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Die «Republik» ist verloren

Denn wenn der VR-Präsident so ein Interview gibt, dann gilt: rette sich, wer kann.

Michel Huissoud arbeitete in seinem vorherigen Leben in der Eidgenössischen Finanzkontrolle. Man muss sagen: trotz ihm sind die Finanzen einigermassen im Lot. Denn der Mann hat ein seltsames Verhältnis zur Realität.

Der Mann verkündet ernsthaft, dass er gerne 100’000 Abonnenten für die «Republik» gewinnen möchte. ZACKBUM möchte das auch haben, was der geraucht hat. Denn die Realität sieht so aus:

Und die Entwicklung so:

Wie man angesichts dieser Zahlen von 100’000 Abonnenten auch nur fantasieren kann, ist schlichtweg unbegreiflich. Aber nicht nur das. Der Fall des wegen angeblichen sexuellen Übergriffen fristlos gefeuerten Mitarbeiters ist für Huissoud abgeschlossen. Dabei hat er nicht mal richtig angefangen. Bis heute sind nicht alle Denunziantinnen namentlich bekannt, bis heute hatte der Beschuldigte keine Gelegenheit, sich dagegen zu wehren oder auch nur zu erklären, obwohl ihm das von ebendiesem Huissod zugesichert worden war.

Offenbar auch einer, der nach der Devise lebt: was geht mich mein dummes Geschwätz von gestern an. Aber auch bei anderen Zahlen zeigt der Zahlenmensch viel Fantasie. Der Tagi traut sich die Feststellung: «Nicht beigelegt sind die Finanzprobleme der «Republik», denn in dieser Hinsicht sieht es ganz und gar nicht gut aus.»

Antwort: «Doch, es ist alles gut.»

Tagi, leicht fassungslos: «Alles gut? Im heute erscheinenden Geschäftsbericht meldet die «Republik» ein Defizit von 1,6 Millionen Franken – statt der budgetierten 1 Million. Auch die Abozahlen waren im letzten Geschäftsjahr rückläufig

Darauf Huissoud flapsig: «Wir zahlen den Preis unseres Irrtums.» Was sagt er dazu, dass sein Organ eigentlich Ende dieses Jahres 33’000 Abos verkauft haben wollte? «Das müssen wir jetzt anschauen.» Was fällt ihm sonst noch dazu ein, dass die «Republik» bei etwas über 28’000 Abos rumkrebst, Anfang nächstes Jahr wie immer rund 12’000 Zahler ihr Abo erneuern müssen? Wie will er diese Zahlen wenigstens stabilisieren? «Indem wir die Erneuerungsrate steigern und wachsen.»

Da stösst der Tagi ein spitzes «Wie?» aus. Na, einfach: «Mit Überzeugung – und indem wir zeigen, dass die «Republik» notwendig ist.» So macht man das, ihr Pfeifen von den übrigen Medien, kann doch nicht so schwer sein.

Dazu gebe es ja das «Klimalabor», das vielleicht vor der Klimakatastrophe, wenn die Sonne explodiert, noch in die Gänge kommen wird. Und man werde alle Kandidaten bei den letzten Wahlen anschreiben. Womit? «Wie die Politik machen wollten – ohne die «Republik» zu lesen.» Auch da muss der Tagi prusten: «Warum sollte es für einen SVP-Nationalrat relevant sein, was ein linkes Nischenprodukt wie die «Republik» über ihn schreibt

Anschliessend dürfen sich auch die Leser den Bauch halten vor lachen: «Weil es Parallelen zwischen der «Republik» und der Eidgenössischen Finanzkontrolle gibt, was die Unabhängigkeit und die Kritik der Macht anbelangt.»

Aber dann gefrieren die Lachtränen, denn immerhin der VRP des Magazins wird gefragt, wie er das politische Profil beschreiben würde: «Das weiss ich nicht.» Steuerprobleme? Ach ja, da laufen noch die Untersuchungen. Die Prüfgesellschaft bezweifelt Mal für Mal die Chancen der Fortführung des Unternehmens? «Das ist noch nicht gravierend. Es ist ein Hinweis, keine Einschränkung, da wir Massnahmen aufgezeigt haben, mit denen wir die Wende schaffen können

So nach der Devise: Arzt zum Patienten: bist dann mal tot. Patient: Ach, das sehe ich nicht so eng.

Und wie soll er nun überleben? Ach, mit 100’000 Abonnenten. Und wo sollen die herkommen? «Es gibt ja auch noch andere Kantone als Zürich. Und Süddeutschland könnte auch noch ein Markt für die «Republik» sein.»

Also Expansion dorthin, fragt der Tagi. «Das wäre denkbar. Ich habe noch keine Zeit gehabt, eine Strategie auszuarbeiten.» Was für ein Traumtänzer. Der Zahlenmensch, der es auch mit einfachen Zahlen nicht so hat, wie ein Korrigendum am Schluss des Interviews beweist:

«In einer ersten Fassung dieses Interviews hiess es in einer Antwort von Michel Huissoud, die Republik habe im Frühling zehn Kündigung ausgesprochen. Diese Aussage, die autorisiert wurde, ist gemäss Geschäftsführung der Republik nicht korrekt: Im Frühjahr 2023 seien acht Kündigungen ausgesprochen, von denen zwei kurze Zeit später aufgrund anderer Personalverschiebungen zurückgenommen werden konnten, schreibt die Republik-Geschäftsführung. Die Antwort von Michel Huissoud wurde deshalb nachträglich korrigiert.»

Der Mann weiss nicht, wie viele Mitarbeiter rausgeschmissen wurden. Er hat keine Ahnung, wie die «Republik» positioniert ist. Er will 100’000 Abonnenten, weiss aber nicht, wo die herkommen sollen. Vielleicht aus Deutschland, ist doch alles viel grösser dort als in der Schweiz. Der Sexismus-Skandal ist für ihn abgeschlossen, obwohl sich der VR mit jeder neuen Mitteilung tiefer in den Sumpf ritt und reitet.

Bei dieser Affäre sind mehr Fragen offen als beantwortet. Wer hat die Geschäftsleitung mit «See only» zur Untätigkeit verdammt? Von wem wurde sie nach eigner Aussage fehlberaten? Wieso sind die Denunziantinnen bis heute weder der «Republik», noch dem Angeschuldigten bekannt? Wieso wurde der ohne die versprochenen Anhörung fristlos gefeuert? Wer muss für all die Fehler und die toxische Betriebskultur Verantwortung übernehmen?

Nur so als kleine Auswahl.

Aber die wichtigste Frage ist: wenn der VR die Strategie eines Unternehmens bestimmen soll, wer hat angesichts solcher Traumtänzereien noch Hoffnung, dass die «Republik» mit diesem VR überlebt?

 

 

Ist das peinlich

Sicher ist das etwa überspitzt. Aber der Tagi sollte sich was schämen.

Natürlich: Fremdwörter sind Glücksache, und immerhin verwendet der Tagi nicht den Begriff «Reichskristallnacht».

Aber gerade bei so einem Thema alle Liederlichkeit einer aufs Skelett abgemagerten Qualitätskontrolle zu zeigen?

Es gibt offenbar keinen mehr beim Tagi, der das Wort Pogrom immer richtig schreiben kann. Und in der Bildlegende geht dann die Schludrigkeit weiter:

«Stadtpräsidentin Corine Mauch redete an der Gedenkveranstaltung in Zürich auch Klartext zur Hamas und sprach der jüdischen Gemeischaft ihre Anteilnahme aus.» Der jüdischen Gemeischaft?

Immerhin, im Lauftext geht’s dann plötzlich: «… gestern Abend in der Synagoge an der Nüschelerstrasse an die Reichspogromnacht vom 9. November 1938 erinnert».

Dann geht’s wieder nicht: «… von Privatpersonen aus der israelischen Gemeinde.» Das wäre die israelitische Gemeinde.

Zusammengehackt haben diesen Artikel «lop/SDA/mae/hub».

Ist das alles einfach peinlich.

Wumms: Simon Schmid

Das sinkende Schiff «Republik».

Chaos, Schulden, ungeklärte Verhältnisse in der Chefetage, Output nicht nennenswert, Arroganz und Selbstherrlichkeit ungeschmälert. Die «Republik» bietet ein Bild des Jammers, das nur die verbleibenden Macher und die schwindende Unterstützerschar nicht sehen wollen.

Constantin Seibt hat Sprachdurchfall, die schreibende Schmachtlocke ordnet einmal pro Woche die Welt – ohne dass das jemand zur Kenntnis nimmt. Das Netteste, was man über sie sagen kann: Die Leiche lebt noch.

Interna dringen, das muss man der Schrumpfcrew lassen, selten bis nie nach aussen. Aber es gibt andere Signale, an denen man den Zustand des Blatts messen kann. Zum Beispiel an Simon Schmid. Bis 2022 arbeitete er als Wirtschaftsjournalist bei der «Republik». Zuvor war er beim «Tages-Anzeiger», dann bei der «Handelszeitung». Er ist ein stiller Schaffer, der leise kommt und leise geht.

So ging er nach der x-ten Bettel- und Angeberrunde bei der «Republik» und wechselte zum «Beobachter». Um nun wieder zum Tagi heimzukehren. Dessen Wirtschaftsredaktion hatte unlängst einen Aderlass zu beklagen. Also ist Schmid sicher willkommen.

Er hat auch recht. Dass der Monatslohn pünktlich eintrifft, dafür bietet Tamedia entschieden mehr nachhaltig Gewähr als die «Republik». Die kann zwar immer wieder in die tiefen Taschen von zwei Millionären fassen oder aber immer wieder das Publikum zu Spenden auffordern. Aber irgendwann sagen sich selbst Millionäre, dass sie nicht weiter gutes Geld schlechtem hinterherwerfen wollen. Und die Spendenfreudigkeit des Publikums nimmt, trotz Selbstmorddrohungen, auch ab, wenn sich herausstellt, dass die «Republik» mutmasslich Steuern hinterzogen  hat.

Da ist es ein interessantes Signal, dass Schmid vom Tagi zur «Republik» wechselte – und nun wieder zurück beim Tagi angekommen ist. Natürlich still und ohne Aufsehen zu erregen.

Wumms: David Sarasin

Der Tagi-Redaktor verlangt Unterwürfigkeit vom zahlenden Gast.

Sarasin wurde schon während der Pandemie verhaltensauffällig und senkte das ohnehin tiefe Niveau des Tagi spürbar.

Nun versucht er sich in seiner eigentlichen oder vermeintlichen Kernkompetenz und schreibt über Restaurants. Genauer, über die Gäste. Also über uns. Anlass ist der Sommerlochkrieg, der zwischen Personal und Gästen ausgebrochen ist. Das Personal beschwert sich über diejenigen, die seinen Lohn zahlen, die Besucher meckern an den Tellerschleppern herum.

Sarasin hat nun eine ganz originelle Idee:

Da stellt er eine kühne Behauptung nach der anderen auf: «Nur weil wir Geld bezahlen, dürfen wir nicht den Anspruch stellen, man solle uns gefälligst freundlich behandeln. Man muss etwas zurückgeben.» Auf diesem Irrweg galoppiert er ungebremst weiter:

«Zunächst hilft es, seine Anspruchshaltung zu entschlacken … Man muss sich erst bewähren … Die Lösung ist nicht, dass die anderen sich ändern, sondern wir uns.»

Wie bitte? Dass man in einem Schnellimbiss oder in der Tagi-Kantine (ausser, man darf in der Chefetage speisen, aber das dürfte Sarasin nicht vergönnt sein) tatsächlich keine sonderliche Freundlichkeit des Personals erwarten darf, versteht sich von selbst.

Wer aber zu zweit mit etwas Alkohol schnell einmal 150 oder 200 Franken im Lokal liegenlässt, muss sich ganz sicher nicht von Sarasin sagen lassen, dass man keine Ansprüche stellen dürfe oder sich zuvorkommende und freundliche Bedienung verdienen müsse. Schliesslich legt der höfliche Schweizer sogar noch Trinkgeld drauf, obwohl das seit Jahren inbegriffen ist.

Das ist halt der Unterschied. Hat ein Redaktor einen schlechten Tag, so wie hier Sarasin, belästigt er den Leser dennoch mit seinem Geschreibsel und erwartet sogar Geld dafür. Und denkt sich vielleicht: dass ich mal was Brauchbares schreibe, das musst du, Leser, dir erst verdienen.

Selbstverständlich dürfen wir als zahlender Gast erwarten, dass wir für anständige Preise nicht nur anständiges Essen, sondern auch ebenbürtige Bedienung bekommen. Sonst kann man ja gleich zu McDonald’s gehen. Wenn der Kellner, Pardon, der Kellnernde, wenn das «Frolein» (strenger Diskriminierungsverdacht) meint, seine Aufgabe erschöpfe sich darin, ein paar Teller von der Küche zum Gast zu tragen, sie irgend wann auch wieder abzuräumen und grundsätzlich auszustrahlen, dass der Gast als unangenehm störendes Element in einem ansonsten geregelten Leben empfunden wird, dann hat er (oder sie) den Beruf verfehlt.

Selbstverständlich kann man erwarten, dass der Brotnachschub nicht stockt, Wein nachgeschenkt wird, das Essen innert nützlicher Frist und geniessbar auf den Tisch kommt. Dass man nicht zu lange vor abgegessenem Geschirr sitzen muss, auch der vorbeieilende Kellner immer Zeit für einen Kontrollblick hat, ob es dem Gast auch an nichts mangelt.

Sonst könnte man ja gleich zu Hause kochen. Eine völlig falsche Vorstellung hat Sarasin, wohl mangels Erfahrung, auch von gehobenen Hotels:

«Man kann das in 5-Stern-Hotels erleben, wo man lediglich genügend hinblättern muss, damit einem die Angestellten die Wünsche von den Lippen ablesen. Zwar fühlt man sich dabei erhaben wie ein König, aber da Sie und ich und alle anderen, die wir kennen, keine solchen sind, fühlt sich das auch falsch an.»

Nein, das fühlt sich völlig richtig an, weil das der Sinn von Bewirtung und Beherbergung ist. Wo es darum geht, den Gast sich nicht als König fühlen zu lassen, sondern ihm Wohlbehagen und Wohlergehen zu verschaffen. Da das auch personalintensiv ist und qualifizierte Fachkräfte bedingt, ist das eben nicht ganz billig. Wem’s zu teuer ist, sollte es halt lassen, es besteht ja kein Luxuszwang.

Natürlich hat das Personal das Recht, einen unflätigen oder unverschämten Gast zurecht zu weisen oder notfalls sogar rauszuschmeissen. Wer sich aber anständig benimmt, hat anständige, freundliche, zuvorkommende Bedienung zu erwarten, wofür er schliesslich zahlt, nicht etwa der Kellner ihn.

Von einem zahlenden Gast in einem Restaurant zu verlangen, dass der sich ein selbstverständliches Verhalten des Personals erst verdienen müsse, ist bedenklich. Nein, schlimmer: es widerspiegelt genau die Haltung der Tagi-Redaktoren gegenüber ihren Lesern.

Kein Wunder, dass das Blatt am Abserbeln ist. Denn wer Gäste oder Leser erziehen will, eine bezahlte Dienstleistung mit Forderungen und Ansprüchen belädt, der hat auch seinen Beruf verfehlt.

Wenn der Tagi rechnet,

dann verrechnet er sich. Vor allem beim Steckenpferd alternative Energie.

Es ist bekannt. Tamedia ist ein strammer Befürworter der Energiewende. Weg von AKW. Kohle- oder Gaskraftwerke sind des Teufels, die Zukunft liegt in erneuerbaren Energien. Also Wasser, Sonne, Wind. Da darf jeder dilettieren, von der Chefredaktorin abwärts.

Gleich drei Fachkräfte widmen sich der Frage: «Geht die Lampe aus?» Aber gemach: «So kann die Schweiz die Energiewende schaffen: 5 Szenarien zur Stromversorgung von morgen im Vergleich.»

ZACKBUM nimmt erfreut zur Kenntnis, dass es Marc Brupbacher gelungen ist, einen Moment seine Aufmerksamkeit von den anhaltenden Gefahren durch Corona abzuwenden. Das ist sicherlich eine gute Nachricht – zumindest für ihn.

Allerdings: so sehr, wie er sich bei der Pandemie von der Realität verabschiedete, so lustig lebt er mit den Mitautoren Martin Läubli und Patrick Meier im Wolkenkuckucksheim der Energieherstellung aus Luft und Liebe.

Natürlich nicht ganz, aber fast. Richtig ist: «Die Schweiz will bis 2050 unter dem Strich die CO2-Emissionen auf Null senken.» Ab dann sollen keine fossilen Treib- oder Brennstoffe mehr verwendet werden. Das ist eine Ansage, reines Wunschdenken.

Wie schon Peter Bodenmann schmerzlich erfahren musste, klafft zwischen Wunsch und Wirklichkeit der Stromerzeugung und Speicherung ein Abgrund, der tiefer ist als der Walensee. Alle Fantasien, dass in den Alpen mit Photovoltaik die Stromlücke geschlossen werden könnte, die durch die Abschaltung der AKW entsteht, sind widerlegter Unsinn.

Es ist müssig, die Argumente zu wiederholen; anderslautende Berechnungen werden durch Wiederholung auch nicht richtiger. Es bleibt die Tatsache bestehen: Jeder Fachmann weiss, dass es ohne Kernkraftwerke nicht geht. Und jeder Fachmann weiss, dass wir nicht nur die bestehenden Kernkraftwerke brauchen, sondern weitere zwei bis drei bauen müssen.

Es bleibt die Tatsache bestehen: Windenergie wird nicht mehr als 1 Prozent der Stromerzeugung bestreiten. Grosse Anlagen mit Solarpanels – ob in den Bergen oder auf Hausdächern – werden die Winterstromlücke niemals schliessen können.

Es bleibt die Tatsache bestehen: zur existierenden Stromlücke werden durch die Schliessung der AKW weitere 20 TWh dazukommen. Wärmepumpen und Ausbau der Elektromobilität: weitere 20 TWh. Wie soll überschüssiger Sommerstrom gespeichert werden? Völlig offen, abgesehen von Absurd-Szenarien wie Pumpspeicherwerke und die Verwendung von Wasserstoff.

Wie kann die Schweiz die Energiewende schaffen? Nicht mit den «wenn Wünschen helfen würde»-Szenarien des Tagi. Sondern indem die Schweiz noch viel mehr Strom im Winter importieren muss als schon jetzt. Nicht nur, dass sie sich damit auf Gedeih und Verderb ausländischen Stromproduzenten ausliefert. Der wirkliche Brüller ist dabei, dass sie Strom aus AKW, aus Kohle- und Gaskraftwerken importiert.

Die sogenannte Energiewende findet also wenn schon so statt, dass die Schweiz ihre CO2-Emissionen exportiert. So wie wir unseren Schrott und Müll in Afrika und Asien abladen. Aber das wollen Brupbacher und Co. natürlich nicht wahrhaben. Auch auf diesem Gebiet versagt der Tagi krachend.

Wehe der Realität,

wenn sie der Journaille widerspricht.

Ein Putsch, der Marsch auf Moskau, der Zusammenbruch, das Ende. So galoppierten die Schweizer Journalisten los, reitend auf «Koryphäen», «Spezialisten», «Russland-Kennern» oder einfach jedem, der gerade noch kurz Zeit für ein Telefoninterview fand. Und wusste, dass er ein paar martialische Sachen sagen muss, damit es auch ein schönes Titelquote gibt.

Nachdem das alles publiziert und sogar gedruckt war, sagten aber Prigoschin und Putin «April, April». Statt Haue gibt es Eierkuchen. Marsch ist abgeblasen, die Wagner-Truppe ist aus Rostow abgezogen, es fehlte nur, dass sie noch die Strassen sauber gekehrt hätten und für das getankte Benzin bezahlt.

Der weissrussische Diktator Lukashenko soll der Truppe Exil und Asyl bieten, Prigoschin sagte zum Abschied leise «do svidaniya», und Putin sagte «alles vergeben, alles vergessen, Schwamm drüber». Das ist natürlich blöd, wenn die Journaille so richtig einen Lauf hat und bereits fantasierte, dass Prigoschin am Samstagabend in Moskau einmarschieren könnte.

Abbremsen, absteigen, absatteln, abrüsten? Aber nein, so geht das natürlich auch nicht. Daher:

Komisch, eigentlich war er doch schon am Ende, so wie die «Putin-Versteher», und jetzt wankt er bloss? Auch der Tagi, also Tamedia, vielleicht sogar der «Tage-Anzeiger», ist nachtragend, dass die Wirklichkeit nicht so will, wie sie sollte:

Stefan Kornelius, der Brachial-Rhetoriker von der «Süddeutschen Zeitung», hat mal wieder einen Gastauftritt beim Tagi, also bei Tamedia, na, lassen wir das. Dabei ist ihm sein dummes Geschwätz von gestern ziemlich egal: «Ein Regime mit totalitären Zügen ist hingegen in Moskau an der Macht. Bedauerlicherweise ist seine Beseitigung nicht absehbar.»

Sein Frust, dass sich die Dinge nicht so entwickelten, wie er hoffte, tropft aus jeder Zeile: «Eine Mörderbrigade hat den russischen Diktator gedemütigt und den jämmerlichen Zustand des Militärs entlarvt.»

Vielmehr haben Prigoschin und Putin gezeigt, wie man sich elegant aus einer Konfrontation windet, die für beide nicht ohne Beschädigungen hätte abgehen können. Wobei die Annahme absurd wäre, dass es der Wagner-Truppe hätte gelingen können, Moskau zu erobern oder Putin zu stürzen. Aber wenn der Wunsch Vater des Gedankens ist …

Bei «20 Minuten» erlebt der «Russland-Experte Alexander Dubowy» («Es handelt sich tatsächlich um einen Militärputsch») seine Auferstehung, nachdem er bei den Kollegen von CH Media krachend daneben lag. Je nun, es muss halt ein Experte her. Also tönt «20 Minuten»: «Alexander Dubowy ordnet ein», dabei hat der offensichtlich keine Ahnung.

Das übertüncht er mit markigen Sprüchen: «Die Stimmung ist am Kochen. Putins Legitimität bröckelt … Der Versuch, Strassen und Brücken nach Moskau zu zerstören oder mit Lastwagen zu blockieren, war verzweifelt … Es ist gut möglich, dass wir am Samstag den Anfang des Endes von Putins Russland erlebt haben.» Und so weiter.

Es ist nicht gut möglich, sondern schriftlich belegt, dass sich Dubowny auf dem ungeordneten Rückzug von seinen früheren Behauptungen befindet. Aber er gibt nochmal richtig Gas: «Ich denke, dass es Russland in der Form und Grösse, wie wir es heute kennen, bis 2030 nicht mehr geben wird.» Da kann er sich in der sicheren Hoffnung wiegen, dass sich in sieben Jahren keiner mehr an sein Geschwätz erinnern wird.

Einigermassen nüchtern bleibt dagegen «blue news»:

Ziemlich breitbeinig kommt dagegen CH Media daher:

«Alles zum Aufstand der Wagner-Söldner»? Aber immerhin, hier versucht sich Kurt Pelda an einer «Analyse», und der hat immerhin eine Ahnung, wie es vor Ort in der Ukraine zugeht. Ob er tatsächlich zu einer Analyse der russischen Situation fähig ist, sei dahingestellt. Auf jeden Fall steuert er eine hübsche Anekdote bei. Was wohl die russischen Soldaten in der Ukraine von einem Oberbefehlshaber hielten, wenn ihnen bewusst würde, «dass sie von einem schwächelnden Mann kommandiert werden, der heute so ängstlich ist, dass eine Gruppe russischer Kriegsjournalisten, die er kürzlich zu sich zum Gespräch einlud, zuerst eine tagelange Isolation über sich ergehen lassen mussten

Sehr cool nimmt es hingegen weiterhin die NZZ und behält das Wesentliche im Auge: «Das Ende des Prigoschin-Aufstands wirkt sich positiv auf Asiens Börsen aus». Allerdings geht’s dann im Orchester doch auch mit schrillen Tönen weiter: «Aufstieg und Fall eines Kriegstreibers», «Die Angst vor dem Chaos», «Prigoschin fehlt bei der Rebellion der Rückhalt», aber doch auch «Ruhe in Russland nach Aufstand».

Der Ausland-Chef Peter Rásonyi versteigt sich allerdings wieder zu einem «Kommentar». Dessen Berichterstattung über den Ukrainekrieg hat sich der «Schweizer Monat» im Februar dieses Jahres zur Brust genommen. Grandioses Resultat: In der NZZ hat die Ukraine schon unzählige Male gesiegt, immer wieder und immer öfter.

Hat Rásonyi daraus etwas gelernt? Zumindest fängt er seinen Kommentar verhalten an, mit einem Stossseufzer: «Jene Tage, an denen Putins Präsidentschaft und sein fürchterlicher Krieg Geschichte sein werden, können keinen Moment zu früh kommen.» Aber wann kommen sie denn? «Es ist allerdings noch nicht so weit. Die Lage in Russland ist weiterhin unübersichtlich.»

Sichtbar in der Unübersichtlichkeit ist aber: «Putin hat das Schlimmste noch einmal abgewendet. Gleichwohl steht er nach den dramatischen Ereignissen vom Wochenende als der grosse Verlierer da.» Warum denn? «Wer am Morgen noch harte Bestrafung für einen Verräter ankündigt und am Abend dieselbe Strafe zurücknimmt und den Täter laufenlässt, wirkt verzweifelt, ängstlich und schwach.»

Was den Ausland-Chef zur Schlussfolgerung bringt: «Schwache Diktatoren leben gefährlich.» Starke übrigens auch.

Kommentatoren hingegen nicht. Sie können ungehemmt Unsinn verzapfen. Stellt sich das als Quatsch heraus, verzapfen sie halt anderen Unsinn. Sollte das wiederum, siehe oben. Aber mit Glaubwürdigkeit, Vermittlung, Kompetenz, Einordnung, Erklärung oder Hilfestellung hat das wenig zu tun. Mit einer Dienstleistung, die geldwert sein soll, noch weniger. Denn für Meinungen am Stammtisch, ohne vertiefte Kenntnis oder Analysefähigkeit, zahlt man schliesslich auch nichts. Kann aber immerhin noch ein Bier dabei bestellen. Oder jederzeit aufstehen und gehen. Was auch immer mehr Abonnenten tun.

 

 

Michael Hermann greift ein

Woran merkt man, dass ein Thema ausgelutscht ist?

Da gibt es inzwischen vier Möglichkeiten. Marko KovicIch versuche, über Wichtiges nachzudenken») meldet sich zu Wort. Raphaela Birrer schreibt einen Leid-, Pardon, Leitartikel. Jacqueline Büchi verfasst eine «Analyse». Oder aber, der «Politgeograf» Michael Hermann gibt etwas zum Besten.

Das gerät meistens zum Lachschlager, wenn die Mietmeinung immer wieder ein Loblied auf die EU singt. Diesmal aber muss er sogar noch Büchi hinterherarbeiten, die im schrankenlos nach unten offenen Tagi bereits mit untauglichen Mitteln und kleinem Besteck an der Umfrage unter Uni-Studentinnen rumgenörgelt hatte.

Damit ist dieser Multiplikator für Hermann durch, in der NZZ hat Katharina Fontana zum Thema ein Niveau vorgelegt, dass Hermann nur unterbieten könnte. Also hat er sich, in der Not frisst der Teufel Fliegen, oder sagten wir das schon, für das Qualitätsorgan, das Intelligenzlerblatt «watson» entschieden.

Denn auch bei Politgeografen gilt: any news is good news. Sagt man länger nix, verschwindet man aus der Kurzwahlliste der Sparjournalisten, wenn die einen «Experten» brauchen. Mit seiner üblichen Fingerfertigkeit setzt «watson» schon mal den falschen Titel: «Kritik an Studentinnen-Studie wird lauter». Nein, Lautstärke ist leider auch kein Argument.

Den Artikel selbst muss man – ausser man leidet unter Schlaflosigkeit oder weiss wirklich nicht, was man mit seinem Leben anfangen soll – nicht lesen. Denn der Lead alleine genügt schon für einen kräftigen Lacher:

«Es sei «beelendend», wie die «SonntagsZeitung» über das Thema Gleichstellung berichte, sagt Politgeograf Michael Hermann. Seine Forschung belege, dass studierte Frauen sehr wohl arbeiten.»

Komisch, die Umfrage belegt keinesfalls das Gegenteil. Aber vielleicht hat Hermann eine angeschaut, in der tatsächlich stünde, dass studierte Frauen keineswegs arbeiteten. Selbst Hermann arbeitet. Allerdings an seinem «Forschungsinstitut» Sotomo. Dort forscht er gerne im Auftrag von staatlichen Behörden oder der SRG. Völlig unabhängig von seinen Zahlmeistern, darunter das BAG, gab er in seiner Tagi-Kolumne schon mal bekannt: «Trotz Verschwörungstheorien und neuen Freiheitsfreunden: Staatliche Massnahmen haben in einer Phase grösster Verunsicherung Sicherheit und Vertrauen geschaffen.»

Darauf angesprochen, dass da vielleicht ein Interessenkonflikt bestehe, den er doch dem Leser seiner Kolumne offenlegen sollte, meinte Hermann: «Wenn der Massstab wäre, alle Akteure in meiner Kolumne zu deklarieren, bei denen ich  schon Aufträge hatte, müsste ich dies bei praktisch jeder tun

Der war nicht schlecht. Inzwischen ist er seine Kolumne los, umso grösser sein Bedürfnis, anderweitig Gehör zu finden. Aber gut, damit ist Hermann überstanden. Wir wappnen uns schon für den Auftritt von Birrer und Kovic.

 

 

Wie IP den Tagi abtrocknet

Nicht nur Primeurs im Finanzwesen …

Dass Lukas Hässig und seine wenigen Mitstreiter* regelmässig die Finanzmedien der Schweiz abtrocknen, hat schon Tradition. Die unverschämte Millionenzahlung an Vasella, IP hat sie aufgedeckt. Das lustige Treiben von Pierin Vincenz bei «Raiffeisen»: IP hat ihn im Alleingang zu Fall gebracht.

Nun wildert der muntere Finanzblog auch noch auf Gebieten, wo der krankgeschrumpfte Tagi eigentlich noch letzte Reste von Sachkompetenz zeigen sollte: im Zürcher Lokalen.

Statt selbst zu recherchieren, ahmt nun der Tagi das nach, was in seiner Mantelredaktion Gang und Gebe ist. Statt selber zu schreiben, kupfert man einfach Angeliefertes aus München ab, die «Süddeutsche Zeitung» füllt den mageren Platz.

Was dort Recht ist, kann im Zürich-Teil doch nicht Unrecht sein, sagt sich Tagi-Redaktor Jan Bolliger und schreibt fleissig ab: «Laut dem Online-Medium «Inside Paradeplatz» sollen nun die beiden Bewerberinnen gemeinsam in das Gebäude am Ende der Europaallee einziehen.»

Gemeint ist, dass die SBB als Vermieter wohl einen Nachmieter für die bankrott gegangene Kosmos-Liegenschaft gefunden haben. Also genau gesagt zwei, wie «Inside Paradeplatz» vermeldet. Damit würden die SBB markant von der Ausschreibung abweichen, in der sie einen Bewerber suchten, der sowohl die Kinosäle wie das gastronomische Angebot übernehmen wollte.

IP feuert dann auch noch eine Spitze gegen das Zürcher Film Festival (ZFF) ab, das neben der Commercio-Gruppe zum Handkuss kommen soll. Die NZZ hatte das ZFF von der Lebensgefährtin des gescheiterten CS-VR-Präsidenten Urs Rohner übernommen, für teures Geld. Nun wird das ZFF inzwischen grosszügig von Stadt und Kanton Zürich mit Steuergeldern subventioniert, auch der Bund steht da nicht abseits.

Diesen nicht unbedeutenden Teil der Story von IP lässt der Tagi allerdings aussen vor. Man hat ja nicht Platz für alles. Lustig ist hingegen die Schlussbemerkung von Bolliger: «Das Kulturhaus, gegründet von Filmemacher Samir und Buchhändler Bruno Deckert, ging im vergangenen Dezember bankrott. Der Konkurs war begleitet von gegenseitigen Vorwürfen der Mitgründer und der zahlreichen Verantwortlichen, die den Betrieb während seines fünfjährigen Bestehens geleitet hatten.»

Auch ihm sind, wie allen wohlhabenden Aktionären des Illusionsprojekts «Kosmos», die mehr als 70 Angestellten, die von einem Tag auf den anderen auf der Strasse standen, keine Bemerkung wert. Denn das waren die Hauptleidtragenden der verantwortungslosen Verantwortlichen, die lieber über ihr eigenes Befinden lamentierten und allen anderen, nur nicht sich selbst die Schuld an diesem Desaster gaben. Genauso angeschmiert waren übrigens auch viele Firmen und Privatpersonen, die bereits ein Event im «Kosmos» geplant und bezahlt hatten.

Wie es nun mit den Verantwortlichkeiten des Kosmos-VR und seiner Betreiber steht, das muss noch aufgearbeitet werden.

Währenddessen wildert das Einmann-Orchester mit musikalischen Begleitern IP auch noch in anderen Gefilden. Während sich Lukas Hässig an einem einzigen Tag der Sonderboni der CS, eines Lecks bei der Helsana und neuen Gebräuchen bei der Raiffeisen annimmt, erläutert Militärexperte Albert Stahel unermüdlich die Kriegslage in der Ukraine. Banken-Professor Hans Geiger lässt sich regelmässig zu aktuellen Finanzthemen interviewen, und selbst Beni Frenkel läuft in seiner Kritik an «Laeri’s Start-up» trotz Deppen-Apostroph zu Höchstformen auf und lässt kein gutes Haar an «ElleXX». Völlig zu recht. Aus einem Umsatz von bescheidenen 181’000 Franken wollen die Betreiberinnen eine Bewertung von sagenhaften 16 Millionen herausmelken (lassen). Sie gehen dafür bei den sogenannten «Members» von einer Wachstumsprognose von 300 Prozent pro Jahr aus und wollen bereits 2023 einen Umsatz von einer satten Million realisieren, der dann bis 2026 auf sagenhafte 26,3 Millionen steigen soll.

Selbst im Prospekt werden diese Wachstumsraten als «ambitioniert» beschrieben, was im Finanzsprech das Wort für leicht wahnsinnig ist.

Besonders lustig ist Frenkels Ironie, was die Besucherzahlen von ElleXX betrifft. Die betrage seit dem Launch «mehr als 220’000 Menschen». Super, hämt Frenkel, gleichviel Klicks habe Roger Köppel an einem einzigen Tag.

Während die Zahl von Abonnenten bei ElleXX seit einem halben Jahr bei rund 1000 dümple. Plus: «Mit einem Säule 3a-Angebot für Vontobel und ihrem „Gender Equality Tracker“ für die Migros Bank kommt die ElleXX derzeit auf ein paar Zehntausend Franken Einnahmen

Vernichtender geht’s nicht mehr, und da sich Frenkel diesmal jeglicher sexistischer Seitenhiebe enthält, kann man gespannt sein, was Laeri und Co. diesmal als Entgegnung einfällt.

*Packungsbeilage: Auch ZACKBUM-Redaktor René Zeyer schreibt gelegentlich auf «Inside Paradeplatz».

Ach du blödes Ei

Sandro Benini setzt den Tagi-Niedergang fort. Wenn auch auf höherem Niveau.

Vielleicht liegt es an den Kommentaren von Raphaela Birrer, Angela Barandun, Philipp Loser oder Andreas Tobler, dass dem Tagi die Leser in Scharen davonlaufen.

Vielleicht liegt es auch an einer verbohrten Grundhaltung, die Sandro Benini auf einem intellektuell und sprachlich durchaus höheren Niveau zum Ausdruck bringt. In seinem Essay rührt er einiges zu einem unbekömmlichen Brei zusammen.

Er beginnt damit, dass sich die Grenzen zwischen linkem staatlichem Interventionismus und rechter staatlicher Zurückhaltung aufgelöst hätten. Als Beweis führt er diverse Wahlkampfversprechen an, obwohl er wissen müsste, dass hier alle Politiker von links bis rechts so ziemlich alles versprechen.

Allgemeines Geschwurbel widerlegt man am besten konkret. Angesichts der CS-Katastrophe fordert die SVP, dass alle «too big to fail»-Banken in der Schweiz zerschlagen werden sollten, damit genau keine Staatsintervention mehr nötig würde. Lustigerweise wurde diese Motion von den Grünen und zunächst auch von der SP unterstützt, die dann aber auf dem Absatz kehrt machte und sie versenkte. Ist alles ein wenig komplizierter, als Benini es sich zurecht schnitzt.

Aber dieser Fehlstart ist nur die Einleitung zum Hauptthema, der angebliche «Woke-Warnartikel». Unter diesem Oberbegriff subsumiert Benini dann alle Schlagworte von Cancel-Culture, politische Korrektheit, Meinungsdiktatur, Gesinnungspolizei, Tugendterror und vor allem entrüstet er sich darüber, dass von «selbst ernannten» Moralwächtern die Rede sei.

Dabei übersieht er geflissentlich, welche gefährlichen Ausmasse genau diese Haltung, beispielsweise an US-Universitäten, bereits angenommen hat. Die Beispiele sind Legion, wozu sie hier aufzählen. Bücher sollen umgeschrieben werden, Professoren müssen für Äusserungen wie «hallo, China man» um ihre Stelle fürchten, Auftritte an Universitäten müssen wegen Tugendterror abgesagt werden, Rastalockenträger und viele andere werden beschimpft, dass sie damit «kulturelle Aneignung» betreiben würden.

Es gäbe keine nennenswerte Cancel-Culture? Das sollte Benini mal dem Pink-Floyd-Gründer Roger Waters erzählen, dessen Auftritt in Frankfurt gerade gecancelt wurde. Neben anderen. Weil der Mann Meinungen hat, die dem, Achtung, Fake News, Mainstream nicht passen.

Von dem auch bei Tamedia seitenweise betriebenen Sprachwahnsinn, dem Gendersternchen, der inkludierenden Sprache, der Vergewaltigung der deutschen Orthographie und Syntax ganz zu schweigen. Vielleicht sollte sich Benini mal kundig machen, welchen Unsinn sein Kollege Andreas Tobler dazu schon publiziert hat – bei Tamedia. Auch Benini widerlegt sich selbst in seinem Pamphlet, weil er seine woken Reflexe nicht im Griff hat:

«Es stimmt, dass Wörter, die vor kurzem noch selbstverständlich waren (wie das N-Wort), heute tabu sind – zu recht.» Was meint er damit? Nigger, Neger, Nazi? Wieso kann er das Wort nicht ausschreiben? Ist es plötzlich toxisch geworden, vergiftet es den Leser?

Mit diesem Unsinn ist er nicht alleine. Konkretes Beispiel: in einer angeblich wissenschaftlichen Studie über die Verwendung des historisch unbelasteten Wortes «Mohr» schreiben die «Wissenschaftler» doch tatsächlich «M***», also sie verwenden den zentralen Begriff ihre Untersuchung gar nicht. Grotesk. Kein Wort der Sprache kann «tabu» sein.

Der Kampf um die Verwendung des Wortes Mohr als Hausbezeichnung wird in Beninis Tagi so dümmlich wie den geschichtsvergessenen Sprachreinigern zustimmend begleitet und kommentiert, nebenbei.

Was all diesen Sprachreinigern nicht auffällt: erstens ist die Sprache nicht die Wirklichkeit, sondern unser Mittel, sie zu beschreiben. Zweitens ist Sprachreinigung etwas zutiefst Diktatorisch-Faschistisches. Orwellsche Diktaturen wollen Begriffe verbieten, nationalsozialistische Sprachreiniger wollten das arische Deutsch von der Verschmutzung durch jüdisches Untermenschentum befreien.

Wer heute noch von «Tabu»-Wörtern spricht und das sogar begrüsst, steht knietief in diesem braunen Sumpf postfaschistischer Sprachreinigungsversuche. Sie gäbe es nicht? Sie gibt es innerhalb und ausserhalb von Tamedia. Vielleicht mal den Leitfaden, das Sprachreglement der ZHAW durchlesen. Vielleicht mal die diktatorischen Anwandlungen vieler Inhaber von völlig überflüssigen Gender-Lehrstühlen zur Kenntnis nehmen.

Wieso fällt einem bei diesen Zensurversuchen immer der Islam ein, der jede Abbildung Allahs und seines Propheten bei Todesstrafe verbietet? Genau wie deren angebliche Beleidigung durch kritische Worte. Vielleicht sollte Benini mal Salman Rushdie fragen ob Cancel-Culture existiert oder nicht. Ach, das sei dann bloss im fundamentalistischen Islam der Fall? Abgesehen davon, dass der seinen Anschlag im freisten Westen verübte: kennt Benini wirklich keine Dichterlesungen in Deutschland oder der Schweiz, die unter Polizeischutz stattfinden? Vielleicht sollte er auch mal mit Andreas Thiel sprechen.

Vielleicht will Benini aber einfach auch nicht aus seiner Gesinnungsblase (Achtung, auch so ein verdorbenes Wort) in die frische Luft heraustreten. Bloss reine Idiotie hingegen ist die Verwendung von Formulierungen wie «Publizisten und Politikerinnen». Der Versuch der Vermeidung des generischen Maskulins führt zu einem grammatikalischen Blödsinn.

All diese Anstrengungen, Indianerspiele, Winnetou, angeblich «verletzende» Textstellen zu «reinigen», widerspiegeln einen voraufklärerischen Sprachwahn, führen direkt zurück ins Mittelalter der kirchlich vorgeschriebenen richtigen Auslegung des angeblich geoffenbarten Wortes. Absurd, dass am Anfang des zweiten Jahrtausends noch solche Rückfälle stattfinden und verteidigt werden.

Nachdem sich Benini mit vielen Beispielen, aber doch kleinem intellektuellem Besteck an diesen Kritiken der Wokeness abgearbeitet hat, kommt er zum Schluss ziemlich abrupt zu seinem eigentlich Anliegen:

«Was die offene demokratische Gesellschaft tatsächlich bedroht, sind nicht die Woken, sondern Rechtspopulisten in Regierungsgebäuden, wie Orban oder noch vor kurzem Trump und Bolsonaro. Indem ein Teil derjenigen, die am lautesten über den Woke-Wahn ablästern, solch autoritäre Figuren verteidigen oder verharmlosen, steuern sie eine realsatirische Fussnote zum Kapitel «Verlogenheit» bei

Lustig, dass Benini sich über Politiker erregt, die allesamt in demokratischen Abstimmungen in ihr Amt kamen. Ob man deren Wirken kritisiert oder verteidigt, hängt schlichtweg von der politischen Position des Autors ab. Was daran eine «Fussnote zum Kapitel «Verlogenheit»» sein soll?

Verlogen sind all die Moralwächter, deren Verhalten ganz einfach dargestellt werden kann. Wenn jemand ein Argument formuliert, ob bescheuert oder bedenkenswert, gehen sie niemals auf das Sachargument ein. Sondern behaupten immer, dass dahinter eine bestimmte, verächtliche Haltung stünde. Genau diese Verwechslung macht Benini auch.

Um die Ärmlichkeit seiner Argumentation zu camouflieren,  zitiert er zwar fleissig Werke und Autoren. In keinem einzigen Falle geht er aber über die Unterstellung gewisser Haltungen oder Ideologien oder Positionen hinaus und ins Konkrete. A sagt B, das ist falsch weil C. Das wäre ein Essay, das den Namen verdient.

Stattdessen schwurbelt Benini pseudogelehrt mit Beispielen aus den vergangenen Jahren, um seine Grundthese zu  belegen, dass die Kritik an Wokeness bescheuert sei, weil es sie gar nicht gäbe.

Dieser Ansatz krankt an zwei Fehlern: natürlich äussert sich Wokeness bis zur Absurdität. Natürlich gibt es vor allem innerhalb von Tamedia einen klaren Kanon von erlaubten und verbotenen Meinungen. Natürlich sind auch hier Sprachreiniger und Sprachdikatoren unterwegs, hier werden von selbst ernannten (!) Sprachwächtern gute Wörter von Pfui-Begriffen unterschieden. Wer Pfuibäh verwendet, ist zudem ein Populist, ein Rechtskonservativer, gerne auch ein Hetzer, auf jeden Fall verlogen.

Sollte Benini wirklich noch Zweifel daran haben, dass es bei Tamedia so zu und hergeht, sollte er sich doch, statt irgendwelche Werke zu zitieren, in die Berichtserstattung über die Pandemie und vor allem über Kritiker an staatlichen Massnahmen vertiefen. Da sollte er sich mal die antidemokratische Haltung seines Politchefs anschauen, der doch tatsächlich forderte, dass endlich zwangsgeimpft werden sollte – ohne jegliche gesetzliche Grundlage.

Das alles wären Themen und Beispiele, denen man durchaus ein Essay widmen könnte. Aber dafür bräuchte es natürlich eine Zivilcourage, die heutzutage kein angestellter Redaktor mehr aufbringt.

Daher gilt auch hier, angesichts eines biblischen Feiertags:

«Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht. Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! – und siehe, in deinem Auge steckt ein Balken! Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du zusehen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen!»

Oder noch einfacher: wer im Glashaus sitzt, sollte wirklich nicht mit Steinen werfen …

Zahlen lügen nicht

Zwei Strategien scheitern, zwei funktionieren.

So einfach sind die neusten Zahlen der Studie «Mach Basic» der Wemf. Abgesehen davon, dass die Bude immer mal wieder die Kriterien ändert, was beispielsweise die aktuellen Zahlen der «Schweiz am Wochenende» nicht mit denen des Vorjahrs vergleichen lässt: klare Ergebnisse der neusten Reichweitemessung.

«20 Minuten» in der Deutschschweiz: minus 10 Prozent, «Tages-Anzeiger» sogar minus 13 Prozent, «SonntagsZeitung» minus 1 Prozent.

Parallel dazu: «Blick» minus 10 Prozent, «SonntagsBlick» minus 10 Prozent. «Beobachter» minus 10 Prozent, «Schweizer Illustrierte» minus 10 Prozent, sogar die «Glückspost» minus 10 Prozent.

Also Tamedia und Ringier verlieren happig Leser im zweistelligen Bereich. Bevor da von allgemeinen Umständen, schwierigen Zeiten und unbeständigem Wetter gefaselt wird, im besten CS-Stil:

«NZZ» plus 6 Prozent, «Schweiz am Wochenende» mit 992’000 Lesern die meistgelesen Zeitung der Deutschschweiz. Dazu hält sich die NZZaS einigermassen, die SoZ auch, während der SoBli abschmiert.

Wir sprechen hier ausschliesslich vom Print, da die Wemf die Zahlen für «total audience», also Print und Online, nur gegen Bezahlung rausrückt.

Aber im Printbereich kann man eindeutig sagen, dass sich CH Media einigermassen hält und die NZZ deutlich zulegt. Während bei Tamedia «20 Minuten» und vor allem der «Tages-Anzeiger» schwächeln, hält sich immerhin die SoZ auf Vorjahresniveau.

Durchs Band schmiert hingegen die «Blick»-Familie ab. Nun haben solche Entwicklungen immer Verantwortliche, und die sind nicht unbedingt auf der Ebene Chefredaktion zu suchen, sondern bei der Geschäftsleitung. Das wäre bei Ringier also Ladina Heimgartner, die offensichtlich mit Blitzstrahlen und einem zur Denunziation einladenden «Cultural Audit» davon ablenken will, dass ihre Strategie, dem «Blick» alle Zähne zu ziehen und ihn weiblicher, dafür viel weniger boulevardesk zu machen, krachend gescheitert ist.

Bei Tamedia musste der zuständige Geschäftsführer Marco Boselli bereits die Konsequenzen verspüren. Er wurde kurz spitz entsorgt. Sein Nachfolger a.i. hat allerdings durchaus Ähnlichkeiten mit Heimgartner: ein Schwulstschwätzer ohne Leistungsausweis.

Die Frage ist nun, ob diese desaströsen Zahlen in zwei Verlagen, im Gegensatz zu stabilen oder sogar positiven Zahlen in zwei anderen Verlagen, irgendwelche Konsequenzen haben werden. Leserschwund in zweistelliger Zahl, das ist normalerweise ein Alarmzeichen, auf das reagiert werden muss. Die Auswechslung von Geschäftsleitung und Chefredaktion drängt sich dabei normalerweise auf.

Nun hat Heimgartner, wenn auch aus anderem Grund, den Oberchefredaktor der «Blick»-Familie in eine Auszeit ohne Wiederkehr geschickt. Auch der Oberchefredaktor bei Tamedia musste ins Glied zurücktreten, sozusagen. Während die Nachfolge beim «Blick» noch völlig unklar ist, lässt die Regelung beim «Tages-Anzeiger» Übles ahnen.

Währenddessen zeigen Patrik Müller und Eric Gujer, beide auch in der Geschäftsleitung, dass die gute alte Idee, dem Leser für sein Geld auch einen Gegenwert zu bieten, durchaus Sinn macht. CH Media (und die NZZ) sind das Thema Pandemie viel weniger kreischig und unverhohlen regierungsgläubig angegangen, haben viel weniger gegen angebliche Corona-Leugner ausgeteilt.

Natürlich spielt die NZZ inzwischen in einer eigenen Liga, was die Breite des Angebots, die Qualität des Angebotenen und die klare Positionierung betrifft. Aber genau da liegt die Achillesferse sowohl von Ringier wie von Tamedia. Die Hauptpublikationen lassen jedes Profil vermissen. Es ist Wischiwaschi, Weichgespültes, allzu häufig sind es Bauchnabelbetrachtungen der Redakteure.

Bei Tamedia nimmt der Anteil von Artikeln aus der «Süddeutschen Zeitung» in München überhand, bei Ringier fehlt es zunehmend an journalistischen Eigenleistungen im Boulevard. Dass ein längst pensionierter Vic Dammann immer noch die einzigen Krimalstorys mit Hand und Fuss beim «Blick» schreibt, dass Tamedia überhaupt keinen profilierten Schreiber mehr hat, das ist ein klares Indiz der Misere.

Wie schon Zimmermann in seiner «Weltwoche»-Kolumne empfahl, der Tagi sollte sich einfach mal klar positionieren. Als das, was aus ihm geworden ist. Ein Blatt für ein wokes, urbanes, eher linkes Publikum der Besserverdienenden, denen das Schicksal von Prekariatsmitgliedern eher egal ist. Die ihre Kinder in Privatschulen schicken und somit nichts von den Auswirkungen der Masseneinwanderung im staatlichen Schulsystem mitkriegen. Die hedonistisch in Genuss schwelgen, in der Stadt mit dem E-Scooter herumglühen, aber in den Ferien gerne mal auf den Malediven entspannen.

Der «Blick» hingegen müsste dringend zum althergebrachten Konzept «Blut, Busen, Büsis» zurückkehren. Denn das gehört zum Boulevard wie die Kampagne, die anzüglichen Berichte über Sexskandale, über die vielen Fehltritte der B- und C-Prominenz.

Debatten über Gendersterne, inkludierende Sprache, Sprachreinigung, Geschimpfe über Mohrenköpfe, das alles interessiert das Publikum weder beim Tagi noch beim «Blick».

Also Abhilfe wäre denkbar. Aber die wäre auch bei der CS möglich gewesen. Nur sind lediglich durch ihr intrigantes Geschick an höhere Positionen geratene Personen meistens sehr clever im Verteidigen des erkletterten Pöstchens. Aber Impulse, Strategien, Ideen, das alles sind nicht so ihre starken Seiten. Zudem sind sie aus Unsicherheit meistens beratungsresistent und schmeissen lieber einen Haufen Geld für externe Beratung hinaus.