werden, dass sie ins vorgegebene Framing passen und die gewünschten Narrative abliefern, dann ist’s aschgrau.

Gibt es Hoffnung? Nun, genauso, wie sich in fünf Jahren niemand mehr an Werke eines Bärfuss oder gar eines Zwitterwesens mit bescheuertem Pseudonym erinnern wird, sollte auch hier passieren, was bei solchen Modewellen immer der Fall ist. Sie ebbt ab, und in fünf Jahren kann niemand mehr verstehen, welcher Wahnsinn auf dem Gebiet Sexismus, Gendern, Inkludieren und Kampf gegen kulturelle Aneignung tobte.

Aber der Schaden ist dann bereits angerichtet, und ob sich vor allem die Medien von dieser Enteierung jemals wieder erholen werden, wenn diese nur aus Quotengründen in Positionen der völligen Überforderung gespülten Frauen endlich entsorgt sind, das ist fraglich. Denn die Frage ist weiblich. Die Antwort allerdings auch, um aus diesem Genderschwachsinn noch einen müden Scherz zu melken.

Ist das noch Journalismus?

Oder eine geldwerte Leistung? Eher nein.

Das Qualitätsorgan «Tages-Anzeiger», im vollen Bewusstsein um seine Meinungsmacht und verantwortungsvoll seine Funktion als Vierte Gewalt wahrnehmend, berichtet in aller gebotenen Objektivität über eine Friedensdemonstration zu Bern.

Man sollte sich vom Titel nicht verunsichern lassen: «Corona-Skeptiker kapern die Schweizer Friedensbewegung». Schliesslich ahmen die beiden Autoren Jacqueline Büchi und David Sarasin damit nur ihre Vordenker in der «Süddeutschen Zeitung» in München nach.

In einem Leihkommentar hatte bereits Meredith Haaf kübelweise Häme über die grosse deutsche Friedensdemo in Berlin ausgegossen. Tonlage: «In Deutschland aber geht derzeit eine unkonzentrierte Ego-Show als anschlussfähige Friedensbewegung durch, wie am Samstag am Brandenburger Tor zu besichtigen war. Wie ärgerlich, wie schade.»

Tamedia tat dann noch seines dazu und verwendete ein Foto von Alice Schwarzer, dessen demagogischer Gehalt schwer zu überbieten wäre. Aber es gibt ja nicht nur in Deutschland den Protest von Hunderttausenden gegen die aktuelle Politik, sondern auch in der Schweiz kann man eine aufkeimende Friedensbewegung denunzieren.

Am 11 März organisiert die Bewegung «Mass-voll» in Bern eine Friedensdemonstration mit. Eigentlich sollte es die Berichterstatterpflicht gebieten, über die Anliegen, Ziele, Slogans usw. zu berichten, wie es sich für ein Qualitätsmedium gehört.

Aber doch nicht für Tamedia. Stattdessen zieht hier die einschlägig bekannte Büchi nochmals gegen «Corona-Skeptiker» vom Leder. Mit denen beschäftigte sie sich schon zu Pandemie-Zeiten: «Sollen Medien überhaupt mit Corona-Skeptikern reden?» Sie war so nassforsch, dem damaligen SVP-Bundesrat ans Bein zu pinkeln: «Maurer zündeln zu lassen, ist gefährlich». Was zündelte denn der? «In trumpesker Manier flirtete er zudem mit Verschwörungstheorien».

Sie war schnell mit strengen Handlungsempfehlungen zur Hand: «Die Gesamtregierung muss Haltung zeigen und den Brandstifter in die Schranken weisen. Sonst riskiert sie ihre eigene Glaubwürdigkeit – und den Frieden im Land.» Nun ist der Bundesrat ihren Anweisungen nicht gefolgt, dennoch herrscht in der Schweiz – wohl zum Erstaunen von Büchi – weiterhin Frieden.

Heute hat sie sich mit Sarasin verbündet, der auch schon gegen Demonstranten verbal randalierte, die von ihrem demokratischen Recht Gebrauch machten: «Exzess der Demonstrierenden mitten in der Pandemie», nannte Sarasin im Frühling 2021 eine Manifestation mit über 4000 Teilnehmern, die zu seinem Entsetzen es gewagt hatten, dabei nicht alle Masken zu tragen.

Nun, damals gab es dann im Anschluss nicht wie befürchtet ein Massensterben in Rapperswil. Aber heute geht es ja um das Sterben in der Ukraine. Und da müssen die beiden wieder ganz streng werden. Wobei ihnen auch diesmal kein demagogischer Kniff zu primitiv ist. Einleitend wird ein «Attila der Kluge» erwähnt. Der habe sich damals mit Ueli Maurer im Friedenstrychlerhemd ablichten lassen. Was hat das für einen Zusammenhang mit der kommenden Friedensdemo?

Eigentlich keinen, denn am Schluss des Artikels wird vermerkt, dass dieser «Attila» mit den mitorganisierenden «Verfassungsfreunden» inzwischen gebrochen habe. Aber er hat halt ein tolles Pseudonym, also kann man ihn doch als Story-Opener gebrauchen, um die richtige Tonlage zu setzen.

Wenn man schon am Holzen ist, darf natürlich ein angeblicher Fachmann nie fehlen. Für Eingeweihte ist’s klar, um wen es sich handelt: Marko Kovic. Der hat zu seinem grossen Bedauern die Plattform «Medienwoche» verloren, wo man ihn vor dem seligen Ende reichlich dilettieren liess. Kovic ist immer zur Hand, wenn es darum geht, im wissenschaftlichen Deckmäntelchen Denunziatorisches und Haltloses über echte und vermeintliche Rechte zu sagen.

Als einziger Experte und «Sozialwissenschaftler» wird Kovic ausführlich zitiert, mit Nonsens-Sätzen wie «Wer bei einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg sagt: ‹Ich bin weder für die einen noch für die anderen›, ist eben nicht neutral, sondern stützt den Aggressor, in dem Fall Russland.»

Dann wird noch maliziös von Streitigkeiten bei den organisierenden Bewegungen berichtet, und mit einem netten Zitat von Attila über die Verfassungsfreunde ist dann der End- und Höhepunkt des Artikels erreicht: «Dieser Verein ist für mich gestorben! Aus! Fertig! Die sollen sich zum Kuckuck scheren!»

Sind also nur Attilas, Verpeilte, sich umorientierende «Corona-Skeptiker» und andere Vollpfosten an der Organisation beteiligt? Treten dort nur Redner wie der angeblich «streng rechtsgerichtete Radiojournalist Burkhard Müller-Ullrich» auf? Nun ja, auch der SVP-Nationalrat Andreas Glarner wird das Wort ergreifen.

Aha, also. Nun ja, was den beiden Recherchier-Genies von Tamedia entweder nicht aufgefallen ist, oder was ihnen nicht ins Framing und ins Narrativ passt: Auch Nicolas Lindt will das Wort ergreifen. Hm, das ist doch der Mitbegründer der Zeitschrift «Eisbrecher» während der Zürcher Jugendunruhen in den 80er-Jahren. Das ist doch der Mitbegründete der Linkspostille WoZ. Das ist doch der Mitinitiant der GSoA, der «Gesellschaft für eine Schweiz ohne Armee».

Also, kapert nun die Rechte oder die Linke die «Schweizer Friedensbewegung»? Oder kapern sie sogenannte «Corona-Skeptiker», was schon damals ein demagogischer Kampfbegriff war und es auch heute noch ist? Das ist nun nicht so ganz klar. Klar ist aber: mit solchen Schmierenartikeln verabschiedet sich Tamedia weiter vom Anspruch, ein seriöses Qualitätsmedium zu sein.Was für ein Trauerspiel. Da hätte die neuernannte Oberchefredaktorin bereits ein erstes Zeichen setzen können und eingreifen müssen.

 

Wir brauchen echten Journalismus

Ein Drecksstück reiner Demagogie im Tagi.

«Wir brauchen eine echte Friedens­bewegung – und keine Ego-Show von Frau Schwarzer». So titelt Tamedia über einem Stück von Meredith Haaf. Das ist eine Leihmeinung von der «Süddeutschen Zeitung», denn der grosse Konzern des Coninx-Clans ist schon lange nicht mehr in der Lage, eigene Meinungen zu haben.

Haaf ist bei der SZ «Stellvertretende Leiterin im Ressort Meinung» und kümmert sich vor allem um «politische Fragen, die das Zusammenleben der Menschen, die Gerechtigkeit der Verhältnisse und das Selbstverständnis unserer Gesellschaft betreffen».

Das äussert sich dann so: In der Gesellschaft sei «Einsatz für den Frieden nachvollziehbar». Immerhin, aber:

«In Deutschland aber geht derzeit eine unkonzentrierte Ego-Show als anschlussfähige Friedensbewegung durch, wie am Samstag am Brandenburger Tor zu besichtigen war. Wie ärgerlich, wie schade.»

Dann holzt Haaf weiter: «Ähnlich wie die organisierten, besonders rabiaten Corona-Massnahmen-Gegner zeigen auch die auf Zuspruch stossenden Friedensinitiativen – die ja zum Teil von denselben Personen ausgehen – eine gewisse intellektuelle Trägheit

Dann wünscht sich Haaf scheinheilig einen «wertschätzenden, offenen Austausch darüber, was Friedenspolitik kann und soll». Um intellektuell sehr träge weiterzuholzen: «der Autor Sascha Lobo hat eigens für Schwarzer und Co. den Ausdruck «Lumpenpazifismus» erfunden; «Friedensschwurbler» ist noch so ein Ausdruck».

Wenn für Haaf Wagenknecht, Schwarzer, Habermas, fast 700’000 Unterzeichner eines Manifests, darunter grosse Teile der deutschen Intelligenzia, alle auf dem Holzweg sind, was wäre dann richtig? Es brauche einen Pazifismus, der «mehr kann als stereotyp «Frieden» zu fordern», was «eine von sich selbst beseelten Selbstberuhigungsclique» angeblich tue. Denn wahrhafter Pazifismus «reicht nicht dem Aggressor die Hand, sondern denen, die ihm widerstehen».

Jeder darf meinen, auch Haaf. Jeder darf rumeiern, auch Haaf. Jeder darf sich selbst widersprechen, wertschätzenden Austausch fordern – und dann abschätzig niedermachen. Aber vielleicht könnte Haaf, statt dafür den Begriff Pazifismus zu vergewaltigen, sich an seine Definition erinnern. Denn bei George Orwell mag das mit dem Kriegsministerium, das Friedensministerium heisst, als literarische Metapher für Demagogie noch angehen. Aber in der realen Welt bedeutet Pazifismus «eine weltanschauliche Strömung, die jeglichen Krieg als Mittel der Auseinandersetzung ablehnt und den Verzicht auf Rüstung und militärische Ausbildung fordert».

Vielleicht sollten sich das starke Meinungsträger mit schwachen Kenntnissen hinter die Ohren schreiben. Das Stück ist natürlich zuerst in der SZ erschienen. Dort wurde es so eingeschenkt:

Tamedia hat keine eigene Meinung, aber dafür schenkt er den gleichen Text mit einem abgeänderten Titel ein: «Analyse zur Friedensdemo in Berlin: Wir brauchen eine echte Friedens­bewegung – und keine EgoShow von Frau Schwarzer». Dazu stellte er ein Foto von Alice Schwarzer (oben über dem Titel), das an bösartiger Demagogie nicht zu überbieten ist. Ein echtes Drecksstück von Journalismus.

Massloses Mittelmass

Von den drei grossen Medienplayern verabschiedet sich einer.

Sparwut wurde hier beklagt. Die Unfähigkeit wohlgenährter und -bezahlter Medienmanager, fast eine Generation nach Erfindung des Internets ein wertschöpfendes Geschäftsmodell zu entwicklen. Die Absurdität, für immer weniger Content immer mehr Geld zu verlangen.

Das alles führte zum Üblichen im Kapitalismus. Einer Monopolisierung, die letzte Gegenwehr von Privatunternehmen gegen den Untergang. Aus vielen unabhängigen, kleineren und grösseren Tageszeitungen, die meisten regional oder sogar lokal, wurden zwei Geschwüre. Tamedia und CH Media. Ihr Geschäftsmodell ist identisch: eine geschrumpfte Zentralredaktion liefert fast den gesamten Inhalt. Eine ebenfalls geschrumpfte Lokalredaktion liefert Lokales.

Dabei gibt es nur kleine Unterschiede. CH Media setzt mehr auf ein Netz von freien Mitarbeitern in der Auslandberichterstattung und bloss zwei Nasen in der Redaktion. Tamedia setzt auf die Übernahme von massig Content in allen Gefässen von der «Süddeutschen Zeitung» in München. Beide Konzerne setzen zudem auf Tickermeldungen von Nachrichtenagenturen.

Die verbleibenden Redaktoren dürfen sich dafür in einer wahren Kolumnitis austoben und ihre unerhebliche, meistens inkompetente Meinung zu so ziemlich allem auf der Welt absondern. Zudem dürfen sie den Leser ungeniert kritisieren, schurigeln, zurechtweisen, seinen Lebensstil kritisieren, ihn zu einem besseren Menschen machen wollen.

Die Leserschaft dankt’s: mit Massenflucht.

Dann gibt es noch zwei Sonderfälle. Ringier und die NZZ. Ringier ist inzwischen ein Gemischtwarenladen mit angeschlossener Papierverwertungsanstalt. Der wurde – unter Führung einer inkompetenten Quotenfrau – alles abgezwackt, was ein Boulevardblatt auch heutzutage noch erfolgreich machen würde. Es gibt keine nackten Frauen mehr, wer auf der Redaktion «Busen, Blut, Büsis» sagen würde, müsste in einen Sensibilisierungskurs und würde anschliessend entlassen. Der neuste Streich, «Blick TV», kann seine Zuschauer weiterhin persönlich und einzeln begrüssen.

Die NZZ, auch von sinkender Einschaltquote geplagt, setzt hingegen voll auf Content, und wenn sie expandiert, dann mit Inhalt nach Deutschland. Sie hat zwar auch einen CEO und ein Aktionariat, aber die gute Nachricht für den Journalismus ist, dass der God Almighty, der Chefredaktor Eric Gujer, das letzte Wort hat und ein in der Wolle gefärbter Journalist ist.

Dann gibt es noch japsendes Beigemüse, bei dem allerdings nur die WoZ, bravo, in der Lage ist, sich ohne ständige Bettelaktionen oder reiche Mäzene über Wasser zu halten. Und dann gibt es noch ZACKBUM. Kleiner Scherz am Rande.

Das ist die Lage. Das war sie. Inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass einer der drei Grosskonzerne sich definitiv vom ernsthaften Journalismus verabschiedet. Es gibt dafür viele Symptome, manche schon oberflächlich sichtbar, manche, die im Hintergrund wirken.

Mehr hintergründig sind die ständigen Quengeleien bei Tamedia, dass sich Redaktorinnen sexistisch misshandelt fühlen, demotiviert gar, dass eine Machokultur herrsche, die unerträglich sei. All diesen Vorwürfen – mit einer Ausnahme – ist gemein, dass sie mit anonymisierten Beispielen von angeblichen verbalen Übergriffen arbeiten. Das hat den Nachteil, dass keine dieser Behauptungen überprüfbar ist.

Was die überprüfbaren betrifft, stellt sich die Geschäftsleitung selten dämlich an, auch ein Symptom für Niedergang.

Dass ein Schweizer Tageszeitungskonglomerat überall, ausser im Lokalen, Inhalt aus dem fernen München übernimmt, ist ein weiteres deutliches Symptom.

Dass die Redaktion weiss, dass nach der Sparrunde vor der Sparrunde ist, motiviert zudem ungemein – für den klaren Blick in den Niedergang.

Aber das offensichtlichste Symptom ist die Zusammenstellung einer neuen Kolumnisten-Crew. Ein Konzern, der einen Rudolf Strahm gegen dessen Willen rauspfeffert und dafür ein wokes Sammelsurium installiert, das ausschliesslich nach den Kriterien «inkludiert, repräsentiert, alles dabei» ausgesucht wurde, hat jeglichen Anspruch aufgegeben, ernstgenommen zu werden.

Zwei Frauen, zwei Männer. Links, rechts. Mit Migrationshintergrund. Und dazu noch ein hybrider Nonbinärer, der mit dieser Nummer für flüchtige Aufmerksamkeit sorgt. Während sich die Verantwortlichen schon in einem halben Jahr verzweifelt fragen werden, wie man diese Nullnummer wieder loswird.

Statt sinnvolle Ideen zu entwickeln, wie es denn mit Tamedia weitergehen könnte, versinken die Mitarbeiter in Selbstbetrachtung, Selbstmitleid und haben zunehmend das Gefühl, den Leser interessiere die ausgiebige Beobachtung des eigenen Bauchnabels mehr als einen Dreck.

Nicht die Welt und die Berichterstattung darüber kümmert sie, sondern ihr eigenes Leiden an dieser Welt, ihre Meinung dazu, aber eigentlich ihre Meinung über sich selbst.

Auf der «Titanic» hat das Orchester immerhin noch zur Unterhaltung der Passagiere und nicht nur für sich selbst gespielt. Das ist dann aber auch schon der ganze Unterschied zu Tamedia.

Wumms: Daniel Binswanger

Neues Schmierenstück aus der «Republik».

Wie kann man nur so Journalismus betreiben? Dennis Bühler und Boas Ruh verschwenden 9000 A auf die Zustände im Hause Tamedia. Zur Beschreibung verwenden sie ausschliesslich anonyme Quellen. Behaupten dies und das. Was mutige anonyme Heckenschützen halt so erzählen, wenn der Tag lang ist. Zum Beispiel, dass Finn Canonica die Chefredaktion der «SonntagsZeitung» angeboten worden sei, der aber abgelehnt habe.

Dann verbreiten sie die Fake News, dass ein Lokaljournalist wegen eines kritischen Berichts über eine Stiftung auf Geheiss von Supino entlassen worden sei. Das ist anders gelaufen und hatte mit einem sehr verunglückten Porträt einer jüdischen Politikerin zu tun. Das weiss eigentlich jeder, ausser den beiden Recherchier-Genies.

Aber es ist noch schlimmer. Einleitend schreiben sie: «Zur Transparenz. Zwei Personen der Republik haben mehrere Jahre beim «Magazin» des «Tages-Anzeigers» gearbeitet: Daniel Binswanger – er ist derzeit Co-Chefredaktor ad interim – und Daniel Ryser, er ist Reporter.»

Damit hört dann die Transparenz auch schon auf. Was sagt denn Binswanger, der jahrelang im «Magazin» publizierte und mit Canonica eng war, was sagt denn diese namentlich bekannte Quelle? Was sagt denn die schreibende Schmachtlocke, die jede Woche mit erhobenem Zeigefinger und getränkt mit Moralinsäure, Arroganz und Rechthaberei, der Welt erklärt, wie sie zu sein hat?

Wäre doch die Chance für Binswanger gewesen, kostenfrei Zivilcourage zu beweisen. Was könnte ihm Tamedia schon anhaben, als Chefredaktor der «Republik» a.i.? Er kommt aber namentlich zitiert ihn den 9000 A kein einziges Mal vor. Stammen vielleicht anonyme Zitate von ihm? Man weiss es nicht …

Binswanger schweigt verbissen. Warum? Ganz einfach. Würde er sagen, dass ihm keinerlei verbale Übergriffigkeiten von Canonica aufgefallen wären, dann würde er die Anklägerin Anuschka Rushani desavouieren. Würde er aber einräumen, dass Canonica häufig Ferkeleien von sich gab, dann müsste sich Binswanger die Frage gefallen lassen, wieso er als Feminist und Gutmensch geschwiegen habe.

Blöde Lage, in der sich auch der Partner der «feministischen Aktivistin» Franziska Schutzbach befindet. Aber der ist noch angestellt beim «Magazin».

Beim feigen Heuchler Binswanger gibt es wohl noch einen weiteren Grund: Als Chefredaktor weiss er sehr genau, dass die Tage der «Republik» wohl gezählt sind. Und dann braucht er ja wieder ein warmes Plätzchen

Tagi als Zensor

Unglaubliche Zustände im angeblichen Forumsblatt.

Tamedia bestreicht die Hälfte der Deutschschweiz, die nicht fest im Griff von CH Media ist. Bei jeder neuen Akquisition versicherte der Konzern, dass er sich selbstverständlich seiner Verantwortung als Duopolist bewusst sei und daher offen für widerstreitende Meinungen und verschiedenartige Positionen.

Das hat sich längst als lächerliche Behauptung erwiesen, der in keiner Form nachgelebt wird. Aber was sich Tamedia gerade geleistet hat, ist dann doch ein starkes Stück.

Das gesamte Team der Kolumnisten wurde ausgetauscht. Das ist in den meisten Fällen keine schlechte Idee gewesen, auch wenn die Nachfolgecrew noch fürchterlicher ist. Mit einer Ausnahme: Rudolf Strahm. Darüber drückte ZACKBUM sein Bedauern aus.

Was der kompetente und streitbare Publizist inzwischen auf seiner eigenen Webseite bekannt macht: sein letzter Beitrag, seine letzte Kolumne wurde zensiert. Der ganze Schlussabsatz wurde «in den Print-Versionen im Tages-Anzeiger und im Bund gegen meinem Willen gänzlich weggelassen». Noch schlimmer, auch in der Online-Version «um den fett gedruckten Abschnitt ohne Voranmeldung gekürzt».

Strahm liefert dann die von Tamedia gekürzte und zensierte Version in der Originalform nach:

«Das ist nach vierzehn Jahren meine letzte Kolumne. Sie endet nicht freiwillig. Die neue Chefredaktion des Tages-Anzeigers will die Beiträge neu ausrichten. Ich habe mit meinen Kolumnen gern zur Einordnung der Politik beigetragen. Mit Analysen aus einer gewissen Distanz, Unabhängigkeit und Weitsicht habe ich mich an jene Generation gewandt, die noch Zeitung liest und politisch reflektiert. Dabei habe ich versucht, dem Motto «Audiatur et altera pars» – Höre auch den andern – gerecht zu werden. Allen Leserinnen und Lesern danke ich für das Interesse an meinen Beiträgen.»

Ist das eine Art, einen verdienten Kolumnisten zu verabschieden? Schämt sich auf dieser Redaktion überhaupt niemand mehr für nix? Vielleicht hat Strahm mit dem letzten Absatz den Platz im Print überschrieben. Aber wäre es nicht eine Geste gewesen, bei seiner letzten Kolumne ein Auge zuzudrücken?

Insbesondere, wenn der Autor offensichtlich forderte, dass auch dieser Absatz im Print erscheint. Pfeif drauf, sagte Tamedia. Der Gipfel ist aber, dass in der Online-Version einfach ein entscheidender Satz ohne Einverständnis des Kolumnisten zensiert wurde.

Das ist doch kein anständiges, korrektes, verantwortliches Verhalten mehr. Das ist respektlos, arrogant und indolent.

Es scheint immer mehr, dass mit den Sparmassnahmen bei Tamedia auch die letzten Reste von journalistischen Ethos verlorengegangen sind. Ein Kolumnist muss auf seiner eigenen Webseite seine vollständige Kolumne veröffentlichen, weil Tamedia dazu nicht in der Lage ist. Wie peinlich ist das denn.