Schlagwortarchiv für: Pietro Supino

Hier spricht der Chäf

Tamedia: hier zählt die Meinung. Zuerst die von Pietro Supino. Von wem denn sonst?

Leichter Bauchansatz. Ansonsten locker im Auftritt; Newsroom, Jackett am Finger über den Rücken gehängt. Leicht zerknitterte Hose, blassblaues Hemd, immerhin Manschettenknöpfe. Keine Krawatte, kein sichtbares Monogramm zum Signalisieren: massgeschneidert.

Das ist mal ein Chef als Kumpel, der Mund zum Ansatz eines Lächelns leicht geöffnet. In dieser Haltung entscheidet Pietro Supino sicherlich auch jeweils über die nächste Entlassungswelle. Und beauftragt Corporate Communication, mal wieder das faule Ei, das er gelegt hat, golden anzumalen und mit Schleifchen zu dekorieren («schmerzlich, aber für die mittelfristige, Synergien, noch mehr als zuvor, Qualität, Vertrauen, Blüblü»).

Nun geht’s aber mal wieder um alles, also um: «Die Politik ist gefordert, die Pressefreiheit zu bewahren», behauptet der Verleger, VR-Präsident der TX Group, Oberboss von Tamedia und das Mitglied des Coninx-Clans. Gerade rumpelt der Beschluss, Schweizer Medien noch mehr Steuergelder reinzuschaufeln, durch die beiden Parlamentskammern. Höchste Zeit, findet Supino, in diesem Umfeld noch seinen Senf zu geben; bzw. geben zu lassen. Also griffen die Sprachkünstler in die Harfe und lassen engelsgleiche Töne sprudeln:

«Freie und unabhängig Medien sind für eine Demokratie unerlässlich, vor allem für eine direkte Demokratie, wie wir sie in der Schweiz pflegen.»

Zustimmend eine andere Grösse zu zitieren, das kommt auch immer gut: «Medien sind Weltbilderzeuger, wie es der Präsident der Eidgenössischen Medienkommission Otfried Jarren auf den Punkt bringt. Man könnte auch sagen Marktplätze, die zwischen Bürgern, Politik, Wirtschaft und Kultur vermitteln.»

Fast. Ehrlicher wäre gewesen: Man könnte auch sagen Marktplätze, die das Privatvermögen des Coninx-Clans mehren.

Weiter auf der Schleimspur: «… besondere Verantwortung verbunden … strengen Massstab an unsere Arbeit ansetzen … Erfüllung unseres medienethischen Anspruchs … unsere Glaubwürdigkeit ist unser grösstes Kapital.»

Wenn Tartuffe spricht …

Man leidet mit den armen Schweinen, die so was formulieren müssen und sich dann nicht mal den Finger in den Hals stecken müssen, um sich zu entleeren. So lässt also der nur an der Mehrung des Profits seines Clans interessierte Supino schwurbeln. Will er also der Verabschiedung weitere Millionenfüllhörner, die sich über die Schweizer Medien ergiessen werden, noch den letzten Schub geben? Aber nein, er weiss, dass da die Lobbyarbeit und die Abhängigkeit der Politik vom Transmissionsriemen Medien wie geschmiert funktioniert.

Nein, er will auf zwei weitere Themen hinweisen. Mit der vermeintlich harmlosen Streichung des Wörtchens «besonders» soll die Hürde für das präventive Verbot von Publikationen niedrigergelegt werden. Und der Ständerat will nichts daran ändern, dass das Öffentlichkeitsgesetz zwar den Zugang zu Behördenakten erleichtert, die aber mit prohibitiven Gebühren für das Erstellen eines verlangten Dossiers die journalistische Arbeit bewusst torpedieren.

Beides muss geändert, bzw. verhindert werden. In dieser Ansicht kann man Supino nur mit vollem Herzen, beiden Händen und aller Stimmkraft zustimmen. Dass für ihn aber journalistische Arbeit letztlich eine quantité negligable ist, zweitrangig, wenn es um klare Profitziele, um eine Segmentierung des Konzerns geht, wo jede Einheit unabhängig von der anderen das Vermögen der Familie Coninx mehren soll, das ist die andere, hässliche Seite der Medaille.

Dem alten Schlachtross Tagi sind Stellen-, Immobilien- und Fahrzeuganzeigen ins Internet abgeschwirrt und es wäre mehr als naheliegend, die dort erzielten Gewinne wernigstens teilweise in den Tagi zu stecken? Keine Quersubventionierung, dekretiert Supino, wenn der Tagi nicht rentiert, dann wird halt solange abgespitzt, bis sich das ändert.

Das grosse Vorbild. Nora Zukker, das war …

«Verantwortung, medienethischer Anspruch»? «Glaubwürdigkeit als grösstes Kapital»? Nein, Yacht, Auto, Villa, Kunstsammlung. Wer einen solchen Tartuffe als Chef hat, muss sich um seine Glaubwürdigkeit keine Gedanken machen. Sie ist nicht erkennbar.

 

Journis, hört die Signale!

In Bern geht das grosse Rausschmeissen weiter. Tamedia schafft durch Synergien höhere Qualität. Die Journalisten jammern.

Dort haben die Mitarbeiter von Tamedia zurzeit grösser Probleme, als sich mit der Frage zu beschäftigen, wie das Gendersternchen richtig verwendet wird und ob das Verhalten Mitarbeiterinnen gegenüber anständig, respektvoll und nicht diskriminierend ist.

Denn wie man das allen gegenüber fehlen lässt, hat Pietro Supino wieder mal gezeigt. Er liess aus dem Stehsatz zerren: «hohe journalistische Kompetenz», «schlagkräftige Redaktion», ««Berner Zeitung» und «Der Bund» bleiben zwei Titel mit unterschiedlicher Positionierung». Dazu noch «Herausforderungen, Transformation», Blabla.

War nicht gelogen: Es gab keine Debatte …

Ach ja, und «voraussichtlich 20 Vollzeitstellen» koste «diese Zusammenführung». Wunderbar formuliert, genauso wahrheitsgetreu wie die Schwüre vorher, dass das «Berner Modell» super sei, Respekt vor der Tradition, niemals und immer und Blüblü.

Schreibknechte, gebt Gas …

Aber da hält es die Geschäftsleitung von Tamedia so wie viele ihrer Journalisten: Ist doch völlig egal, was für einen Unsinn wir früher mal geschrieben oder gesagt haben. Und aufgepasst: wer meckert, fliegt als nächster, wer alte oder junge Schutzengel hat, kann bleiben. Also nichts Neues im Reich von Coninx-Supino. Früher hiess es mal: Galeerensklaven, rudert schneller, der Kapitän will Wasserski fahren. Heute heisst es:

Schreibknechte, gebt Gas, der Kapitän will sich eine neue Yacht kaufen.

Soweit, so normal für einen Medienkonzern, dem zwar auf Geschäftsleitungsebene nichts und wieder nichts eingefallen ist, wie man alte Modelle an neue Technologien anpasst. Wobei neu, das Internet gibt’s auch nicht erst seit gestern. Aber an der Profitrate gibt’s nichts zu rütteln. Und zwar in jedem einzelnen Profitcenter. Und wenn das nicht anders zu schaffen ist, dann wird halt gefeuert, what else?

Zwei Zeitungen, eine Redaktion. Geht doch.

Ach, die erbettelten Zusatzsubventionen? Was soll denn damit sein, die sind doch zu Bern beschlossen worden; schliesslich musste Tamedia deshalb noch unnütze Mitesser monatelang weiter durchfüttern.

Das macht die Geschäftsleitung, was machen die Journalisten? Auch nichts Neues, sie basteln ein «Manifest». Immerhin, früher wäre das als Flugblatt verteilt worden, heute kriegt es eine Webseite spendiert.

Stehsatz hüben und drüben

Aber auch hier, leider, herrscht der Stehsatz:

«Wir, die Belegschaft von Bund und BZ, wehren uns gegen die Fusion der beiden Zeitungen und den damit verbundenen Stellenabbau.»

Deshalb, kleiner geht’s nicht, wendet man sich «An die Berner Öffentlichkeit».

Die möchte man gerne darüber informieren, was denn die Angestellten von dieser Entscheidung und ihrer Begründung halten: nichts. Könnte man so kurz fassen, muss man aber nicht:

«Dieses Manifest tritt dieser einseitigen Darstellung entgegen. Es fasst Stimmung und Aussagen zusammen, die an einer Betriebsversammlung der Belegschaft am Tag nach der Fusionsankündigung geäussert wurden. Damit drücken die Redaktionen von Bund und BZ ihre Innenwahrnehmung der bevorstehenden Veränderungen aus, die sich deutlich von der offiziellen Message unterscheidet. Wir verstehen das als Beitrag zu einem differenzierten, ausgewogenen Bild der Entwicklung auf dem Medienplatz Bern, auf das die Öffentlichkeit angewiesen ist, um zu verstehen, was passiert.»

Ich hoffe, ich begrüsse noch mehr als drei nicht weggeschnarchte Leser. Denn so geht es noch ziemlich lang weiter. «drastische Verminderung, Leser werden für dumm verkauft, erkennen die schwierige ökonomische Situation, aber, Kommunikationsverhalten irritiert und befremdet, über die Zukunft im Dunklen

Forderungen in aller Öffentlichkeit

Der kleine Teil der Berner Öffentlichkeit, der bis hierher durchgehalten hat, wird dann mit sieben Forderungen aus dem Koma geholt. Die richten sich zwar an die Geschäftsleitung Tamedia und die Redaktionsleitung von Bund/BZ. Aber was erregten Frauen mit ihrem Protestschreiben recht ist, kann doch den tapferen Mannen und Frauen zu Bern nur billig sein.

Solche Forderungen verschickt man heute nicht mehr per Brief oder Mail an die Adressaten, sondern nimmt den Weg über die Öffentlichkeit. Logo, das sorgt sicher für mehr Verhandlungsbereitschaft.

Was für Forderungen? Kann man auf der Webseite nachlesen. Sind noch langweiliger als alles vorher. Weil sie sowieso nicht erfüllt werden. Ist auch eine gute Tradition im Hause Tamedia.

Ach, übrigens, sowohl syndicom wie impressum unterstützen diese Aktion. Also ich auch, allerdings ungefragt. Denn ich drücke aus alter Tradition weiterhin Geld für impressum ab. Gern geschehen.

Rappenspalter im Nebel

Links und rechts sind sich in einem einig: Geld ist der Treibstoff der Welt. Also her damit, oder: lost in the cloud.

Investition in Medien? In ein neues Projekt? Das ist eigentlich nur noch etwas für Multimillionäre. So nach der Yacht, dem Hotel und der Privatinsel.

Jeff Bezos kauft sich die «Washington Post». Macht Spass. Gleich drei Oeri-Schwestern sind Mäzeninnen. Beatrice Oeri* liebt es, Multimillionen in scheiternden Zeitungsprojekten zu verrösten. Die «TagesWoche» war wohl der teuerste Flop der jüngeren Schweizer Geschichte. Aber sie gibt nicht auf, aktuell verpulvert sie drei Millionen Franken in «bajour.ch».

Die Gebrüder Meili knattern Millionen in die «Republik». Milliardär Hansjörg Wyss hatte von Anfang an Pech. Sein Projekt «Vorteil Schweiz» müsste eigentlich umbenannt werden in: Vorteil für alle Pfeifen, die viel Geld für nix kriegten.

Andere Millionäre sind sehr knausrig. Die Familien Coninx, Ringier oder Wanner zum Beispiel. Griff in den eigenen Geldbeutel, ach was, Geldspeicher, wenn’s den Medien dreckig geht, die ihre Milliardenvermögen erwirtschafteten? I wo.

Auch hier betritt der «Nebelspalter» Neuland

Ein eigenes Finanzierungmodell hat sich der «Nebelspalter» ausgedacht. Finde 70 Wohlhabende, denen Ideologie und Positionierung 100’000 Franken wert ist. Gesagt, getan.

Lassen wir inhaltliche Fragen weg und schauen mal, was die «Republik» für Werbemöglichkeiten bietet. Ah, ausser Gesinnungstäterschaft keine. Der «Nebelspalter»? ein hübsches variantenreiches Angebot.

Nichts ist unmöglich, nichts ist neu.

Da hat sich der Online-Ableger fast mehr Mühe gegeben als bei den Startartikeln. Vom Advertorial (auf Wunsch inklusive Schreibhilfe), über Sponsoring, Tags, Unterbrecherwerbung in allen Kanälen zum «rundum-glücklich»-Paket «Generelle Packages», wie man im Managerdeutsch so sagt. Das kostet dann 30’000 Franken pro Jahr.

Ein «Themen-Owner» hingegen kann sich ein Thema als Sponsor krallen. Zum Beispiel «Satire». Damit wird er zwar nicht grosse Aufmerksamkeit erzielen, dafür kostet es auch nur 1500 im Monat oder – halb geschenkt – 15’000 Franken im Jahr.

Klare Prioritäten: «Inserieren» steht im obersten Navigationsbalken in der Mitte.

Hier sprechen Sie mit dem CEO persönlich

Ein weiterer, spezieller Service: bei Fragen, Wünschen oder Unklarheiten: nur Kontakt aufnehmen. Nicht etwa mit einem Marketing-Fuzzi oder so. Nein, hier schüttelt Ihnen noch der CEO als oberster Einwerber persönlich die Hand. Davon könnte sich zum Beispiel Pietro Supino wirklich eine Scheibe abschneiden. Der Klarsicht-CEO Christian Fehrlin entwickelt sich zum Multitasker.

Wollen Sie diesem sympathischen Mann ein Inserat abkaufen?

Als Gründer und CEO von Deep Impact zeichnet er für den Internet-Auftritt verantwortlich. Kein Meisterstück, aber das wäre ein anderes Thema. Als CEO schmeisst er wirtschaftlich den ganzen Laden und steckt hierarchisch irgendwo zwischen dem VR und dem Chefredaktor.

Und nun auch noch Inseratekeiler. Wahrscheinlich übernimmt er demnächst noch den Service der Kaffeemaschine, den Wareneinkauf und die Organisation der Take-away-Angebote für den Mittagstisch.

Wie lange er das tut, ist allerdings die Frage. Denn nicht nur bei der Frage, wie man den Relaunch am besten inszeniert, hat sich die Führungscrew des «Nebelspalter» nicht wirklich mit Ruhm bekleckert.

Marktwirtschaftlich vernünftige Preise?

Eigene Wege geht man auch bei der Preisgestaltung für Werbung. Durchgesetzt hat sich hier CPC (cost per clic), TKP (Tausenderkontaktpreis) oder – sehr selten – ein Festpreis. Denn schliesslich will der Werbetreibende (meistens) kein politisches Statement abgeben, sondern einen Return on Investment für seine Zahlung kriegen.

Obwohl natürlich jeder Werbeträger wie ein Wald von Affen angibt, wie qualifiziert, konsumfreudig und Anhänger von Spontankäufen seine User seien, dazu noch viele Opinion Leaders, Influencers, Leitfiguren sich darunter befänden, haben sich gewisse Benchmarks für alle Formen der Kostenberechnung einer Online-Werbung entwickelt.

Ohne hier in Details gehen zu wollen: Solange der «Nebelspalter» dank konsequenter Bezahlschranke nach der ersten Neugier noch jeden neuen User per Handschlag begrüssen kann, sind das Mondpreise.

Kein Marketing-Manager einer Firma würde es überleben, bei diesen Preisen den «Nebelspalter» in sein Werbebudget aufzunehmen. Abgesehen davon, dass die traditionell immer noch in der zweiten Jahreshälfte für das ganze Folgejahr festgelegt werden.

Tscha, dumm gelaufen bis jetzt. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

 

* mehrere Adleraugen haben bemerkt, dass es natürlich Beatrice Oeri heissen müsste. Pardon.

Ex-Press XXIX

Blüten aus dem Mediensumpf.

 

Was macht eigentlich …?

Immer eine beliebte Kategorie der Medien, wenn ihnen gar nichts einfällt. Ergänzt durch taugliche und untaugliche Versuche, sich in Erinnerung zu rufen.

Untauglich war der Versuch von Alt-Bundesrat Moritz Leuenberger. Nicht mehr im Amt, nicht mehr VR, hat Auftrittsverbot als Conferencier, typisches Altersloch. Also macht er auf sich aufmerksam, indem er ausplaudert, dass auch die Schweiz Lösegeld für Geiseln bezahlt und unter Spesen abgebucht habe.

Riesengebrüll, Strafanzeigen, rote Köpfe. Comeback gelungen. Aber wie?

Ins ewige Lamento der bundesrätlichen Task Forcewarnen, raten ab, ist noch zu früh, besteht die Gefahr») müssen sich auch bewährte Fachkräfte immer wieder zu Wort melden. Schliesslich haben nicht alle geschafft, was Marcel Salathé gelang, ihr unerreichtes Vorbild. Anhaltender Ruhm und ein warmes Plätzchen mit viel Budget erobern.

Eine der Virus-Frauen ergreift wieder das Wort

Also wagt die «Biostatistikerin Tanja Stadler» mal wieder einen Ausblick im Qualitäts-Organ «Tages-Anzeiger». Bevor wir zum Inhalt kommen: geführt wurde es von Nik Walter. Wir sind entsetzt. Ein älterer, weisser Mann, zudem Vorgesetzter von weiblichen Mitarbeitern. Wie das heute bei Tamedia noch möglich ist? Unverständlich. Oder: eine reine Machtdemonstration, eine beabsichtigte Provokation. Aber gut, das werden die Protest-Frauen sicher in einem internen Schreiben aufarbeiten, das wir dann auch lesen dürfen.

Stadler sagt: «Wir setzen den Sommer aufs Spiel». Auch Biostatistiker werden immer gelenkiger, was Interviews betrifft. Sie wissen, was man sonst erzählt, ist nebensächlich. Solange der Namen richtig geschrieben ist. Und man ein knackiges Quote abliefert, das sich als Titel eignet.

 

Der Hausfrauen-Report im Tagi

Wir begrüssen aber ausdrücklich, dass sich der Tagi auch Problemen der Hausfrau annimmt. «Was tun, wenn der Salat «lampt»?» Dagegen und auf 14 weitere ärgerliche Probleme («Was tun mit Fondueresten?», «Keine Sauerei beim Panieren!») weiss Daniel Böniger Abhilfe. Menschlich verstehen wir, dass sich auch ein Restauranttester irgendwie über Wasser halten muss. Aber gendermässig haben wir hier ein echt heikles Problem.

Schreibt ein Mann, kann das als Ausdruck typisch männlicher Besserwisserei ausgelegt werden. Schreibt eine Frau, kann das als typische Rollenzuteilung verstanden werden. Klar: Frau, Kinder, Küche, Kirche. Das wäre eigentlich ein klassischer Fall dafür, dass diesen Text unbedingt ein non-binärer Autor verfassen müsste, einer, der bei der Geschlechtsangabe d (für divers) ankreuzt. Also schon wieder versemmelt. Gerüchteweise wird herumgeboten, dass Arthur Rutishauser und Pietro Supino betroffen sind und das Problem sehr ernst nehmen.

 

Ratgeber für Selbstverteidigung verfolgter Frauen?

Schliesslich, aller schlechten Dinge sind drei: «Damit sich Frauen sicher fühlen». Endlich, ein Ratgeber, wie sich frau auf Tamedia-Redaktionen verhalten soll? Tränengasspray in der Hand, Selbstverteidigungskurse gratis, in denen der berühmte Tritt ins männliche Gemächt geübt wird? Nein. Zunächst: auch hier ist der Autor ein Mann. Als ob der sich in die Angst der Frauen beim abendlichen Heimweg hineinfühlen könnte. Ein Skandal.

Moment, vielleicht gibt es hier doch Rettung. Denn der Mann schreibt:

«Dabei wird vermehrt von Männern eingefordert, Verantwortung in der Sache zu übernehmen.»

Genau, wenn Frauen Angst haben, muss der Gentleman, der sanfte Mann, zu Hilfe eilen. Nun, das ist so old school, vergesst es, rät Martin Fischer. Heute wird vom Mann ganz anderes gefordert.

Ganze 8 Ratschläge hat Fischer parat. Darunter «Abstand halten, Strassenseite wechseln», «klare Signale geben, mehr lächeln», «mit anderen Männern reden» und «Einverständnis einholen». Wozu? Also wirklich, welches Macho-Dummerchen hat das gefragt? «Nur weil man zum Beispiel eine Frau nach Hause begleitet hat, ist das noch kein Freipass, sie küssen zu dürfen», weiss Corina Elmer von der «Frauenberatung sexuelle Gewalt», bei der sich Fischer Rat geholt hat.

Da bin ich nun verblüfft; bislang habe ich das immer ohne Einverständnis getan, unbeschadet von Alter, Aussehen oder allfälliger Gegenwehr. Darauf sagte ich immer: «Du willst es doch auch», und dann war Ruhe. Im umgekehrten Fall hielt ich schliesslich auch still. Aber das ist nun vorbei.

 

Warum trauen sich die Frauen der anderen Medienhäuser nicht?

Wir warten schon sehnlich darauf, dass sich endlich die belästigten, unterdrückten, an fehlender Motivation und ständiger Verteidigungshaltung leidenden Frauen von Ringier mit einem eigenen Protestschreiben melden. Es weiss doch jeder, dass bei dieser Machomännerkultur in der «Blick»-Familie Zoten, sexistische Sprüche, üble frauenfeindliche Witze zum Alltag gehören. Schon lange haben sich Frauen abgewöhnt, Röcke zu tragen, so oft wurde ihnen frech an den Oberschenkel gegrapscht. Frauen gehen nur zu zweit auf die Toilette, und abends auf dem Heimweg fürchten sie sich nicht vor fremden Männern, sondern vor ihnen nachstellenden Vorgesetzten, die sich mit haltlosen Versprechen Einlass in Wohnung und anderes verschaffen wollen.

Vom Sündenpfuhl «Schweizer Illustrierte» ganz zu schweigen, da amtiert bekanntlich ein Chef, der schon übel wegen sexistischem Verhalten angegangen wurde. Leider haltlos und – wie üblich – ausschliesslich aufgrund anonymer Denunziationen. Vielleicht gibt es sogar bei der «Glückspost» dunkle Ecken, wo machtgierige Männer es mit wehrlosen weiblichen Opfern treiben.

Aber: Ruhe im Karton. Nichts. Omertà, das Schweigen der Opfer. Wir wagen uns nicht vorzustellen, welches Terrorregime hier herrschen muss, dass es keine einzige Frau wagt, ihre Schwestern bei Tamedia zu imitieren oder zu unterstützen. Wobei, mal ehrlich, würden Sie Christian Dorer, dem «Blick»-Überchef, frauenfeindliche Übergriffe zutrauen? Also ich nicht, aber man weiss ja auch: die Harmlosen sind die Gefährlichen.

 

Ebenfalls stilles Leiden anderswo

Das gilt übrigens auch (bis jetzt) für CH Media, für die NZZ, die «Weltwoche», nau.ch, blue news, «watson», «Die Ostschweiz» – und sogar für «20 Minuten». Die frauenfreundliche Insel im Meer der Machos bei Tamedia. Selbstredend haben wir bei ZACKBUM auch keinerlei Probleme mit Sexismus. Und wenn, haben wir genügend Meldestellen errichtet und stehen auch in ständigem Kontakt mit psychologischen Beraterinnen.

Erstaunlich auch, dass selbst beim «Nebelspalter» noch keine Frauenbewegung erkennbar ist. Aber vielleicht ist auch die hinter der Bezahlschranke verborgen. Aufhorchen liess allerdings, dass der VR-Präsident höchstpersönlich einen Link zu einer, nun ja, wirklich nicht jugendfreien Webseite verschickte und dann behauptete, der habe sich «eingeschlichen». Aus seiner Leseliste etwa? Nein, das wollen wir nicht einmal denken.

 

 

Verlegerverband zensuriert Zackbum

Es ging um Glückswünsche.

Worüber hat der Präsident des Verlegerverbands, Pietro Supino, eigentlich über die Festtage nachgedacht?  Über den arabischen Frühling. Supino kam zu folgendem Schluss: «Die sozialen Medien sind zu einer Gefahr für demokratische Gesellschaften geworden.» Das ist so falsch wie dumm.

Soziale Medien bilden keine Gefahr, ebenso wie die traditionellen Medien. Es geht um den richtigen Umgang mit ihnen. Ein Beispiel ist die jüngste Dreikönigstagung des Verlegerverbands. Dank Corona konnten die Mitglieder eine Stange Geld sparen. In früheren Jahren zahlten sie für die Teilnahme 390 Franken. Dieses Jahr war die Teilnahme gratis, da die Veranstaltung nur digital übertragen wurde.

Nur mittels Chat konnten sich die Teilnehmer aktiv beteiligen. Die meisten übermittelten Neujahrsgrüsse. Um unsere guten Manieren zu beweisen, hauten wir auch in die Tasten: «Zackbum begrüsst die Anwesenden und wünscht ihnen ein gutes 2021».

Es ist anzunehmen, dass solche Glückswünsche auch während des arabischen Frühlings nicht zensuriert worden wären. Die Verantwortlichen des Schweizer Verlegerverbands löschten den Kommentar nach ein paar Minuten.

(Erklärung: Nur bei eingeloggten Teilnehmer blieb der Kommentar erhalten, wer sich neu einloggte, konnte ihn nicht mehr lesen.)

Marianne Läderach, Leiterin Medieninstitut des Verlegerverbands, schrieb auf Anfrage: «Wir möchten in aller Deutlichkeit darauf hinweisen, dass wir während der gesamten Veranstaltung nicht manuell in den Chat eingegriffen haben.» Schuld daran sei vermutlich Google. Gewiss, gewiss.

Nein, soziale Medien bilden per se keine Gefahr für unsere Gesellschaft. Google wahrscheinlich auch nicht. Um vermeintliche Gegner loszuwerden, genügt ein anonymer Mitarbeiter.

Was Pietro Supino antworten könnte

Die 12-teilige Republik-Serie über Pietro Supino musste ohne seine Antworten auskommen. Wir helfen nach.

«Tamedia Papers – eine Familie, Geld, Macht und Medien» heisst die Serie epischer Länge auf republik.ch (übersetzt) und auf heidi.news (en français). Die 12 Folgen wurden vor Weihnachten publiziert.

Immer wieder ist dort die Rede davon, dass «Tamedia-Verleger Pietro Supino» die ihm gestellten Fragen nicht beantworten wollte.

Bemerkenswert ist, dass Pietro Supino im Einstieg zur Artikelserie als «Tamedia-Verleger» bezeichnet wird. Dabei ist er Verwaltungsratspräsident TX Group mit den Unternehmenseinheiten Ventures, TX Markets, Goldbach, Tamedia und 20 Minuten. Alles selbstständige Firmenteile der TX Group. Wollte Supino den ellenlangen Fragenkatalog nicht beantworten, nur weil schon seine Funktion unrichtig bezeichnet wurde? Republik.ch und heidi.news argumentieren so: «Im August stimmte dieser einem Interview zu. Dann bat er darum, die Fragen im Voraus zu erhalten – diesem Wunsch sind wir nachgekommen. Schliesslich teilte er mit, er wolle zuerst die Veröffentlichung der Serie abwarten. Wir publizieren deshalb hier alle offenen Fragen».

Für ZACKBUM.ch ist klar: Die 32 Fragen wirken wie zufällig aneinander gereiht. Stringenz sieht anders aus. Zudem sind nicht wenige Fragen sehr suggestiver Natur. Das war wohl mit ein Grund, warum Pietro Supino bisher nicht antwortete. Oder er wollte sich einfach die langen Texte nicht antun, auch wenn sie in 12 Megabrocken aufgeteilt waren.

Keine Lust, keine Zeit? ZACKBUM bietet seine Hilfe an. Und hat- Achtung Satire – mögliche Antworten vorbereitet.

Persönliche Fragen:

  1. Herr Supino, Ihr Konzern hatte vor Ihnen nur vier Verlagschefs. Das ist bemerkenswert. Welcher Ihrer vier Vorgänger hat Sie am stärksten beeinflusst?

Ich möchte niemandem auf die Füsse treten. Aber hätte mich auch nur einer meiner Vorgänger beeinflusst, wären wir jetzt pleite.

  1. Stimmt es, dass Ihre erste wichtige Mission als Mitglied des Verwaltungsrates darin bestand, Tamedia im Oktober 2000 durch den Börsengang zu steuern?

Ja. Und weil viele Mitarbeitende Aktien zeichneten, war der finanzielle Flop verkraftbar.

Welche Rolle spielte der Berner Verleger Charles von Graffenried in Ihrem beruflichen und persönlichen Werdegang?

Er war für mich eine Art Vaterfigur. Da bin ich ähnlich gewickelt wie Roger Köppel.

  1. Gibt es eine Vorbildfigur in den Medien oder im Journalismus, der Sie Bewunderung entgegen­bringen und von der Sie sich inspirieren lassen?

Tatsächlich hatte ich früher Vorbilder. Aber wenn man zuoberst steht, muss man sich jeden Tag von innen heraus inspirieren lassen.

  1. Was hat Sie während Ihrer Ausbildung an der Columbia Journalism School geprägt?

Mit Disziplin kommt der Erfolg.

  1. Sie wurden von den Mitgliedern Ihrer Familie, die durch einen Aktionärsbindungsvertrag gebunden ist, zum Präsidenten des Verwaltungsrates bestimmt. Ist dies eher eine Ehre oder eine Bürde? Und warum?

Würde bringt Bürde. Aber dank meinem Erfolg muss ich an den Verwandtentreffen nun nicht mehr am Cousinen-Tisch sitzen.

  1. Ein Medien- und E-Commerce-Konzern im Mehrheitsbesitz einer Familie – passt dieses Modell noch in die heutige Zeit?

Absolut. Nur Stämme werden überleben.

  1. Die Mitglieder Ihrer Familie wollen Dividenden, die Redaktionen würden gern in Inhalte investieren. Hat jemand von beiden recht, und wie schlichten Sie diesen Konflikt?

Nur mit schwarzen Zahlen lässt sich verhandeln. Inhalte bringen kein Geld.

  1. Sie gehören dem Verwaltungsrat von Gruppo Editoriale in Prato (Italien) an. Ist dies für Sie ein Mandat mit einer gewissen emotionalen Komponente, das sich mit Ihrer in Italien verbrachten Kindheit verbindet? Oder ist es eher ein Vorzeichen dafür, dass die Zukunft von Tamedia stärker europäisch geprägt sein wird?

Sie haben richtig kombiniert. Hervorragende Frage. Es ist tatsächlich beides.

  1. Nach der Übernahme der Publigroupe 2014 wurde Ihnen intern der Beiname «Smiling Knife» verliehen. Erkennen Sie sich darin wieder?

Kosenamen, auch negative, zeugen immer von einer besonderen Wertschätzung.

  1. Ihre Vergütung als Präsident des Verwaltungsrates beträgt seit mehreren Jahren 1,6 Millionen Franken. Laut der Ethos-Stiftung ist dies das Vierfache der Vergütung, die Leiter grössenmässig vergleichbarer Unternehmen wie Valora, Metall Zug oder Vetropack erhalten, die an der Schweizer Börse notiert sind. Wie begründen Sie diese Vergütung?

Wenn Sie die miesen Zahlen etwa von Valora anschauen, ist meine Vergütung mehr als gerechtfertigt. Oft schwingt bei solchen Diskussionen schlichtweg der Neid mit.

  1. In Ihrer beruflichen Laufbahn (vor 2007) waren Sie an der Gründung von Offshore-Unternehmen und Treuhandgesellschaften beteiligt. Sie haben über dieses Thema auch eine Doktorarbeit verfasst. Das Tamedia-Investigativ­Team hat an gross angelegten Operationen mit dem Konsortium ICIJ mitgewirkt, die diese Offshore-Konstruktionen anprangern. Wie ist es Ihnen gelungen, beides miteinander zu vereinbaren?

Bei uns sind Verlag und Redaktion strikte getrennt. Darauf bin ich sehr stolz. Daher habe ich keinerlei Probleme damit. Solange man mich dabei rauslässt.

  1. Warum stehen Sie der direkten Presseförderung inzwischen wohlwollend gegenüber, nachdem Sie lange den Standpunkt vertraten, diese sei nicht erforderlich?

Die wirtschaftlichen Zeiten haben sich geändert. Vor 12 Monaten war Corona noch eines jener ungeniessbaren Biere, mehr nicht.

  1. Warum stehen Sie der Förderung elektronischer Medien so ablehnend gegenüber?

Wer schiesst schon der Konkurrenz Geld in den Rachen? 

  1. Welche Bedeutung messen die Mitglieder der fünften Generation Ihrer Familie den Medien im Rahmen der TX-Group-Geschäfts-Tätigkeit zu?

Also diese sperrige Frage musste ich zweimal lesen. Schlussendlich geht’s um eine gewisse Rendite. Wir leben nicht von Luft und Liebe. Aber fragen Sie doch bei den anderen Mitgliedern der fünften Generation direkt nach.

Fragen zur TX Group

  1. Auch die Vergütung, die den Mitgliedern der Geschäftsleitung bezahlt wird, liegt über der Vergütung in grössenmässig vergleichbaren und an der Schweizer Börse notierten Unternehmen. Warum?

Nur so bekommen wir die besten Leute, wie schon der ehemalige SBB-Chef Andreas Meyer zu sagen pflegte.

  1. Im März 2013 setzte Tamedia seinen Redaktionen ein Gewinnziel von 15 Prozent pro Titel. Warum legt man ein solches Ziel fest und hält daran fest – wohl wissend, dass mehrere Titel dieses Ziel niemals werden erreichen können? Gilt dieses Gewinnziel noch? Wenn nicht – wann wurde es fallen gelassen und welches Gewinnziel gilt für die Titel gegenwärtig?

Nur hohe Ziele motivieren die Angestellten, dahingehend ihren vollsten Einsatz zu leisten. Die Ziele gelten nach wie vor, wobei 20Minuten wegen anhaltendem Erfolg nun ein machbares Ziel von 20% hat. Ich bin überzeugt, dass Gaudenz Looser und sein Team das mit Brillanz erreicht, ja sogar übertrifft.

  1. Mehrere Führungskräfte oder ehemalige Führungskräfte sagen, die Konzernkosten, die den Titeln von Tamedia/TX Group von den zentralen Diensten von Tamedia/TX Group in Rechnung gestellt werden – und insbesondere die IT- und Mietkosten – seien intransparent und überhöht. Wie werden diese Kosten berechnet?

Sie müssen verstehen, dass solche Internas nicht an die Öffentlichkeit gehören. Nur soviel: Von intransparent und überhöht kann keine Rede sein. Zudem ist es jeder Unternehmenseinheit freigestellt, bessere externe Offerten einzuholen.

  1. Mehrere Führungskräfte oder ehemalige Führungskräfte sagen, der Konzern habe die Kosten für die Feier zum 125-Jahr-Jubiläum des Unternehmens den Medientiteln entsprechend ihrem jeweiligen Personalbestand in Rechnung gestellt, und diese Kosten hätten sich auf bis zu mehrere Zehntausend Franken pro Redaktion belaufen. Ist das zutreffend?

Es ist eher befremdend, solche Diskussionen zu führen. Sehen Sie, einmal wird die Intransparenz kritisiert, dann wieder die Transparenz. Früher wurde die ganze Belegschaft auf eine Mittelmeerkreuzfahrt eingeladen. Da gab es auch Diskussionen. Und bezahlt hat immer der Konzern, wie auch immer intern verrechnet wurde.

  1. Trifft die Behauptung der erwähnten Führungskräfte oder ehemaligen Führungskräfte zu, dass der Konzern – vollkommen rechtmässig – die liquiden Mittel aus seinen Titeln abgezogen hat, um insbesondere die Investitionen des Konzerns in andere Geschäfts­bereiche zu finanzieren?

Sie schreiben schon in der Frage «vollkommen rechtmässig». Also erübrigt sich eine Antwort.

  1. Mehrere Quellen sprechen von der Existenz einer Strategiedebatte im Verwaltungsrat. Müssen die Kleinanzeigen, die sich zu den Online-Plattformen verlagert haben, wie in der Vergangenheit auch künftig weiterhin die Presse finanzieren? Die Quellen geben weiter an, die Diskussion sei dahingehend entschieden, dass die Marktplätze nicht die Presse finanzieren und die Titel ihre eigenen Rezepte entwickeln müssen, um ihren Fortbestand zu sichern. Können Sie bestätigen, dass diese Debatte stattfand und in der beschriebenen Weise entschieden wurde? Und welche Einstellung hatten Sie persönlich zu diesem Thema?

Erster Teil der Frage: Ja. Und ich persönlich? Ich dachte, dieser Fragenkatalog sei weiter oben. Nun gut. Meine Meinung tut nichts zur Sache. Entschieden wurde einstimmig.

  1. Sehen Sie sich als Architekt der Diversifizierungsstrategie des Konzerns, die darauf abzielt, die Tätigkeit der TX Group über den Medien­bereich hinaus auszuweiten – insbesondere durch die Akquisition von Marktplätzen?

Architekt gefällt mir. Sehr schöne Frage. Ja.

  1. Glauben Sie angesichts der Diversifizierung der TX Group und ihrer profitabelsten Aktivitäten, dass der Konzern ein Medienkonzern bleiben wird?

Absolut. Medien ist ein breiter Begriff. Oder würden Sie bei Ringier von etwas anderem sprechen?

  1. Tamedia wurden mehrere Unternehmensübernahmen respektive Management-Buy-outs angeboten – insbesondere für «Le Matin», «Bilan» und «Finanz und Wirtschaft». Diese wurden systematisch abgelehnt, obwohl die betreffenden Titel in Schwierigkeiten steckten. Warum haben Sie diese Buy-outs abgelehnt? Können Sie Beispiele für Investitionen nennen, die konkret zugunsten der genannten Titel getätigt wurden?

Wir setzen stets alles daran, dass unsere Titel florieren. Bei Anfragen für Management-Buy-outs werde ich oft stutzig. Warum wollen die Chefs nun selbstständig weitermachen? Was lief denn bisher falsch? Oft müssen diese sogenannten Chefs dann gehen.

  1. Wird die TX Group im Jahr 2030 noch Print-Zeitungen herausgeben?

Selbstverständlich. Mir schwebt eine Art Cicero vor. Herrlicher Gedanke!

  1. Warum ist «20 Minuten» nicht Teil des Unternehmens Tamedia?

Jeder soll für sich seines Glückes Schmid sein.

  1. Im Jahr 2018 beschleunigte Tamedia den Konkurs von Publicitas, indem Tamedia als erster (und wichtigster) Kunde die Geschäfts­beziehungen zu Publicitas aufkündigte. Im Geschäftsbericht 2018 schreibt CEO Christoph Tonini: «Im Ergebnis enthalten ist unter anderem auch eine Wertberichtigung auf Forderungen in der Höhe von 6,0 Millionen Franken infolge des Konkurses von Publicitas.» Die Verluste bei anderen Verlagshäusern waren mitunter sehr erheblich und im Verhältnis höher als die von Tamedia erlittenen Verluste. Manche dieser Verlagshäuser behaupten, es wäre möglich gewesen, branchenintern eine gemeinsame Lösung zu finden. Haben Sie in Ihrer Eigenschaft als Präsident des Verbands Schweizer Medien alles versucht, eine gemeinsame Lösung zu finden, um die Verluste der anderen Publicitas-Kunden zu minimieren?

Ein sehr sperrige Frage. Nun ja. Das eine hat mit dem anderen nun wirklich nichts zu tun. Als Verbandspräsident habe ich selbstverständlich alles im Rahmen der Möglichkeiten unternommen.

  1. Eine weitere Frage zu Publicitas: Am 11. Mai 2018 sagte Konzernsprecher Christoph Zimmer gegenüber der Nachrichtenagentur SDA, Tamedia habe zwei Jahre vor dem Konkurs (22. Juli 2016) eine Vereinbarung zur Forderungsabtretung mit Publicitas geschlossen. Dies erkläre den Umstand, dass Tamedia seine Verluste im Vorhinein habe minimieren und gleichzeitig bei der Befriedigung aus der Konkursmasse von einer differenzierten Behandlung profitieren können, die vorteilhafter gewesen sei als die Behandlung der anderen Verlags­häuser. Aus den Unterlagen, die wir einsehen konnten, geht allerdings hervor, dass in dem genannten Vertrag von 2016 die Klausel über die Forderungs­abtretung nicht enthalten war. Diese Klausel soll erst am 16. Januar 2018 in Anhang 6 des zwischen Tamedia und Publicitas abgeschlossenen Rahmen­vertrags hinzugefügt worden sein. Können Sie die Aussagen, die Zimmer gegenüber der SDA getätigt hat, bestätigen?

Absolut. Nächste Frage.

Fragen zum Arbeitskampf bei «Le matin»

  1. Am Abend des 4. Juli 2018 trafen Sie am Rande des Montreux Jazz Festival mit Nuria Gorrite, der Präsidentin des Waadtländer Staatsrats, zusammen. Dieses Zusammentreffen veranlasste Sie, sich grundsätzlich mit einer Vermittlung zwischen der damals im Streik befindlichen Belegschaft von «Le Matin» und der Unternehmensleitung von Tamedia bereit zu erklären. In einem von Serge Reymond unterzeichneten Schreiben schlug Tamedia in der Folge diese Vermittlung aus, ohne sich beim Staatsrat zu bedanken. Der Staatsrat ging so weit, zu behaupten, Tamedia habe die Behörden benutzt, um dem Streik ein Ende zu bereiten. Wie bewerten Sie im Rückblick Tamedias Haltung in diesem Vorgang? Gibt es etwas, das Sie bedauern?

Leider kann ich mich an besagtes Treffen im Detail nicht erinnern. Ich bin mir aber sicher, dass ich keinerlei Versprechungen abgegeben habe. Das ist ein Prinzip, das ich eisern pflege. Und ich fahre gut damit.

  1. Trifft es zu, dass Pierre Ruetschi, der damalige Chefredaktor der «Tribune de Genève», von Tamedia entlassen wurde, weil er sich weigerte, die Namen der Streikenden in seiner Redaktion zu nennen?

Nein.

  1. Der Rechtsstreit zwischen der Redaktion von «Le Matin» und Tamedia dauerte fast zwei Jahre und endete mit einem Entscheid des Schiedsgerichts, der den entlassenen Beschäftigten vorteilhaftere als die von Ihnen angebotenen Bedingungen zusprach. Welche Lehren ziehen Sie daraus mit Blick auf etwaige zukünftige Massenentlassungen?

Kennen Sie den Vergleich mit der Wurst? Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. Und: scheibchenweise wird sie auch kleiner.

  1. Steht das Ausscheiden von Serge Reymond bei Tamedia in Zusammenhang mit seinem Umgang mit dem Arbeitskampf bei «Le Matin»?

In keiner Weise. Er war den Anforderungen des elektronischen Transformationsprozesses schlicht nicht mehr gewachsen. Erlauben Sie mir noch ein Feedback zu Ihrer Recherche rund um die TX Group. Bitte kürzen Sie das Ganze auf eine erträgliche Länge zusammen. Dann bin ich durchaus bereit, es zu lesen. Und eine Frage noch: Da ich nun geantwortet habe, schreiben Sie Ihren Text neu?

Der «Tages-Absteiger»

Miese Performance im Blatt und an der Börse.

Zwei Medientitel: TX Group und New York Times. Zwei Verleger: Pietro Supino und Arthur Gregg Sulzberger. Beide müssen ein traditionsreiches Verlagshaus durch stürmische Zeiten lotsen. Die Zeitung aus Zürich gibt es seit 1893, die aus New York seit 1851.

Auch wenn beide Zeitungen ungleich grosse Märkte bedienen, eines haben sie gemeinsam: Sie kämpfen gegen erodierende Anzeigenverkäufe der gedruckten Ausgabe, Google, Facebook und das vermeintliche Desinteresse an längeren Texten.

Und noch etwas teilen sie: Kontrolliert werden sie seit Generationen von einer Grossfamilie. Die 26 Coninx-Familienmitglieder halten 73 Prozent der TX Group (ehemals Tamedia AG), der Sulzberger Ochs-Clan besitzt zwar nur 13 Prozent der NYT-Aktien, kontrolliert das Unternehmen aber dennoch mit 90 Prozent der Stimmrechte.

1 Mio. pro Nase

Abkassieren. Das ist ein grundlegender und ebenso problematischer Unterschied zwischen den beiden Familien. Zuerst zum weit verästelten Coninx-Clan. Am 2. Oktober 2000 bringt er das Unternehmen an die Börse. Die Coninx’ verdienen an einem Tag eine Viertelmilliarde Franken, und schöpfen in den folgenden 20 Jahren jährlich eine Dividende von 3 bis 4,5 Prozent ab. Insgesamt fast 800 Millionen Franken. Pro Kopf sind das im Schnitt über eine Million Franken pro Jahr.

Im Unterschied zur prosperierenden Eignerfamilie, geht der «Tages-Anzeiger» durch ein Tal der Tränen. In den vergangenen Jahren rutschte der «Tages-Anzeiger» von der Super League die Challenge League ab. Allein in den letzten 12 Jahren verlor die Zeitung über 100‘000 täglich verkaufte Exemplare. 2019 lag die gedruckte Auflage noch bei 112‘500 verkauften Exemplaren.

Was dem Unternehmen bis heute zusetzt, ist das unstillbare Verlangen der Familie nach maximalen Dividendenausschüttungen. Auch in den schwierigsten Zeiten. Das geht an die Substanz. Und das ist letztlich ein entscheidender Unterschied zur Familie Sulzberger. Sie glaubt an den Journalismus, sie  investiert in die Redaktion und begnügt sich deshalb mit einer minimalen Dividende von 0,48 Prozent. Das ist fast zehnmal weniger als der Coninx-Clan abschöpft. Das ist Geld, das für die Garantierung eines qualitativ beständigen Journalismus fehlt.

800 Mio. in einem Jahr

Der Verzicht auf eine dicke Dividende sollte sich für die New York Times bezahlt machen. Die Zeitung ging gestärkt aus den Krisenjahren hervor. Die digitalen Abos brachten ihr 2019 einen Rekorderlös von 800 Millionen US-Dollar ein, ein Jahr früher als vorgesehen. Selbst in schweren Zeiten wurde die Redaktion nicht geschwächt, sondern erweitert. Ihre Qualität hat nicht nachgelassen. Für den politischen Diskurs des Landes ist sie unverzichtbar. Ihre Arbeit hat in der Ära Trump noch an Gewicht gewonnen. Keine andere Zeitung gewinnt so viele Pulitzer-Preise wie die New York Times.

Und der Tages-Anzeiger? In den elf Kategorien des «Schweizer Journalist» gab es dieses Jahr nur noch eine Gewinnerin aus dem Hause Tages-Anzeiger, und zwar in der Sparte «Kolumne».

Extremer Wertverlust

Nicht nur publizistisch läuft es harzig. Auch an der Börse hat das Vertrauen in das Geschäftsmodell der Familie Coninx  messbar nachgelassen. Seit dem Börsengang vor 20 Jahren befindet sich die Aktie im Sinkflug. Selbst als die TX-Gruppe diese Woche eine Investition in einen digitalen Vermögensverwalter ankündigte, quittierten die Anleger das mit Verkäufen. Die Aktie ist heute gerade  76 Franken wert, mehr als dreimal weniger als vor 20 Jahren. 20 Prozent beträgt ihr Kursverlust im Vergleich zum Vorjahr.

Und die New York Times? Sie hat in einem Jahr 50 Prozent an Wert gewonnen und befindet sich auf einem Allzeithoch.

Wann wird die «Republik» rezeptpflichtig?

Die Langweiler schlagen wieder zu.

Das Infinite-Monkey-Theorem ist eigentich nur ein Gedankenspiel: Kettet man Affen lange genug an eine Schreibmaschine, tippen die irgendwann die dicksten Romane der Welt. In der Realität lässt sich das Theorem leider nicht testen. Stichwort Tierschutz, Stichwort Lärm. Anzeichen, dass die Affentheorie einen glaubhaften Ansatz hat, liefert uns hingegen die «Republik».

In den kommenden Tagen startet die «Republik» mit einer Boden-Luft-Invasion. Sie heisst Tamedia-Papers. In 13 Kapiteln wird die Verlagsgeschichte ab 1893 nacherzählt. Das verspricht viel Gähn. Spannendes wird nicht aufgetischt, das zeigen die langweiligen Fragen an TX-Group-Verleger Pietro Supino.

Die Journalisten der Republik zeigen sich fassungslos:

Was sagt TX-Group-Verleger Pietro Supino zur «Tamedia Papers»-Recherche? Wir wissen es nicht. Er wollte bisher keine Fragen beantworten.

Was erlauben Supino?!

Wir vermuten, dass Supino schlicht keine Lust hat, Antworten auf lächerliche Fragen zu geben. Gleich die erste ist an Dämlichkeit nicht zu toppen: «Welcher Ihrer vier Vorgänger hat Sie am stärksten beeinflusst?» Supino hat ja nur den letzten erlebt (Hans Heinrich Coninx).

Die anderen 31 Fragen (!) sind noch peinlicher. In aller Freundschaft: Die «Tamedia Papers» werden weniger zutage bringen als volle Pampers. «Was hat Sie», noch so eine Frage, «während Ihrer Ausbildung an der Columbia Journalism School geprägt?»

Auf diese Schülerfrage hätte Supino immerhin antworten können:

A news story should be like a mini skirt on a pretty woman. Long enough to cover the subject but short enough to be interesting.

Aber dass Tamedia nicht antworten will, sollte bei der «Republik» nicht zum Sprung aus dem Fenster führen. ZACKBUM.ch kriegt von der Republik auch nie eine Antwort.

Da tanzt der Bär: Es gibt Berner Einheitsbrei

Es war ja eigentlich überfällig. Auch das «Berner Modell» wird zugeklappt.

Zwei Zeitungen aus dem gleichen Verlag in der gleichen Stadt? Eine kühne Konstruktion, die wie auch an vielen anderen Orten (ich sage nur Thurgau oder Zürich Land) die Leser davon abhalten sollte, reihenweise abzuschwirren.

Dafür wurden immer die gleichen Textbausteine von den beiden Staubsauger-Verlagen Tamedia und CH Media verwendet. Das sei kein Abbau, sondern eine Stärkung, geballte Fachkompetenz in den Zentralredaktionen, Konzentration aufs Lokale in den Kopfblättern.

Also eigentlich mehr fürs gleiche Geld, muss man nur richtig sehen. Und nun ja, bei Synergien, Zusammenlegen, da ist es leider unvermeidlich, dass es zu schmerzlichen, aber nötigen Einsparungen kommt.

Grosse Ankündigungen, kleine Halbwertszeit

Und mindestens so selbstverständlich werden traditionelle Titel beibehalten, Ehrensache, Ehrenwort, niemals würden wir, ausgeschlossen, undenkbar.

Dieses Gequatsche führte in der Stadt Bern zur tatsächlich einmaligen Situation, dass es weiterhin die «Berner Zeitung» und den «Bund» gab, Pardon, gibt. Das führte aber zu grösseren Umständen, denn es war ja leider klar, dass beide Zeitungen nicht ständig mit weitgehend identischem Inhalt erscheinen konnten.

Der wird aber für Ausland, Inland, Wirtschaft, Kultur und Sport von der geballt fachkompeteten Redaktion in Zürich angeliefert. Genauer gesagt, was das Ausland betrifft, von der nicht minder kompetenten «Süddeutschen» aus München.

Damit mussten nun die beiden Chefredaktoren etwas basteln, was den Leser in der Illusion wiegte, er halte zwei verschiedene Zeitungen in der Hand, wenn er «Bund» und «Berner Zeitung» parallel las. Im gemeinsamen Newsnet unterschieden sich die beiden Blätter sowieso nur noch wenig von der BaZ oder dem «Tages-Anzeiger».

Es war wieder mal ein Tod auf Raten

Es war, so ist das in der Schweiz, ein Tod auf Raten. 1850 als stolzer Verfechter der neuen Bundesverfassung und als Sprachrohr der Liberalen gegründet, geriet «Der Bund» nach der Jahrtausendwende zunehmend ins Schlingern. Zuvor hatte die NZZ Gruppe ihr Glück versucht, war aber gescheitert und verkaufte an die Espace-Mediengruppe.

2007 wurde dann Tamedia Mehrheitsaktionär, die «Bund»-Sportredaktion war schon vorher beerdigt worden, also warum nicht den «Berner Bund» aus der Taufe heben? Das sorgte aber für das übliche lokale Gebrüll, Widerstand, Komitee, worauf sich 2009 Tamedia entschied, den «Bund» als «eigenständigen» Titel weiterzuführen.

Eigenständig wurde natürlich seit Installation der Zentralredaktionen für alle 12 Titel von Tamedia zum schlechten Witz. Aber eben, man muss manchmal Geduld haben und die Leser solange müde quälen, bis sie den nächsten Schritt ohne Gegenwehr hinnehmen.

Neu haben wir ein «Team Bern». Hop, hop

Jetzt ist es offenbar Zeit dafür, wirtschaftliche Aspekte endlich über so einen Unsinn wie Tradition, Geschichte, Denkmal siegen zu lassen. Noch Anfang Oktober 2020 hatte der Big Boss von Tamedia vollmundig angekündigt, dass das «Berner Modell» mit zwei sich konkurrenzierenden Zeitungen fortgesetzt werde. Aber Pietro Supino hatte wohlweisslich nicht gesagt, wie lange. Hä, hä.

Nun gibt es aber demnächst ein «Team Bern». Hört sich doch schön dynamisch an, Teamplayer, geballte Fachkompetenz, Blabla. Natürlich werden Befürchtungen, dass bei beiden Blättern jeweils die Hälfte der Redaktion eingespart wird, als schwer übertrieben bezeichnet.

Auch das «Team Bern» wird für Eigenständigkeit sorgen

Trotz alles ausser Lokales angeliefert, trotz gemeinsamem «Team Bern» soll die «Eigenständigkeit» – das ist zwar ein Witz, aber ernstgemeint – der beiden Zeitungen erhalten bleiben. Einfach neu fokussiert; der «Bund» mehr für die Stadt Bern, die «Berner Zeitung» mehr für das Land. Wer das erzählen kann, ohne loszuprusten, verfügt über eine beeindruckende Selbstbeherrschung.

Die Gewerkschaften kämpfen wie immer für eine «sozialverträgliche Lösung», während sich Supino anhand von vorherigen Massakern überlegt, welche «Sozialverträglichkeit» er zeigen muss, damit es nicht wieder zu hässlichen Streiks und schädlichen Szenen vor und in den Redaktionen kommt.

Er wird da sicher die optimale Lösung zwischen Kosten und Nutzen, unter Einbezug aller Faktoren, finden. Das kann er nämlich.

Ex-Press III

Geblubber aus der Medienblase.

 

Titel, wechsle dich

Früher hiess es: Haltet die Maschinen an, es muss aktualisiert werden! Dann drückte der Drucker auf den Abschaltknopf, und eine neue Vorlage wurde auf die Walze geschraubt.

Das ist zu Zeiten des Digitalen natürlich viel einfacher. Und hinterlässt kaum Spuren. So mäandert sich der Titel eines Artikels von Pascal Hollenstein durch die Zeiten.

Am 23. August lautet er: «Jolanda Spiess-Hegglin gewinnt gegen den «Blick»: «In schwerwiegender Weise in die Intimsphäre eingegriffen».

Am 24. August lautet er: «Jolanda Spiess-Hegglin gewinnt gegen den Blick – Ringier-CEO: «Entschuldigen uns aufrichtig».

Am 25. August mutiert er zu: «Nach Urteil: Ringier-Chef entschuldigt sich bei Spiess-Hegglin».

Wohlgemerkt immer über dem gleichen Text. Der vom Autor um die Entschuldigung des Ringier-CEO ergänzt werden musste. Weil er gegen jeden Anstand und den Journalistenkodex die gerichtliche Sperrfrist durchbrochen hatte, um der Erste zu sein.

 

Sprachbilder sind Glücksache

Durch alle Titelvarianten hindurch blieb ein sprachlicher Fangschuss erhalten: «Mit dem Artikel gab der «Blick» den Startschuss zu einer medialen Lawine, die bis heute nicht ganz verebbt ist.» Auf die Plätze, fertig, los, sagte der schiesswütige «Blick», und die Lawine gehorchte. Auf dem Weg ins Tal verwandelte sie sich aber offensichtlich in Wasser, denn sie verebbt bis heute nicht ganz.

Auch die weiteren Entwicklungen trafen den publizistischen Leiter von CH Media wie ein Schuss in den falschen Fuss, wie er vielleicht formulieren würde. Denn bei ihm durfte Spiess-Hegglin exklusiv bedauern, dass sich «Ringier nicht freiwillig entschuldigen kann».

Was Ringier aber freiwillig nach Ablauf der Sperrfrist tat. Also liess Hollenstein, gesagt ist gesagt, dieses Zitat zunächst einfach stehen, ergänzt um die Meldung, dass sich Ringier entschuldigt habe. In der nächsten Version fehlt dann diese Klage von Spiess-Hegglin.

Und wie soll’s denn weitergehen? «Das Urteil des Zuger Obergerichts ist deutlich», weiss Hollenstein. «Das Urteil zur Persönlichkeitsverletzung könnte nicht deutlicher sein», korrigiert ihn seine Schutzbefohlene. Womit beide um die Tatsache herumrudern, dass der Vorwurf der Persönlichkeitsverletzung im Urteil der zweiten Instanz aufrecht erhalten wurde. Aber die Genugtuungssumme wurde deutlich gekürzt, um die Hälfte. Zudem muss sich Spiess-Hegglin neu an den Prozesskosten beteiligen, und ihre Anwältin erhält für die Tätigkeit in zwei Instanzen weniger als ihr zuvor für eine Instanz zugebilligt wurde.

Es könnte also nicht deutlicher sein, dass die Klägerin von fünf Klagepunkten drei verloren hat. Aber dann wäre es ja nicht mehr so deutlich.

 

Qualitätsmeldung in eigener Sache

Der Chef von TX, was wiederum der Chef von Tamedia ist, liess verlauten, dass 70 Millionen eingespart werden müssen. Flauer Werbemarkt, und dann auch noch Corona, nicht wahr. Da darf der Leser vom «stärksten Redaktionsnetzwerk der Schweiz» sicherlich erwarten, dass die geballte Sachkompetenz der Journalisten sich in einem analytischen und hintergründigen Stück bemerkbar macht.

Das kommt aber nicht, sondern Tamedia referiert lediglich den Inhalt der Medienmitteilung der Teppichetage des Verlags. Schlimmer noch; die Eigenleistung der starken Redaktion beträgt genau null.

Offenbar ist der Sparzwang schon bezüglich journalistischen Aktivitäten voll umgesetzt. Denn am Schluss des Artikels über ureigene Angelegenheiten im Newsnet steht SDA. Das ist normalerweise das Kürzel der letzten überlebenden Nachrichtenagentur der Schweiz. Nun ist es aber kaum vorstellbar, dass die in einer Zentralredaktion vorhandenen Schreibkräfte nicht in der Lage wären, selber über ihre eigenen Angelegenheiten zu referieren.

Deshalb kann es für SDA hier nur eine andere Erklärung geben. Der Autor des Artikels hatte ursprünglich mit Kritik am Big Boss von Tamedia, Pardon, von TX, nicht gespart. Aber nachdem der Text vom Ressortleiter, dann dem Tagesverantwortlichen, schliesslich auch dem Blattmacher und als oberste Instanz vom Oberchefredaktor zensuriert, äh, redigiert worden war, fehlten dann alle bissigen Bemerkungen Richtung Pietro Supino.

Daraufhin zog der Autor grimmig seinen Namen zurück und ersetzte ihn durch SDA. Das sei hier aber nicht das Kürzel für Schweizerische Depeschenagentur, erläutert er seither jedem. Sondern SDA stehe für Supino, du …

 

Wenig Sendungsbewusstsein beim Farbfernsehen

Auch bei SRF wird gespart, dass es kracht. «Eco», «Sportaktuell», «Art on Ice», «Swiss Music Awards», es bleibt kein Programmbaustein auf dem anderen. Wenn man so etwas macht, muss man eine griffige Begründungsformel finden.

Nathalie Wappler hat eine griffige Formel gefunden: «Auf die strukturelle Krise der Medien kann man nur strukturell antworten.» Auch auf die Gefahr hin, etwas unstrukturiert zu erscheinen: Eine absolute Nullnummer von Aussage. Man könnte sie beliebig variieren: Auf die tödliche Krise der Medien kann man nur tödlich antworten. Auf die inhaltliche Krise der Medien kann man nur inhaltlich antworten. Auf die Wappler-Krise kann man nur mit Wappler antworten.

 

Muss eine Schriftstellerin Literatur kennen?

Eher nein, würde die «Schriftstellerin und Journalistin» Simone Meier wohl sagen. Besonders, wer so geschmacklos wie sie ist, den millionenfachen Mord an Juden durch Nazideutschland so zu verniedlichen, dass Hitler die «gecancelt» habe. Ihr Erguss über die sogenannte «Cancel Culture» gestern, vorgestern und heute hat die wenigen Leser, die es bis zum Schluss durchgehalten haben, mit Übelkeit und Schwindel zurückgelassen.

Ganz anders hingegen ist ihre Nacherzählung des Lebens von Thyphoid Mary. Eine irische Köchin steckte im New York der vorletzten Jahrhundertwende ihre Arbeitgeber mit Typhus an. Sie war wohl ein Superspreader, wie man das heute nennt, allerdings selbst immun gegen diese Infektionskrankheit. Ihre Lebensgeschichte erzählt Meier weitgehend geradeaus nach. Nun gut, sie hatte auch Wikipedia als Helfer, da kann eine Schriftstellerin schön Fotos und Inhalt abkupfern.

Aber man macht es der schreibenden Frau ja auch nicht leicht. Unter Literatur ist auf Wikipedia ein Roman von Anthony Bourdain über Mary Mellon aufgeführt. War das nicht dieser irre TV-Koch aus New York, der die schmutzigen Geheimnisse der New Yorker Restaurantküchen ausplauderte und dann in Kaysersberg im Elsass Selbstmord beging? Doch, genau der, also erwähnt ihn Schriftstellerin Meier natürlich in ihrem Erguss über Thyphoid Mary. Blöd nur, wirklich dumm gelaufen, dass in dieser Literaturliste ein Werk nicht verzeichnet ist, dessen Autor und dessen Roman man als Schweizer Schriftstellerin eigentlich kennen sollte.

Jürg Federspiel heisst der wirkliche Schriftsteller, und «Die Ballade von der Thyphoid Mary» heisst sein literarischer Roman voll von schwarzem Humor. Aber wie soll das auch eine «Schriftstellerin» wissen, wenn man es ihr nicht in Wikipedia sagt. Aber Wunder, über Wunder, selbst einige Leser von «watson» wussten das. Was tun? Hier entwickelt Meier zum ersten Mal gewisse schriftstellerische Fähigkeiten. Statt die Leserhinweise einfach zu ignorieren oder eine klaffende Bildungslücke einzuräumen, schreibt sie: «Auf vielfache User-Anregung sei hier noch nachgetragen …» Diese Unverfrorenheit hätte Federspiel sicher gefallen. Aber bevor sich Meier vielleicht fragt, ob sie bei dem Schreibunterricht nehmen könnte: leider nein. Dieser Gefahr hat er sich schon länger durch seinen Tod entzogen.