Massloses Mittelmass

Von den drei grossen Medienplayern verabschiedet sich einer.

Sparwut wurde hier beklagt. Die Unfähigkeit wohlgenährter und -bezahlter Medienmanager, fast eine Generation nach Erfindung des Internets ein wertschöpfendes Geschäftsmodell zu entwicklen. Die Absurdität, für immer weniger Content immer mehr Geld zu verlangen.

Das alles führte zum Üblichen im Kapitalismus. Einer Monopolisierung, die letzte Gegenwehr von Privatunternehmen gegen den Untergang. Aus vielen unabhängigen, kleineren und grösseren Tageszeitungen, die meisten regional oder sogar lokal, wurden zwei Geschwüre. Tamedia und CH Media. Ihr Geschäftsmodell ist identisch: eine geschrumpfte Zentralredaktion liefert fast den gesamten Inhalt. Eine ebenfalls geschrumpfte Lokalredaktion liefert Lokales.

Dabei gibt es nur kleine Unterschiede. CH Media setzt mehr auf ein Netz von freien Mitarbeitern in der Auslandberichterstattung und bloss zwei Nasen in der Redaktion. Tamedia setzt auf die Übernahme von massig Content in allen Gefässen von der «Süddeutschen Zeitung» in München. Beide Konzerne setzen zudem auf Tickermeldungen von Nachrichtenagenturen.

Die verbleibenden Redaktoren dürfen sich dafür in einer wahren Kolumnitis austoben und ihre unerhebliche, meistens inkompetente Meinung zu so ziemlich allem auf der Welt absondern. Zudem dürfen sie den Leser ungeniert kritisieren, schurigeln, zurechtweisen, seinen Lebensstil kritisieren, ihn zu einem besseren Menschen machen wollen.

Die Leserschaft dankt’s: mit Massenflucht.

Dann gibt es noch zwei Sonderfälle. Ringier und die NZZ. Ringier ist inzwischen ein Gemischtwarenladen mit angeschlossener Papierverwertungsanstalt. Der wurde – unter Führung einer inkompetenten Quotenfrau – alles abgezwackt, was ein Boulevardblatt auch heutzutage noch erfolgreich machen würde. Es gibt keine nackten Frauen mehr, wer auf der Redaktion «Busen, Blut, Büsis» sagen würde, müsste in einen Sensibilisierungskurs und würde anschliessend entlassen. Der neuste Streich, «Blick TV», kann seine Zuschauer weiterhin persönlich und einzeln begrüssen.

Die NZZ, auch von sinkender Einschaltquote geplagt, setzt hingegen voll auf Content, und wenn sie expandiert, dann mit Inhalt nach Deutschland. Sie hat zwar auch einen CEO und ein Aktionariat, aber die gute Nachricht für den Journalismus ist, dass der God Almighty, der Chefredaktor Eric Gujer, das letzte Wort hat und ein in der Wolle gefärbter Journalist ist.

Dann gibt es noch japsendes Beigemüse, bei dem allerdings nur die WoZ, bravo, in der Lage ist, sich ohne ständige Bettelaktionen oder reiche Mäzene über Wasser zu halten. Und dann gibt es noch ZACKBUM. Kleiner Scherz am Rande.

Das ist die Lage. Das war sie. Inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass einer der drei Grosskonzerne sich definitiv vom ernsthaften Journalismus verabschiedet. Es gibt dafür viele Symptome, manche schon oberflächlich sichtbar, manche, die im Hintergrund wirken.

Mehr hintergründig sind die ständigen Quengeleien bei Tamedia, dass sich Redaktorinnen sexistisch misshandelt fühlen, demotiviert gar, dass eine Machokultur herrsche, die unerträglich sei. All diesen Vorwürfen – mit einer Ausnahme – ist gemein, dass sie mit anonymisierten Beispielen von angeblichen verbalen Übergriffen arbeiten. Das hat den Nachteil, dass keine dieser Behauptungen überprüfbar ist.

Was die überprüfbaren betrifft, stellt sich die Geschäftsleitung selten dämlich an, auch ein Symptom für Niedergang.

Dass ein Schweizer Tageszeitungskonglomerat überall, ausser im Lokalen, Inhalt aus dem fernen München übernimmt, ist ein weiteres deutliches Symptom.

Dass die Redaktion weiss, dass nach der Sparrunde vor der Sparrunde ist, motiviert zudem ungemein – für den klaren Blick in den Niedergang.

Aber das offensichtlichste Symptom ist die Zusammenstellung einer neuen Kolumnisten-Crew. Ein Konzern, der einen Rudolf Strahm gegen dessen Willen rauspfeffert und dafür ein wokes Sammelsurium installiert, das ausschliesslich nach den Kriterien «inkludiert, repräsentiert, alles dabei» ausgesucht wurde, hat jeglichen Anspruch aufgegeben, ernstgenommen zu werden.

Zwei Frauen, zwei Männer. Links, rechts. Mit Migrationshintergrund. Und dazu noch ein hybrider Nonbinärer, der mit dieser Nummer für flüchtige Aufmerksamkeit sorgt. Während sich die Verantwortlichen schon in einem halben Jahr verzweifelt fragen werden, wie man diese Nullnummer wieder loswird.

Statt sinnvolle Ideen zu entwickeln, wie es denn mit Tamedia weitergehen könnte, versinken die Mitarbeiter in Selbstbetrachtung, Selbstmitleid und haben zunehmend das Gefühl, den Leser interessiere die ausgiebige Beobachtung des eigenen Bauchnabels mehr als einen Dreck.

Nicht die Welt und die Berichterstattung darüber kümmert sie, sondern ihr eigenes Leiden an dieser Welt, ihre Meinung dazu, aber eigentlich ihre Meinung über sich selbst.

Auf der «Titanic» hat das Orchester immerhin noch zur Unterhaltung der Passagiere und nicht nur für sich selbst gespielt. Das ist dann aber auch schon der ganze Unterschied zu Tamedia.

4 Kommentare
  1. René Küng
    René Küng sagte:

    ….interessant wird’s dann, wenn zackbum den roten Faden der ‹Nachrichtenagenturen› mit den Triggermeldungen für die Dumpfbacken verfolgt.
    In diesem Sinne ist TXTMcopypaste voll auf Kurs, da reicht eine Phantom-Redaktion (mit Mini-Budget), um die KI Suppe von dort nach hier zu giessen.
    Ob über Hamburg, München, Zürich in die Provinz. Den Rest für die, die sowieso nicht mehr lesen können (wollen), übernehmen die social Suppenküchen. Oder alle Universitäten, längst nicht nur St.Gallen………

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  2. Felix Abt
    Felix Abt sagte:

    Dann gibt es noch den “Infosperber”, dem man (neben der «Weltwoche») zugute halten darf, auch über Themen zu schreiben, die im Einheitsbrei des Gesinnungsjournalismus in allen anderen Medien nicht vorkommen dürfen. Wenn Rede und Gegenrede wesentliche Bestandteile einer Demokratie sind, dann sind dies die einzigen zarten Pflänzchen, die im dichten Dschungel der Konformität um den Erhalt der wackligen Demokratie einstehen.

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  3. Sam Thaier
    Sam Thaier sagte:

    Bei Tamedia wirklich mehr als bloss Feuer im Dach. Die Causa Roshani hat gezeigt, dass trotz riesiger Personaldecke in Kaderfunktionen, niemand hinsteht mit Kompetenz und Glaubwürdigkeit. Der arme Tamedia-Pressesprecher Philip Kuhn muss nun für alle Regungen im Betrieb, den Kopf hinhalten.

    Vor wenigen Tagen hat Mathias Müller von Blumencron, die neue Tagesanzeiger-Führung präsentiert. Er verantwortet wegen dem langen Ausfall von Marco Boselli temporär die Publizistik bei Tamedia. Auch der Tamedia-Geschäftsleiter Andreas Schaffner möchte sich per Ende 2023 aus dem operativen Geschäft zurückziehen.

    Interessant, dass der nun interimistisch tätige Mathias Müller von Blumencron nicht mehr als Tamedia-Verwaltungsrat aufgeführt wird.

    Wichtig zu wissen, dass der TX Group-Verwaltungsrat ziemlich anders zusammengesetzt ist. Pietro Supino, Pascale Bruderer, Konstantin Richter und Sverre Munck gehören aber beiden Gremien an:

    https://tx.group/de/gruppe/ueber-uns/personen

    Diese wirklich komplizierte Organisationsform verdeutlicht die Problematik im Hause. Gerne würde ich auch fragen, ob es zukünftig bei Tamedia noch einen Oberchef geben wird? Verantwortlich für diese Unordnung ist der Verwaltungsratspräsident beider Verwaltungsräte.

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