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Fakten, Fakten …

… und an den Leser denken. War mal ein Erfolgsgarant. Tamedia pfeift drauf.

Ein ganz normaler Freitagmorgen in der Woke-Küche namens Zentralredaktion. Da behauptet die Kolumnistin Nadine Jürgensen unter dem Brachial-Titel «Brechen wir das Schweigen!»: «Jede Frau ist von sexualisierter Gewalt betroffen.»  Und zitiert die Brachial-«Expertin» Agota Lavoyer, die Kreische der angeblich überall vorhandenen «sexualisierten Gewalt», was immer das sein mag. Aber auf jeden Fall geht sie nur von Männern aus.

Das hat Tamedia schon des Langen und Breiten bis zum Überdruss ausgebreitet. Aber Jürgensen scheint gerade das Buch dazu gelesen zu haben. Immerhin relativiert sie: «Nicht alle Männer sind sexuell übergriffig.» Gut, nur sind keineswegs alle Frauen «von sexualisierter Gewalt» betroffen. Nur interessiert diese larmoyante Wiederholung sicherlich die Mehrheit der Tamedia-Leser einen feuchten Dreck.

Der missglückte Online-Auftritt macht mit der Hammer-Meldung auf: «Mein Sohn geht ins Gymi: Es ist der Himmel – und die Hölle». René Hauri weint den Lesern mit seinen höchstpersönlichen Erfahrungen ins Hemd. Aber da die Mehrheit der Tamedia-Leser keinen Sohn haben, der ins Gymi geht, und wenn, dann wohl auch nicht so drunter leiden …

Dann jubelt Paul Munzinger von der «Süddeutschen Zeitung» über die erste Präsidentin Namibias, weil sie eine Frau ist. Grossartig. Dass sie gegen Abtreibung und Homosexualität ist, nun ja, aber he, sie ist eine Frau, und das ist doch super. Versteht der Tamedia-Leser nicht, interessiert ihn auch nicht gross. Wie viele könnten spontan angeben, wo Namibia liegt? Und ist die Geschlechtszugehörigkeit wirklich wichtiger als die politischen Auffassungen?

Dann nahm der Bote des Gottseibeiuns an einem Ministertreffen der OECD teil. Die Rede von Sergei Lawrow fasst der SZ-Mann Matthias Kolb mit aller gebotenen Objektivität zusammen: «Er warnt, die Sache könne «in ein heisses Stadium» übergehen. Es folgen Verdrehungen, Lügen und Phrasen des Kreml inklusive der Behauptung, in der Ukraine regiere ein Naziregime, das Russland bekämpfen müsse.»

Im Titel behauptet Tamedia, dass es einen «Schlagabtausch mit Baerbock» gegeben habe. Allerdings muss die deutsche Aussenministerin, die ansonsten von Fettnapf zu Fettnapf eilt, ins Leere geschlagen haben, denn Lawrow hatte nach seiner Rede den Saal verlassen.

Roger Köppel interviewt Aleksander Vucic, Anlass für kübelweise Häme. Wenn Richard Gere über die durchaus kontroverse Figur des Dalai Lama schwärmt, der sich auch schon mal von einem Knaben die Zunge küssen lässt, verschont ihn Pascal Blum von jeder kritischen Frage, möchte vielmehr leicht schleimig wissen, wie er selbst denn zum Buddhisten werden könnte.

Dann drückt immer wieder die Gutmenschensprache durch, die jeden Liebhaber von gutem Deutsch die Wände hochtreibt: «Mehr Platz für Pendelnde». Die Armen, sie sind keine Pendler, sondern pendeln unablässig, Tag und Nacht.

Will der Tamedia-Leser das über Ronja Fankhauser wissen? «In meiner Krankenakte habe ich drei Diagnosen für meine Psyche, bald kommt eine vierte hinzu.» Will ihre Mutter wirklich so öffentlich vorgeführt werden? «Du, Mama, hältst davon nicht viel. Als Kind wolltest du mich und meine Geschwister nie abklären lassen.» Brr.

Dann darf ja nicht zu viel vorweihnachtliche Stimmung aufkommen:

Soll man, darf man, soll man nicht, gewichtige Fragen, die sicherlich alle Tamedia-Leser brennend interessieren.

Dann liefert Eva Novak ein klassisches Einerseits-Andererseits ab, das dem Leser beim Einordnen unglaublich hilft: «Der Freihandelsdeal Schweiz – Indien kann ein Lottosechser werden. Oder ein Debakel». Um ein Debakel zu verhindern, weiss die praktizierende Wirtschaftskennerin Novak, tue die Wirtschaft «gut daran» sich an ihre Ratschläge zu halten: «Will sie von den unbestrittenen Vorteilen profitieren, muss sie darlegen, wie sie die Milliarden in Indien umweltverträglich und unter Einhaltung der Menschen- und Arbeitnehmerrechte zu investieren gedenkt. Damit sich der vermeintliche Lottosechser nicht als Fehltipp erweist.»

Wie soll sie das, warum soll sie das, reicht es etwa nicht, wenn sich die Wirtschaft an die indischen Gesetze hält? Interessiert «die Wirtschaft» diese Meinung von Novak? Interessiert sie den Leser? Nein.

Ganz zuunterst, nur noch vor den Rätseln und dem Inhalt des «Magazins», hängt immer noch die Kochserie «Elif x Tagi», die keinen interessierte und einer der vielen Flops der inzwischen eingesparten Kerstin Hasseoffen für Neues») ist.

Soviel als Schnelldurchlauf. Mal im Ernst, liebe Tamedia-Redaktion, liebe Leitung: meint ihr wirklich, damit könnt Ihr den Leserschwund aufhalten? Habt Ihr auch schon mal etwas davon gehört, dass der Leser an Fakten interessiert ist, nicht an Meinungen? Denkt irgend einer von Euch beim Schreiben an den Leser? Also anders, als dass er zu erziehen, zu massregeln, mit Betrachtungen des eigenen Bauchnabels zuzumüllen ist?

Besteht eigentlich das Personal von Tamedia nur noch aus Kamikaze-Piloten (generisches Maskulin)? Oder soll das ein Wettkampf mit dem «Blick» sein, wer besser und schneller Leser und Abonnenten vergrault?

Wieso kann man die ganze Webseite durchscrollen, das ganze schwindsüchtige Blatt lesen – ohne irgendwo Lesespass zu empfinden?

Und wieso wird dem meistgelesenen Verkaufs-Titel von Tamedia, der noch einigermassen Niveau hält, die eigene Redaktion weggenommen? Will man denn unbedingt, dass Arthur Rutishauser, der einzige kompetente Macher, auch noch scheitert? Weil er den anderen Nulpen sonst in der Sonne stünde?

Oder arbeitet Pietro Supino schon an seiner Grabrede für den Tagi plus Kopfsalat?

 

Grün vor Neid und Häme

Wenn der Tagi über eine Veranstaltung berichtet, verlässt er den Bereich des seriösen Journalismus.

Simon Widmer «beschäftigt sich schwerpunktmässig mit Lateinamerika». Vom sicheren Schwerpunkt an der Zürcher Werdstrasse aus. Das lastet ihn aber nicht vollständig aus: «Sein besonderes Interesse gilt dem Aufstieg von populistischen Politikern.» Offenbar weltweit.

Für die Pflege dieses Schwerpunkts hatte er reichlich Gelegenheit, denn im Zürcher Hotel Dolder fand ein Anlass mit dem «Weltwoche»-Chefredaktor Roger Köppel und dem serbischen Präsidenten Aleksander Vucic statt. Dahin konnte Widmer per ÖV reisen, den Eintritt von 120 Franken ersparte er sich – oder nahm ihn auf Spesen, wenn’s das beim Tagi noch gibt.

Bei der Beschreibung beweist er ein Auge für wichtige Details: es sei ein «vermögendes Publikum» anwesend, «Männer in gut sitzenden Anzügen, Frauen mit Taschen von Louis Vuitton und Gucci». Bevor Widmer zur Beschreibung des Inhalts kommt, macht er zuerst Appell der Anwesenden: «der umstrittene Historiker Daniele Ganser ist da», auch Alt-Bundesrat Blocher, dazu «der Unternehmer und SVP-Politiker Peter Spuhler sowie Milorad Dodik, der Führer der bosnischen Serben, der unter US-Sanktionen steht». Also eigentlich die Haute-Volée und dazu Pfuibäh-Gäste. Das konnte ja nichts werden, bei so einem Publikum.

Das disqualifiziert sich für Widmer schon von Anfang an durch eine höfliche Geste: «Einen solchen Auftritt bekommt Aleksandar Vucic wohl nicht einmal vor Parteifreunden in Belgrad. Als der serbische Präsident mit Veranstalter Roger Köppel einen Saal des Zürcher Hotels Dolder Grand betritt, erheben sich fast alle der rund 500 Zuschauerinnen und Zuschauer und applaudieren.» Für jemanden, der noch nie bei einer Parteiveranstaltung in Belgrad war, eine kühn-absurde Vermutung, die ihm jede seriöse Redaktion sofort aus dem Manuskript gestrichen hätte. Der Tagi publiziert den Stuss.

Dann kann sich Widmer endlich auf den Inhalt konzentrieren. Beziehungsweise, er muss dumme Aussagen von Vucic sogleich korrigieren:

«Dem Westen wirft er mehrmals Heuchelei vor, gerade in der Ukraine-Frage. Regierungschefs würden auf die territoriale Integrität der Ukraine pochen, hätten diese aber in Serbien 1999 ignoriert.»

So nicht, Vucic, schulmeistert Widmer sogleich: «Allerdings sind die Differenzen zwischen dem Krieg gegen die Ukraine und der Nato-Intervention gegen Serbien offensichtlich. Damals griff die Nato ein, um einen drohenden Völkermord zu verhindern.» Tja, Geschichtskentnisse eines Lateinamerika-Spezialisten. Der sich die historische Wahrheit zurechtbiegt – oder schlichtweg nicht kennt. Denn in Wirklichkeit hatte die EU Serbien damals territoriale Integrität zugesagt, dann aber – leider angeführt von der Schweizer Aussenministerin Calmy-Rey – hatten einige, nicht alle EU-Mitglieder die Unabhängigkeit des Mafiastaats Kosovo anerkannt. Ein klarer Bruch der Zusage, so wie Putin die territoriale Integrität der Ukraine zugesagt hatte. Also ein völlig erlaubter Vergleich.

Immerhin muss Widmer einräumen, dass Vucic etwas hat, was Widmer völlig abgeht: «Seine Ausführungen unterbricht Vucic immer wieder mit selbstironischem Humor. «Die Serben wissen immer alles besser, auch wenn wir nichts wissen», sagt er einmal. Ein anderes Mal bezeichnet er sich als «überhaupt nicht charmant – im Gegensatz zu Roger»

Eigentlich ginge es darum, auf über 9000 A Bericht zu erstatten, was an diesem Abend stattfand. Das war eine Rede von Vucic, auf die aber Widmer keinen einzigen Satz verschwendet. Und eine Diskussion zwischen Köppel und Vucic, von der Widmer nur Bruchstücke wiedergibt, die sich für Häme eignen. So war auch der ursprüngliche Titel «Köppel und sein Stargast aus Belgrad» nicht angriffig genug, Er wurde ersetzt durch «Roger Köppel feiert Aleksander Vucic als Friedensbringer».

Dann setzt Widmer zu einer Reise in die Vergangenheit an: «Nicht zur Sprache kommt hingegen Vucics Vergangenheit in den 90er-Jahren. Diese hätte das von Köppel gezeichnete Bild des serbischen Präsidenten auch mächtig angekratzt.»

Sicherlich gibt es da Aussagen und Tätigkeiten von Vucic, die man kritisieren kann. Aber wieso Widmer weit mehr als die Hälfte seines Berichts darauf verschwendet, plus auf weitere Begegnungen Köppels, ist unerfindlich. Der serbische Präsident benützte seinen Aufenthalt in der Schweiz, um sich auch noch mit Bundespräsidentin Amherd und Bundesrat Jans zu treffen. Das kommentiert Widmer so: «Es handelt sich um einen informellen Höflichkeitsbesuch, keinen offiziellen Staatsempfang. Damit zeigt sich, dass Vucic wegen Roger Köppel in die Schweiz kommt, die Schweizer Regierung ist für ihn zweitrangig.» Hat Vucic mit Köppel einen «offiziellen Staatsempfang» zelebriert? Wie absurd kann Häme werden?

In jeder anständigen Redaktion würde spätestens der Ressortchef sagen: Thema verfehlt, was soll das? Papierkorb, nochmal neu, aber diesmal richtig, journalistisch und dem Thema entsprechend.

Im völlig haltlos gewordenen Tagi darf offensichtlich jeder hergelaufene Redaktor sein Mütchen kühlen, grün vor Neid über Köppels Reisebewegungen und Gesprächspartner demagogische Polemik ausgiessen.

Offensichtlich ist Oberchefredaktorin Raphaela Birrer nicht in der Lage, minimale Qualitätsstandards durchzusetzen, höchstens noch ein Schreibverbot. Offensichtlich ist die publizistische Leiter nach unten Simon Bärtschi dazu auch nicht in der Lage. Offensichtlich ist es der Führungsriege von Tamedia, mit Absicht oder aus Unfähigkeit, völlig egal, dass mit einer solchen Berichterstattung die Reise in die Bedeutungslosigkeit des Kopfsalatmischmaschs weiter an Fahrt aufnimmt.

Es ist durchaus erlaubt, an Köppel und seinen publizistischen Positionen Kritik zu üben. Das gilt selbstverständlich auch für den serbischen Präsidenten. Aber über «Köppel und sein Stargast aus Belgrad» – nach Aufzählung des Publikums – reine Häme zu giessen, das ist nicht nur unredlich. Es ist dumm und selbstmörderisch.

Dazu passt auch, dass man sogar einen Fotografen an die Veranstaltung schickt und dann ein Bild auswählt, auf dem beide Protagonisten so unvorteilhaft wie möglich aussehen. Aus Copyrightgründen können wir das hier nicht abbilden, aber es ist widerlich demagogisch. So wie der Text dazu.

Dass das in der Gesinnungsblase einiger Tamedia-Leser auf Anklang stösst, ist völlig klar. Es ist allerdings die Frage, wann die «Republik» mit ihrer Abonnentenzahl auf Augenhöhe mit dem Tagi liegen wird. Dauert wohl nicht mehr allzu lange. Vorausgesetzt, der Tagi und sein Kopfblattsalat wird nicht vorher eingestampft.

Wumms: Thomas Weyres

So geht modernes Medienmanagement bei Tamedia.

Die Ankündigungen sind immer grandios. Im Januar 2024 verkündete das ungeliebte Stiefkind von TX: «Tamedia engagiert Thomas Weyres als Design Director.»

Dann das übliche Bullshit-Bingo-Blabla: «Tamedia-Titel stärken … neuen Visual Desk leiten … Nutzerfreundlichkeit weiterentwickeln … strategische Prozesse zur Schärfung der visuellen Markenidentität …»

Und natürlich freuten sich alle wie Honigkuchenpferde. Thomas Weyres: «freue mich sehr». Regula Marti, CPO von Tamedia: «Es freut uns sehr …». Und schliesslich Raphaela Birrer, Chefredaktorin des «Tages-Anzeiger»: «Wir freuen uns …»

Aber nach der Vorfreude folgt meistens die Schadenfreude. Denn in den wenigen Monaten seines Wirkens richtete Weyres den Online-Auftritt von Tamedia dermassen zu und hin, dass die Leser im Chor aufjaulten. Bild rechts, Text links, drunter viel Weissraum. Den entscheidenden Platz ganz oben auf der Homepage verschenkt. Rubriken-Wirrwar. Aufdringliche Werbung. Merkwürdige, grau umrahmte Themenboxen. Sich wiederholende Artikel in verschiedenen Rubriken. Manchmal fehlen nicht unwichtige Gefässe wie Wirtschaft. Gut, «Kultur» hat beim Tagi nicht mal mehr die Funktion eines Feigenblatts; hier besteht gigantisches Sparpotenzial bei der Payroll.

Ach, und der neue Visual Desk blieb eine Fata Morgana, die niemand jemals gesehen hat; war halt auch nur so eine Idee von überforderten Managern, die mit hohlem Wortgeklingel intellektuelle Leere ausfüllen möchten.

So, und nachdem Weyres sich etwas ausgetobt hatte, zog er selbst die Reissleine und verduftete schon wieder. In gepflegtem Englisch, das ist man sich als AD (oder schlichtweg «Designer», wie er sich nennt) doch schuldig, verkündete er gerade seinen Abflug:

«Good bye Zurich.» Nachdem er ständig zwischen Berlin und Zürich gependelt sei, habe er «aus persönlichen Gründen» beschlossen, seine Position als Design Director aufzugeben. Vielleicht, weil auf der Redaktion so wenig Leute Englisch beherrschen.

Das nennt man mal einen unheimlich schwachen Abgang. Rund 9 Monate am Gerät, ein Redesign in den Sand gesetzt, sonst nichts Auffälliges geleistet, sicherlich auf Spesen ständig nach Berlin und zurück geflogen (wenn das die Klimaschützer bei Tamedia gewusst hätten), und schon Schnauze voll.

Mikael Krogerus, der ansonsten zu Personellem verkniffen schweigt, wenn er mal Rückgrat zeigen sollte, salbadert als Kommentar: «Man sieht sich immer dreimal im Leben.» Den Vogel schiesst aber mal wieder Kerstin Hasse ab: «Es sind noch lang nicht all unsere Projekte verwirklicht. Und noch lang nicht alle Biere getrunken.» Die denkt auch immer nur ans eine …

Zum Totlachen ist auch die offizielle Reaktion von Tamedia. Schliesslich hat das Unternehmen – logo – einen «Newsroom», wo wichtige Medienmitteilungen platziert werden. Zum Beispiel «Erfolgreicher Start für Swiss Ad Impact». Das will der Journalist natürlich wissen. Aber unter dem Datum 13. November steht nur: «Offenes Rennen bei Autobahnausbau und Efas …», was ja nun auch nicht brennend interessiert. Der Design Director verpisst sich nach kurzer Zeit? Ach, lieber totschweigen.

Was das wieder gekostet hat, so neben allen dringend nötigen Sparmassnahmen. Eigentlich sollten die beiden Weiber, die seinen Zugang bejubelt haben, nun als Strafaufgabe seinen Abgang begründen müssen. Aber Lobhudeleien werden immer gerne raustrompetet, die lange Reihe des eigenen Versagens wird hingegen mit vornehmem Schweigen übergangen.

Hinzu kommt zumindest bei Birrer noch eine Allergie gegen Kritik. Denn dass die Chefredaktion höchstselbst ein Schreibverbot gegen ZACKBUM-Redaktor René Zeyer ausspricht, ist dermassen sackschwach, dass man sich nicht vorstellen mag, wie unterwürfig der Tonfall innerhalb der Redaktion sein muss. Dabei hat die Chefredaktion einen gewichtigen Abgang zu verzeichnen; dermassen erleichtert, könnte sie doch inzwischen souveräner mit Kritik umgehen.

Zum Beispiel mit dieser: was tut eigentlich ein Chief Product Officer so den ganzen Tag, wenn er nicht gerade einen Zugang bejubelt und einen Abgang verschweigt? Was tut eigentlich eine Chefredaktorin den ganzen Tag, wenn der Leser gegen ein verunglücktes neues Online-Design tobt? Einen verunglückten Kommentar im Nachhinein zu den US-Wahlen schreiben, das kann doch nicht abendfüllend sein.

Ein Bravo gebührt allerdings Weyres. Der hat sich völlig zu Recht gesagt: take the money and run. And fly.

Das tägliche Morgengrauen

Was der Tagi dem Leser auf seiner Webseite zumutet.

Im Rahmen des Qualitätsjournalismus, wie ihn Simon Bärtschi unablässig predigt (apropos, wo ist der Mann eigentlich; mit Raphaela Birrer und Jessica Peppel-Schulz ihrem Avatar in Klausur?), macht der Tagi mit einem Interview auf:

Die letzten Befürworter einer engeren Anbindung an die EU machen inzwischen auf Pfeifen im Wald. Allerdings gnädig versteckt hinter der – momentan funktionierenden – Bezahlschranke.

Da muss der Tagi selbst gleich mitpfeifen:

Fürchtet Euch nicht, lieber Kinder und Tagileser, der schwarze Mann geht nicht mehr um, jetzt ist es ein blondgefärbter. Die Formulierung ist grossartig: «Donald Trump wirft seinen Schatten auf die bevorstehende Klimakonferenz.» Aber das ist doch genial, endlich ein Beitrag von ihm gegen die Klimaerwärmung.

Dann nimmt sich der Tagi eines lebensbedrohenden Problems an. Denn wer wusste das schon:

Wuff, sagt da der Chihuahua und guckt böse.

Aber jetzt kommt die Hammermeldung des Tages. Der Aufreger. ZACKBUM sagt nur «Trump«. Eben. Was macht der Bengel denn nun schon wieder? Er ist doch noch gar nicht im Amt, aber trotzdem stellt er schon Sachen an. Er telefoniert nämlich. Hallöchen, Trump kann telefonieren, Wahnsinn, und ohne, dass ihm dabei die Frisur verrutscht. Aber das ist noch nicht alles:

Er telefoniert nicht nur, sondern auch noch mit Präsident Putin. Das tut man doch nicht. Aber tut das Trump? Nun, das Telefonfräulein von der Vermittlung muss geplaudert haben. Denn diese Weltsensation schreibt das Weltblatt Tagi der «Washington Post» ab.

Genauer gesagt, das Tagi lässt abschreiben, denn er übernimmt einfach eine Meldung der DPA. Man kann ja auch nicht alles bei der «Süddeutschen Zeitung» kopieren, nicht wahr.

Nun noch eine Herzschmerz-Meldung:

Meine Güte. Rita weint. Öffentlich. Um Liam Payne. Schluchz. Das ist ein Lebenszeichen von Tagi «Kultur». Allerdings bleibt die scheintot, denn es ist auch von der DPA übernommen.

Nun ist die Schreckensbotschaft, dass Trump telefoniert, natürlich nicht die einzige aus dem bösen Wirken des Gottseibeiuns, den eine Mehrheit von völlig verpeilten Amis doch fahrlässig nochmal zum Präsidenten gewählt hat, obwohl die besten Kräfte von Tamedia streng davon abgeraten hatten. Und jetzt hat er auch noch den letzten der sieben Swing States für sich entschieden. Also peinlicher untergehen als die Demokraten mit ihrer Notlösung Harris kann man wirklich nicht.

Aber gut, dass der Tagi wachsam bleibt und eine neue Rubrik, gleich nach den Räbeliechtli, eingeführt hat:

«Der Kampf»? Was ist nur in den Tagi gefahren, dass er sich nicht entblödet, eine Assoziation zu «Mein Kampf» herzustellen?

Wieso beschränkt sich das Blatt nicht auf seine wohlfeilen Ratgeber?

Immerhin, Marc Brupbacher bleibt am Ball, bzw. am Virus. Das nennt man mal Durchhaltevermögen. Es ist für die Volksgesundheit zu hoffen, dass er nicht dem Rausschmeissen zwecks Qualitätssteigerung zum Opfer fällt.

Allerdings könnte man sich – so im Rahmen des Qualitätsmanagements – etwas mehr Koordination zwischen den verschiedenen Rubriken vorstellen. Denn einerseits haben wir ja «Trump zurück an der Macht». Aber dann haben wir noch «International», und unter der umsichtigen Leitung von Christof Münger fällt denen halt auch nix anderes als ein Ticker ein – und halt Trump, who else?

Da fehlt nur noch die Berufs-Unke, der Demagoge Peter Burghardt aus Washington, die Abrissbirne des seriösen Journalismus. Denn wenn es eigentlich nichts zu sagen gibt, dann muss er einen Kommentar schreiben. Wobei schon der Titel einen ankräht: ja nicht weiterlesen, Zeitverschwendung:

Denn auch der ungeübte Tagileser weiss: wenn ein Kommentar beginnt mit «Noch ist völlig offen …», dann muss man sofort abbrechen.

Nun aber die Rubrik für Euch, liebe Kinder und Nachwuchsleser, sorgfältig gestaltet von den Kindersoldaten im Newsroom:

Dass die meisten der hier angepriesenen Umzüge schon Vergangenheit sind, das kann einen Qualitätsjournalisten doch nicht erschüttern.

Apropos Qualitätsjournalismus, ein lobhudelndes Porträt über diese Windmacherin und Angeberin? Wie schrieb ZACKBUM in seinem Porträt über sie so richtig:

Grossmäulige Mimose, eine Schweizer Wunderwuzzi. Wenn das die Zukunft sein soll –jung, dynamisch, laut, erfolglos –, au weia. Das sieht Qualitätsjournalist Michael Marti entschieden anders.

Nun aber noch ZACKBUMs absolute Lieblingsgeschichte, ein richtiger Heuler, geht ans Herz, hat auch eine gesellschaftspolitische Komponente, denn sicherlich ist der Klimawandel auch daran schuld:

Besonders rührend ist die Beschreibung eines Augenzeugen, wie Gus den Sandstrand für Schnee hielt und versuchte, darauf auf dem Bauch zu rutschen, wie das Pinguine halt so tun. Hier ist der kühne Abenteurer im Bild:

Beruhigend zu wissen, dass Gus von der Vogelpflegerin Carol Bidulph liebevoll betreut und aufgepäppelt wird:

«Nicht einmal in ihren kühnsten Träumen hätte sie geglaubt, jemals einen Kaiserpinguin zu betreuen, sagte Biddulph. «Es ist einfach unglaublich. Es ist ein Privileg, Teil der Reise dieses Vogels zu sein.»»

Aber hallo. Eine solche liebevolle Betreuung würde sich auch so manches palästinensische Kind wünschen. Von sudanesischen, äthiopischen und eritreischen ganz zu schweigen. Aber die können halt nicht so süss auf dem Bauch durch Sand rutschen.

Sprachrohr Tagi

Zuerst anprangern, dann übers Anprangern schreiben. Sagenhaft.

Zuerst brauchte es gleich drei Nasen, um über einen Vorfall zu berichten. Dafür spannten Mario Stäuble (ehemals Chefredaktor, bzw. Mann am Fenster), Christian Brönnimann (bekannt für Fertigmacherjournalismus wie im Fall Bastos) und Oliver Zihlmann (glückloser Verwurster von Hehlerware, genannt Leaks und Papers) ihre Muskeln an:

Als wäre er their master’s voice, zitieren sie ehrfürchtig den übergriffigen Scott Miller: ««Die Schweiz (…) kann und muss mehr dafür tun, damit ihr Rechtsrahmen nicht für illegale Finanzaktivitäten missbraucht wird», lässt sich der US-Botschafter in Bern in einer Pressemitteilung zitieren.» Das ist dieser schnarrende Befehlston, für den Amis bekannt sind, die meinen, die ganze Welt müsse nach ihrer Pfeife tanzen.

Als Hilfsknüppel haben die USA dafür ihre Sanktionsliste des Ofac. Wer aus welchen Gründen draufkommt, ist der völligen Willkür der US-Behörden überlassen. Gegenwehr ist sinnlos, Rechtsmittel dagegen gibt es nicht. Im Wettlauf, ein sinnloses Sanktionspaket mit dem nächsten zu ergänzen, haben die USA «zwei Schweizer Anwälte mit Büro in Zürich auf ihre schwarze Liste (gesetzt): Andres Baumgartner und Fabio Delcò von der Kanzlei Dietrich, Baumgartner & Partner.»

Warum genau, aufgrund welcher Indizien, Belege, Beweise? «Washington wirft den beiden vor, «wichtige Verwalter russischer Vermögenswerte» zu sein. Sie hätten für «viele russische Kunden, darunter sanktionierte russische Privatpersonen», Dienste erbracht. Beide seien Direktoren zahlreicher russischer Unternehmen», zitieren die drei Recherche-Genies von der Werdstrasse. Und geben wieder dem US-Botschafter das Wort, der dafür eigentlich einbestellt und gerügt werden müsste, wenn die Schweizer Regierung Rückgrat zeigen wollte:

«Die Botschaft ist klar: Die Vereinigten Staaten fokussieren darauf, die Umgehung von Sanktionen überall auf der Welt zu bekämpfen. Wir müssen zusammenarbeiten, um die Fähigkeiten des Kremls zu stoppen, seine Kriegsmaschinerie gegen das ukrainische Volk einzusetzen. Und wir müssen auf der richtigen Seite der Geschichte stehen – zur Unterstützung des ukrainischen Volkes, das die demokratischen Werte verteidigt, die wir teilen

Die eigentliche Botschaft ist klarer: die USA pfeifen wieder einmal auf die Rechtssouveränität der Schweiz. Aber das schreiben die drei Tagi-Nachplapperer natürlich nicht. Sondern sie klopfen sich selbst auf die Schultern:

«Die Panama-Papers-Recherche zeigte, dass Roldugins Firmen Einfluss auf Medien und gar auf Rüstungsbetriebe in Russland hatten. Durch Dokumente liess sich minutiös nachzeichnen, wie die Angestellten der Zürcher Kanzlei Befehle aus Russland annahmen und Kontoverbindungen für Roldugin errichteten.» Das ist ein Vertrauter von Präsident Putin, dem vorgeworfen wird, einen Teil von dessen Finanzhaushalt zu regulieren.

Allerdings muss der Tagi einräumen, dass «bis heute keine Massnahmen gegen die Zürcher Anwälte bekannt» seien. Das liege aber am «Schweizer Geldwäschereigesetz», fahren sie fort. Auf Deutsch: offensichtlich geht hier alles mit rechten Dingen zu, aber den Tagi-Journalisten passt dieses Gesetz nicht. Nach der Devise: ist’s nicht illegal, so doch illegitim. Oder einfach: wir finden, es sei illegal.

Daher zitieren sie nochmals den Befehlshaber in seiner Botschaft in Bern: «Andres Baumgartner und Fabio Libero Delcò ermöglichten den illegalen Geldfluss und umgingen dabei die Aufsicht aufgrund einer Gesetzeslücke im Schweizer Recht», heisst es in der Mitteilung. «Botschafter Miller hat die Schweiz öffentlich und privat vor den Reputationsrisiken gewarnt, die mit dieser Gesetzeslücke verbunden sind.»

Schon einen Tag später wird zurückgerudert. Diesmal sind Thomas Knellwolf (nicht ganz ausgelastet mit dem promoten seines neusten Buchs) und wieder Oliver Zihlmann am Gerät:

«Angeprangerte Anwälte», schreiben sie neutral im Titel, als hätte nicht der Tagi selbst die beiden angeprangert, als Sprachrohr des US-Botschafters in Bern. Zunächst wiederholen die beiden Redaktoren die gleiche Leier wie im ersten Artikel. Um dann nochmals einzuräumen:

«Baumgartner und Delcò (die beiden neu auf die US-Sanktionsliste genommenen Anwälte) hingegen blieben in der Schweiz bislang – nach allem, was bekannt ist – unbehelligt. Darauf lässt insbesondere eine Stellungnahme schliessen, welche die beiden am Tag nach Bekanntwerden ihrer Sanktionierung durch die USA an die Medien verschickten.»

Offensichtlich haben die Rechtsanwälte beim Tagi Druck gemacht, der daher diesmal als Windfahne deren Position referiert:

«Während unserer über 30-jährigen Anwaltstätigkeit wurden wir weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich jemals zur Verantwortung gezogen.»

Natürlich japst der Tagi nach: «Dies würde auch bedeuten, dass weder eine Selbstregulierungsorganisation noch die Anwaltsaufsicht ein- bzw. durchgegriffen haben. Unabhängig überprüfen lässt sich dies allerdings nicht, weil allfällige Verfahren dieser Organisationen nicht öffentlich sind.» Womit er den beiden Rechtsanwälten unterstellt, möglicherweise die Unwahrheit gesagt zu haben, eine gelinde Unverschämtheit.

Dass die beiden Juristen mehr Durchblick haben als die geballte Fachkraft des Tagi, beweisen sie mit ihrer Stellungnahme, die das Blatt sicherlich nicht ganz freiwillig publiziert:

«Baumgartner und Delcò bestreiten jegliches Fehlverhalten: «Geschäfte zur Umgehung von Sanktionen wurden durch uns weder vorgenommen, noch haben wir diesbezüglich irgendjemanden beraten.» Anderslautende Verlautbarungen der US-Behörden seien «falsch und rufschädigende Unterstellungen». Die amerikanischen Sanktionen zielten darauf ab, «die europäischen Länder im geopolitischen Streit mit Russland hinter sich zu scharen». Die Vereinigten Staaten wollten «internationale Finanzplätze wie die Schweiz unter ihren totalen Einfluss und ihre umfassende Kontrolle bringen»

Auch das können die Journis natürlich nicht unwidersprochen stehen lassen und geben nochmals dem US-Botschafter das Wort, der «wehrt sich gegen den Vorwurf der unzulässigen Einmischung». Was ein vom Tagi unkommentierter Witz ist, denn natürlich mischt er sich massiv und völlig unzulässig in die Rechtshoheit der Schweiz ein. Und wie wehrt sich der Diplomat? Indem er auf die nachrichtenlosen Vermögen verweist und «auf die Raubkunstdebatte». Zwei absurde Vergleiche.

Aber er kann noch einen draufstehen: ««Meine Hoffnung ist es», sagt Miller mit Blick auf die aktuelle Diskussion, «dass die Schweiz dies nicht als eine Attacke auf ihre Souveränität und die Demokratie sieht.»»

Ja was sonst soll das denn sein, müssten Stäuble, Brönnimann, Knellwolf und Zihlmann zumindest fragen. Aber selbst zu viert fällt ihnen das nicht ein, weil sie in ihrer Gesinnungsblase solche offensichtlichen Realitäten nicht sehen wollen.

Dass der Tagi auch noch zum Sprachrohr und Mitteilungsorgan der US-Botschaft in Bern denaturiert, das lässt sich selbst mit der Bärtschi-Peinlichkeitsskala nur schwer fassen.

Es ist überhaupt nicht zu fassen.

 

Am Krankenlager des Tagi

Wie ist der Krankheitsverlauf? Gibt es Hoffnung auf Heilung?

ZACKBUM fühlt einfühlsam den Puls der verunstalteten Webseite des Tagi. Wir versuchen, uns von der Form zu lösen und auf den Inhalt zu konzentrieren.

Als Aufmacher haben wir einen Hammer, der das ganz breite Publikum interessiert:

Denn die Schweizer sind bekanntlich ein Volk von Untermietern. Äh, Mietern, aber ist das nicht das Gleiche?

Whatever, sagt Alexandra Kedves, «Redaktorin Ressort Leben». Sie hat ein breites Themenspektrum: «Comics und animierte Filme» sowie «allgemein gesellschaftspolitische Themen wie Armut, Mittelstand, Einsamkeit, Resilienz, Generationsgräben, Bildung, Flüchtlingswesen und dergleichen».

Trotz diesem grossen Feld sind ihre Arbeitseinsätze spärlich. Ihrer besonderen Aufmerksamkeit erfreut sich der US-Wahlkampf, über den sie in aller gebotenen Neutralität berichtet:

Nun hat sich bei einer Wahlkampfveranstaltung Trumps ein drittklassiger Komiker vergaloppiert. Seine geschmacklosen Witze trafen auf mässiges Amüsement des Publikums und auf scharfe Ablehnung aller Orten, selbst von Trump. Aber das kann eine Kedves nicht daran hindern, nochmal auf Tony Hinchcliffe rumzutrampeln. Allerdings ist Kedves so angewidert, dass sie dem Leser nur Bruchstücke überliefern kann:

««Ich begrüsse Einwanderer mit offenen Armen, und mit ‹offenen Armen› meine ich» – Hinchcliffe hob die Arme, wedelte heftig ablehnend mit den Händen und murmelte: «Geht zurück!» Zotig fuhr er fort: «Diese Latinos machen ja auch so gern Kinder. Die ziehen nicht raus. They come inside just like they did to our country.» (Bitte selbst übersetzen.)»

Der Tagi lässt seine Leser gerne vieles selber machen, wozu ist Qualitätsjournalismus sonst da, wenn es nicht gratis ein Do-it-yourself-Englischprogramm gibt. So mäandert sich Kedves lähmend lang durch das Thema, um dann in die Schlusspointe einzubiegen: «Auf seinem Kantengang zwischen moderat republikanisch und extrem rechtspopulistisch neigt sich Donald Trump oft der brutaleren Seite zu. Seine eingefleischten Fans gehen mit.»

Eigentlich hätte Kedves sich (und dem Leser) diese Suada ersparen können. Ein Satz hätte gereicht: Trump sucks. (Bitte selbst übersetzen). Oder wie die Demokraten dagegen niveauvoll Zeichen setzen: Trump sei ein Faschist, behauptet Kamala Harris aus heiterem Himmel und angesichts schwindender Wahlsiegaussichten.

Ach, und inzwischen hat offensichtlich die Woke-Fraktion im Tagi gegen den Rempler auf Rot-Grün protestiert; neue, noch mehr faszinierende Startstory:

Das ist mal ein Knaller, aber hallo.

Aber wieso nur im Lokalen verweilen, weltweit gibt es doch so viele interessante Storys:

Eine Nepalesin hat alle Achttausender bestiegen und hält Eingedenken, wie hätte der Tagi-Leser durch den Tag gehen können, ohne das zu wissen.

Aber es gibt noch mehr welterschütternde Ereignisse, die sogar eine eigene Rubrik verdienen:

Tagis Beitrag zum US-Kulturimperialismus.

Die Zeitumstellung war in der Nacht von Samstag auf Sonntag, aber der Tagi ist immer noch nicht aufgewacht:

Zurück in die grosse, weite Welt. Da gibt es Erstaunliches aus China und Getickertes von der Ukrainefront zu vermelden:

Wozu hält sich Tamedia eigentlich noch eine Auslandredaktion? Damit Christof Münger gelegentlich die Welt mit wirren Kommentaren erschrecken darf? Ukraine ist Schnipsel-Ticker, der reichste Chinese ist DPA, der Bericht über das Verbot der UNRWA in Israel ist auch DPA, und der vierte Beitrag unter «International» ist ein als Artikel verkleidetes Inserat für das Weinschiff in Zürich (!); nein bereits ausgewechselt mit dem hier:

Würde eigentlich in die Rubrik «Wirtschaft» passen. Da gibt es allerdings ein Problem: sie existiert nicht. Einfach weg. Stört, überflüssig, gespült.

Dafür gibt es das hier gleich zweimal:

Und weil’s so schön ist und man zum Thema ja nicht genug sagen kann, hätten wir noch den hier:

Man beachte den grossen Unterschied: «US-Wahl» und «US-Wahlen». Ist ja nicht das Gleiche. Wenn das die neue Digitalstrategie ist, dann gute Nacht. Oder sagten wir das schon?

So ab unteres Drittel wird die Webseite dann zum Gerümpelturnier der übelsten Sorte. Zuerst gibt’s was auf die Ohren:

Dann kommt der Teil Nutzwert, Nutzwert, Nutzwert:

Sozusagen ewige Werte werden hier verkündet; der Aufmacher-Artikel ist vom 23. Oktober. Aber dafür hat inzwischen die Auftaktstory oben schon wieder gewechselt; endlich ein Thema, das die breite Leserschaft interessiert:

Zurück in die Niederungen ganz unten. Der «Crime-Podcast», Videos (nochmals reingewürgt: «Elif – Das waren die Highlights unserer Kochserie», dabei war doch das einzige Highlight ihr Ende). Und wem die Highlights nicht genügen, bitte sehr:

Aber aufgepasst, wer meint, mit dem Rätsel sei dann Ende Gelände, irrt. Es folgt noch das «Magazin» und «US-Wahl» Part II, reloaded oder was auch immer.

Was soll man dazu sagen? Statt vieler Worte verleiht ZACKBUM das erste Mal Punkte nach der Bärtschi-Peinlichkeitsskala an ein Gefäss. Schliesslich muss das die publizistische Leiter nach unten verantworten. Dafür steigert er sich selbst von einer stabilen 10 auf eine noch stabilere 15. Und der Online-Auf- und Abtritt des Tagi kriegt eine 20.

Nein, eine 19. Denn alle Abo-Artikel sind weiterhin gratis lesbar, weil die grossartigen Schweizer Medienhäuser ihr gemeinsames Login immer noch nicht im Griff haben. Das ist aber mal nicht peinlich für Tamedia, sondern für Ringier.

Gibt es Hoffnung auf Heilung? Der Patient ist komatös, aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

Ri-hi-hi-design

Vernichtende Leserreaktion auf das verunglückte Redesign bei Tamedia.

Sicher ist der Leser ein Gewohnheitstier und steht allem Neuen misstrauisch gegenüber. Aber eine dermassen einhellige Ablehnung, ein Verriss einer neuen Online-Gestaltung ist dann doch beeindruckend. Die Kommentare schwellen an, und abgesehen von zwei, drei positiven Rückmeldungen ist der Grundtenor glasklar: so ein Scheiss.

Auch hier zeigt Tamedia, was Amateurliga beim Moderieren ist:

Also ein erster Kommentar wurde spurlos gespült. Aber der nächste, der darauf hinweist, wird publiziert. Grossartig.

So verschenkt Tamedia den wertvollen Platz ganz oben.

Beim Tagi hat Oberchefredaktorin Raphaela Birrer ihr tiefes Schweigen unterbrochen und das neue Design angepriesen. Vielleicht hätte sie aber den Leser nicht um seine Meinung fragen sollen, denn die ist eindeutig. Natürlich wurde das neue Design für alle Kopfsalatblätter übernommen. Aber bei der BaZ verzichtet man schlichtweg darauf, dem Leser etwas Hilfestellung zu geben. Nimm’s oder lass es, scheint hier die Devise zu sein.

In der «Berner Zeitung» übernimmt Wolf Röcken die Ankündigung «Willkommen bei der neuen «Berner Zeitung»». Der Berner ist bekanntlich langsamer als der Zürcher. Während hier der Kommentar-Bär tobt, haben sich nur eine Handvoll Kommentatoren auf die BZ verirrt. Auch hier ist die Meinung, mit einer einzigen Ausnahme, klar: «mehr Übersicht? Sie belieben zu Scherzen Herr Röcken! Werde wohl mein Digital-Abo nicht mehr verlängern.»

Allerdings hat Tamedia die Gelegenheit benutzt, am gleichen Tag noch eine andere Meldung zu platzieren, die noch skandalöser als das neue Design ist. Es würden nun lediglich 17 Redaktoren entlassen; neun in der Deutschschweiz, acht in der Romandie.

Wieso Skandal, das ist doch eine gute Nachricht, oder? Für die Nicht-Entlassenen sicher, sonst nein. Da wird ein Jahr lang über einer neuen Strategie gebrütet, dann wird ein faules Ei gelegt. Die publizistische Leiter nach unten Simon Bärtschi bezieht kräftig Prügel, weil er die Ankündigung von 90 Entlassungen (plus 200 Drucker, wohlgemerkt) mit der Behauptung verbindet, das sei eine Weichenstellung für mehr Qualität.

Man könnte annehmen, dass Jessica Peppel-Schulz lange hat rechnen lassen, bis es unausweichlich klar schien, dass 90 Nasen entlassen werden müssen. Dann aber schon mal Entwarnung; ach, 55 Rausschmisse reichen auch. Und nun, nachdem man die Redaktion über einen Monat auf kleinem Feuer röstete, die völlige Entwarnung: sind dann bloss 17.

Wer dermassen fahrlässig mit den Zahlen in einem so sensiblen Bereich jongliert, wie kompetent ist der dann überhaupt bei Zahlen? Und bei allem anderen?

Die stetige Schrumpfung der Zahl der Entlassungen sei unter anderem auch der Tatsache zu verdanken, dass es zahlreiche «freiwillige Abgänge» gegeben habe. Mit anderen Worten: seitdem das Tandem Peppel-Schulz und Bärtschi die völlig verunglückte «strategische Weichenstellung» verkündete, hat jeder, der auf dem freien Markt noch eine Chance sieht, das Weite gesucht. Also nicht die Schlechtesten. Und der Exodus ist noch lange nicht zu Ende. ZACKBUM weiss mehr, sagt es aber nicht.

Wenn man insgesamt so fachkundig wie bei dem Gaga-Redesign ist, das ja visueller Ausdruck der «strategischen Neuausrichtung» sein soll, dann gute Nacht.

Normalerweise geht einer solchen visuellen Veränderung ein ausführliches Testing voraus. Zielgruppenorientierte Umfragen, plus jede Menge A/B-Tests. Wenn die durchgeführt wurden, wie kann es dann sein, dass die Leserschaft, repräsentiert durch tobende Kommentatoren, den Neuauftritt so massiv ablehnt?

Das führt zum düsteren Verdacht, dass eine solche Markforschung gar nicht stattfand. Sondern das Design aus Deutschland, die Programmierung aus Belgrad und das Reinreden der Ober-Chefredaktion genügte sich selbst.

Dabei hätte man nur einen Blick auf die Webseite der NZZ werfen müssen. Die hat nämlich all die Probleme, unter denen der Neuauftritt von Tamedia leidet, längst gelöst. Nur wäre ein copy/paste natürlich zu peinlich gewesen. Aber immer noch besser als gewollt, aber nicht gekonnt:

Eigentlich ist es typisch Journalismus. Dass das Gericht dem Gast und nicht dem Koch schmecken muss, das hat sich hier noch nicht herumgesprochen. Jeder Anbieter eines Produkts macht umfangreiche Markttests, wenn er daran etwas verändern will. Angefangen bei der Frage, ob das überhaupt nötig ist. Dann wird getestet, ob die neue Verpackung auf Zustimmung oder Ablehnung stösst. Kein zurechnungsfähiger Verkäufer würde sagen, wenn die Ablehnung einhellig ist: pah, gewöhnt euch dran, oder lasst’s halt, ist mir doch egal.

Publizistische Spitzenkräfte sagen das aber. Das hat mehrere Gründe. Kein Mitglied der Chefetage auf Zeitungsebene bei Tamedia hat auch nur die geringste Ahnung von Marketing oder Verkaufe. Der Redaktor noch viel weniger, der will dem Leser einfach seine Meinung und Weltsicht aufs Auge drücken. Und CEO Peppel-Schulz hat auch noch nie in dieser Liga gespielt.

Aber da gäbe es noch einen weiter oben, der eine Notbremsung hätte vornehmen sollen. Aber Pietro Supinos Problem ist: er muss von schwachen Figuren umgeben sein. Nur so fällt weniger auf, wie inkompetent er selbst ist. Oder aber, das wäre ihm zuzutrauen, seine Absicht ist eine ganz andere.

Indem er Tamedia inhaltlich verludern lässt, zusieht, wie der einzige kompetente Chefredaktor seiner Redaktion beraubt wird, dieses Krüppel-Redesign durchwinkt, beschleunigt er den Niedergang dieses Profitcenters innerhalb von TX, das nur minimalen Gewinn erwirtschaftet. Je schneller es bergab geht, desto schneller kann Supino mit dem Ausdruck höchsten Bedauerns verkünden, dass TX leider nicht mehr in der Lage sei, seine gesellschaftlich bedeutende Funktion als Vierte Gewalt weiter auszuüben.

Das täte nun wirklich weh, aber alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. Also Ende Gelände für Tagi & Co., so sorry. Dann wischt er sich ein paar Krokodilstränen ab, lässt sich in seine Villa kutschieren und öffnet eine Flasche Krug. Oder zwei.

Re-he-he-design

Der Tagi macht mal wieder alles noch schlimmer.

Hat das Qualitätsorgan etwa auf die wiederholte Kritik von ZACKBUM gehört und deshalb das Gerümpelturnier seiner Webseite umgerümpelt? Das war allerdings keine gute Idee.

Auf jeden Fall vermeldet Raphaela Birrer, Chefredaktorin:

Wichtigstes Ziel: «Damit wurden Übersicht und Leserlichkeit verbessert.» Erstaunt nimm man zur Kenntnis, wie viele Mitarbeiter der Tagi noch hat. Oder sollte man sagen: zu viele Köche verderben den Brei?

Oder sollte man sagen: was die NZZ besser vormachte, macht nun der Tagi schlechter nach? Im Wesentlichen heisst es nun scrollen, scrollen, scrollen. Als hätte man noch nie von responsive design gehört, kommt die Webseite auf dem Desktop, dem Laptop, dem Tablet und dem Smartphone eigentlich immer gleich daher.

Gab es vorher x verschiedene Darstellungsformen, gilt nun: Titel und Lead oben, grosses Bild drunter. Oder Titel und Lead links, Foto rechts. Oder das Gleiche zweimal nebeneinander. Oder auf dem Smartphone alles in Einerkolonne.

Oder (fast) das Gleiche untereinander:

Nur der Podcast wurde offensichtlich nicht angetastet:

Auch bei den «spektakulären Spionagefällen in der Schweiz» herrscht noch die gute, alte Wimmelbild-Atmosphäre. Aber trotz allen Werbebemühungen schafft es das Werk einfach nicht in die Bestsellerliste.

Bei den vier angepriesenen Videos flimmert es dem Leser zusätzlich vor den Augen, weil die unablässig laufen. So in den Niederungen der Webseite, wo auch weiterhin die geflopte Kochserie untergebracht ist, kommt dann wieder der flotte Vierer, vier Storys nebeneinander, gehäuft zum Einsatz. Oder der Dreier.

Aber vielleicht reichte die Workforce nicht aus, um alles zu renovieren.

Auf jeden Fall verabschiedet sich Birrer, die zu diesem Thema ihr Schweigegelöbnis bricht, obwohl eigentlich alle ein klares Wort zum grossen Rausschmeissen erwarten, mit dieser Ankündigung: «Wir sind sehr gespannt, wie der neue «Tages-Anzeiger» bei Ihnen ankommt.»

Nun, da kann der Leser Abhilfe schaffen. Und seine Meinung ist fast einhellig: schlecht kommt er an, ganz schlecht.

Der Leser schimpft wie ein Rohrspatz. Unter den ersten 75 Kommentaren hat es fast keine positiven. Und ob die einsamen zwei ganz spontan da reinrutschten? Ansonsten wird kräftig Dampf abgelassen:

«Das neue ReDesign ist absolut misslungen! Wie kann so etwas nur passieren?  … Mir gefällt es nicht, es gibt viel zu viel weisse Flächen, die reinste Platzverschwendung … Das App-Layout auf dem Desktop ist das Letzte … Katastrophal für jemanden, der sich auf einem Laptop-Bildschirm gerne einen schnellen Überblick verschaffen möchte. Aber klar, so lässt sich der Leistungsabbau besser kaschieren … In der PC-Ansicht ist auf einer Seite gefühlt 10% Bild, 5% Text und 85% weisse Fläche. Was soll das? … Nicht gut, einfach zu wenig Übersicht. Nicht User freundlich … Gibt’s den Tagi nun gratis ? Für mich als Abonnenten in dieser Form nicht mehr tragbar … Absolute Katastrophe … Wieder ein haufen Geld zum Fenster rausgeworfen … Das neue Design ist unmöglich …   Ich bin schwer enttäuscht … Das neue Design ist milde gesagt ein Flop.»

Und so weiter, und so fort. Die zwei einsamen positiven Kommentare riechen streng nach verzweifelt bestellt.

Tja, was macht man in einem solchen Fall? Routine. Man sagt, dass Veränderungen zuerst immer Verunsicherung und Kritik auslösen. Dann sagt man, dass man sehr dankbar für das Feedback sei und schnurstracks gewichtige Verbesserungen durchgeführt habe. Dann sagt man nichts mehr und denkt: scheiss auf die Lesermeinung. 35 Nasen, die an diesem missglückten Redesign mitarbeiteten, können sich doch nicht irren.

Allerdings: Was beim Online-Auftritt eines Newsorgans im Design zu lösen ist, ist doch ganz einfach. Wie bringt man vor allem ganz oben möglichst viele Info-Angebote an den Leser, ohne dass es nervt. Und wie koppelt man Bild und Text. Da muss man das Rad nicht neu erfinden, es gibt x gelungene Versuche. Ein Blick auf nzz.ch hätte eigentlich gereicht. Aber richtig plagiieren, das will halt auch gelernt sein.

Oder aber – das wäre allerdings für das IQ-Level der Führungsfiguren bei Tamedia zu genial –, diese Scroll-Orgie soll mehr Leser dazu verleiten, zur Printausgabe zurückzukehren.

Es ist allerdings anzunehmen, dass Birrer nun wieder in ihr tiefes Schweigen zurückfällt. Und es gibt ja keine Kerstin Hasse mehr, die wenigstens mit Ess-Selfies oder feministischen Kampfansagen von diesem Desaster ablenken kann.

 

Zensur bei Tamedia

Unbedingte Qualität auch beim Umgang mit Kommentaren.

Es geht doch nichts über eine kontradiktorische Auseinandersetzung über ein Thema. Das macht Qualitätsjournalismus im Sinne Bärtschis aus.

Gut, unliebsame Autoren wie René Zeyer haben Schreibverbot, weil die Oberchefredaktorin keine Kritik verträgt und ausrichten lässt, es sei von ihm mehrfach diffamiert worden. Auf die Aufforderung, das mit ein paar Beispielen zu belegen, reagiert sie nicht.

Aber immerhin, der Leser hat doch das freie Wort in den Kommentarspalten, solange er sich an Recht und Ordnung hält. Könnte man meinen. Wird mal gelöscht, weist das die Redaktion transparent aus: «Dieser Kommentar wurde von der Redaktion entfernt.»

Soviel zur schönen Theorie. Die Praxis sieht anders aus. Viele Leser von ZACKBUM schickten Beispiele von Kommentaren, die zwei Dinge auszeichnen: sie sind absolut anständig und publizierbar – wurden aber allesamt zensiert.

Die Autoren kriegten eine immer gleichlaufende Mitteilung, die übrigen Leser kriegten nicht mit, dass hier fleissig die Aktion «saubere Kommentargesinnungsblase» durchexerziert wurde.

Aber offensichtlich werden auch viele Kommentare einfach stillschweigend gelöscht. Dafür lässt sich ein indirekter Beweis führen. Unter dem Schmierenartikel «Die Gefahr besteht, dass Frauen zu Tode gehetzt werden», reihen sich über 130 Kommentare. Ganz abgesehen davon, dass das Machwerk vom Titel über den Inhalt bis zu den Schlussfolgerungen unter jeder Sau ist: hier spielt sich bei den Kommentaren eine lustige, demaskierte Zensur ab.

Das ist so, wie wenn bei frühen Versuchen der Bildretusche ein Arm oder ein Bein einer missliebigen und gelöschten Person stehenblieb. Hier wurden offensichtlich massenhaft ungelittene Kommentare gelöscht. Aber Kommentare, die sich über sie beschwerten, blieben stehen. Denn mehrere Leser kritisieren sie, dazu drei Beispiele:

«Unter den Kommentierenden scheinen lauter Rechte Sellner Jünger, mit Incel Vibe zu sein zu sein. Erschreckend sowas.»
«Wenn ich hier im Tagi die Kommentarspalte unter gewissen Artikeln lese frage ich mich ab und zu auch, ob die Flut an misogynen und Ausländerfeindlichen Kommentaren koordiniert ist.»
«Die bisherigen wenige Kommentare hier lesen sich grad wieder wie eine konzertierte Aktion rechtsradikaler Natur. Hass- und Bedrohungsposts werden als legitim und harmlos positioniert, indem diese als völlig gerecht und verdient dargestellt werden.»

Lustig nur: solche Kommentare gibt es gar nicht (mehr). Nun geböte es anständiger Journalismus, den beiden Autoren Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Allerdings geruhten die beiden nicht – im steten Betreben des Tagi nach Qualität und Anstand – auf einen kleinen Fragenkatalog zu antworten. Also lassen wir das zukünftig.

Da wollte ZACKBUM unter anderem wissen:

Sie zitieren das «Handbuch für Medienguerilla», das Ihnen vorliege. Wieso erwähnen Sie nicht, dass es bereits seit 2017 öffentlich einsehbar ist und lediglich einige dürre Plattitüden enthält?
Sie behaupten, Sanija Ameti stehe unter Polizeischutz. Wieso weiss die Polizei nichts davon?
Sie schreiben, dass Ameti auch Morddrohungen erhalten habe. Konnten Sie entsprechende Belege einsehen?

Ein weiterer Schenkelklopfer ist, dass nicht alle Kopfsalat-Blätter das absurde Titelzitat vom Tagi übernahmen. Einigen schien diese abwegige Behauptung, dass in der Schweiz Frauen zu Tode gehetzt werden könnten, doch zu bescheuert. Sie titelten daher neutraler: «Als wäre die ganze Welt gegen sie».

Hier ist wie in einem Mikrokosmos all das versammelt, was letztlich zum Untergang von Tamedia führen wird. Inkompetente Schreiber. Niveaulose Zitate von einseitig ausgewählten und fachlich zweifelhaften sogenannten Expertinnen. Das Präsentieren eines «Handbuchs für Medienguerilla», das «dieser Redaktion vorliegt». Ohne zu erwähnen, dass es uralt ist, nur Flachheiten enthält und seit 2017 im Netz öffentlich einsehbar ist.

Die Veröffentlichung von Räuberpistolen, die eine gescheiterte Bachelorette der Politik präsentiert – ohne den geringsten Faktencheck. ZACKBUM versuchte bereits vergeblich, sie dazu zu bewegen, Belege für ihre wilden Behauptungen über angebliche Hassmails vorzulegen. Schliesslich die Weigerung, auf eine höfliche Medienanfrage zu reagieren. Und dann die unsichtbare Zensur von Leserkommentaren, wobei die Zensoren so blöd sind, nicht alle Spuren zu verwischen.

Die nachträgliche Stilisierung einer dummen Provokateurin zur Märtyrerin, die von einem rechten Hetzmob verfolgt wird und in Gefahr stehe, «zu Tode gehetzt» zu werden – wieso wanderte das nicht in den Papierkorb?

Da bleiben nur zwei Fragen:

Gibt es im Journalismus irgend ein Qualitätskriterium, gegen das hier nicht verstossen wurde?

Gibt es irgend einen Grund, wieso jemand für den hinter der Bezahlschranke versteckten Schrott etwas löhnen sollte?

Wer länger als eine Zehntelsekunde über die Antworten nachdenken muss, hat ein Tagi-Abo redlich verdient.

Was vom Zurich Zensur Festival vermeldet wird

Schaulaufen mit Prominenten und Cervelat-Prominenz …

Festival-Direktordarsteller  Christian Jungen, Cervelat-Prominenz Irina Beller mit durchsichtigem Unterschichtenkleid, daneben noch eine Grinsbacke namens Thomas Dürr. So sieht das Niveau des ZZF aus, des Zurich Zensur Festival.

Dazu Freakshow mit Nemo, Jungen in verschiedenfarbigen Smokings, die aber deutlich am Bauch spannten, Roger Köppel mit weisser Fliege (trägt man aber eher zum Frack, nicht zum Smoking), Bundespräsident Cassis, an seiner Seite Stadtpräsidentin Corine Mauch. Auch Nadja Schildknecht gibt sich die Ehre, allerdings fehlt ihr Gatte, der Versagerrat Urs Rohner, unter dessen Präsidium die altehrwürdige Credit Suisse in den Orkus fuhr.

Eine fröhlich grinsende Bundesrätin Baume-Schneider neben Jude Law, an seiner anderen Seite eine ebenfalls gut gestimmte Mauch, Jungen im nachtblauen Smoking. Dazu jede Menge Möchtegerns, Adabeis und Wichtigtuer. Und, Wahnsinn, eine fast nicht geschminkte Pamela Anderson, die sich sicher gewundert hat, wieso sie zu dieser Ehre kommt. Einfache Antwort: richtige Superstars kommen schon lange nicht mehr ans ZZF.

Ist das grosses Kino?

Der Tagi macht extra eine Rubrik draus, obwohl er ja damit der Konkurrenz NZZ hilft, der das Festival gehört. Auch der «Blick» berichtet fleissig dies und das, selbst die NZZ kommt auf Boulevard-Touren und berichtet, dass Kate Winslet das «Schweizer Label Yvy am ZFF trägt». Und auch CH Media vermeldet dies und das in Backfisch-Manier: «Pamela Anderson erscheint in Zürich wie ein märchenhafter Lichtblick».

Also allgemeines Hyperventilieren, weil Zürich endlich mal so tun kann, als sei etwas Glamouröses im Gange, als sei die Zwingli-Stadt doch irgendwie eine Grossstadt und nicht eine Ansammlung von Banken und Boutiquen mit Truffes du jour als kulinarischem und kulturellem Höhepunkt.

Dass das ZZF die Säle des bankrotten «Kosmos» bespielt, wo ein Traum der Erblinken an der Realität zerschellte (auf Kosten von 72 Angestellten, denen niemand eine Träne nachweinte), irgendwie typisch für Zürich.

Nur die NZZ (neben IP, «Weltwoche» und ZACKBUM) beschäftigt sich ausführlich mit dem Skandal, dass auf Druck der Ukraine ein angekündigter Dokumentarfilm aus dem Programm gekippt wurde; die zur Podiumsdiskussion eingeladene Autorin wurde wieder ausgeladen.

Das ist mutig und vorbildlich, wenn die NZZ schreibt: «Zu Versuchen von Zensur darf es nicht kommen, betont unser Filmredaktor. Doch genau das geschieht derzeit. Auch die Ukraine müsse die Meinungsfreiheit achten.»

Der Aufruf sollte sich allerdings auch an die Mainstream-Medien in der Schweiz richten. Denn alle, ausser den oben erwähnten, brachten eine mehr oder minder verkniffene Meldung, dass «Russians at War» nun doch nicht gezeigt werde. Zur Begründung brachte zum Beispiel CH Media einen an Objektivität nicht zu überbietenden Text:

«Filmschaffende werfen Trofimova unter anderem subjektive Haltung, Emotionalisierung des Publikums und mangelnden politischen Kontext vor. Der Film sei reine russische Propaganda und übernehme unkritisch das Narrativ der Soldaten, die keine Ahnung hätten, warum sie überhaupt in diesen Krieg gezogen seien

Wohlgemerkt hatte (ausser dem Filmkritiker der NZZ) keiner der Film- und Medienschaffenden den Dokustreifen gesehen, über den sich alle das Maul zerreissen.

Dass niemand der anwesenden Polit-Prominenz das Rückgrat hatte, wenigstens in einem Nebensatz darauf hinzuweisen, dass sich die Schweiz eine solche Einmischung von Seiten der ukrainischen Regierung und der Botschafterin in Bern nachdrücklich verbitte, eine Schande.

Dass auch keiner der anwesenden B- und C-Promis dazu ein Wort sagte, peinlich. Dass Festival-Direktor Jungen verbindlich lächelnd seine Garderobe ausführte und auch kein Wort des Bedauerns oder der Erklärung fand, dieser Makel wird ihn von nun an begleiten.

Freiheit der Kunst, Erforschung des Hybriden und Non-Binären, Schaulaufen der Eitelkeiten auf dem grünen Teppich, Limousinenflotte, mit der Wichtigkeiten herumkutschiert werden, VIPs, Selfie-Jäger, Blitzlichtgewitter, der übliche Blick aller Prominenz und Pseudoprominenz muss ich den kennen oder nicht eher der mich?, was für ein Jahrmarkt des Gehabes.

Und alle tragen eigentlich des Kaisers neue Kleider, so aufgemaschelt, aufgebürstet, hingefönt, professionell geschminkt und in nicht immer geschmackssicher gewählter Galarobe sie auch schaulaufen mögen. Wem es wirklich um die Freiheit der Kunst, um die Meinungsfreiheit gegangen wäre, der hätte unter lautstarkem Protest nicht teilgenommen oder den grünen Teppich für ein klares Statement benutzt.

Aber wenn alle besoffen von der eigenen oder der geliehenen Wichtigkeit sind, dann bleibt für Zivilcourage natürlich kein Platz. Dann merkt niemand, wie lächerlich doch alle Teilnehmer an diesem Zirkus sind.