Berset: toujours l’amour?

Wer darf einen Blick auf den Unterleib eines Bundesrats werfen?

Wie sagte Karl Valentin so unsterblich richtig: Wenn’s einer kann, ist’s keine Kunst. Kann’s einer nicht, ist’s auch keine. Wie ist’s damit in den Schweizer Medien bestellt?

Der Gralshüter des moralisch hochstehenden Diskurses donnert im Blatt für die gehobenen Stände: «Keine Geschichte.» Man reibt sich etwas die Augen; das muss wohl ein Doppelgänger von Frank A. Meyer gewesen sein, der im gleichen Boulevard-Blatt SoBli den Lausch- und Fotoangriff auf den Unterleib des damaligen Botschafters in Berlin als gerechtfertigt bezeichnete, weil der ja durch eine angebliche Liebschaft erpressbar sei.

Das endete dann eher peinlich. Der Botschafter war weg, aber die Teutonentruppe bei der «Blick»-Familie auch, dazu gab es einen empfindlichen finanziellen Aderlass, der Verleger höchstpersönlich musste sich auf Seite eins entschuldigen, und Meyer wurde wegen übertriebener Härte kurzfristig auf die Strafbank gesetzt.

Die Bundespolizei zeigte für einmal, was sie kann

Ach ja, das waren noch Zeiten. Nun ist es einem Bundesrat widerfahren, dass er mit Erpressung bedroht wurde. Offenbar ziemlich konkret; die Erpresserin hatte schon extra zwei Konten für die Überweisung von 100’000 Franken eröffnet. Wenn nicht, würde sie mit verfänglichen Fotos und pikantem Geschreibsel des Bundesrat an die Öffentlichkeit gehen.

Das geschah schon im Dezember 2019, und nachdem der Bundesrat sie vergeblich via Anwalt von diesem Plan abbringen wollte, schaltete er die Bundespolizei ein. Die zeigte für einmal, was sie kann, wenn sie will. Die Übeltäterin wurde verhaftet, einem strengen Verhör unterzogen und willigte freiwillig ein, dass die möglicherweise belastenden süssen Erinnerungen von all ihren Datenträgern entfernt werden.

Da sie schon kurz zuvor einen Rückzieher von ihrer Absicht gemacht hatte, durch Erpressung 100’000 Franken einzunehmen, wurde die ganze Angelegenheit mit einem Strafbefehl erledigt. Und wäre überhaupt erledigt gewesen, wenn solche Strafbefehle nicht eine kurze Zeit öffentlich einsehbar sein müssten.

Wer ist wie und wann erpressbar?

Und schon wieder ging die Debatte los, ob der Bundesrat zwar in diesem Fall der Erpressung nicht nachgegeben habe, aber möglicherweise eben doch erpressbar sei. Das wurde natürlich von ihm selbst und von Meyer zurückgewiesen, und dann kann es ja auch nicht so sein.

Seine einzige Waffe?

In wohl jedem anderen Land der Welt wären ab Bekanntgabe der Affäre die Journalisten ausgeschwärmt, um die Hintergründe zu recherchieren, die Erpresserin ausfindig zu machen, mindestens ein Porträt über sie zu schreiben, wenn ihr schon nicht ein Quote zu entlocken wäre.

In der Schweiz wird bei solchen Sachen geeiert. Als der katholisch-christliche Parteipräsident einer die Ehe und christliche Werte hochhaltenden Partei sich bei einem Seitensprung fortpflanzte, machte er mit dem «Blick» ein Päckli; Exklusiv-Story mit reuigem Sünder, dafür keine blöden Nachfragen. So schaffte er es sogar, in die Walliser Regierung gewählt zu werden, der Heuchler. Dagegen hatte Meyer keine Einwände.

Berset hat Glück im Unglück

Nun hatte Bundesrat Alain Berset Glück im Unglück. Nicht etwa das eigentlich zuständige Boulevard-Blatt hatte die Story, die Sonntagszeitungen hatten sie zwar, rechneten aber nicht damit, dass sie die WeWo am Samstag im Internet mit dem Primeur abtrocknen würde. Statt selber eine saftige Aufmacherstory zu liefern, konnten sie nur missmutig nacherzählen.

Anschliessend wurde natürlich nicht nur von Meyer debattiert, ob das nicht wirklich eine Privatangelegenheit des Bundesrats sei, zudem erledigt, also könnten doch nur rechte Hetzer daraus einen Skandal hochzwirbeln wollen. Ausserdem wisse man ja gar nicht, worum es hier genau gegangen sei, worin das Material bestünde, mit dem erpresst werden sollte.

Nun ja. Wenn man sich die Hintergründe etwas genauer anschaut, kommt man doch auf ein paar merkwürdige Zufälle. Bei der gescheiterten Erpresserin handle es sich um eine Künstlerin, die im weiten Feld der Performance unterwegs ist. Obwohl sie ein überschaubares Oeuvre vorgelegt hat, bekam sie bereits den Schweizer Kunstpreis, immerhin mit 25’000 Franken dotiert. Ihre Ausstellungen, Aufenthalte, ihr Wohnsitz zeugen zumindest von einer gewissen Weltläufigkeit und Vernetzung.

Eigentlich könnte jeder den Namen der Künstlerin herausfinden

Inzwischen sind auf «Inside Paradeplatz» und anderswo dermassen viele Details über diese Künstlerin veröffentlicht worden, dass es keiner grossen Anstrengungen bedarf, ihren Namen herauszufinden und ihr ein Mail zu schicken, ob sie nicht mal ihre Sicht der Dinge darlegen wolle.

Sie will leider nicht, und Bersets Anwalt droht jedem mit Pech und Schwefel, der es wagen sollte, ihren Namen zu publizieren. Sie selbst ist zudem in einer Schweizer Kulturstätte im Ausland versorgt, bis Mitte nächsten Jahres. Ist auch ziemlich praktisch; bis dahin dürfte endgültig Gras über die Sache gewachsen sein.

Darf nun ein Bundesrat kein Privatleben haben, und wenn doch, ist das dann nicht seine Privatsache und geht niemanden etwas an? Ausser den Direktbeteiligten, darunter auch seine Frau und Kinder?

Bei politischen Exponenten ist die Privatsphäre anders gestaltet

Das mag so sein. Aber wenn der kleine Angestellte Müller, verheiratet, mit der Serviertochter des «Ochsen» ein Verhältnis hat, ist das keine Geschichte, selbst wenn sie ihn nach einem Streit über einen Schwangerschaftstest erpressen will. Nun ist das bei einem Bundesrat etwas anderes. So wie bei einem Botschafter oder Parteichef. Zumindest sollten alle Fakten auf den Tisch kommen.

Interessant ist dabei auch, dass sogar von Politikerinnen bestritten wird, dass es sich bei dieser Frau um ein Opfer handeln könnte. Trotz #metoo und der klassischen Ausgangslage, mächtiger Mann, ohnmächtige Geliebte – keinen scheint ihre Geschichte, ihre Sicht der Dinge zu interessieren. Eine Schweizer Besonderheit oder eine Schweizer Absonderlichkeit?

 

Dachschaden?

Ein paar männlich-überflüssige Bemerkungen zu DACHelles.

Eigentlich ist Beni Frenkel unser Sonderkorrespondent für alle Fragen (und Antworten), die mit Leben und Karriere von Patrizia Laeri zu tun haben. Leider sieht es ganz danach aus, als ob sie dem Weg des ehemaligen «Mr. Corona» Daniel* Koch folgen wollte. Obwohl sie entschieden attraktiver ist.

Oder wie sagte schon Napoleon so richtig: Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist es nur ein Schritt. Apropos Schritt; ich bitte um freie Meinungsäusserungen, was nicht nur Fundamentalfeministinnen sagen würden, wenn ein Mann, also ein Schwein, mit diesem Intro eine Wirtschaftssendung angeteasert hätte:

So tackert Laeri in die Sendung.

Genau, pfuibäh würden alle sagen, denen es mit #metoo ernst ist, denen die Reduzierung einer Frau auf High Heels und schöne Beine ein Greuel ist. Nun sieht es aber ganz so aus, als ob Patrizia Laeri darauf steht – und auch ihre beiden Mitmoderatorinnen dazu gebracht hat, High Heels, nur rot oder schwarz ist erlaubt, einen kurzen Rock und einen Business-Hosenanzug anzuziehen.

Aber in Signalrot, bitte. So signalrot wie die Lippen. Nur die Teilnehmerin, die schon rote High Heels trägt, darf dafür einen dezenteren Lippenstift auflegen.

Schluss mit diesen Oberflächlichkeiten 

Aber genug der Äusserlichkeiten, genug des typisch männlichen Blickwinkels. Wobei, ein lustiges Detail sei noch vermerkt.

So sieht der Moderationstisch im Intro-Teaser aus:

CNN Money Switzerland lebt doch weiter?

Und so dann in der ersten Sendung:

Gleicher Tisch, gleiche Frauen, anderer Look.

Da fehlt doch was, da wurde doch was übermalt? Aber was nur? Egal, auch das sind ja Äusserlichkeiten. Vielleicht wollte Laeri zuerst auf ihre tragische Karriere bei CNN Money Schweiz hinweisen, das dann aber doch lieber lassen.

Was Laeri lieber alles gelassen hätte

Gelassen hätte sie vielleicht besser auch, den Namen «DACHelles» aus der Konkursmasse herauszulösen. Das hat nun nichts mit Geschlechterfragen zu tun, denn ein Name ist entweder bescheuert oder nicht. Und der ist bescheuert.

Aber der Inhalt, wie ist es denn nun mit Wirtschaft aus weiblicher Sicht, mit drei Blickwinkeln, für Begriffstutzige erkennbar an den drei Landesflaggen an den drei Tassen vor den drei Damen?

Ich weiss, dafür könnte ich als besonders abschreckendes Beispiel an den Pranger gestellt werden. Aber ich wag’s trotzdem, weil es der Wahrheit entspricht. Ich hatte mir fest vorgenommen, die erste Sendung bis zum Ende durchzustehen. Nein, nicht weil der Tisch durchsichtig ist. Einfach aus Prinzip.

Der Wille war da, aber das Hirn ist schwach

Aber als Laeri nach der Begrüssung ausführte, wie wichtig doch Konsum für die Wirtschaft sei, was männlichen Wirtschaftsexperten bislang entgangen ist, schlief mir bereits der linke Fuss und auch das linke Auge ein. Als sie dann forsch zu ihrer deutschen Kollegin überleitete, und zwar mit der brennend interessanten Frage: Und wie steht’s denn so um die Konsumentenstimmung in Deutschland, da verabschiedete sich auch noch mein rechter Fuss, und das Hirn stellte protestierend den Stoffwechsel ein.

Nur noch aus weiter Ferne hörte ich die Antwort, dass es nicht gut darum bestellt sei, was Laeri dann sogleich unter Ausnützung aller technischen Schikanen eines modernen Studios mit einer entsprechenden Kurve illustrierte.

Theaterkritiker Kerr hat’s bereits auf den Punkt gebracht

Erst lange später erwachte ich aus dem komatösen Zustand, und da war die Sendung leider schon vorbei. Ich weiss nicht warum, aber sie erinnert mich an eine Kurzkritik von Alfred Kerr: «Das Theaterstück dauerte dreieinhalb Stunden. Als wir herauskamen, regnete es. Auch das noch.»

Das kommt mir deswegen in den Sinn, weil mir schon die ersten drei Minuten gefühlt wie dreieinhalb Stunden vorkamen. Und geregnet hat es auch noch.

 

*In der vorherigen Version war der Vorname von Mr. Corona falsch; dank eines aufmerksamen Lesers korrigiert.

Oh je, nun auch «Edito»

Was allen anderen billig ist, kann doch bei «Edito» nicht falsch sein. Es wird gebettelt.

Unerreicht in der Champions-League spielt in der Schweiz die «Republik». Grosse Worte, grosse Summen, jährlich wiederholt, inklusive Selbstmorddrohung. Eindeutig Platz eins.

Dahinter kommen dann einige (noch) lebende hoffnungsfrohe Plattformen. Bajour bettelt um mehr Members bis Ende Jahr. Gönner natürlich auch immer willkommen.

Ausgerechnet unter die grottenschlechten Artikel stellt die «Medienwoche» ihren Aufruf, als Gönner «100 Prozent in unabhängigen, hintergründigen Journalismus» zu investieren. Wohl eher in abgründigen, der die Tiefen der guten Gesinnung auf Kosten schlechter Recherche auslotet.

Auch «Edito» macht die hohle Hand

Und jetzt auch noch «Edito».  Zu den grösseren Nachteilen meiner Mitgliedschaft bei impressum gehört, dass mir «Das Schweizer Medienmagazin» zugestellt wird. Den schmalbrüstigen, dünnen Gesinnungsjournalismus drin haben wir schon rezensiert.

Aber diesmal kommt das Blättchen mit einer Gesamtauflage von rund 10’000 Exemplaren mit Beilage. Während man sich nostalgisch daran erinnert, dass das nun die Ruine ist, die aus Gazette, journalisten.ch und dem unerreichten «Klartext» übrig blieb.

Wie alle Bettler haben sie gute und schlechte Nachrichten

Unterzeichnet ist der neuste Bettelbrief vom Verleger, der Chefredaktorin und dem Redaktionsleiter Romandie. Sie haben, wie eigentlich alle Bettler, eine schlechte und eine gute Nachricht. Die schlechte: «Die Edito-Erträge» sanken «teilweise über 50 Prozent». Interessante Formulierung. Aber was ist die gute Nachricht? Dank der Abonnententreue und «der Bereitschaft aller Mitarbeitenden, auch in 50 Prozent Kurzarbeit ein Bestes zu geben, konnte sich unser Schiff über Wasser halten».

Bötchen, Schlauchboot würde es wohl besser treffen. Wir wollen auch nicht grübeln, ob die staatlich bezahlte Kurzarbeit zum Besten für alle in Vollzeitarbeit umgemünzt wurde. Aber item, man wolle alles daransetzen, um den Erhalt «des einzigen gesamtschweizerischen Medienmagazins» zu gewährleisten.

Auch wir sind für kritischen Medienjournalismus

Mit Verlaub, nur weil auf den Kopf gestellt im gleichen Heft ein Teil auf Deutsch und ein fast identischer Teil auf Französisch erscheint, während es im Tessin keinen Journalismus zu geben scheint, ist «einziges gesamtschweizerisches Medienmagazin» doch ziemlich hoch gestapelt.

Aber wie auch immer, was mal wieder gesagt sein muss: «Kritischer Medienjournalismus ist gerade jetzt nötiger denn je.» Dieser Auffassung sind wir bei ZACKBUM.ch allerdings auch. Nur betteln wir nicht um Spenden. Obwohl wir inzwischen Single Vistors in einer Zahl haben, die die Auflage von «Edito» weit übertrifft.

Da das ja scheint’s alle anderen auch so machen, «arbeitet ein Projektteam an der Zukunft von Edito». Und auf welche originelle Idee ist dieses Team gekommen? Ausbau der digitalen Angebote. Wahnsinn. Dafür haben wir weder ein Projektteam noch mehr als eine Minute gebraucht. Internet first, vielleicht, in weiter Zukunft, auch mal Print. Wenn man uns gefragt hätte, hätte sich das Projektteam nicht an sicherlich zahlreichen Sitzungen den Kopf zerbrechen müssen. Andererseits: dann hätte es ja kein Sitzungsgeld, kein Gemeinschaftsgefühl und keine gemeinsame Absackerchen gegeben.

Wieso nicht mit uns reden?

Aber wir wissen schon, wieso man mit uns nicht reden will. Weil wir immer so böse mit allen sind? Aber nein. Weil wir der festen Überzeugung sind: wo es keine Nachfrage gibt, nützt auch Bettelei, Aufrufe, Solidarität, Appelle schlichtweg nix. Das Einzige, was passiert, ist immer die Verlängerung der Agonie. Sterbebegleitung. Geld sinnlos verrösten.

Wir haben uns fest vorgenommen, Ende Jahr Zwischenbilanz zu ziehen. Rund 5 Monate, das scheint uns ausreichend. Wofür? Na, für die einzige Währung, die im Internet wirklich zählt. Wie viele Leser haben wir, und nimmt deren Anzahl zu oder ab?

Nimmt sie deutlich ab, würden wir ohne zu zögern am 31. Dezember den Stecker ziehen. Ohne Gewinsel, ohne Bettelei, ohne vorherige Drohung mit Selbstmord. Ohne Hinweis darauf, dass Medienkritik so nötig wie noch nie sei.

So macht man das, finden wir.

 

Der Quengelton von der «Republik» zum Advent

So sicher wie Weihnachten: Ein langes Goodbye nach hinten und vorne.

Es fängt wie immer harmlos an: «Ladies, Gentlemen and everyone beyond». Und hört gefühlt eine ganze Weihnachtszeit lang nicht auf. Dabei sind es nur 8300 Buchstaben, eigentlich nix.

Erst noch pädagogisch geschickt aufgebaut. Zuerst ein Rückblick: Vor genau einem Jahr sei «der wichtigste Newsletter seit dem Start der «Republik»» rausgepustet worden. Leider habe der gar nicht zur besinnlichen Adventszeit gepasst.

Das stimmt, man erinnert sich mit Schrecken. Zum zweiten Mal zeigte die Riesencrew des Online-Magazins, dass sie zwar lang schreiben, aber nur eher kurz in die finanzielle Zukunft blicken kann. Da der sozusagen normale Quengelton schon für die letzte, überraschende Bettelrunde verbraucht worden war, ging’s nun richtig zur Sache: 19’000 Verleger, vulgo Zahler bis März 2020 müssen her.

Sonst, so sorry, müssen wir uns entleiben

Sonst, sorry, Ladys and Gentlemen, müssen wir uns entleiben; werden alle per Ende März gekündigt, die Räumlichkeiten besenrein zurückgegeben. Dumme Fragen, wieso denn bereits 19’000 reichen sollten, bei dem Riesenbudget, wieso denn die furchtlose und mutige Crew keine Sekunde daran denkt, vielleicht ihre üppigen Löhne etwas runterzufahren, wurden wortreich oder wortlos beantwortet.

Dumme Fragen nach dem undurchschaubaren Dschungel der Buchhaltungs- und Steuerersparniskünste der Holding mit AG und Genossenschaft, wurden mit strafendem Schweigen ignoriert.

Aber tempi passati, wie der Lateiner sagt; es geschah das weihnachtliche Wunder im und um das Rothaus. Die Zahl wurde erreicht; eine weitere Grossspende erledigte den Rest, Demokratie und Welt konnten aufatmen: Die «Republik» lebt weiter.

Ein historischer Moment in der Geschichte der «Republik»

Aber nicht nur das, triumphiert der aktuelle NL, die Anzahl der Abonnenten stieg und stieg und stieg. Auf 25’000; tatä, selbsttragend. Gar auf 27’000, «eine neue Etappe in der Geschichte der «Republik»», trötet der NL. Es gehe nicht mehr ums Überleben, sondern um Langfristigkeit.

Also Schampus für alle, dazu Weihnachts-Grati, 13. und 14. Monatslohn, plus allgemeine Lohnerhöhung? Jein. Denn nach all den guten Nachrichten kommt dann doch wieder die kalte Dusche. Immerhin, es wird (diesmal) nicht mit Selbstmord gedroht. Sondern der finstere Entschluss verkündet, 2021 nicht mehr unter 25’000 Verleger zu fallen.

Selbsttragend, you know. Und wie stehen dafür die Aussichten? Wunderprächtig, oder? Leider nein, «bei etwa: fünfzig-fünfzig. Es könnte hauchdünn werden – jede Verlängerung zählt.» Denn die «Republik» hat immerhin zur Kenntnis genommen, dass Abos mindestens einmal im Jahr verlängert werden müssen. Und dass das nicht alle Verleger tun.

Sondern nur «im Schnitt 75 Prozent». Das bedeutet, wir lassen die dazwischenliegende Quantenphysikrechnung aus, dass Ende März der «Puffer» nur mehr aus 300 Mitgliedschaften bestünde. Und schwups, schon wäre die «Republik» nicht mehr selbsttragend. Ausser, die Riesencrew würde bei den Löhnen oder bei den Stellen, aber das kommt ja nicht in Frage.

Transparenz, wie wir sie an der «Republik» lieben

«Unser Schicksal liegt weiter in Ihrer Hand», barmt die «Republik». Wobei allerdings nicht klar ist, wer «Ihr» genau sein soll. Denn die gute Nachricht ist schliesslich: Es ist völlig wurst, ob es diesen Puffer gibt oder nicht, 25’000 Abonnenten oder 27’000: selbstfinanziert ist die «Republik» niemals. Oder nur, wenn die armen Reichen, die schon Millionen hineingebuttert haben, ihre Darlehen auf null abschreiben. Was sowieso ein Zeichen von Intelligenz wäre.

Vor allem, wenn man sich – nur so als Beispiel – diese illustrative Grafik aus dem «Cockpit» anschaut, die eigentlich die Anzahl der anstehenden Verlängerungen in den nächsten drei Monaten transparent machen soll:

Alles klar, lieber Leser? Oder brauchen wir’s noch transparenter?

Ich gestehe; mit nur wenig Hilfe schaffe ich es, einen Geschäftsbericht der UBS oder der CS durchzuackern und zu verstehen. Aber hier scheitere ich. Aber das liegt wahrscheinlich daran, dass ich nicht auf dem intellektuellen Niveau eines «Republik»-Verlegers fliege.

Und wie steht es eigentlich ums Kerngeschäft?

Ach, und so nebenbei, gibt es auch publizistische Grosstaten zu berichten, aus diesem Jahr? Eigentlich nicht; der Versuch, vor einem Jahr Stimmung mit einer haltlosen Verleumdung des grössten Kita-Anbieters der Schweiz zu machen, ging wie üblich bei Skandalstorys der «Republik» in die Hose. Der Kita-Betreiber liess zudem alle Vorwürfe extern untersuchen: nichts, nada, nullo dran. An den anonymen Denunziationen ehemaliger Mitarbeiter. Das war der «Republik» dann aber keine Zeile wert.

Sie wolle auch in der Pandemie «möglichst nützlichen Journalismus liefern» behauptet sie. Nun ja, möglichst mageren würde es wohl besser treffen. Viel Meinung, viel Gesinnung, viel Gejodel in der Echokammer, viel Bestätigung eigener Vorurteile und derer des kleinen Zielpublikums.

Völlig den eigenen Verlegern ausgeliefert

Das kommt halt davon, wenn man tapfer auf jegliche Werbung als Einnahmequelle verzichtet. Dann ist man tatsächlich völlig seinen zahlenden Lesern ausgeliefert. Und wehe, man macht die mit störenden Widerworten muff. Dann entziehen sie sofort Liebe und Geld. Und wer braucht beides nicht; gerade in diesen Zeiten.

Dann freuen wir uns schon auf den NL im Frühling. Beide Varianten sind sicher bereits getextet.

Zackbum presents Patrizia Laeri

Liebe ZACKBUM-Leserinnen und Leser

Mein Name ist Patrizia Laeri. Sie haben sicher aus den Medien erfahren, dass ich bald auf Youtube gehe. Ich habe aus der Konkursmasse von CNN das Label «DaChelles*?+!!» retten können und will bald auf Sendung gehen. In den letzten Wochen habe ich mehr über Mikroökolonie gelernt als während meines ganzen Studiums an der Universität Zürich. Zuerst galt es, die beiden Schuldprioritäten Economy sustable und Hedge maintable zu fächern. Dann musste ich bei CNN World die Claims und Nuts sheeds abklimatisieren. Das hört sich furchtbar kompliziert an. Vor allem junge Frauen rennen vor solchen «Dingen» davon. Mit der bereits implantierten Netzwerk-Strategie «Equality woman» versuche ich, die verängstigten Hühner aber wieder einzusammeln.

Sicher fragen Sie sich, welcher Topshot als erster in unsere Sendung «DaChelles*?+!!» kommt. Na, gut, ich verrate es: der äusserst attraktive Björn Rosengren, CEO von ABB! Rosengren ist mein totaler Wunschpartner. Er ist sexy, gebildet und hat etwas zu erzählen. Zum Beispiel über Turbinen, Generatoren und High fidelty.

Ich habe aktuell 128‘987 Follower auf Facebook und 654‘000 auf Instagram. Zusammen mit meinen beiden anderen Moderatorinnen (blond und brünett) kommen wir auf insgesamt 23‘987‘000 Followers. Die meisten kommen aus Indien und heissen Singh zum Vor- oder Nachnamen.

Der Vorteil bei Youtube ist, dass Sie «DaChelles*?+!!» jederzeit konsumieren können. Zum Beispiel um 12:15 Uhr. Aber auch 16:30 oder sogar 19:30 Uhr. Wie finanzieren wir uns? Gute Key-Question. Einerseits durch die nervige Werbung, andererseits durch Produkte, die ich noch gerne einführen möchte. Meine brünette und blonde Mitmoderatorinnen LIEBEN (!) Martin Frat-Installer aus London oder Björn Fraser, ein aufstrebender Modedesigner aus Stockholm, beziehungsweise Finnland.

Wir senden übrigens aus dem Zürcher Steinfelsareal. Wegen Corona können maximal 50 Zuschauer zugucken. Auch auf Youtube. Wir streben aber einen höheren Frauen- als Männeranteil an. Also mindestens 26 Weiber und 24 Männer. Es würde mich persönlich rühren, wenn ich Sie bald so begrüssen darf:

«This is «DaChelles*?+!!», herzlich willkommen – und Grüezi!»

Ein Ratgeber über Ratgeber

Hoher Nutzwert, Leser-Blatt-Bindung, Kompetenz zeigen. Mach einen Ratgeber draus.

Jedes Mal, wenn eines der obigen Stichworte in einer Videokonferenz der zu Hause arbeitenden Medienschaffenden fällt, weiss einer der Teilnehmer, dass es ihn nun treffen wird. Meistens den, der für sonst nicht viel zu gebrauchen ist. Aber das weiss er natürlich nicht.

Ratgeber gibt es in jeder Preislage, jedem Niveau und über jedes Thema. Sex, Geld, Gesundheit, Konsum. So lautet die Hitparade der beliebtesten Themen. Für Sex ist natürlich der «Blick» zuständig. Seit der unvergessenen Marta Emmenegger, die als «Liebe Marta» rau, aber herzlich zur Institution gereift, über Jahrzehnte Aufklärungsarbeit leistete.

Ihre Nachfolgerin Caroline Fux beweist, dass trotz Internet und der möglichen Befriedigung aller Neugier letztlich die Fragen von Jugendlichen und Erwachsenen nicht wahnsinnig anders sind als zu Martas Zeiten. Untreue, Grössenvergleiche, Ängste, unerfüllte Wünsche, es bleibt sich alles gleich.

Das Thema Geld ist von vielen beackert

Zum Thema Geld fühlen sich viele berufen. Vom Geldonkel, der angeblich todsichere Tipps gibt, wobei sich der Leser niemals fragt, wieso er die nicht für sich behält, damit ein Vermögen macht und statt Geldonkel zu spielen, auf der eigenen Yacht in den karibischen Sonnenuntergang schippert.

Aber auch die NZZ kann sich gelegentlich nicht zurückhalten. Aktuelles Beispiel: «Investmentfehler: Diese vier Irrtümer kosten Privatanleger Milliarden». Aber hallo, da wollen wir doch mal schauen, wie diese Milliarden eingespart werden können. Aber leider müssen wir feststellen, dass auch hier weder der Autor, noch die NZZ zu Milliardären geworden sind, bei so viel Einsparpotenzial.

Denn hier wird nur eine dünne Wassersuppe gekocht. Aus Plattitüden und Aufgewärmten. Das fängt schon bei der Einleitung an. «Für langfristige «Buy and hold-Investoren» sind Investmentfehler besonders verheerend.» Ach was, und warum? Na, Dummerchen, deren Wirkungen kumulieren sich über die Jahre. Muss man erst mal herausfinden.

Auch die Irrtümer sind kalter Kaffee, frisch serviert

Vielleicht winkt für diese Erkenntnis noch nicht der Wirtschaftsnobelpreis, aber schauen wir uns doch die Irrtümer mal genauer an. Aktive Fonds brächten mehr Rendite als passive. Tja, wer noch nicht selbst darauf gekommen ist, dass aktive Fonds zuerst noch die Managementkosten einspielen müssen, zudem oft von Pfeifen bewirtschaftet werden, die sogar unterhalb von passiven Fonds performen, der ist nun wirklich selber schuld.

Die übrigen Irrtümer: Aktive Fonds würden vor Kurseinbrüchen schützen, vergangene Performance sei Garant für die zukünftige, die Börsenkurse würden die Zukunft bewerten. Da schnarcht ja selbst der hoffnungsfrohe Anfänger an der HSG weg. Wobei der letzte Irrtum im Grunde keiner ist. Natürlich tun sie das, zum Teil, abgesehen von all den Blödis, die auch hier für zukünftige Kursentwicklungen die Vergangenheit untersuchen.

Eine leuchtende Ausnahme

Aber es gibt eine leuchtende Ausnahme. Ein immer noch auflagenstarkes Blatt, dass seit vielen Jahren zur Anlaufstelle für Rat und Tat in fast allen Lebenslagen geworden ist. Natürlich, die Rede ist vom «Beobachter». Für Abonnenten kostenlos, ansonsten zum Selbstkostenpreis wird hier geholfen. Von Rechtsstreitigkeiten über das richtige Abfassen eines Testaments. Von Eheproblemen, Problemen mit renitenten Sprösslingen bis hin zu medizinischen Fragen.

1926 gegründet, mit einer Auflage von über einer Viertelmillion und einer Reichweite von über 800’000 Lesern eine Institution, die im Grossen und im Kleinen mit einem Beraterteam hilft.

Das Schumacher-Imperium

Ein eigenes Imperium hat sich der Rechtsanwalt René Schumacher aufgebaut. Mit seinem K-Tipp erreicht er sogar über 900’000 Leser, die Konsumenteninfo AG ist stark genug, im Alleingang die Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative zu stemmen. Er ist sozusagen der King der Konsumentenratgeber, bestreicht aber auch mit dem Gesundheitstipp oder mit einem Wohnratgeber andere Bereiche.

Insgesamt erreicht Schumacher über 2 Millionen zahlende Leser, ohne dass er oder sein Verlag gross in den Schlagzeilen wären. Dagegen stinken natürlich alle anderen Ratgeber, ob gross oder klein, gewaltig ab.

So wie man sich bei den Geldratgebern fragt, wie unabhängig die denn sind und ob sie den Geheimtipp Aktie X wirklich ganz uneigennützig geben und nicht über Strohmänner Frontrunning machen, so fragt man sich, woher diese Konsum-Tester das Geld für all die getesteten Produkte haben – oder verdienen.

Woher nehmen die Konsum-Ratgeber das Geld für die Tests?

Natürlich ist der Ruf restlos ruiniert, sollte sich herausstellen, dass Produkt Y deshalb auf dem ersten Platz gelandet ist, weil der Hersteller per Inserat oder verdeckt dafür gelöhnt hat. Kommt vor, wobei seriösere Konsumtester ihr Geld damit verdienen, dass anschliessend die «Testsieger» das Ergebnis samt Logo des Testers nicht gratis verwenden dürfen. Sondern nette Summen abdrücken müssen.

Also gilt wohl der Ratschlag für (fast) alle Ratgeber: Wer sie braucht, wer ihnen vertraut, der sollte sich dringend beraten lassen. Wegen Leichtgläubigkeit.

 

 

Überlebt Bajour 2021?

Ja, aber nicht 2023.

30 Personen befinden sich auf der Gehaltsliste von bajour.ch. Die Redaktion des Online-Magazins zählt sieben Nasen, die anderen sind Freie, Fotografen und Verzweifelte.

Das Medium widmet sich seit der Gründung vor einem  Jahr Themen wie «Nur Frauen haben eine Klitoris. Oder?», «Der Penis ist tot. Es lebt die Vulva», «Der grosse Schaugasmus».

Der Verein Medienzukunft Basel finanziert Bajour drei Jahre lang mit insgesamt drei Millionen Franken. Ab dem vierten Jahr sollte es selbsttragend sein.

Davon ist die Truppe noch weit entfernt. Gemäss «Businessplan» sollten bis Ende Jahr 2100 Member dabei sein.

393 Gönner

Eigentlich ein bescheidenes Ziel. Doch selbst hier wird es knapp. Ende Monat verzeichnete der Member-Barometer 1852 zahlende Personen. Davon sind 393 Gönner (160 Franken im Jahr) und 1459 Member (40 Franken im Jahr).

Die Einnahmen betragen also nach 11 Monaten bloss 120‘000 Franken. Und ob die Member und Gönner ihre Abos für so ein Produkt erneuern wollen, ist fraglich.

Zum Glück befinden sich in den Businessplänen 2020, 2021 und 2022 die Gratismillion vom Verein. 2023 wird dann schwieriger. Wir empfehlen schon jetzt zu einer Namensänderung (Byebye, blabla oder Hoch lebe die Vulva). Irgendeine Stiftung wird sicher Geld pumpen.

Der Nebelspalter – eine Blattkritik

Das Cover der Novemberausgabe  ist ein Ablöscher. Doch der «Nebi» punktet dann doch noch. So muss Markus Somm wohl nicht alles neu aufgleisen.

Der Nebelspalter gehört neu Markus Somm. Somm zeichnet sich, zumindest im wöchentlichen Gespräch mit Roger Schawinski, nicht unbedingt durch Humor, eher durch Verbissenheit aus. Bekommt er dank dem Nebelspalter nun mehr Gelassenheit und positiven Wortwitz?

Der 55-jährige war von 2010 bis 2018 Chefredaktor und von 2014 bis 2018 auch Verleger der Basler Zeitung. Nach dem Verkauf der BaZ von Christoph Blocher an Tamedia musste er den Chefposten abgeben. Seither schrieb er in der Sonntags-Zeitung eher belanglose Kolumnen mit oft weithergeholtem historischem Bezug. Markus Somm ist Sohn von Edwin Somm (87), der CEO von ABB Schweiz war. Ob der Nebelspalter Hauslektüre war bei Somms? Kennt Somm die aktuellen Ausgaben, oder verklärt er eher die Vergangenheit? ZACKBUM.ch hat die Novemberausgabe angeschaut.

Edles Papier, grottenschlechtes Cover

Der erste Eindruck: 68 Seiten, festes Papier, der Einband sogar noch dicker. Wenn schon ein recht teures Heft (Einzelpreis 11 Franken 80), dann wenigstens edel aufgemacht.

Aber: Das Cover ist leider einfach nur schlecht. Der «lustige» Cartoon ist viel zu fein gezeichnet für ein Titelbild. Erst auf den zweiten Blick checkt man, worum es geht. Maskenpflicht im Himmel. Petrus gibt an der Pforte eine Maske ab. Geht so.

Machen die Textanrisse mehr Lust?

Das Wortspiel «Tor des Monats: Thomas Klür» ist so etwas von altbacken.

Kosmetik: Die Fassade bröckelt unaufhaltsam. Auch eher ein Altherrenwitz.

US-Präsidentschaft: Die erste Wahl, die nur Verlierer kennt. Könnte auch in der NZZ stehen.

Konzernverantwortung: Jetzt hat das Volk die Qual der Moral.  Ja gut, der geht einigermassen.

Fazit: Viel Moralin, fast kein Wortwitz. Gähn! Der Nebelspalter nennt sich selber «eine Schweizer Satirezeitschrift». Aber wo bleibt da der satirische Ansatz?

Im Fernsehen würde man wohl wegzappen. Aber weil der Nebelspalter doch schon 145 Jahre lang rauskommt, ist der Respekt zu gross.

Irre lange Vorlaufzeit der Inhalte?

Das Editorial von Marco Ratschiller lässt tief blicken. «Noch bevor sich die Corona- Pandemie auf der Welt ausgebreitet hatte, war für diese Ausgabe das Schwerpunktthema Exit vorgesehen». Ein Jahr Vorlaufzeit? Das wird Markus Somm wohl noch genauer anschauen. Und ja, das Thema Exit wäre so dankbar für einen rabenschwarzen Comic auf der Titelseite. Wo blieb der Mut von Chefredaktor Ratschiller? Ok, ok. Weiter unten im Editorial erklärt er, das Titelbild sei die BAG-konforme Parodie auf ein berühmtes Gemälde von Hieronymus Bosch. Ach so.

Auf Seite vier begegnet uns ein alter Bekannter. Miroslav Bartàk. Der Cartoonist mit Jahrgang 1938 ist seit ewig dabei beim Nebelspalter. Man kennt ihn auch von der Weltwoche. Nun wird die Bande dank dem SVP-Gespann Somm und Köppel noch enger. Für Simon Ronner und Co: Ja, Herr Somm ist offiziell FDP-Mitglied.

Beim Inhaltsverzeichnis ist speziell, dass der Code fürs E-Paper und fürs PDF-Archiv früherer Ausgaben abgedruckt ist. Achtung Spoiler!!! Ob es wohl viele Sparfüchse gibt, die einfach schnell in den Bahnhofkiosk pilgern und sich das Login «Masken» und das Passwort «Pflicht» merken?

Auf Seite 6 fällt die Rubrik «Wortschatz» auf mit dem Logo «Nebipedia». Max Wey doziert über den Begriff «Luftbuchung», wie das wohl nur ehemalige Korrektoren können. Witzig ist anders. Es wird wieder einmal klar: Das Wort korrekt kommt vom Wort Korrektor. Max Wey schreibt übrigens hin und wieder – für die Weltwoche.

Nun kommt also der «Tor des Monats». Swiss-Chef Thomas Klür. Das gezeichnete Portrait von Michael Streun ist gelungen. Die Würdigung von Marco Ratschiller weniger. Sie ist zum Teil anklagend, zum Teil ironisch gemeint. Für diesen Aufsatz bekommt der Chefredaktor eine Viereinhalb. Thema nicht ganz getroffen.

Erinnerungen an René Gilsi

Dafür ist «Die Geschichte zum Bild» von Daniel Kaufmann mit ziemlich beissendem Humor geschrieben. Ein Seitenhieb auf eine SRF-Rundschau-Reportage. Sehr gut.

Ganz in der Tradition der kritischbösen «Nebi»-Cartoons dann jener von Marina Lutz. Erinnerungen an René Gilsi (1905 bis 2002) werden wach. Gilsi war eine schweizweit geachtete Persönlichkeit, der mit seinen politischen Karikaturen Generationen von Nebi-Lesern prägte.

Gelungen ist trotz einer gewissen zeitlichen* Distanz  die Doppelseite über Joe Biden und Donald Trump mit einer Vorschau aufs 2021 im Sinne von «was wäre wenn». Gut gemacht, Ruedi Stricker.

*) die Dezembernummer kommt heute Freitag raus, die Novembernummer ist also bei dieser Blattkritik 0,9999 Monate alt.

Auch die ganzseitige Karikatur von André Breinbauer «Belarus: Leiden unter Lukovid» ist sehr ansprechend. René Gilsi hätte seine liebe Freude.

Erste Sahne die Bildergeschichte von Oliver Schopf. Knusper-CRISPR-Krone. Eine witzige Verballhornung der Wissenschaft. Macht wegen dem Zeichungsstil den Nebelspalter-Leser grad gefühlte zehn Jahre jünger.

Die Rubrik «Fertig lustig» von Hans Durrer ist dann eher wieder ein Mottenkisten-Text. Man googelt Tod, Zitate, berühmte Leute, Satire. Fertig.

Exit-Travel – so sollte Satire sein

Besser geraten der Text Exit-Travel von Hans Abplanalp. Er schöpft beim Thema Abschlussreise aus dem Vollen. Zur Auswahl stehen ein Militär-Trip zu den Talibans ohne gepanzerte Weste und Waffe, eine aktive Teilnahme an einer Steinigung oder ein Basketballmatch gegen Kim-Jong-un. Gewinnst Du das Spiel, musst Du nur zwei Jahre ins Arbeitslager.

Das Interview mit Bundespräsidentin Sommaruga ist ebenfalls noch ganz lustig. Zumindest um Längen besser als die ärgerlichen Fiktiv-Interviews von Andreas Thiel in der Weltwoche. Und: Das Sommaruga-Interview ist am Schluss sogar leicht selbstironisch.

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Frau Präsidentin des Bundes, vielen Dank für dieses Interview.

Von welchem Magazin sind Sie?

Vom Nebelspalter.

Gibt’s den noch?

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Sehr gut, Oliver Hepp. Sie dürfen bleiben.

Wiedersehen mit Horst Haitzinger

Und nun. Eine meiner Lieblingsrubriken. «Aus dem Nebelspalter-Archiv». Wobei. Seit René Scheu (NZZ) mir einen strukturkonservativen Geist, der gerade unter Medienkritikern notorisch zu sein scheint, attestiert hat, bin ich nachdenklicher geworden. Aber sei’s drum.

Denn endlich gibt’s ein Wiedersehen mit dem berühmten Österreicher Horst Haitzinger. Der 1939 geborene Karikaturist hat laut Wikipedia über 16000 Karikaturen veröffentlicht. Diesmal ist er vertreten mit zwei etwa 40-jährigen Beiträgen zum Fight zwischen Jimmy Carter und Ronald Reagan.

Ziemlich amüsant (ohne Ironie!) ist die Seite mit den amtlichen Mitteilungen. Diesmal ein Testament mit feinen Spitzen. Rheinmetall, Rolf Knie, Militär, Albert Anker, Christoph Blocher. Herrlich, wie auch die fiktiven Inserate. Ruedi Stricker, bitte mehr davon.

Nun folgen mehrere Seiten zum Thema Kosmetik. Politisch schön unkorrekt pinkfarbig gekennzeichnet, wirken die Textchen aber doch recht aufgesetzt. Interessanterweise setzen sich ausnahmslos männliche Autoren mit dem Thema auseinander. Fazit: verstaubt und aus der Zeit gefallen. Dazu passt ein Kellner-Kalauer, der auch irgendwo vorkommt.

Doch auf Seite 53 wird’s wieder frischer. Poetry Slam! Marguerite Meyer beschreibt, wie ein satirischer Text kläglich scheitert. Das macht sie super! Obwohl. Eine Seite darüber schreiben, dass einem nichts einfällt. Das kann man natürlich nur einmal.

In der Textbox wird dann klar, warum Marguerite Meyer nichts einfällt. Sie arbeitet beim Online-Magazin Republik. Das ist nun aber Realsatire. Denn die Medien kommen praktisch nicht vor im Nebi. Eine ironische Medienschau wie in der WoZ oder in der Sonntagszeitung sucht man vergebens.

Trotzdem scheint der Nebelspalter nun irgendwie an Fahrt aufzunehmen. Die Glosse von Thomas C. Breuer über das Bergell macht wegen den vielen Wortspielereien echt Freude. Auch die Kolumne von Lisa Catena, eine Carte blanche zum Thema «Experten», ist gelungen.

Die Rubrik «Für Sie erlebt» ist ebenfalls recht witzig. Die freien «Nebi»-Autoren erzählen im Stil von Leserbriefen, was sie so erlebt haben. Alltagshumor, den man liebt in drögen Coronazeiten.

Gut gefällt auch die Rubrik «Leute von heute». Was aber im ganzen Heft auffällt: Auf den Mann, respektive auf die Frau wird selten gespielt. Politiker, Showstars, SRF-Mitarbeiter kommen ungeschoren davon.  Darum wirkt das Heft alles in allem recht unpersönlich. Liegt der Grund in der langen Vorlaufszeit? An der Beissheimmung?

Immerhin hat auf Seite 63 Andreas Thiel dann doch noch seinen Auftritt. Sein Portraitfoto mit neuer Frisur ist richtig sympathisch. Warum tritt er in der Weltwoche immer noch mit seinem Irokesenschnitt in Erscheinung? Auch sein Text ist besser als das ausgelutschte Frage-Antworten-Pingpong in der Weltwoche.

Die «letzten Meldungen» auf Seite 54 sind köstlich. Ob der nicht mehr genehme Uncle Ben auf der Reispackung oder die Frage, ob die «Mitte» immer noch Durchschnitt bleibe, Roland Schäfli hat das Handwerk der Satire verstanden.

Und dies noch aus der Rubrik «Das Allerletzte»:

Aldi-Werbung:«Meh als Aktivferien.» Wenn Deutsche glauben, Schwyzerdütsch zu können: «Meh wie Aktivferien», bitte!

Das Blattkritik-Fazit: Der Nebelspalter ist weniger angestaubt als befürchtet. Und Markus Somm darf sich freuen. Linksdrall hat das Blatt definitiv nicht. Ausmisten scheint also nicht angesagt. Ausser, Herr Somm will ein SVP-Kampfblatt daraus machen. Aber das hat er ja auch bei der Basler Zeitung dann doch nicht gewagt.

Kleine Markenlehre zum Nebi

Geeignet für Anfänger und Fortgeschrittene – und Zurückgebliebene.

Nun ist’s offiziell. Mit schreckensgeweiteten Augen, verstummt vorläufig, nehmen die Medien eine schreckliche Nachricht zur Kenntnis. Was vorher schon als Gerücht herumgeboten wurde, es ist wahr: Markus Somm, beziehungsweise die Klarsicht AG, übernimmt den nebelspalter.ch.

Ab da wird’s schon schnell kompliziert. Eigentlich kauft die Klarsicht AG natürlich den ganzen Nebelspalter. Aber: Die Printausgabe «erscheint bis auf Weiteres unverändert», auch der Redaktionsleiter darf auf seinem Stuhl sitzen bleiben.

Der bisherige Besitzer Thomas Engeli zieht in den VR ein und wird Herausgeber des gedruckten Nebelspalters. Markus Somm, der sich auch selbst beteiligt, wird Chefredaktor von nebelspalter.ch. Und, eigentlich auch unglaublich, Konrad Hummler soll VR-Präsident werden.

Tradition fortführen, nur: welche?

Als ehemaliger VR-Präsident der NZZ hat er Vorkenntnisse. Die scheinen ihn aber nicht davon abzuhalten, hier an Bord zu gehen. Zusammen mit angeblich über 60 Investoren, darunter ein paar bekannte Multimillionäre – aber die Familie Blocher nicht –, soll mit einer Kriegskasse von rund 7 Millionen «diese grandiose Tradition fortgeführt» werden, freut sich Somm.

Er hat in einer Roadshow mit PPP und Businessplan, rund 100 potenzielle Investoren mit dem nötigen Kleingeld abgeklappert; damals hiess das Projekt «Säntis». Es soll eine liberal bis konservative Gegenstimme werden, sei die Absicht. Also sozusagen eine gespiegelte «Republik», nur erfolgreich.

So weit, so gut (oder schlecht, je nach ideologischer Position). Auch die «Republik» hat ihren Namen nicht einfach aus der Luft gefischt. Sie hat wohl das Schwein, dass Uwe Nettelbeck bereits 2007 gestorben ist. Der hat nämlich von 1976 bis zu seinem Tod zusammen mit seiner Frau «Die Republik» herausgegeben. Von der Typographie über den Inhalt bis zur Alleinherrschaft keine Kopie, aber eindeutig in der Tradition der «Fackel» von Karl Kraus. So erschien sie auch unregelmässig, dünner oder dicker, je nachdem, wie’s dem Autor drum war.

Zu seinen Lebzeiten kämpfte Nettelbeck – auch da ähnlich wie Kraus – alle Versuche nieder, ihm den Markennamen wegzunehmen oder ihn zu kopieren. Womit wir wieder beim Nebelspalter wären.

Ein in Stein gemeisselter Markenkern

Der  ist – seit dem Hinschied von «Punch» – das älteste Satiremagazin der Welt. 1875 gegründet, hatte der Nebelspalter seine grosse Zeit in den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts. Unter dem Langzeitchefredaktor Carl Böckli, der wie Wilhelm Busch sowohl als Zeichner wie als Texter herausragend begabt war, wurde der Nebi zur Institution. Schon 1933, ein Ehrenzeichen, wurde der Nebi im Deutschen Reich verboten.

Die Auflage stiegt in den 1970er-Jahren bis über 70’000 Exemplare, viele Karrieren von Karikaturisten oder Satirikern nahmen hier ihren Anfang oder fanden ihre Fortsetzung. Dann ging’s ziemlich steil bergab, bis auf heute noch knapp 18’000 Druckexemplare.

Nun ist jede Marke, vor allem eine so alte und ins Schweizer Bewusstsein eingebrannte Marke wie Nebelspalter, inhaltlich besetzt, geprägt, festgelegt. Erschwerend kommt noch hinzu – da er den Eintritt ins Internetzeitalter verpasst hat –, dass seine Leserschaft und auch die Kenntnis über ihn bei eher betagten Eidgenossen vorhanden ist. Jugendliche fragen höchstens ihre Eltern im Wartezimmer des Arztes, was denn das für ein Blatt sei.

Wofür steht der Nebi, was ist seine DNA?

Das Blatt steht für sanftere Satire als in «Titanic» oder dem auch verblichenen «Pardon», für schmunzelnde Ironie, für Karikaturen, Spottgedichte, Denkanstösse im Sinne Buschs. Wie es der bisherige Besitzer und neu Herausgeber Thomas Engeli formuliert, der Nebelspalter wisse um seine Wurzeln.

Ängste, «der Nebelspalter könnte den Weg des pointierten Witzes und der politischen unabhängigen Schlagkräftigkeit verlieren und zum Sprachrohr einer einseitigen politischen Ausrichtung mutieren», seien unangebracht.

Wie um Somms Willen kann man da auf die Idee kommen, aus dieser Traditionsmarke mit festgelegtem, in Stein gemeisseltem Inhalt etwas anderes zu machen, als der Nebi immer war und ist?

Das wäre ungefähr so, wie unter migros.ch eine Weinhandlung zu eröffnen. Coca-Cola.ch als Webseite für vegane Ernährung zu führen. Oder aus baz.ch einen Witz- und Cartoonauftritt zu machen. Oder aus saurer.ch eine Plattform für alternative Verkehrsformen und für Velotausch.

Gibt es denn Vergleichbares, abgesehen vielleicht von der «Weltwoche»?

Nun mögen sich wohl einige gesagt haben: Wieso, «Le Canard enchainé» war doch auch als Karikatur- und Blatt für sanfte Parodie gestartet, und heute ist er eines der führenden Investigativ-Magazine, deckt immer wieder im Alleingang grosse Skandale und Staatsaffären auf.

Zudem erfreut er sich einer gewissen Schrulligkeit; noch bis vor wenigen Jahren lieferte die Mehrheit der Redaktoren ihre Manuskripte handschriftlich ab; die fortschrittlichen benützten immerhin eine Schreibmaschine. Überhaupt nicht schrullig ist die prinzipielle Unabhängigkeit, das Verbot, auch für andere Medien tätig zu sein, der tiefe Preis von knapp zwei Franken – und der Besitz durch die Gründerfamilie und die Redaktion.

Dass als Notgroschen über 100 Millionen Euro bereitliegen, schadet auch nicht. Deshalb hat die «angekettete Ente» (was nichts mit Zeitungsente zu tun hat) von Anfang an bis heute auf Werbung verzichtet.

Hoffentlich wächst man an der Aufgabe

Das kann ja nicht im Ernst Vorbild für einen neuen Nebelspalter sein. Erschwerend kommt noch hinzu, dass alleine der Name Somm, plus die Namen einiger Investoren, mal wieder bei vielen potenziellen Lesern oder Mitarbeitern die Nackenhaare aufstellt und für Ausschlag sorgt.

Also kann man zusammenfassend nur sagen: Eine grössere Aufgabe mit mehr Ballast beim Start hätten sich Somm und seine Investoren nicht aufbürden können. Man wünscht, wie man das auch bei der «Republik» tat, viel Erfolg und alles Gute. Und dass mein Pessimismus hier – im Gegensatz zur «Republik» – eines Besseren belehrt wird.

Eigenlob stinkt überhaupt nicht

Ausserdem lobe ich mich nicht selbst. Aber uns bei ZACKBUM.

Erst vor Kurzem haben wir unser viermonatiges Jubiläum gefeiert. In den heutigen schnelllebigen Zeiten im Internet schon eine kleine Ewigkeit. Nicht viele mit sehr viel Geld gestarteten Versuche haben so lange überlebt.

Aber nicht nur das. Unsere Leser waren auch des Lobes voll, grosse Worte wie «unverzichtbar» oder «weiter so» oder «dringend nötig» wurden uns zuteil. Das spornt natürlich an, genauso wie die Angebote, freiwillig etwas zahlen zu wollen.

Das zeigt sich bei einigen neuen Beiträgen von Lorenz Steinmann und Beni Frenkel. Zunächst einmal gehören diverse Primeurs dazu. Unter Journalisten, und das sind ja die meisten Leser und wir, gilt das immer noch als kleines Lorbeerblatt im Siegerkranz auf dem Haupt.

Eine ganze Reihe von Primeurs und Exklusiv-Meldungen

Die Recherche über ein Pferdeporträt und die Folgen, auch die NZZ steigt bei Keystone-SDA aus, wer alles beim Zürcher Oberländer gehen muss, welche Bedingungen der Herausgeber für den Verkauf von nebelspalter.ch stellt; all das konnte man exklusiv und zuerst auf ZACKBUM.ch lesen. Und wir bleiben dran und berichten über eine verunsicherte Redaktion beim Oberländer.

Ebenso haben wir ein Exklusiv-Interview mit dem NZZ-Feuilletonchef René Scheu über die Veränderungen in der Kulturberichterstattung. Um nur die aktuellen Taten zu nennen. Denn ZACKBUM.ch startete vor vier Monaten schon mit einer Exklusiv-Recherche, was eigentlich der Vater eines toten Kindes davon hält, dass sich die «Republik» weigert, trotz seiner Bitten und Aufforderungen das Foto vom Netz zu nehmen.

Aber schon hier, später auch bei Exklusivmeldungen wie ein Überblick der Kurzarbeitssituation in den grossen Medienhäusern, zeigte sich, dass man sehr schnell Neid verdienen kann. Die höchste Form der Anerkennung, wie der Spötter Oscar Wilde richtig bemerkte.

Unter Quellenangabe zitieren? Niemals.

Dass Betroffene unserer kritischen Berichterstattung nur ungern oder gar nicht die ihnen immer offerierte Möglichkeit der Stellungnahme oder gar eines Gegenartikels benützen, mag noch verständlich sein. Denn unsere Kritik ist ja immer faktentreu und den Tatsachen entsprechend. Nicht nur deswegen hatten wir noch nie juristischen Ärger oder Gegendarstellungen.

Aber eigentlich gehört es doch zum guten Brauch, dass andere Organe beim Nachklappern wenigstens die ursprüngliche Quelle angeben. Ähnliche Themenbereiche bestreichen ja nur noch persoenlich.com, die «Medienwoche», der ausser Form geratene «Schweizer Journalist» und das Hobby-Organ «Kleinreport».

Aber einmal darauf hinweisen, dass ZACKBUM.ch schon wieder einen Primeur hatte? Eine Zusammenfassung von Recherchierergebnissen, dem ersten Interview mit dem Feuilletonchef der NZZ? Ach was. Man wartet auf eine Bestätigung aus anderer Quelle, entweder in Form einer PM oder, indem man selber nachfragt, dank ZACKBUM.

Dass das dazu führt, dass wie im Fall des «Zürcher Oberländer» einfach die offizielle PM kopiert wird; kein Wort davon, dass der Abgang nicht freiwillig war, kein Wort davon, dass drei CvDs auch gleich gekündigt wurden: immer noch besser, als ZACKBUM zitieren müssen.

Exogene, aber vor allem endogene Faktoren für den Untergang

Stattdessen Berichterstattung über «Xmas-Kampagnen», die ewigen Teamverstärkungen durch diese und jenen, ideologietriefende Aufforderungen «Für eine Medienpolitik mit Zukunft», was nun wirklich keinen interessiert: das alles sind die endogenen Faktoren, wie wir das nennen.

Exogen trägt zur Medienkrise natürlich der Einbruch bei den Inseraten, das Abgreifen von 90 Prozent des Online-Marktes alleine durch Google und Facebook und dann auch noch Corona bei. Endogen hingegen ist die hilflose und unfähige Reaktion der Medienhäuser. Sparen, rausschmeissen, und das dem Leser als Verbesserung, Konzentration aufs Wesentliche verkaufen wollen. Turmhohe Abo-Preise im Print, gleichbleibend oder steigend für weniger Angebot.

Mangels anderem dürfen Marotten ausgelebt werden

Oder aber, Redaktoren und Redaktor*innen* dürfen ihre Marotten ausleben. Wie sagte schon Britney Spears so richtig: oops, I did it again. Wir mussten am 6. November die Tages-Anzeigerin* Salome Müller rügen, die meint, der tägliche Newsletter sei das richtige Gefäss, nicht nur der Männersprache Saures zu geben, sondern auch allen, die sich weder als Männlein, noch als Weiblein empfinden, «Respekt zu erweisen».

Das tut sie, indem sie männliche Leser, natürlich alles Macho-Männer, mit der Anrede sauer macht: «Guten Morgen, liebe Leserinnen*». Aus Respekt ist hier das Gender-Sternchen ganz nach hinten gerutscht; natürlich seien bei Leserinnen auch Leser mitgemeint, Platz für Hardcore-Sprachfeminismus im «Tages-Anzeiger». Wäre das noch ein Qualitätsblatt, hätte ein Vorgesetzter dieser Vergewaltigung der deutschen Sprache ein Ende gesetzt. Aber sie tut es ungeniert schon wieder. Hier und heute.

Sprachfeminismus über Flachsinnstexten

Oberhalb von Texten, die, wenn das nicht als frauenfeindlich denunziert wird, an triefendem Flachsinn nicht zu überbieten sind: «Es ist ein düsterer Mittwoch. Es ist ein weiterer Pandemie-Tag in einer weiteren Pandemie-Woche in einem weiteren Pandemie-Monat – aber wenigstens ist es ein Tag im letzten Monat dieses Pandemie-Jahres. Und bald ist Weihnachten.» Ein Qualitäts-Primarschullehrer würde neben ein solches Gesabber schreiben: «Bitte keine überflüssigen Allgemeinplätze.»

Oder aber, die Medien pflegen copy/paste-Artikel, oberflächliches Geschreibsel, entweder harmlos oder bestätigender Gesinnungsjournalismus. Das ist wahrlich kein Anlass für Neid. Im Gegenteil. Das ist Anlass für Befremden und Beunruhigung. Wo soll das noch, bei dieser zunehmenden Verluderung der Sitten, enden? Nichts bleibt, wie es ist. Vielleicht sind die Zeiten der kontrollierenden Vierten Gewalt im Staate, im freiheitlichen Staat, einfach vorbei. Auch die Dinosaurier sind schliesslich und sehr schnell ausgestorben. Mitsamt den Dinosaurierinnen* übrigens.