Schlagwortarchiv für: Pietro Supino

Traumtänzerei

Was wäre, wenn der Journalismus funktionieren würde?

«Die Frage, wieweit Canonicas Opferhaltung glaubwürdig ist, soll nun auch im «Magazin» publizistisch «angemessen» thematisiert werden. Am Mittwoch waren zumindest entsprechende Aufforderungen an die Redaktion zu hören.»

Das schreibt Lucien Scherrer in der NZZ. Er will über den Verlauf einer Aussprache bei Tamedia informiert sein, die letzten Mittwoch stattgefunden haben soll. Bei ihr seien der Tamedia-Boss Pietro Supino und der Oberchefredaktor Arthur Rutishauser aufgetreten. Supino soll von einer «schmutzigen Geschichte» gesprochen haben, auf die «man jedoch korrekt reagiert habe», will die NZZ wissen.

Zunächst: korrekt reagiert? Wenn Supino das wirklich meint, muss man sich Sorgen um die Tx Group machen. Denn wenn der Chef den Kontakt zur Realität verliert, ist Feuer im Dach. Tamedia eierte sich kommunikativ (als Medienhaus!) geschickt in einen GAU hinein.

Zunächst der edle Verweis auf «Persönlichkeitsschutz», der leider weitere Informationen verbiete. Ausser, dass man die Vorwürfe von Roshani sehr ernst genommen habe. Bereits einen Tag später war es mit dem Schutz vorbei; ohne bei den Betroffenen ihr Einverständnis einzuholen, wurde fröhlich eine Zusammenfassung einer externen Untersuchung veröffentlicht. Zuerst an die Angestellten verteilt, im sicheren Wissen, dass sie so in einer Minute überall gestreut sei.

In dieser Zusammenfassung bekommen sowohl Canonica wie Roshani ihr Fett ab. Der Bericht forderte im Fall Canonicas nur Sensibilisierung, Coaching und Führungskurse. Stattdessen suchte er Mitte letzten Jahres keine neue Herausforderung, wie bislang das Wording war, sondern wurde gefeuert. Ebenso wie Roshani dann im September.

Wie auch die berühmten, nicht namentlich genannt sein wollenden Quellen ZACKBUM versichern, herrscht zurzeit bei Tamedia eine Bombenstimmung. Denn nicht nur Canonica, eigentlich alle Redaktoren kriegen zu hören, bei welchem Schweinebackenverlag sie denn arbeiten würden.

Vielleicht wäre der Vorwurf angebrachter, bei welchem Verlag von Inkompetenten sie ihre üppigen Saläre einstrichen. Denn in all diesen Fällen von Sexismus-Vorwürfen sind die Journalisten in keiner Weise ihrer angeblichen Kernkompetenz nachgegangen: recherchieren, untersuchen, Beleg sammeln, Zeugen finden, Artikel machen.

78 erregte Tamedia-Journalistinnen hatten einen Protestbrief unterzeichnet, der mehr als 60 verbale Übergriffe aufzählte. Fast zwei Jahre danach ist es in keinem einzigen Fall bekannt, ob er sich wirklich so zugetragen hatte – oder nicht. Das ist ein klägliches Versagen.

In der neusten Attacke behauptet die Autorin Anuschka Roshani, dass verbale Ausfälligkeiten ihr gegenüber nicht nur unter vier Augen oder Ohren stattfanden, sondern coram publico. Also in Anwesenheit von Zeugen. Canonica hingegen behauptet in einem Verteidigungsschreiben, dass das alles gelogen sei. Zudem habe die gesamte Redaktion einen Brief verfasst, in dem sie die Anschuldigungen Roshanis als «absurd» zurückgewiesen hätten und ihm den Rücken gestärkt. Dieser Brief sei an die Geschäftsleitung und den Verwaltungsrat gerichtet gewesen.

Es liegen also genügend recherchierbare Behauptungen vor. Eine klare Ja/Nein-Sache ist auch, dass die Verlagsleitung behauptet, Roshani sei der Inhalt des Untersuchungsberichts über ihre Anschuldigungen zur Kenntnis gebracht worden. Roshani bestreitet das.

Gibt es diesen Brief, gab es Ausfälligkeiten Canonicas vor Zeugen, hat Roshani den Bericht oder nicht, sind die von ihr belegten Beispiele aus dem Zusammenhang gerissen, wie Canonica behauptet, Ausdruck einer freundschaftlichen Scherzebene, über die beide gelacht hätten – oder sind es widerliche Ausrutscher?

Hat Canonica anzüglich mit einer Frauenbrust aus Plastik gespielt oder war es ein Brustimplantat, das er bei einer Reportage erhielt? Zumindest ein aus anonymer Quelle stammender Vorwurf ist weggeräumt: Big Boss Supino zwang CH Media zu einer «Korrektur und Entschuldigung». Der Wanner-Clan hatte dem Vertreter des Coninx-Clans schriftlich unterstellt, er habe Canonica nahegestanden und seine schützende Hand über ihn gehalten.

Ein weiteres Thema, die «anonymen Quellen». Der «Blick» arbeitet damit, CH Media arbeitet damit, die NZZ auch, sogar die «Zeit» will von gleich fünf ehemaligen Mitarbeitern dies und das bestätigt bekommen haben.

Auch das wäre ein Thema für Recherchen. Gibt es diese anonymen Quellen? Oder sind sie erfunden? Wenn es Ohren- und Augenzeugen gegeben haben soll, was sagen die? Wann wird dieser Solidaritätsbrief veröffentlicht, wenn es ihn gibt? Was kann man über die Arbeitstätigkeit von Roshani sagen? Stimmt es, dass sie eine Blindbewerbung auf die damals noch von Canonica besetzte Stelle des Chefredaktors «Magazin» bei der Geschäftsleitung deponiert haben soll?

Wie man sieht: es gäbe jede Menge Pisten, Hinweise, Andeutungen, Behauptungen, denen man nachgehen könnte. Dass feministische Schreihälse wie Franziska Schutzbach diese Anschuldigungen zum Anlass nehmen, sich mal wieder über die unerträgliche Machokultur im Journalismus zu beklagen, obwohl sie via ihren Partner und «Magazin»-Redaktor eigentlich aus erster Hand schon lange wissen sollte, wie es dort zuging – oder eben nicht –, geschenkt, das ist billiger Klamauk.

Aber wieso bildet die «Magazin»-Redaktion nicht eine Task Force, die diesen konkreten Fall aufarbeitet? Wäre das nicht eine Sache für das sogenannte Investigativ Desk, mal eine Abwechslung zum Ausschlachten von gestohlenen Geschäftsunterlagen?

Oder kurz gefragt: Wieso gehen die Hunderte von Journalisten im Hause Tamedia nicht einfach mal ihrem Beruf nach? Wieso lassen es alle anderen beim zitieren von angeblichen Quellen bewenden, die offenbar auch – anonym macht mutig – Stuss erzählen?

War es wirklich «noch viel schlimmer», sind Roshanis Anschuldigungen nur «die Spitze des Eisbergs», herrschte «Psycho-Terror»? Oder ist Canonica ein weiteres Opfer einer rachsüchtigen Untergebenen?

Das sollte doch rauszufinden sein. Aber eben, welcher Journalist arbeitet heute eigentlich noch als Journalist?

Entschuldigung, Supino

Hoppla. CH Media entschuldigt sich bei Tamedia-Boss Pietro Supino.

Im allgemeinen Halali gegen Tamedia hat auch CH Media mitgeholzt. Chiara Stähle zog am 6. Februar gröber vom Leder, mit den heute als Allzweckwaffe eingesetzten anonymen Quellen: «Was Roshani schildert, bestätigen auf Anfrage von CH Media mehrere ehemalige Journalistinnen und Journalisten des «Magazins». Und mehr noch: «Es war alles noch viel schlimmer. Was nun publik wurde, ist lediglich die Spitze des Eisbergs», sagt ein ehemaliger «Magazin»-Journalist, der nicht namentlich genannt werden will.»

Was beim «Blick» inzwischen gelöscht ist, prangt bei CH Media immer noch im Internet: «Ein Beispiel: Auf dem Pult von Canonica sei zeitweise eine aus Plastik gefertigte Frauenbrust gestanden, gab ein ehemaliger Mitarbeiter im Bericht zu Protokoll. Canonica habe ihm damals unverblümt mitgeteilt, dass er Praktikantinnen, die ihm gefielen, vorstellig werden liesse. Im Gespräch massiere er dann die Fake-Brust und gebe der Bewerberin zu verstehen, dass sie als Praktikantin alles mitmachen müsse.»

Mit folgender Unterstellung geriet aber Stähle in Sperrfeuer: «Dem Vernehmen nach stand er (gemeint ist der Ex-Chefredaktor Finn Canoncia, Red.) Verleger Supino persönlich nahe. Das dürfte einer der Gründe sein, weshalb «Supino ihn immer gedeckt hat», wie ein ehemaliges Redaktionsmitglied erzählt. Pietro Supino bestreitet diese Behauptung vehement.»

Supino bestreitet offenbar nicht nur vehement, sondern setzte auch diesen Kotau durch:

«Richtigstellung/Entschuldigung
Ist nun auch ziemlich peinlich, denn auch Bashing des Konkurrenten will gelernt sein. Oder: das kommt davon, wenn man anonymen Wäfflern vertraut. Denn anonym macht mutig, das ist doch bekannt.

Widerliche Gutmenschen

Was ist nur im «Magazin» von Tamedia los?

Starker Tobak: «Als Finn Canonica 2007 »Magazin«-Chefredakteur wurde, begann er ein Regime des Mobbings. Ich war nicht die Einzige, er nahm auch Männer ins Visier. Eine Kollegin entließ er ohne Vorwarnung. Als ihr das Mutterblatt des »Magazins«, der »Tages-Anzeiger«, direkt danach eine Reporterstelle anbot, soll Canonica gesagt haben, man untergrabe seine Autorität, würde man sie dort anstellen. Sie trat die Stelle nicht an.»

Das schreibt die langjährige «Magazin»-Journalistin Anushka Roshani im «Spiegel». Sie war von 2002 bis 2022 dort angestellt, bis sie laut eigenen Angaben «im September 2022 ohne Angaben von Gründen die Kündigung erhielt». Gleichzeitig klagt sie «wegen Verletzung der Fürsorgepflicht aufgrund sexistischer Diskriminierung und Mobbings» gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber.

Sie gehörte zu den erregten Frauen, die einen Protestbrief gegen angeblich unerträgliche, sexistische und demotivierende Zustände bei Tamedia unterzeichnet hatten. Ohne dass allerdings ihre oder andere Beispiele namentlich genannt wurden.

Also ist Roshani nicht gerade eine objektive Zeugin oder unbeleckt von Eigeninteresse. Und die Fähigkeiten des «Spiegel», die Plausibilität von Erzählungen zu überprüfen, ist auch nicht über jeden Zweifel erhaben. Laut persoenlich.com weise der Anwalt des ehemaligen «Magazin»-Chefredaktors die Anschuldigungen zurück. Und Tamedia lässt ausrichten, eine «externe Untersuchung habe Roshanis Vorwürfe «zum überwiegenden Teil» nicht bestätigt». Welcher Teil bestätigt wurde, bleibt offen.

Der «Spiegel» hat sich nach eigenen Angaben nicht alleine auf die Schilderungen von Roshani verlassen: «Der Redaktion liegen Aussagen ehemaliger Kollegen und Kolleginnen, Chatnachrichten, Korrespondenz und Dokumente vor, die die Vorwürfe stützen und insgesamt plausibel erscheinen lassen. Soweit einzelne Vorwürfe, etwa über den Inhalt von Vieraugen­gesprächen, allein auf Wahrnehmungen von Anuschka Roshani beruhen, hat sie diese eidesstattlich versichert.»

Auch hier gilt natürlich wie immer die Unschuldsvermutung.

Aber: Es pfiffen schon länger die Spatzen von den Dächern, dass der abrupte Abgang von Canonica nicht dadurch motiviert war, dass der «eine neue berufliche Herausforderung» annehmen wolle.

Roshani beschreibt eine Unkultur und ein geradezu toxisches Verhalten des Chefs: «Wer zum inneren Kreis gehörte, was sich allerdings jederzeit ändern konnte, genoss Privilegien, bekam Zeit und Platz für Artikel, wurde von Aufgaben freigehalten, musste aber auch, egal ob sie oder er es wollte, Details aus Canonicas Sexleben erfahren. Er mutmaßte über die sexuelle Orientierung oder Neigungen von Mitarbeitern. Äußerte sich verächtlich über jeden, der nicht im Raum war. Bezeichnete unliebsame Themen als »schwul«. Benutzte in Sitzungen fast touretteartig das Wort »ficken«. Erzählte Intimitäten, etwa, dass zwei Redakteure ihre Kinder nur durch künstliche Befruchtung bekommen hätten.»

Ihre persönlichen Erfahrungen schildert Roshani so:

«Im Wesentlichen aber entwürdigte er mich mittels verbaler Herabsetzungen. So unterstellte er mir in einer Konferenz, ich hätte mir journalistische Leistungen mit Sex erschlichen: Ich sei mit dem Pfarrer der Zürcher Fraumünster-Kirche im Bett gewesen, den ich für eine Recherche getroffen hatte. In einer SMS sprach mich Canonica als »Pfarrermätresse« an.
Das war nicht alles. Hinter meinem Rücken nannte er mich vor einer Kollegin »die Ungefickte«. Sagte coram publico zu mir, mein Mann habe »einen kleinen Schwanz«. Brüstete sich in meinem Beisein vor Kollegen mit einem scheinbaren Exklusivwissen über mein Liebes­leben: dass ich zu Beginn meiner »Magazin«-Zeit öfter die Männer gewechselt hätte.»

In dem Artikel dokumentiert Roshani einige ihrer Vorwürfe, so den, dass ihr Canonica bei angeblich zu deutschen Ausdrücken in ihren Manuskripten ein Hakenkreuz daneben gemalt hätte, sie als «Pfarrermätresse» bezeichnet oder ihr mit folgenden Worten zu einer Leistung gratuliert habe: «Obwohl Du eine Frau bist, hast du brilliert.»

Nun könnte man bis hierher sagen, dass hier ein unfähiger und unbeherrschter Diktator Chef gespielt habe, worunter seine Untergebenen zu leiden hatten. Zum systematischen Skandal wird aber diese Beschreibung dadurch, dass Roshani die gesamte Führungsriege von Tamedia beschuldigt, Canonica lange Jahre geschützt und gestützt zu haben:

«Wann immer ich mich zur Wehr setzte, gab er mir zu verstehen, dass ich niemanden im Verlag fände, der mir Gehör schenken würde. Er sitze bombenfest im Sattel und genieße sogar das große Wohlwollen des Verlegers Pietro Supino.»

Mitredakteure hätten gekündigt und teilweise Canonica als Grund bei der Personalabteilung angegeben – keine Reaktion. Nach dem Protestbrief hätten gegen aussen der damalige Geschäftsführer Marco Boselli und auch Oberchefredaktor Arthur Rutishauser Betroffenheit und Null-Toleranz behauptet, aber auf ihre wohldokumentierten Beschwerden sei man nicht eingegangen. Dabei hätte es genügend deutliche Skandale gegeben:

«Nicht mal Canonicas Affäre mit einer Untergebenen und den damit verbundenen Machtmissbrauch fand das Unternehmen als Vorwurf erheblich genug: Erst bevorzugte Canonica seine Geliebte, ohne da­raus einen Hehl zu machen, ging mit ihr auf Dienstreisen, dann, nach dem Ende des Verhältnisses, verbot er uns, mit ihr zu kommunizieren.»

Die Unternehmensleitung, immer laut Roshani, habe alles getan, um das Problem auszusitzen:

«Man ließ mich vollkommen allein in dieser Lage. Ich musste an einem Tisch mit Canonica sitzen, nachdem er schon über meine Vorwürfe informiert war. Vom Stand der Untersuchung erfuhr ich nichts. Längst wissen auch der Verwaltungsrat und der Verleger Pietro Supino von den Vorfällen.
Rutishauser, Canonicas Vorgesetzter, laut ihm sein enger Studienfreund, tat, als wäre ich das Pro­blem. Mein Arbeitgeber behandelt mich, als wäre ich eine Störung des Betriebsfriedens. Und als wäre es ein privater Zwist zwischen mir und Canonica.»

Dass hier ein saftiger Skandal geplatzt ist, scheint auch folgende Aussage von Roshani zu belegen: «So wie sich Canonica anstrengte, mich kleinzukriegen, versucht Tamedia, mich in die Knie zu zwingen. Deren Anwältin behauptet, dass ich alles nur inszeniert hätte, um Canonicas Chefposten zu bekommen.»

Ihre bittere Bilanz:

«Ende Juni gab der Verlag bekannt, Canonica verlasse »Das Magazin«, um eine »neue berufliche Herausforderung anzutreten«. Seitdem hat weder die Leserschaft noch die Redaktion erfahren, wo er ab­ge­blieben ist. Mir sagte man, ich solle mich unterstehen, Gerüchte in die Welt zu setzen, mit meinen Vorwürfen habe sein Weggang nichts zu tun. Aus der Redaktion hieß es, er habe eine hohe Abfindung erhalten.
Canonicas Posten hat sein Vize übernommen, er ist schlicht nachgerückt. Dabei hatte der Verlag nach dem »Frauenbrief« verkündet, dass ab sofort jede Stelle intern und extern zur Bewerbung ausgeschrieben werde. Das ist hier nicht geschehen. Im Editorial verabschiedete der neue »Magazin«-Chefredakteur den alten mit Glanz und Gloria.»

Sicherlich, es handelt sich hier um die Anklageschrift einer einzelnen Journalistin, die zudem offensichtlich mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber ein Hühnchen zu rupfen hat. Es erscheint aber sehr unwahrscheinlich, dass sie sich all diese Geschichten aus den Fingern saugt. Denn im Gegensatz zu den bis heute unbewiesenen Behauptungen im Protestschreiben nennt sie konkrete Beispiele, will Zeugen haben und kann auch Belege vorweisen.

Textnachrichten von Canonica (Screenshot «Spiegel»).

Auf ganz üble Verhältnisse deutet diese Bemerkung von Roshani hin, denn viele seiner widerlichen Sprüche hätte Canonica coram publico gemacht. Reaktion: «In der Redaktion tat man trotzdem so, als wäre Canonica einfach nur ziemlich verquer. Als hätte er einen Spleen, mit dem man sich halt arrangieren müsse.»

Es scheint zumindest in der Redaktion des einstmals angesehenen «Magazin» eine toxische Unkultur geherrscht zu haben. Die Frage ist vor allem, wieso so viele auch männliche Mitarbeiter, die sich gegen aussen wortstark für die Sache der Frau und gegen Sexismus und Figuren wie Weinstein aussprechen, in der Reaktion feige die Schnauze gehalten haben.

Spannend wird auch zu beobachten sein, wie Tamedia um dieses Thema öffentlich herumeiern wird. Wetten, dass die Fürsorge des Arbeitgebers und der Persönlichkeitsschutz von Mitarbeitern leider jede offizielle Stellungnahme verhindern wird?

Dabei wäre es für die zahlenden Leser durchaus von Interesse, wie sich ein solch widerlicher Chefredaktor so lange halten konnte. Ob er wirklich Protektion von oben besass. Ob er Herrschaftswissen hatte, das ihn unantastbar machte. Wieso es ihn dann doch gelupft hat, am Schluss. Wieso auch Roshani – laut ihr ohne Begründung – gefeuert wurde. Wie sich das von ihr geschilderte Verhalten von Boselli, Rutishauser und der Tamedia-Führung mit deren Selbstdarstellung nach aussen verträgt.

Aber so gerne Tamedia auch bereit ist, vermeintliche oder echte Skandale anderswo aufzudecken, so verschlossen wie eine Auster ist das Haus, wenn es um den Dreck vor der eigenen Türe geht.

Ist KI der K.o. für die Medien?

Textroboter werden besser, Journis schlechter.

Es ist eines der vielen Projekte des Tausendsassas Elon Musk. openai.com hat gerade die Beta-Version ihres Text Creators als Spielfeld mit einigen Freiversuchen freigeschaltet.

Hier kann man sozusagen in einem Text-Photoshop zu beliebigen Themen in beliebigen Längen, Tonalitäten, Stilrichtungen und Ausformungen Texte abholen. Vom Ausgang des Ukraine-Krieges über eine Beurteilung der Präsidentschaft Trumps zu philosophischen Erwägungen oder gar Liebesgedichten mit vorgegebenem Inhalt und Reim-Art.

Die dahinterstehende KI (Künstliche Intelligenz oder Artificial Intelligence) nähert sich immer mehr dem erfolgreichen Bestehen des Turing-Tests. Nach dem ist eine KI dann ausgereift, wenn ein menschlicher Gesprächspartner sicher ist, dass er mit einem anderen Menschen spricht und nicht mit einem Computer.

Sowohl Geschwindigkeit der Reaktion wie auch Qualität des Antworttextes ist dem Schaffen der meisten Schweizer Journalisten eindeutig überlegen. Hier kommt nichts Geholpertes, nichts Verstolpertes, nichts Unfertiges. Wohltuend ist auch: diese KI hat überhaupt kein Bedürfnis, Nabelschau zu betreiben, mit dem Zeigefinger zu wackeln oder der Welt Vorschriften zu machen, wie sie zu sein hätte.

Beispiel gefällig? Beispiel. ZACKBUM verlangte eine kurze Rede, um für eine Revolution aufzurufen. Et voilà:

«Friends, I come here today to ask for a revolution. A revolution of change and action. We must take bold steps to ensure that our voices are heard, that our rights are respected, and that our future is secure. Let us rise up and make our collective dreams a reality. Let us join together in a movement for progress. Let us be the agents of change. Let us start a revolution!»
Damit könnte man locker in einem beliebigen Land in der Dritten Welt ganz hübsch für Action sorgen. Besonders wertvoll für Kindersoldaten in ihren Verrichtungsboxen im Newsroom ist auch dieses Tool:
«Translates difficult text into simpler concepts.»
Hilfreich ist auch der «sarkastische Chatbot Marv». Der reagiert so auf Fragen:
«You: How many pounds are in a kilogram? Marv: This again? There are 2.2 pounds in a kilogram. Please make a note of this. You: What does HTML stand for? Marv: Was Google too busy? Hypertext Markup Language. The T is for try to ask better questions in the future. You: What is the meaning of life? Marv: I’m not sure. I’ll ask my friend Google.»
Unverzichtbar ist auch der Creator einer Restaurantkritik. Da könnten sich selbst Co-Chefredaktorinnen noch ein paar Scheibchen davon abschneiden. Statt über das «Razzia» zu stammeln, kann man hier einfach ein paar Angaben stichwortartig einspeisen; zum Beispiel: «The Blue Wharf Lobster great, noisy, service polite, prices good.»
Daraus entsteht dann: «I recently visited The Blue Wharf and had a wonderful experience. The lobster was excellent and the prices were very good. The only downside was the noise level, but the polite service more than made up for it. Highly recommend!»
Nun wollen wir hoffen, dass dieser Text nicht Pietro Supino unter die Augen kommt. Denn der sähe hier garantiert eine weitere Sparmöglichkeit. Die Zukunft des «Tages-Anzeigers» und seiner Kopfblätter sähe dann so aus: einige Basistexte werden immer noch von der SDA übernommen. Der Sicherheitsmann (oder die -frau), der nachts schaut, ob auch alle Lichter gelöscht sind, kann dann gegen Langeweile aus einer Liste von Vorschlägen der KI einen Titel und Lead auswählen.
Damit wäre bereits die Hälfte des Contents generiert. Ein weiteres Viertel besteht aus Texten, die tel quel aus der «Süddeutschen» übernommen werden. Mitarbeiter des Reinigungspersonals dürfen dort jeweils das ß durch ss ersetzen. Ein Germanistik-Student in Banja Luka kann zur Entspannung neben der Moderation von Kommentaren noch «parken» durch «parkieren» oder «grillen» durch «grillieren» ersetzen. Und gelegentlich aus einer Liste von Helvetismen per Zufallsprinzip ein Wort einstreuen («grüezi, notabene, vorprellen, behändigen», etc.).
Bleibt das letzte Viertel. Davon werden die grössten Brocken von der KI hergestellt. Dieser Aufgabe dürfen sich die beiden Co-Chefredakteure widmen, da braucht es Führungserfahrung und einen ausgeprägten journalistischen Muskel. Also genau das Richtige für Priska Amstutz und Mario Stäuble.
Dann kommt noch die Königsdisziplin, der Kommentar, die Meinung. Auf diesem Spielplatz dürfen sich Oberchefredaktor Arthur Rutishauser, die Mitglieder der Chefredaktion und die Grüss-August-Chefredakteure der Kopfblätter tummeln.
Was bliebe noch? Oh ja, heikel, die lokale Berichterstattung. Da müsste das gescheiterte Projekt «Aurora» neu ansetzen. Zum Beispiel so: Da alle erfahrenen Lokaljournalisten entlassen wurden (zu teuer), kommen sogenannte Leserreporter zum Einsatz. Denen verspricht man eine gloriose Karriere in den Medien und motiviert sie dadurch, gratis von lokalen Ereignissen zu berichten.
Hier kann die KI dann ihre Kompetenz voll ausspielen. Diese Leserreporter holpern ihre Texte in ein Eingabefeld und wählen dann noch die gewünschte Länge, Ausrichtung (kritisch, zustimmend, wohlwollend, ablehnend, skandalisierend, neutral), und schwups: schon entsteht ein fertig produzierter Text, zu dem die KI aus dem Archiv noch ein passendes Foto sucht.
Damit wäre die nächste Stufe der kostengünstigen Herstellung eines qualitativ hochstehenden Bezahlmediums erreicht.
Da es sich eindeutig um eine synergetisch verbesserte Ausgabe handelt, kann dem Leser die frohe Botschaft verkündet werden, dass er für Besseres nicht etwa mehr bezahlen muss. Als Ausdruck der Verantwortung und Bedeutung als Vierte Gewalt im Staat darf Supino in einem seiner seltenen, aber berüchtigten Editorials ausführen, dass es weiterhin eine strikte Trennung zwischen Verlag und redaktionellem Inhalt gäbe (was immer brüllend komisch ist, wenn er als Verlags-Chef redaktionell das Wort ergreift), und dass es dem Konzern gelungen sei, deutliche inhaltliche Verbesserungen kostenneutral umzusetzen.
That’s the future, baby, würde die KI sagen. Und ZACKBUM hofft natürlich auf einen kräftigen Rums auf seinem Spendenkonto.

Totgesagte leben länger

Alle Jahre wieder: «20 Minuten» nur noch viral?

Offensichtlich ist die Gratiszeitung «20 Minuten» der Konkurrenz oder wem auch immer ein Dorn im Auge. Wechselt der Chefredaktor mit seiner Stellvertreterin die Plätze, soll Feuer im Dach sein, werden schreckliche Gründe dafür geheimnist.

War dann wohl nix.

Geradezu ein running Gag ist die Behauptung, dass es «20 Minuten» bald einmal auf Papier nicht mehr geben werde. Zum gefühlt 17. Mal in diesem Jahr wurde das Gerücht wieder in Umlauf gesetzt. Diesmal sah sich der CEO Bernhard* Brechbühl persönlich dazu bemüssigt, gegenüber persönlich.com nicht nur zu dementieren, sondern auch zu präzisieren:

«Wir planen eine Aufwertung der Zeitung auf Frühling 2023. Diese betrifft den Seitenumfang sowie die Papierqualität. Um das Printerlebnis noch wertiger und zeitgemässer zu gestalten, prüfen wir derzeit auch Anpassungen an Design und Inhalt.»

Natürlich weiss man bei der Tx Group nie, ob Big Boss Pietro Supino es sich dann noch anders überlegt. Schon um «20 Minuten» überhaupt kaufen zu können, bediente er sich durchaus ruppiger Methoden und brachte ein Konkurrenzblatt in Stellung. Um es dann sang- und klanglos in der Versenkung verschwinden zu lassen, als es seinen Zweck erfüllt hatte.

Aber eines ist bei Supino berechenbar: solange sich etwas rechnet und den Profitvorgaben entspricht, wird’s gemacht. Wenn nicht mehr, wird’s umgebracht.

*Nach Leserhinweis korrigiert.

Realitätsverlust

Alle Jahre wieder ist Märchenstunde. Onkel Strehle erzählt von Qualität.

Hurra, der «Qualitätsreport 2021» ist da. Der Autor bürgt für unbestechliche Qualität. Res Strehle hat sich zudem einen illustren Kreis von «Experten» beigezogen. Herausragend: Felix E. Müller, Ex-Chefredaktor NZZaS. Oder Roger Blum (lebt noch). Oder Miriam Meckel (gibt’s noch).

Was ist das Ergebnis? Falls die Frage ernstgemeint sein sollte: «wenig handwerkliche Mängel», Trennung Werbung und redaktionellen Inhalten «wurde eingehalten». Dazu «nur wenige Faktenfehler», «ein gutes Zeichen scheint uns auch, dass die Floskel «Es gilt die Unschuldsvermutung» durch eine im Bericht praktizierte Unschuldsvermutung zunehmend unnötig wird». Schliesslich: «Die Sprache war in den untersuchten Wochen in allen Tamedia-Medien verständlich, «unaufgeregt, sachdienlich und wenig manieriert», wie es Felix E. Müller als beigezogener Experte für den Tages-Anzeiger formulierte.»

Und was gibt’s Neues an der Geschlechterfront? «Das Bemühen, das generische Maskulinum als Standard zumindest in Lauftexten zu vermeiden, war im vergangenen Jahr in allen Redaktionen spürbar – diese Form wird allerdings noch nicht konsequent vermieden

Besinnlich klingt der streng-sachliche Report mit einem Schlusswort des Big Boss aus:

«Wir müssen einen strengen Massstab an unsere Arbeit legen. Nur so sind wir glaubwürdig und können unsere zentrale Rolle in der Demokratie wahrnehmen.»

Pietro Supino, Präsident und Verleger von Tamedia.

Falls beim einen oder anderen Leser Zweifel aufkommen sollten: Doch, dieser «Qualitätsreport» befasst sich mit den Erzeugnissen von Tamedia. Wirklich wahr, ungelogen. Und Supino spricht vom strengen Massstab, den er an die Behandlung der Abstimmung über die Milliardenspritze für Notleidende Verlegerclans angelegt hat.

Nicht nur Pierin Vincenz wird erstaunt zur Kenntnis nehmen, wieso denn die Floskel «es gilt die Unschuldsvermutung» immer weniger verwendet werde. Nicht etwa, weil sie in seinem Fall immer lächerlicher wirkte und wohl noch nie ein Angeklagter dermassen vorverurteilt wurde.

Trennung Werbung und redaktioneller Inhalt durch visuel fast identische Werbeseiten, lediglich mit «Sponsored Content» oder ähnliche Floskeln gekennzeichnet, die vielen Lesern nach gängigen Untersuchungen überhaupt nichts sagen?

Wenig Faktenfehler? Nun, es gab sicherlich weniger Fakten- als Orthographiefehler. Das will aber nicht viel heissen, bei der Menge an Rechtschreibverbrechen.

Unaufgeregt und sachlich? Das wüssten Marc Brupbacher und andere Amoks aber. Oder vielleicht sollte man es ihnen sagen.

Das generische Maskulin werde nicht konsequent genug vermieden? Ja furchtbar, da müssen noch die letzten Lichtblicke in einer allgemeinen Sprachvergewaltigung ausgeknipst werden. Apropos, wie kann ein «Qualitätsreport» stillschweigend über einen massiven Protest von 78 Tamedia-Frauen hinweggehen? Hat deren Kritik nichts mit Qualität zu tun? War sie gar zu unqualifiziert? Ignoriert Strehle einfach etwas, was er für unwichtig hält?

Wie steht es mit den ständigen Sparrunden; haben die keinerlei Auswirkungen auf die Qualität der Blätter? Gibt es nichts zum Überhandnehmen von Artikeln aus München zu sagen, wo selbst ein Ex-Bürgermeister der Stadt einen Katzentext in der «SonntagsZeitung» absondert, der vielleicht in Bayern bekömmlich wäre? Könnte es kein Qualitätsproblem sein, dass aus deutscher Perspektive geschriebene Kommentare und Einschätzungen eins zu eins in Schweizer Blätter übernommen werden?

Alles ist gut, alles wird gut

Ingesamt ähnelt auch dieser Raport Rechenschaftsberichten im verblichenen Sozialismus. Da Strehle ja ursprünglich aus der eher linksradikalen Ecke kommt, hat er sich vielleicht nostalgisch daran erinnert. Auch dort eilte die Partei (hier halt Tamedia) von einem Erfolg zum nächsten. Wurde geliefert, verbessert, gesteigert und auf alle Wünsche der Bevölkerung (aka Leserschaft) eingegangen.

Natürlich gab es da und dort klitzekleine Rückschläge, die allerdings meistens von aussen verursacht wurden und keinerlei Eigenverschulden enthielten. Es galt immer die Devise: nachdem man bereits ein dermassen hohes Niveau in der Perfektion des Sozialismus erreicht hatte, konnte es nur noch klitzekleine Schwachstellen geben, die man aber mit verdoppelter Energie bis zum nächsten Rechenschaftsbericht ausmerzen würde.

Aber zurück in die Gegenwart dieser Vergangenheit. Da muss man der Gerechtigkeit halber sagen, dass sozialistische Rechenschaftsberichte nie auch nur ansatzweise lustig waren.

Das Schlusswort von Strehle, angesichts des Verhaltens der Redaktion von Tamedia gegenüber der offiziellen Corona-Politik kritisch eingestellten Mitmenschen, die regelmässig beschimpft und heruntergemacht wurden, kann man nur als gelungenen Versuch sehen, den Leser mit Seitenstechen vor Lachen zu verabschieden:

«Abschliessend möchte ich allen Chefredaktionen, Journalistinnen und Journalisten dafür danken, dass sie den Tendenzen zur Spaltung der Gesellschaft entgegenwirken, indem sie den gesellschaftlichen Dialog beispielsweise zwischen den Mass nahmegegnerinnen und -gegnern aller Art und den Verantwortungsträgern sowie Befürwortern aufrechterhalten.»

Da wälzt man sich auf dem Boden und klopft ab: bitte aufhören, japst man zwischen Lachsalven.

 

Tamedia und CH Media: Fusion!

Eine kurzfristig anberaumte PK mit vier Teilnehmern.

Das ist eine faustdicke Überraschung. Mit ultrakurzer Frist luden heute Morgen Tamedia und CH Media zu einer Pressekonferenz per Videocall. Weil die falschen Zugangsdaten verschickt wurden, gelang es nur wenigen Medien, darunter ZACKBUM, teilzunehmen. Obwohl eine Sperrfrist bis 8 Uhr verhängt wurde, setzen wir uns im Stile von publizistischen Leitern darüber hinweg.

Im geviertelten Bildschirm sah man Peter Wanner und Patrik Müller von CH Media. Dazu Pietro Supino und Arthur Rutishauser als Vertreter von Tamedia.

Die Vier von der Geldtankstelle.

Wanner, Alter vor Schönheit, wie er launig bemerkte, eröffnete die Veranstaltung und liess sofort die Katze aus dem Sack.

«Angesichts eines anhaltend herausfordernden Umfelds haben Tamedia und CH Media beschlossen, unsere Printaktivitäten im Bereich Tageszeitungen zu bündeln.»

Supino übernahm und führte aus, dass ein Gewinn von über 800 Millionen Franken und eine Sonderdividende in der TX Group nur dann nachhaltig garantiert werden könne, wenn in der Business Unit Tamedia die Verluste gekürzt und die Gewinne verlängert würden. Das sei aber nicht weiter durch Sparmassnahmen realisierbar.

«Wir versprechen uns davon eine deutliche Qualitätssteigerung des Angebots», fügte Rutishauser, Oberchefredaktor Tamedia, hinzu. «Wir bringen das Korrespondentennetz und das Know-how der «Süddeutschen Zeitung» ein, ausserdem wird nun «Das Magazin» auch sämtlichen Printtiteln von CH Media beigelegt.»

Supino erläuterte, dass natürlich «TX Markets», «Goldbach» und «20 Minuten» nicht fusioniert werden. «Bei uns bleibt «watson» ausserhalb der Fusion», ergänzte Müller; «unsere TV- und Radiostationen werden wir ebenfalls in Eigenregie weiterbetreiben».

«Leider wird diese Fusion nicht ohne die Freistellung einiger Mitarbeiter genügend Synergien schaffen», sagte dann Supino routiniert. «Es ist eine lineare Kürzung von 25 Prozent auf allen Hierarchiestufen vorgesehen.»

«Das neue Unternehmen wird logischerweise CH Tamedia heissen», erwähnte Wanner; «mein Freund Pietro und ich werden uns das Präsidium des VR teilen, die Geschäftsleitung werden Arthur und Patrik gemeinsam bespielen. Mittelfristig ist hier vorgesehen, dass es dann nur einen CEO geben kann und wird. Möge der Bessere gewinnen.»

Dann setzten die Vier noch einen Akzent zum Schluss, der nicht bei allen Zuschauern gleichgut ankam. Supino schnippte mit den Fingern und sagte leise an «eins, zwei, drei.» Darauf riefen alle im Chor:

«Wir sind CH Tamedia. Wir bleiben dran. Wir finden’s raus. Stoppt den Krieg in der Ukraine.»

Wumms: Kommunikation Tamedia

Medienhäuser sollten vorbildlich kommunizieren. Theoretisch.

Tamedia ist wegen der Entlassung einer Journalisten ins Kreuzfeuer geraten. Vor allem die Tamedia-Hasser von der «Republik» liefen zur Höchstform auf und erzählten eine ganze Hofintrige. Nicht etwa ein verunglücktes Porträt einer Stadtratskandidatin habe den Rausschmiss verursacht, nein, der Journalist habe sich den Zorn von Big Boss Pietro Supino zugezogen; der Pseudo-Co-Chefredaktor Mario Stäuble habe sich bereits vor dem in den Staub werfen müssen.

Interessante Behauptungen, bei der «Republik» tradionell aus «vertrauenswürdigen Quellen» gespeist, die aber leider anonym bleiben müssen. Anlass für ein paar Fragen an die Medienstelle von Tamedia.

Verkniffene Antwort:

«Ich bitte Sie um Verständnis, dass wir uns zu internen Angelegenheiten nicht näher äussern können.»

Schwach, aber okay. Nun ergriff ZACKBUM die Gelegenheit, sich mal nach dem Stand der Dinge bei der gross angekündigten externen Untersuchung der Vorwürfe von 78 erregten Tamedia-Mitarbeiterinnen zu erkundigen. Ob da nach fast einem Jahr vielleicht mal mit den angekündigten Resultaten zu rechnen sei.

Nun wird’s Slapstick: «Überdies stehen die Fragen 6 und 7 in keinem Zusammenhang zu den restlichen Fragen.»

Das ist scharf und richtig beobachtet. Nur: na und? Hätten wir die deshalb in einem separaten Mail einreichen müssen? Hätte ZACKBUM sich so nochmal die Antwort erobert, dass man sich zu internen Angelegenheiten nicht äussere?

Gerüchteküche «Republik»

Zwischen Tamedia und dem Online-Magazin herrscht schon länger bissiger Kriegszustand.

Die «Republik» versuchte, sich mit einer ihrer gefürchteten ellenlangen Fortsetzungsgeschichten an Tamedia abzuarbeiten. Sozusagen im Schrotschussverfahren. Dann verbrach Daniel Ryser ein Schmierenstück über eine angebliche «Zerstörungsmaschine», die über eine streitbare und hasserfüllte Kämpferin gegen Hass und Hetze hereingebrochen sei. Ein Schrottschussverfahren.

Er betrat dabei journalistisches Neuland für einen Recherchierjournalisten, in dem er zwar jede Menge Gerüchte kolportierte, aber allen namentlich genannten Protagonisten seines Artikels keine Gelegenheit zur Stellungnahme einräumte. Als ZACKBUM freundlich nachfragte, wieso und gleichzeitig fragend auf einen ganzen Stapel von Ungenauigkeiten, Schludrigkeiten und sogar Fake News hinwies, blieb Ryser stumm.

Nun köcheln gleich zwei «Republik»-Redaktoren ein Süppchen auf der Entlassung des «Tages-Anzeiger»-Redaktors Kevin Brühlmann. Steife These: «Aus politischen Gründen?» Fragezeichen sind immer gut, wenn man austeilen will, aber nicht sicher genug ist, das im Indikativ zu tun.

Während bisher davon ausgegangen wurde, dass es Brühlmann die Stelle kostete, weil er ein eher verunglücktes Porträt über eine Zürcher Stadtratskandidatin schrieb, behaupten Dennis Bühler und Carlos Hanimann: «Ein Zürcher Reporter fällt bei Verleger Pietro Supino in Ungnade und verliert seine Stelle. Die Redaktion reagiert mit einem geharnischten Protestbrief.»

Darin habe die Redaktion die Wiedereinstellung Brühlmanns gefordert und verlangt, dass auch die in der Hierrachie obendran stehenden Mitarbeiter, die den Artikel durchwinkten, sanktioniert werden müssten. Es seien immerhin fünf gewesen. Der Brief sei, man erinnert sich an einen anderen Protestbrief, von 71 Mitarbeitern unterzeichnet worden. «Der Wortlaut des Briefs ist der Republik bekannt.» Das ist eine sehr interessante Formulierung, weit entfernt von der Aussage: der Brief liegt der «Republik» vor.

Der Blitz Supinos habe eingeschlagen, vermutet die «Republik»

Obwohl laut «Republik» im Brief Beschwerde geführt werde, dass es nicht anginge, dass ein Redaktor wegen eines einzigen Fehlers entlassen werde, vermuten die Recherchierkünstler – ohne sich des Widerspruchs bewusst zu werden – dass Brühlmann schon letztes Jahr den «Groll von Verleger Supino auf sich gezogen» habe, als er einen Artikel über die Baugarten-Stiftung veröffentlichte.

Der sei von Co-Chefredaktor Mario Stäuble bestellt, für gut befunden und publiziert worden. Aber dann:

«Gemäss mehreren gut unterrichteten Quellen habe sich Stäuble nach der Publikation in einer Sitzung mit allen Chef­redaktoren der Tamedia-Zeitungen und in Anwesenheit von Verleger Pietro Supino lange und ausführlich für die Recherche seines Reporters entschuldigt und für das eigene Versagen gegeisselt.»

Auch Brühlmann sei auf Intervention von Supino dazu gezwungen worden, sich bei Baugarten zu entschuldigen, will die «Republik» wissen. Nun ist es gerade bei ihr mit den «gut unterrichteten Quellen» so eine Sache. Die haben regelmässig ins Desaster geführt; Stichwort «Globe Garden», Stichwort «ETH» Stichwort weitere «Skandale» die auf solchen Quellen aufgebaut wurden – und kläglich verröchelten.

Hier kommt noch erschwerend hinzu: Der Artikel über die Stadtratskandidatin mit jüdischen Wurzeln ist tatsächlich teilweise verunglückt. Auf der anderen Seite hat die Porträtierte die Entschuldigung akzeptiert, den Fall für erledigt erklärt. Nur Katastrophen-Sacha ritt eine Attacke auf den «Stürmer von der Werdstrasse», mit der er sich selbst einmal mehr disqualifizierte.

Was Anlass zu Zorn geben könnte, ist nicht ersichtlich

Im Fall des Artikels über die Stiftung wird aber auch bei sorgfältiger Lektüre nicht klar, worüber sich da jemand hätte echauffieren können – und womit der Journalist den Groll Supinos auf sich gezogen haben könnte. Der Artikel ist sorgfältig recherchiert, scheint keine Fehlinformationen zu enthalten und erzählt, abgesehen von ein, zwei kleinen Schlenkern in die Vergangenheit des Stiftungspräsidenten als CEO von Holzim, faktenbasiert, unpolemisch die Geschichte einer der wohl bedeutendsten privaten Geldgeber Zürichs nach.

Es könnte vielleicht sein, dass sich Baugarten gewünscht hätte, nicht so öffentlich exponiert zu werden. Auf der anderen Seite ist es ja kein Geheimclub mit düsteren Aufnahmeritualen in dunklen Kellern. Im Gegenteil, sie verfügt sogar über eine eigene Webseite mit durchaus vorhandenen Informationen und Auskünften.

Schwacher Vorwurf, schweife in die Vergangenheit

Wenn der Hauptvorwurf nur sehr wolkig begründet werden kann, gehört es zu den ältesten Maschen, Parallelbeispiele aufzuzählen. Da fällt der «Republik» ein Artikel aus dem Jahr 2018 ein. Da drosch Philipp Loser unanständig, ohne die primitivsten journalistischen Benimmregeln einzuhalten und genauso unfundiert wie hier die «Republik», auf den Tamedia-Konkurrenten Hanspeter Lebrument ein.

Interessant war, dass auch dieses Schmierenstück durch alle hochgelobten «Qualitätskontrollen» durchrutschte. Dass es dann gelöscht wurde und Loser bei Lebrument zu Kreuze kriechen musste, war eigentlich selbstverständlich. Zudem überlebte Loser diesen Riesenflop. Leider.

Weiter ein von Supino der eigenen Redaktion gewährtes und dann zurückgezogenes Interview, eher ein Kuriosum und keine weitere Belegstelle für unziemliche Einmischung. Dass Supino tatsächlich stark intervenierte, um die gescheiterte Medienmilliarde zu unterstützen, das erwähnt die «Republik» lustigerweise nicht. Wohl weil sie auch dafür war.

Dann kommt noch die Uraltgeschichte der Entlassung von Chefredaktor Viktor Schlumpf anno 1991. Nach dieser sehr, sehr dünnen Suppe kommen die Autoren ohne jegliche Begründung zum Schluss:

«Der bissige Ton in Brühlmanns Text über die Baugarten-Stiftung wurde ihm zum Verhängnis.»

Wer in diesem Stück einen «bissigen Ton» entdeckt, hat wohl auch Angst vor einem Chihuahua, wenn der unter seinem rosa Mäschlein aus der Handtasche seiner Besitzerin kläfft.

Vorsicht, bissiger Ton.

Dass bei Tamedia bezüglich Qualitätskontrolle einiges im Argen liegt, ist offenkundig. Dass das auch bei der «Republik» der Fall ist, ebenfalls. Zudem vermisst man ein selbstkritisches Stück, wieso denn vom Chefredaktor abwärts weitere führende Redaktoren das Blatt verlassen. Wäre doch auch mal interessant zu wissen.

 

Angstschweiss läuft in Strömen

Der Verband Schweizer Medien (VSM) geht in den hysterischen Hyperdrive.

Die Inseratekampagne ist, höflich ausgedrückt, abgekackt. Die öffentlichen Auftritte von Exponenten eines Ja zur Medienmilliarde sind, höflich ausgedrückt, ein Desaster. So schiffte der Befürworter im «Blick»-Battle vor laufender Kamera mit 75 Prozent Stimmen gegen ihn ab.

Nachdem all das nicht viel gefruchtet hatte, auch alle Lohnschreiber mit wunden Fingern nichts anderes bewirkten, als dass jede Meinungsumfrage noch trübere Resultate als der Vorgänger produzierte, sieht man im Verlegerlager immer mehr Menschen mit dunklen Flecken unter den Achselhöhlen herumlaufen.

Die Nervosität ist inzwischen schon so gross, dass mit zittrigen Händen sogar die Zahl der Befürworter und der Gegner bei einer Meinungsumfrage verwechselt wird.

Wie peinlich ist das denn?

Das musste CH Media einrücken, nachdem offenbar das Wunschdenken jeglichen Realitätsbezug gekappt hatte und es bei diesem Kopfblattmonster von Qualitätsmedien allen Kontrollstellen nicht auffiel, dass mal kurz die Nein- mit den Ja-Stimmen ausgetauscht wurden.

Man kann nur hoffen, dass sich das bei der Bekanntgabe der Abstimmungsresultate nicht wiederholt.

Eine Offensive nach der anderen scheitert

Auch die vorletzte Offensive verröchelte.  Als klarer Beweis, dass es eine strikte Trennung zwischen Verlag und unabhängiger Redaktion gibt, griffen in den grossen Medienkonzernen noch die Verleger in die Tasten.

Clanvertreter Pietro Supino leitartikelte bei Tamedia. Das inzwischen Ex-Mitglied der Geschäftsleitung Pascal Hollenstein griff für CH Media in die Tasten. Bei Ringier ist CEO Marc Walder unpässlich, nachdem er schon zweimal sich so benahm, als sei er eine Stütze des Referendumskomitees gegen die Milliarde.

Daher ergriff hier Ladina Heimgartner das Wort. Denn neben sieben Zwergen in der Chefredaktion beschäftigt die «Blick»-Gruppe auch noch eine CEO und «Mitglied Group Executive Board» sowie «Head Global Media». Die Dame muss eine Visitenkarte zum Ausklappen bei sich tragen.

Aber auch alle diese Mühewaltung, verbunden mit der Hoffnung, «so macht man das» sagen zu können, nutzte nix. Umso näher der Abstimmungssonntag kommt, desto trüber wird die Stimmung im Verlegerlager, angesichts desaströser Umfrageergebnisse.

Da bleibt nur noch eins. Der «Verband Schweizer Medien» verschickt in immer höherer Kadenz «Sondernewsletter». Der Tonfall kann nur als weinerlich und flehentlich bezeichnet werden; zuerst weinerlich:

«Die Gegner der Medienförderung liegen leicht vorne, aber noch ist alles möglich.»

Dann flehentlich:

«Wir brauchen Ihr JA zum Medienpaket am 13. Februar – für unsere Demokratie, für unsere Regionen, für unseren Föderalismus, für die Zeitung im Briefkasten.»

Falsche Begriffe, falsche Kampagne, alles falsch

Wobei, das ist eigentlich eher unverschämt. Mit der Demokratie hat diese Zusatzmilliarde für Medienclans nichts zu tun. Noch weniger mit Regionen oder Föderalismus. Die Zeitung im Briefkasten hingegen wird schon seit Urzeiten subventioniert.

Neu wäre da nur, dass die Auflagebeschränkung für diese Subventionen wegfiele, also die Grossverlage mit Grossauflagen gross profitieren würden.

Es ist wohl eindeutig so: allen Mietmäulern, allen Bütteln im Dienst der Verlegerclans, allen Lohnschreibern, allen Verbänden, Komitees, Gruppen, PR-Maschinen fällt nichts Überzeugendes ein, was für ein Ja sprechen würde.

Entweder widersprechen sich die Befürworter gleich selbst – Verleger publizieren unwidersprochen und unkontrolliert ihre Behauptungen in ihren Medien –, oder sie sabotieren gleich alle Anstrengungen – wie Marc Walder –, oder sie wirken so wenig überzeugend, dass 75 Prozent der Zuschauer klar nein sagen.

Sie haben halt von Anfang an auf die falschen Begriffe gesetzt. Als ob das Ausschütten einer zusätzlichen Steuermilliarde irgend etwas mit Meinungsfreiheit zu tun hätte. Als ob das Zusammenlegen und Aushungern und Armsparen der Redaktionen irgend etwas mit Regionalität, Kontrollfunktion oder Vierter Gewalt zu tun hätte. Als ob das Verschnarchen des Internets irgend etwas mit nötiger Hilfe bei einer Transition zu tun hätte.

Es gibt ungeheures Sparpotenzial

Angesichts all dieser Pleiten, Pech und Pannen muss man sich fragen, ob die Befürworter des Medienpakets nicht besser all das Geld gespart hätten – und für einmal nicht in Yachten und Villen und Autoflotten investiert, sondern in die Redaktionen.

Nur so als Idee. Wenn schon gegeizt werden muss, wieso immer in den Redaktionen? Die gesamte Teppichetage bei Tamedia, CH Media und Ringier hat doch unter Beweis gestellt, dass hier einige Millionen eingespart werden könnten.

Durchgreifen in der Teppichetage?

Ohne grosses Assessment oder unnötige Ausgaben für eine Beratungsbude. Einfach jeder zweite Manager kann geixt werden. Merkt keiner. Wenn von den Überlebenden nochmals jeder zweite gefeuert würde, ginge es anschliessend den Verlagen entschieden besser. Wetten?