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Tagi: Dummes Geschwätz von gestern

Das Kurzzeitgedächtnis der Journalisten in seiner schlimmsten Form.

«Was geht mich mein dummes Geschwätz von gestern an.» Es ist nicht sicher, ob das Lenin oder Konrad Adenauer (oder beide) gesagt haben.

Der «Tages-Anzeiger» titelt: «Gehyptes ETH-Start-up gerät ins Stottern – was ist da losClimeworks will mit grossen Staubsaugern CO2 aus der Luft filtern und unschädlich machen. Aber die Sauger haben Verstopfung, grossartige Projekte erbringen nicht im Ansatz die versprochene Leistung.

Multimillionen sind in die Luft geblasen worden, jetzt setzt es Massenentlassungen, begleitet von Durchhalteparolen. Und für den Tagi ist es plötzlich «gehypt».

Wer hat’s denn gehypt und hyperventiliert?

Regierungsrätin Carmen Walker Späh durfte in einem Gastbeitrag in den Qualitätsmedien aus dem Hause Tamedia im Juni 2024 jubilieren: «Die Schweiz ist bereits ein führender Standort für die Entwicklung solcher zukunftsweisenden Lösungen. Unternehmen wie Climeworks, das CO₂ direkt aus der Atmosphäre entfernt …»

Gut, eine Politikerin. Im August 2024 legte Klima-Koryphäe Simon Schmid aus der Qualitätsredaktion nach: «Das könnte mit Techniken passieren, wie sie etwa die Schweizer Firma Climeworks entwickelt und auf Island bereits umsetzt.»

Natürlich mit einem vorsichtigen Konjunktiv, man weiss ja nie so genau.

Im Oktober war dann die nächste Koryphäe, Joachim Laukenmann, dran. Er warnt in bewegenden Worten vor den schrecklichen Folgen der Erderwärmung. Aber es ist Abhilfe in Sicht: «Eine Anlage der Schweizer Firma Climeworks in Island, genannt Mammoth, die CO2 aus aus der Luft einfängt.» Allerdings in so geringen Mengen, dass schon alleine ihr Bau und Betrieb mehr CO2 freisetzt als «eingefangen» wird.

Im November 2024 interviewte er einen «Forscher», der unwidersprochen sagen durfte: «Ein Beispiel für diesen neuen Markt sind die Aktivitäten der Schweizer Firma Climeworks, die mithilfe grosser Filter CO₂ aus der Atmosphäre entfernt und das Gas im Untergrund lagert.»

Im Dezember durfte Spezialist Martin Läubli in die Tasten greifen: «Grosse Hoffnung wird in die – noch teure – direkte Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre gesetzt, wie das die Schweizer Firma Climeworks in Island macht.»

Nach diesem Hype nun die plötzliche Ernüchterung. Entlassungen, die Bude gerate ins Stottern.

Das passiert der versierten Redaktion vom Tagi natürlich nie.

Dass sie, ohne sich die Ergebnisse genauer anzuschauen, mitgehypt hat: Schwamm drüber. Wer erinnert sich schon noch an unser dummes Geschwätz von gestern?

«Ein geplantes Megaprojekt in den USA steht wegen drohender Mittelkürzungen still», unken Claudia Gnähm und eben der Läubli. «Das Filtern von 5 Millionen Tonnen CO2 hat Climeworks bereits vertraglich zugesichert. Aber: Tatsächlich aus der Luft entfernt hat Climeworks bisher aber nur 1000 Tonnen CO₂.» Ziele knapp verfehlt.

Glücklicherweise gibt es immer einen «Klimaexperten», der tröstliche Worte parat hat: «Grundsätzlich sieht er derzeit keinen Anlass, an den Zielen von Climeworks zu zweifeln.» Grundsätzlich ist eben etwas anderes als tatsächlich.

Die Pläne sind weiterhin gigantisch: «Das Langfristziel der Klimapionierin: bis 2050 pro Jahr eine Milliarde Tonnen CO₂ zu reduzieren

Von 1000 Tonnen auf eine Milliarde, und das soll mit Redimensionierung und Massenentlassung erreicht werden. Hätte der Tagi nicht mitgehypt, würde er das wohl so bezeichnen, wie es eine solche Hybris von Erbauern von Luftschlössern verdient: heisse Luft.

Beim Co2-Absaugen kennt sich Tamedia halt nicht so aus. Bei Entlassungen hingegen schon.

Kompetenz war gestern, Geschwafel ist heute.

Tagi klagt mal wieder an

Zwei Schnüffel-Detektive gegen Travis.

«Sascha Britsko arbeitet als Reporterin bei «Das Magazin» und im Ressort Zürich Politik & Wirtschaft des «Tages-Anzeiger». Oliver Zihlmann ist Co-Leiter des Recherchedesks von Tamedia

Daher meinen die beiden wohl, es sei alles erlaubt. Normalerweise beschäftigt sich die gebürtige Ukrainerin ganz objektiv mit Russland. Normalerweise beschäftigt sich Zihlmann mit dem Ausschlachten von Hehlerware. Jetzt aber haben sie sich ins Geschlechtsleben eines sogenannten «Influencers» verbissen.

Ihre Spezialität dabei: die Vorverurteilung. Auf welches Niveau ist ein Journalismus gesunken, der im Titel eine solche Frage stellt: «Sex mit 15-Jähriger: Warum wurde das Verfahren gegen Travis eingestellt?» Wer das liest, glaubt sicher nicht dem Feigenblatt-Satz: «Für ihn gilt die Unschuldsvermutung

Für die beiden Journalisten auch nicht. Nach diesem Titel fahren sie maliziös mit der Hinrichtung fort: «Mehrere der Frauen haben Anzeige erstattet, am 24. März steht der Influencer «Travis the Creator» wegen Verdachts auf mehrfache Vergewaltigung vor Gericht

Aber eben, es gelte die Unschuldsvermutung, die gleichzeitig mit Füssen getreten wird. Es scheint vieles darauf hinzudeuten, dass dieser Travis kein Mensch ist, den man gerne zu seinem Bekanntenkreis zählen möchte. Aber darum geht es hier nicht. Hier geht es um die Vorwürfe Vergewaltigung und Sex mit Minderjährigen.

Zunächst wird ausgedehnt erklärt, was die gesetzliche Lage ist. Dann wird auf einen Fall eingegangen, der sich 2019 ereignet haben soll. Er habe eine damals 15-Jährige in einer Bar kennengelernt, in der man 20 Jahre alt sein muss, um reinzukommen. Es floss Alkohol, anschliessend ging sie mit Kollegen in Travis Wohnung, um zu chillen. Dort sei es zu Geschlechtsverkehr gekommen, während dessen sie Travis gesagt habe, wie alt sie sei. Erst drei Jahre später zeigte sie ihn wegen Vergewaltigung an.

Soweit die sicherlich unappetitliche Geschichte. Nun beantwortet aber das Recherchegenie-Duo die im Titel anklagend gestellte Frage im Artikel selbst. Bzw. man bedient sich des Sachverstands einer Professorin für Strafrecht und Kriminologie:

«Eine Aussage, dass es eine sexuelle Handlung mit einer 15-Jährigen gab, reicht nicht für eine Anklage.»

Es brauche den Nachweis, dass der Beschuldigte das Alter des Kindes gekannt habe. «Wenn die Ermittlungen keinerlei Nachweis ermöglichen, dass der Beschuldigte das Alter hätte erkennen können, dann lässt sich eine Einstellung rechtfertigen, auch wenn der Geschlechtsverkehr unbestritten ist. Insbesondere wenn das Opfer keine Aussagen macht und mit dem Fall nichts mehr zu tun haben will.»

Aber von solchen Ausführungen lässt man sich bei Tamedia doch keine Null-Story kaputtmachen. Und wieso erhielt der Unhold dann noch 300 Franken aus Staatskasse, sozusagen als Belohnung für seine üble Tat? Auch das hat einen banalen Grund: Es gab einen Kopierfehler, durch den diese Zahlung in die Verfügung der Staatsanwaltschaft rutschte. Und amtlich ist amtlich.

Es gibt also juristisch nachvollziehbare Erklärungen für die Einstellung des Verfahrens und die Auszahlung von 300 Franken an diesen Travis.

Wenn es noch so etwas wie anständigen Journalismus bei Tamedia gäbe, müsste ein Verantwortlicher sagen: das ist eine aufgepumpte Nullstory mit einem idiotischen Titel und Lead, die spülen wir wohl besser, bevor wir uns damit öffentlich lächerlich machen. Aber doch nicht beim Tagi. Da werden aus heisser Luft 6743 A gebastelt, um die Kampagne fortführen zu können.

Dabei sollten andere Fälle, bei denen der Tagi schon gewaltig auf die Schnauze gefallen ist (Stichwort Sänger von «Rammstein») zur Vorsicht mahnen. Damals forderte Amok Andreas Tobler sogar, dass die Konzerte der Band in der Schweiz abgesagt werden müssten, obwohl selbstverständlich die Unschuldsvermutung gelte. Als es sich dann um erwiesene Unschuld handelte, schwieg Tobler feige. Seinem Beispiel werden Britsko und Zihlmann in diesem Fall sicher  folgen.

Ach, Entschuldigung oder so

Wenn wirre Lesben irren.

Manchmal verplaudert man sich halt. SP-Nationalrätin Anna Rosenwasser fantasierte, dass sie sich zwar nicht für Fussball interessiere, aber «für Lesben, die Sport treiben». Und SP-Nationalrätin Tamara Funiciello, auch schon einschlägig mit Geplapper aufgefallen, ergänzte: auch sie werde bei der Fussball-EM «Lesben beim Fussball zuschauen».

Das ist so in der Liga der feministischen Forderung, die Zürcher Langstrasse mit amtlichem Siegel zur legalen Prostitutionszone zu erklären.

Die pseudolustig-polterigen Aussagen der beiden Damen fanden im Oktober letzten Jahres statt. Es gab etwas Gemurmel, aber sie wiegten sich in der Hoffnung, dass sich das versendet – wie schon so viel Unsinn, den sie verzapft haben.

Schlamm drüber, war doch lustig. Aber dann legte ausgerechnet der Tagi mit einem Interview mit der Nationalspielerin Meriame Terchoun nach, die mit deutlichen und scharfen Worten die beiden Kampflesben eintopfte. Was die wohl geschäumt hätten, hätte ein Mann (oder eine Frau) gesagt, sie schaue im Nationalrat gerne deren Voten als Lesben an.

Aber nun ist die Kacke am Dampfen, und Funiciello legt den Rückwärtsgang ein. Sie bittet den folgsamen Tagi, ihr die richtige Frage zu stellen, damit sie versuchen kann, ihren Blödsinn wegzulabern:

«Tamara Funiciello, Sie möchten sich für Ihre Aussagen entschuldigen.
Ja. Meine Worte haben Leute verletzt, und das tut mir leid. Ich war zu wenig darauf sensibilisiert, wie diese Aussage aufgenommen werden kann, selbst wenn ich sie nicht so gemeint habe. Meriame Terchoun sagte, sie erwarte, dass Politikerinnen Verantwortung übernähmen. Damit hat sie absolut recht.»

Das ist der übliche Politikerslalom. «Tut mir Leid» heucheln, zu wenig sensibel, war nicht so gemeint, aber ich übernehme tapfer Verantwortung. Ja wie denn? Wie hat sie denn die Aussage sonst gemeint? Ausser, dass sie ein übles Stereotyp bediente?

Dann noch etwas Vernebelung:

«Können Sie die Kritik von Meriame Terchoun nachvollziehen?
Ja. Ich habe es aus einem anderen Blickwinkel angeschaut. … Was mir Sorgen macht, ist eine andere Aussage in ihrem Interview: Sie sagte, dass sie Kolleginnen habe, die Morddrohungen erhalten hätten, weil sie lesbisch seien.»

Und mehr Nebel:

«Meriame Terchoun sagte auch: Wenn ein Mann Ihre Aussagen gemacht hätte, gäbe es einen Skandal.
Wichtig ist, dass man Verantwortung übernimmt, lernt und danach handelt, unabhängig vom Geschlecht. Das tue ich.»

Tut immer weh, wenn der Autor, hier mal wieder Marcel Rohner, seine journalistischen Pflichten verletzt und nicht sagt: Das war nicht die Frage.

Schliesslich darf Funiciello noch etwas über ihr Coming-Out labern, wie das denn war, anno 2019 und so.

Dann ist da noch Anna Rosenwasser, rhetorisch ihrer Kollegin haushoch überlegen. Ihren Slalom in der «Republik» muss man vollständig auskosten:

«Seit der ersten riesigen Schlagzeile liegt mir das Ganze quer im Magen. Nicht nur, weil sie erniedrigend ist – das kann eine legitime Konsequenz sein, wenn eine öffentliche Person einen Fehler macht. Sondern, weil ich mir jeden Tag die Frage stelle, ob der Vorwurf stimmt. Es ist meine Aufgabe, mir diese Frage zu stellen, statt ausschliesslich in die Defensive zu gehen: Habe ich Menschen mit meiner Aussage verletzt?
Nein, sage ich am ersten Tag. Die Aussage war unproblematisch, beharre ich drei Wochen lang. Es gibt kein «Hätte ein Mann das gesagt …»; Männer, die tatsächlich diskriminierende Witze machen, kriegen ganze Podcasts.
Dann erinnere ich mich an die Frage, die eigentlich im Zentrum stehen muss: Haben meine Handlungen Menschen verletzt?
Ja, merke ich.
Fuck.
Meine Aussage, die liebevoll gemeint war, hat Menschen verletzt. Absicht und Folgen einer Aussage sind nicht dasselbe; fahre ich aus Versehen einem Mitmenschen über den Fuss, macht der Umstand, dass ich das nicht wollte, ja auch seinen Schmerz nicht wett.»

Grossartig. Da ringt ein Mensch öffentlich mit sich, lässt alle (wenigen) Leser daran teilhaben, dass er  (Pardon, die Menschin) sich jeden Tag selbstkritische Fragen stelle, auf der falschen Antwort beharre, dann aber zur besseren Einsicht komme. Dann noch das Sahnehäubchen, statt einer Entschuldigung: «Ich glaube gleichzeitig, dass einiges, was diese Verletzungen verstärkt hat, ausserhalb meiner Verantwortung liegt.»

Tja, wenn man verantwortungslos plappert und sich nicht mal dafür entschuldigt, dann liegt natürlich vieles ausserhalb der eigenen Verantwortung. Auch man (Pardon, frau) selbst. Beste Voraussetzungen, um Volksvertreterinnen*** zu sein. Aber die woke Wolke wird beide Lesben, Pardon, das ist eine unziemliche Reduzierung, weiter umhüllen. Aber geht bloss nicht an die Langstrasse, Mädels, dort müsstet ihr dank Euren Gesinnungsgenossen:Innen* in Zürich auch öfter mal «fuck» sagen. Oder hören.

Kedves ganz nackt

Reingefallen, sie schreibt über nackte Wahrheiten.

Alexandra Kedves meldet sich selten zu Wort. Aber wenn, dann zu bedeutenden Themen. Wir müssen hier das Objekt ihrer, nun ja, Aufmerksamkeit, züchtig beschneiden.

«Fast nackt bei den Grammys: Warum tut Kanye Wests Frau das?» Da möchte man als strammer Feminist einwenden: hat die keinen eigenen Namen? Wird sie so nicht von der Autorin zum Anhängsel schon im Titel degradiert? Herrscht hier nackter Sexismus?

Bei diesem Rätsel möchte Kedves auf jeden Fall nicht gerne allein sein: «Das fragt sich die ganze Welt.» Ganz ehrlich, ZACKBUM gehört offenbar nicht zu dieser Welt. Aber während die sich noch fragt, hat sie bereits eine Antwort: «Eines steht fest: Glücklich wirkt Bianca Censori dabei nicht

Woran merkt man das? Wie wirkt eine Frau glücklich, wenn sie in einem Hauch von Nichts, dazu freizügig ausgeschnitten, kurz bei den Grammy Awards auftaucht? Auf jeden Fall hat sich Kedves in alle anzüglichen Details vertieft: man bekäme «alles gezeigt: die fülligen Brüste mit den grossen Vorhöfen ebenso wie die totalrasierte Scham. Die Bildagentur warnte denn auch: «image contains nudity».»

Aber wenn es um die Beantwortung der letzten Fragen der Menschheit geht, lässt sich eine mutige Redaktorin davon nicht abschrecken. Denn sie ist sich das gewohnt: «In der Sommerbadi beispielsweise kann man dreiviertelblutter Körper in allen Farben und Formen ansichtig werden, das ist kein Ding. Und doch.»

Und doch? «Ist das extreme Freiheit oder extreme Gefangenschaft – ist Censori versklavt von Schönheitsidealen, dem männlichen Blick? Der «New Yorker» widmete Censoris Nacktheit im letzten Sommer einen ganzen Essay, ohne das Rätsel zu lösen.» Um hier die Pointe vorwegzunehmen: woran der New Yorker scheiterte, da versagt auch Kedves.

Sie hat leider auch keine Antworten, nur Fragen: «Braucht Ye so einen Auftritt seiner Gemahlin wie andere den baumelnden Porsche-Schlüssel in der Hand? Oder braucht sie das, um sich an ihrem perfekten Body zu berauschen? Sind das überhaupt die richtigen Fragen

Vor allem die letzte ist sehr tiefsinnig. Wenn’s die falschen sind, wieso stellt sie die denn? Und sind es die richtigen, wieso zweifelt sie dann?

Auf jeden Fall gibt es natürlich jede Menge vergleichbare Fälle. Die kurz hervorblitzende Brust von Janet Jackson, was nun allerdings ein an der Brustwarze herbeigezogener Vergleich ist. Eine Lehrerin, die wegen einer nackten Statue im Kunstunterricht zum Rücktritt gezwungen wurde. Es handelte sich aber um den echt nackten David von Michelangelo. «Nackte Körper können ja auch als lebendige Kunstwerke zelebriert werden oder als Ausdruck von Emanzipation. Blosse Brüste zum Beispiel haben als Protestrequisite Tradition», weiss Kedves noch und beendet damit den Ausflug ins Archiv.

Aber alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. Da muss noch eine Schlusspointe her, sozusagen der Po des Artikels: «Wen weibliche Perfektion triggert, sollte lieber wegschauen. Bei anderen (auch bei mir) stellt sich freilich, bei aller frustrierten Selbstreflexion vor dem Spiegel, am Ende vor allem ein Gefühl ein: Mitleid.»

Hui, da wurde es Kedves aber – wegen des Blicks in den Spiegel? – ganz blümerant. Abgesehen davon, dass man im Fall Censori das mit der weiblichen Perfektion so oder so sehen kann: wieso sollte der wegschauen (oder die oder everybody beyond), den das triggert? Schliesslich könnte man ja nur vom Hinschauen genervt werden. Oder so.

Und was soll hier der Einblick in Kedves Innenleben? «Frustrierte Selbstreflexion», möchte sie tatsächlich auch so aussehen? Und woher kommt dann das Mitleid? Für eine arme, reiche, nackte Frau? Wäre das nicht vorhanden, wenn Censori dazu ein Gesicht wie ein Vamp gemacht hätte?

Aber Kedves weiss auch hinter die Nacktheit zu schauen: «Man spekulierte schon über ihre allenfalls angeschlagene Psyche und die eventuell toxische Beziehung zwischen den beiden.» Oh je, könnte das also in Wirklichkeit der Ausdruck einer Störung sein?

Auf jeden Fall ist es ein weiterer Beitrag vom 5000 A des Tagi zur Reihe Hut und Porträt, oder in nackten Worten: Leserverarsche.

 

Nieder mit Merz!

Ein wenig Statistik zur Illustration des Tamedia-Wahnsinns.

Manche, vor allem in den Verrichtungsboxen der Zentralredaktion des Tagi, mag das überraschen: Ein Bezahlmedium sollte dafür seinen Lesern etwas Wertiges bieten. Nachricht, Analyse, Einordnung, Aufbereitung. Statt Gerülpse und Meinung satt.

Schauen wir uns alles an, was in der vergangenen Woche unter dem Stichwort Friedrich Merz erschienen ist.

Es sind, Stand Montagmorgen, bei Tamedia 27 Artikel. Natürlich viele Doubletten dabei, da das Ganze in den Kopfblattsalat gespült wird. Einige Mütterchen: «Wie Friedrich Merz sich selbst eine Fall stellte, Merz scheitert überraschend mit Asylgesetz – trotz erneuter Hilfe der AfD, Merkel kritisiert Merz, Friedrich Merz macht einen kolossalen Fehler, Für ein strengeres Grenzregime nahm Friedrich Merz Stimmen der AfD in Kauf».

Fügen wir noch Alice Weidel, die Co-Chefin der AfD, hinzu: «Ex-AfD-Chefin Frauke Petry im Interview: «Wenn AfDler reden, geht es früher oder später immer um Hitler», «Die AfD ist sexbessen», «Noch problematischer ist der obsessive Fokus einiger Schweizer Medien auf Weidels «menschliche» Seiten – wie ihre kulinarischen Präferenzen oder ihre Naturliebe: Damit wird verschleiert, dass sie als Aushängeschild einer in Teilen rechtsextremen Partei fungiert.»

Wer sich das angetan hat, kann nicht ernsthaft behaupten, umfassend informiert worden zu sein. Gut, schlimmer geht immer. «Der Spiegel»: «Ein Mann sieht blau, Die Geister, die Merz rief, Der Mann darf nicht Kanzler werden, Zerreisst Merz die Union?, Er kann es nicht, Friedrich Merz fällt auf einen Psychotrick der AfD rein, Ein beschädigter Kandidat in einem beschädigten Land, Rechtsabbieger im toten Winkel, Maximaler Schaden für die Demokratie, Das Fiasko des Friedrich Merz, Blufft Friedrich Merz nur? Wie Friedrich Merz der AfD die Tür zur Macht öffnete, So darf Merz nicht weitermachen».

Fügen wir noch Alice Weidel hinzu: «Alice im D-Mark-Wunderland, So viel Hass, Ein Eiszapfen für Deutschland, Wo die AfD, da kein Plan».

Der Leser hat wohl die Botschaft verstanden. Schlimm ist, dass nicht nur Tagi und «Spiegel» unermüdlich warnen, raunen, denunzieren. Auch die meisten anderen Mainstream-Medien schwimme mit im Malstrom. Und niemandem all dieser Koryphäen fallen drei einfache Tatsachen ein oder auf:

  1. In einer Demokratie kann keine Partei verhindern, von wem Vorschläge von ihr Stimmen bekommen.

  2. Wie kann es sein, dass ein harter Eingriff ins deutsche Asylchaos zwar dringlich nötig ist, und hätte die AfD nicht dafür gestimmt, sogar als sinnvoll erachtet worden wäre. Aber mit ihren Stimmen verwandelt sich der Vorschlag in etwas Böses.

  3. Es wäre der SPD und den Grünen unbenommen gewesen, für diesen Vorschlag zu stimmen. Aber sie brachten das Kunststück fertig, lieber gegen die CDU (und die AfD) zu stimmen, ohne einen Gegenvorschlag zu haben, obwohl auch sie einräumen, dass Handlungsbedarf besteht.

Also halt weiter im Chaos als zusammen mit CDU und AfD dagegen. Der Gipfel der Absurdität, und der ist mit der Ablehnung des Gesetzes erreicht: der braune Sumpf der AfD muss nur etwas kürzer treten und die Partei muss alle Knaller wegstecken, die der «Spiegel» (und die SZ) vor den Wahlen noch zünden werden, dann fährt sie im Schlafwagen zum Wahlsieg (with a little help from my enemies).

In turbulenten Zeiten verlieren viele Massenmedien ihren Kompass – und jammern beim unvermeidlichen Leserschwund über die Arglist der Zeiten, gegen die man nicht ankomme. Irgendwie ähnelt der Tagi der Migros zurzeit; kein schöner Anblick, so viel geballte Inkompetenz der Führungsetage.

Gesinnungs-Journalismus, Part II

Enver Robelli reitet mal wieder.

Der Tagi lässt ihm halt alles durchgehen:

Der gebürtige Kosovare leistete gegenüber Kroatien einen gewaltigen Beitrag zur Völkerverständigung: «Kroatiens Präsident als Provokateur: Er poltert gerade wie ein Betrunkener – gegen Minister und Bosniaken».

Aber er hat auch den Blick für das Grössere, dafür, dass «Putin den Vormarsch der Autokraten in Europa» unterstütze. Allerdings fängt er sofort an zu eiern. Denn die Beschreibung von Putins angeblichen Essgewohnheiten ist natürlich nichts anderes als «Heldenverehrung im Dienste Russlands». Was daran eine «Fake-News-Kampagne» sein soll? Isst der in Wirklichkeit kein Omelett mit Fruchtsaft, sondern Kaviar mit Wodka? Oder frisst er gar kleine Kinder?

Die Beschreibung der Essgewohnheiten von Donald Trump (Fast Food von McDonald’s, Hackbraten, McMuffins und Coca-Cola light) ist hingegen ein grandioses Stück Recherchierarbeit. Das gilt natürlich auch für Kamala (wer war das schon wieder) Harris (Gumbo), Joe Biden (Erdnussbutter-Marmeladen-Sandwich, Gatorade Orange)  oder Barack Obama (Salat mit Hähnchen, Tee).

Dann liefert Robelli, wäre sonst zu anstrengend geworden, einfach eine Zusammenfassung einer Studie der FDP-nahen deutschen Friedrich-Naumann-Stiftung ab. Daher weiss er:

«Der Balkan, so die Studie, sei gezielt als «Labor und Trainingsfeld russischer Propaganda» ausgewählt worden. Die vom Kreml gesteuerten Propagandainstrumente «Sputnik» sowie «RT-Balkan» (früher Russia Today) fluten von Belgrad aus die Region mit Lügen, Fake News und Verdrehungen, um die Bevölkerung gegen «den Westen» aufzurüsten

Anschliessend frühstückt Robelli das Panoptikum der östlichen «Achse der Autokraten» (analog zur «Achse des Bösen») ab: Serbiens Vucic und natürlich Ungarns Orban; «sein Agieren habe das Zeug, die EU, die Nato und das gesamte euroatlantische Sicherheitssystem ins Wanken zu bringen». Wow, der ist ja fast noch gefährlicher als Putin.

Da kommt der Heimweh-Kosovare richtig in Fahrt: «Alleinherrscher von Budapest» (wer meint, der sei gewählt worden, irrt sich), der mit «seiner kruden Mischung aus Nationalismus und Rechtspopulismus den Staat gemäss seinem antiliberalen Weltbild umgebaut hat, inspiriert auch den linkspopulistischen Premier der Slowakei, Robert Fico, sowie den FPÖ-Chef Herbert Kickl, der bald Bundeskanzler in Wien werden könnte. Fico besuchte kurz vor Weihnachten Putin in Moskau.»

Und noch die Kontaktschuld: war in Moskau, vor Weihnachten, das sagt doch alles. Und so weiter.

Nach der unbelegten Beschreibung der Misere zum Schluss unweigerlich die guten Ratschläge: «Auf die unjournalistische Propaganda müsse eine journalistische Antwort folgen

Alles in indirekter Rede, damit Robelli zur Not sagen kann, er habe ja nur abgeschrieben, und das auf quälend langen 9135 A. Allerdings: wenn die Antwort journalistisch sein soll, dann kann dieses Machwerk ja nicht dazuzählen. Es ist im Grunde genauso propagandistisch-primitiv wie vieles, das aus Russland kommt. Einfach andersrum.

 

«Sieg heil, liebe CDU»

Kann man Verluderung steigern?

Bernd Kramer, ein Politik-Reporter der «Süddeutschen Zeitung», versucht’s nicht ohne Erfolg. Wenn die Finger schneller als das Hirn sind (oder vielleicht auch nicht), dann entstehen Tweets, die jedem anständigen Menschen die Schamröte ins Gesicht treiben würden.

«Bernd Kramer ist bei der SZ zuständig für Themen rund um die Arbeitswelt und Bildungspolitik», steht auf seiner Autorenseite. Zuvor war er bei der taz (die tägliche deutsche WoZ), das erklärt schon einiges. Er begibt sich gerne aus seinen Themenbereichen hinaus zum Holzfällen.

Auf den CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz gemünzt, schlammte er: «Der Führer hat gesprochen». Das ist vor allem in Deutschland und am Gedenktag für die Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee unerhört. Er warf dann noch ein Stück Dreck hinterher, auf den Generalsekretär der CDU gezielt: «Carsten Linnemann ist bereits genervt vom «Brandmauergerede». In diesem Sinne: Sieg Heil, liebe CDU.»

Nun kann man nur hoffen, dass Kramer das unter dem Einfluss von verbotenen Substanzen gekeift hat. Aber seine Reaktion auf die über ihn hereinbrechende Welle von Kritik lässt nicht viel Hoffnung:

Er murmelt zu seinem gelöschten Tweet:

«Mich empört und bestürzt, dass die CDU sich derzeit offenbar Mehrheiten bei den Rechtsradikalen sucht. Ich habe dafür ganz offensichtlich unangemessene Worte gefunden. Dafür entschuldige ich mich.»

Ach so, er ist empört und bestürzt. Ja dann. Die Entschuldigung ist natürlich nur ein verzweifelter Versuch der Arbeitsplatzsicherung. Verfolgt man seine Tweets, ist bei ihm der Schoss fruchtbar noch, aus dem das kroch.

Blitzschnell krebste die SZ zurück, sie tweetete, dass sie «sich in aller Form von den Äußerungen» distanziere und natürlich «den Inhalt auf das schärfste verurteile». Immerhin sei das der private Account des SZ-Mitarbeiters.

ZACKBUM wagt die Spekulation, dass die interne Reaktion etwa so aussah: inhaltlich völlig richtig, so sehen wir das doch auch, aber falsche Wortwahl. Vielleicht wird Kramer nun zum Bauernopfer, vielleicht kommt er auch mit einem scharfen Verweis davon. Auf jeden Fall wird Zeit gewonnen, genaue Abklärung, Anhörung, Gremium, Blabla: man prüfe, «wie es dazu kommen konnte». Diese Prüfarbeit kann man der SZ ersparen: es kam dazu, weil das genau Kramers ideologischem Standpunkt entspricht.

Nicht nur ihm verrutscht die Sprache, auch Noch-Gesundheitsminister Karl Lauterbach haute einen Tweet raus. Er warf Merz vor, der «hofiere» die AfD und sei «moralisch bankrott». Auch Lauterbach löschte und winselte:

«Ich habe einen Tweet, in dem ich den Ausschwitz-Gedenktag mit der aktuellen Debatte um die Migrationspolitik in Verbindung bringe, gelöscht und mich bei  @_FriedrichMerz entschuldigt. Der Tweet war in Ton und Inhalt deplatziert. Wir sind im Wahlkampf. Aber Anstand muss sein.»

Das ist ungefähr so lustig wie die Ermahnung des US-Richters an die Jury, nach einem Einspruch das zuvor Gesagte nicht zu beachten. Mit «Anstand muss sein» hat Lauterbach dann noch für einen Brüller gesorgt.

Die deutsche Innenpolitik war schon immer rustikaler als die schweizerische. Aber was sich diese beiden Lümmel hier erlaubten, ist jenseits von Gut und Böse.

Man vermisst allerdings eine Stellungnahme von Tamedia. Das Qualitätshaus an der Werdstrasse hat schliesslich auch schon Artikel von Kramer aus der SZ übernommen, im Rahmen der Qualitätsoffensive mit weniger Mitarbeitern wäre es doch eine Sparmassnahme, auf weitere Werke dieses Schmierfinken zu verzichten.

Stattdessen übernimmt Tamedia eine «Meinung» der SZ-Autorin Constanze von Bullion. Statt auf die offenkundige Problematik der Messerattacke von Aschaffenburg einzugehen, plädiert sie für «Zivilcourage». Obwohl der afghanische Messerstecher auch einen Passanten tötete, der versuchte, beim Angriff auf eine Kindergruppe einzugreifen.

Lieber Absurdes kopieren als selbst Zivilcourage zu zeigen; das ist der Tagi, wie er leibt und lebt.

«Es überfordert mich wahnsinnig»

Soll man mit einer Grinsbacke Sterbende besuchen und filmen?

Wäre SRF ein Mensch, würde man sagen, er spürt sich nicht mehr. «Mona mittendrin», die Serie mit Mona Vetsch, spielt diesmal in einer «Palliativakademie». Oder weniger vornehm formuliert: in einem Gebäude, in dem Menschen sterben.

Unser Umgang mit Sterben und Tod ist von Hilflosigkeit und Tabus umstellt, am liebsten würden wir die letzte Phase eines Menschenlebens verdrängen. Ein Versuch, das Verhältnis zum Tod zu entkrampfen, wäre sicher begrüssenswert. Aber so?

Da Vetsch – so geht die Story – vorher nicht weiss, wo sie diesmal mittendrin sein wird, muss sie so tun, als dämmere es ihr erst, als sie auf einen Klingelknopf der «Palliativakademie» drückt. «Das werden drei intensive Tage, das weiss ich jetzt schon», sagt sie, und schaut getragen tapfer in die Kamera. Von dem Moment an weiss man schon, dass das fürchterlich in die Hose gehen wird.

Und so entwickelt es sich dann auch zum Sozialporno, zur tapfer die Tränen unterdrücktender Betroffenheitskiste. Ein sterbender 45-Jähriger, der nicht sterben will, das Zimmer mit einer Toten drin. Vetsch geht rein, kommt raus und sagt: «Es überfordert mich wahnsinnig.» Spätestens da fragt man sich ernsthaft, was eigentlich ins SRF gefahren ist, so etwas auszustrahlen.

Schlimmer als das ist eigentlich nur die gesülzte TV-Kritik im «Tages-Anzeiger». Der Satz von Vetsch trifft auch haargenau auf Denise Jeitziner zu. Sie schwankt zwischen Banalitäten («Es ist selten, dass man das Sterben auf diese Weise zu Gesicht bekommt –am Fernsehen, aber auch in der Realität»), Geschmacklosem («Der Ehemann der Verstorbenen ist fürs Organisatorische ins Hospiz gekommen. Er entscheidet sich zwar für ein günstiges Sargmodell – das habe sich seine Frau für die Kremation gewünscht –, aber für den Aufpreis von 140 Franken fürs Aufpolstern des Sargs, «das hat sie verdient»») und Pseudo-Reflektierendem («Man kann darüber diskutieren, ob man den Tod und das Sterben so nah und relativ unvermittelt am Fernsehen zeigen soll»).

Tja, soll man oder soll man nicht? «Vielmehr kann einem die Auseinandersetzung mit dem Tod helfen, sein Leben bewusster zu leben.» Was für ein blühender Unsinn; niemand lebt sein Leben deswegen bewusster. Das sind alles die üblichen Worthülsen, mit denen man die Begegnung mit dem Sterben zuschütten will.

Sicherlich ist es wohl möglich, einen Dokumentarfilm über Sterbende zu machen. Aber so? «Auf nichts vorbereitet, aber auf alles gefasst: Mona Vetsch wird ins kalte Wasser geworfen», teasert SRF die Sendereihe «Mona mittendrin» an. Vielleicht wäre selbst ein Kurt Aeschbacher an der Moderation einer solchen Sendung gescheitert. Vielleicht wäre es etwas geworden, wenn man nicht dieses unpassende Gefäss dafür gewählt hätte.

Und vielleicht könnte eine TV-Kritik im Tagi auch mal den Namen verdienen und nicht aus unverbindlichem Geplauder bestehen. Denn diese Sendung mit einer überforderten Moderatorin und einem Thema, das viel zu schwer für sie und das Format ist, stellt einen neuen Tiefpunkt im TV-Schaffen von SRF dar. Sozialpornos als angebliche Wiedergabe der Wirklichkeit. Unglaublich, wenn man bedenkt, wie viele Instanzen ein Film durchlaufen muss, bis er dann ausgestrahlt wird.

Mit einem Gesamtbudget von 1,5 Milliarden kriegt das Schweizer Farbfernsehen nichts Besseres, Wertiges, Würdiges, mehr als billige Betroffenheit Auslösendes hin?

Wohl ein subversiver Beitrag zur Unterstützung der Gebührenreduktionsinitiative.

Besserwisserin

Heute feststellen, dass gestern heute morgen war. Grossartig.

Sonja Zekri ist die grosse Nahost-Spezialistin. Deswegen sitzt sie auch in (fast) jeder Talkshow. Und füllt die «Süddeutsche Zeitung» mit ihren Meinungsartikeln. Dabei hält sie sich an ein beeindruckendes intellektuelles Niveau. So weiss sie zum Beispiel:

«Der Sturz von Baschar al-Assad hat selbst US-Geheimdienste überrumpelt. Dabei war der Untergang des Regimes absehbar – wenn man die Zeichen beachtet hat.» Das kann Zeichendeuterin Zekri. Allerdings: Im Nachhinein Zukunftsprognosen abzugeben, das ist keine grosse Kunst.

Das ist so wie: Dass es gestern regnete, hat alle überrumpelt. Dabei war das absehbar, wenn man die Zeichen beachtet hat. Was allerdings die grosse Zeichendeuterin auch nicht vorher der Welt mitteilte, erst nachher.

Ein Blick ins Archiv zeigt allerdings, dass Zekri selbst in den vergangenen Jahren niemals Zeichen gegeben oder beachtet oder beschrieben hat, dass der Untergang Assads absehbar gewesen sei. Dieses Wissen hat sie offensichtlich für sich behalten.

Sie ist überhaupt Spezialistin für fast alles, was schon viel ist. Sie studierte Slawistik und war im Feuilleton der SZ. Dann war sie Korrespondentin in Moskau. Was das alles mit dem Nahen Osten zu tun hat? Nichts, wenn man diese Zeichen richtig deutet. Bis 2020 leitete sie dann das Feuilleton der SZ. Und berichtet aus Kairo «über den arabischen Raum». Wow.

Das befähigt sie nicht nur dazu, aus der Vergangenheit in die Zukunft zu schauen. Nein, sie kann das auch aus der Gegenwart heraus, was der Tagi als kleiner Bruder (oder kleine Schwester, oder hybrid oder nonbinär (notbinär will das Korrekturprogramm daraus machen, der fiese Schlingel)) von der SZ übernimmt:

Wobei sie doch zuerst in die Vergangenheit schweifen muss und über das Öffnen eines Foltergefängnisses schreibt. Allerdings handelt es sich um Abu Ghraib im Irak, das kurz vor seinem Sturz von Saddam Hussein aufgesperrt wurde – und dann als Foltergefängnis der USA zu unrühmlicher Bekanntheit kam.

Auch hier weiss die Seherin inzwischen mehr: «Heute weiss man: Der Irak wurde tatsächlich zum Modellfall, allerdings für das Risiko, das die kenntnisfreie Einmischung einer Supermacht in eine komplizierte Gesellschaft bedeutet.»

Was soll nun dieser Vergleich bedeuten? Eigentlich nichts: «Syrien und Irak könnten freilich unterschiedlicher nicht sein. Im Irak erzwangen äussere Kräfte den Umsturz, in Syrien aber stützten fremde Mächte das Regime. Den Umsturz schafften die Syrer allein.»

Also vergleicht sie Nicht-Vergleichbares und reiht in diese Nicht-Vergleiche auch noch Ägypten, Libyen, Jemen und Tunesien ein. Schlussfolgerung: «Was heisst das für Syrien? Dass es ein vernünftiges Erwartungsmanagement braucht.»

Ohä, Erwartungsmanagement, und erst noch ein vernünftiges, hätte ZACKBUM nie gedacht, dass Syrien so etwas dringend braucht. Aber immerhin, Zekri erteilt dem neuen Machthaber ihren Segen: «Syriens neuer starker Mann Ahmed al-Sharaa, der sich in seiner Al-Qaida-Zeit Abu Mohammed al-Jolani nannte, macht vieles richtig.» Das Lob aus dem Mund einer unverschleierten Frau wird ihn sicherlich von Herzen freuen. Aber natürlich muss Zekri auch warnend die Stimme erheben:

«Umso riskanter wäre es, jetzt schon auf freie Wahlen zu drängen. Ohne freie Medien, ohne vertrauenswürdige Institutionen, ohne ein Minimum an Loyalität gegenüber dem Staat und eben nicht nur gegenüber der eigenen Religion, der ethnischen Gruppe oder dem Stamm, so hat der britische Wirtschaftswissenschaftler Paul Collier herausgefunden, werden Wahlen zur Schaufensterveranstaltung.»

ZACKBUM gratuliert nebenbei auch dem Wissenschaftler Collier, der diese Banalität herausgefunden hat und dafür eigentlich den Nobelpreis verdient hätte. Aber Zekri auch, denn sie spart wirklich nicht mit guten Ratschlägen für ein Gedeihen Syriens. Allerdings ist auch hier die bange Frage: hört man auf sie?

«Dringend müssten die westlichen Länder nun Kontakt zu Syriens neuer Führung aufnehmen. Denn wenn sie sich nicht engagieren, auch dafür ist Syrien ein Beispiel, werden andere es tun.»

Die Türkei, Israel, Europa, die USA, keiner wird von ihren Ratschlägen verschont. Vielleicht muss sie schon bald wieder darauf hinweisen, dass es halt schlecht herausgekommen ist, wie sie schon richtig damals schrieb, weil niemand auf sie gehört hat und niemand ihre Zeichen zu deuten wusste. Das ist halt das schreckliche Schicksal aller Kassandras. Sie sagen das Unvermeidliche voraus, aber niemand hört auf sie, deshalb trifft es dann ein. Aber die Welt wäre eine viel bessere, würde sie auf Zekri hören. Davon ist zumindest ein Mensch felsenfest überzeugt.

 

Fakten, Fakten …

… und an den Leser denken. War mal ein Erfolgsgarant. Tamedia pfeift drauf.

Ein ganz normaler Freitagmorgen in der Woke-Küche namens Zentralredaktion. Da behauptet die Kolumnistin Nadine Jürgensen unter dem Brachial-Titel «Brechen wir das Schweigen!»: «Jede Frau ist von sexualisierter Gewalt betroffen.»  Und zitiert die Brachial-«Expertin» Agota Lavoyer, die Kreische der angeblich überall vorhandenen «sexualisierten Gewalt», was immer das sein mag. Aber auf jeden Fall geht sie nur von Männern aus.

Das hat Tamedia schon des Langen und Breiten bis zum Überdruss ausgebreitet. Aber Jürgensen scheint gerade das Buch dazu gelesen zu haben. Immerhin relativiert sie: «Nicht alle Männer sind sexuell übergriffig.» Gut, nur sind keineswegs alle Frauen «von sexualisierter Gewalt» betroffen. Nur interessiert diese larmoyante Wiederholung sicherlich die Mehrheit der Tamedia-Leser einen feuchten Dreck.

Der missglückte Online-Auftritt macht mit der Hammer-Meldung auf: «Mein Sohn geht ins Gymi: Es ist der Himmel – und die Hölle». René Hauri weint den Lesern mit seinen höchstpersönlichen Erfahrungen ins Hemd. Aber da die Mehrheit der Tamedia-Leser keinen Sohn haben, der ins Gymi geht, und wenn, dann wohl auch nicht so drunter leiden …

Dann jubelt Paul Munzinger von der «Süddeutschen Zeitung» über die erste Präsidentin Namibias, weil sie eine Frau ist. Grossartig. Dass sie gegen Abtreibung und Homosexualität ist, nun ja, aber he, sie ist eine Frau, und das ist doch super. Versteht der Tamedia-Leser nicht, interessiert ihn auch nicht gross. Wie viele könnten spontan angeben, wo Namibia liegt? Und ist die Geschlechtszugehörigkeit wirklich wichtiger als die politischen Auffassungen?

Dann nahm der Bote des Gottseibeiuns an einem Ministertreffen der OECD teil. Die Rede von Sergei Lawrow fasst der SZ-Mann Matthias Kolb mit aller gebotenen Objektivität zusammen: «Er warnt, die Sache könne «in ein heisses Stadium» übergehen. Es folgen Verdrehungen, Lügen und Phrasen des Kreml inklusive der Behauptung, in der Ukraine regiere ein Naziregime, das Russland bekämpfen müsse.»

Im Titel behauptet Tamedia, dass es einen «Schlagabtausch mit Baerbock» gegeben habe. Allerdings muss die deutsche Aussenministerin, die ansonsten von Fettnapf zu Fettnapf eilt, ins Leere geschlagen haben, denn Lawrow hatte nach seiner Rede den Saal verlassen.

Roger Köppel interviewt Aleksander Vucic, Anlass für kübelweise Häme. Wenn Richard Gere über die durchaus kontroverse Figur des Dalai Lama schwärmt, der sich auch schon mal von einem Knaben die Zunge küssen lässt, verschont ihn Pascal Blum von jeder kritischen Frage, möchte vielmehr leicht schleimig wissen, wie er selbst denn zum Buddhisten werden könnte.

Dann drückt immer wieder die Gutmenschensprache durch, die jeden Liebhaber von gutem Deutsch die Wände hochtreibt: «Mehr Platz für Pendelnde». Die Armen, sie sind keine Pendler, sondern pendeln unablässig, Tag und Nacht.

Will der Tamedia-Leser das über Ronja Fankhauser wissen? «In meiner Krankenakte habe ich drei Diagnosen für meine Psyche, bald kommt eine vierte hinzu.» Will ihre Mutter wirklich so öffentlich vorgeführt werden? «Du, Mama, hältst davon nicht viel. Als Kind wolltest du mich und meine Geschwister nie abklären lassen.» Brr.

Dann darf ja nicht zu viel vorweihnachtliche Stimmung aufkommen:

Soll man, darf man, soll man nicht, gewichtige Fragen, die sicherlich alle Tamedia-Leser brennend interessieren.

Dann liefert Eva Novak ein klassisches Einerseits-Andererseits ab, das dem Leser beim Einordnen unglaublich hilft: «Der Freihandelsdeal Schweiz – Indien kann ein Lottosechser werden. Oder ein Debakel». Um ein Debakel zu verhindern, weiss die praktizierende Wirtschaftskennerin Novak, tue die Wirtschaft «gut daran» sich an ihre Ratschläge zu halten: «Will sie von den unbestrittenen Vorteilen profitieren, muss sie darlegen, wie sie die Milliarden in Indien umweltverträglich und unter Einhaltung der Menschen- und Arbeitnehmerrechte zu investieren gedenkt. Damit sich der vermeintliche Lottosechser nicht als Fehltipp erweist.»

Wie soll sie das, warum soll sie das, reicht es etwa nicht, wenn sich die Wirtschaft an die indischen Gesetze hält? Interessiert «die Wirtschaft» diese Meinung von Novak? Interessiert sie den Leser? Nein.

Ganz zuunterst, nur noch vor den Rätseln und dem Inhalt des «Magazins», hängt immer noch die Kochserie «Elif x Tagi», die keinen interessierte und einer der vielen Flops der inzwischen eingesparten Kerstin Hasseoffen für Neues») ist.

Soviel als Schnelldurchlauf. Mal im Ernst, liebe Tamedia-Redaktion, liebe Leitung: meint ihr wirklich, damit könnt Ihr den Leserschwund aufhalten? Habt Ihr auch schon mal etwas davon gehört, dass der Leser an Fakten interessiert ist, nicht an Meinungen? Denkt irgend einer von Euch beim Schreiben an den Leser? Also anders, als dass er zu erziehen, zu massregeln, mit Betrachtungen des eigenen Bauchnabels zuzumüllen ist?

Besteht eigentlich das Personal von Tamedia nur noch aus Kamikaze-Piloten (generisches Maskulin)? Oder soll das ein Wettkampf mit dem «Blick» sein, wer besser und schneller Leser und Abonnenten vergrault?

Wieso kann man die ganze Webseite durchscrollen, das ganze schwindsüchtige Blatt lesen – ohne irgendwo Lesespass zu empfinden?

Und wieso wird dem meistgelesenen Verkaufs-Titel von Tamedia, der noch einigermassen Niveau hält, die eigene Redaktion weggenommen? Will man denn unbedingt, dass Arthur Rutishauser, der einzige kompetente Macher, auch noch scheitert? Weil er den anderen Nulpen sonst in der Sonne stünde?

Oder arbeitet Pietro Supino schon an seiner Grabrede für den Tagi plus Kopfsalat?