Ein Ratgeber über Ratgeber
Hoher Nutzwert, Leser-Blatt-Bindung, Kompetenz zeigen. Mach einen Ratgeber draus.
Jedes Mal, wenn eines der obigen Stichworte in einer Videokonferenz der zu Hause arbeitenden Medienschaffenden fällt, weiss einer der Teilnehmer, dass es ihn nun treffen wird. Meistens den, der für sonst nicht viel zu gebrauchen ist. Aber das weiss er natürlich nicht.
Ratgeber gibt es in jeder Preislage, jedem Niveau und über jedes Thema. Sex, Geld, Gesundheit, Konsum. So lautet die Hitparade der beliebtesten Themen. Für Sex ist natürlich der «Blick» zuständig. Seit der unvergessenen Marta Emmenegger, die als «Liebe Marta» rau, aber herzlich zur Institution gereift, über Jahrzehnte Aufklärungsarbeit leistete.
Ihre Nachfolgerin Caroline Fux beweist, dass trotz Internet und der möglichen Befriedigung aller Neugier letztlich die Fragen von Jugendlichen und Erwachsenen nicht wahnsinnig anders sind als zu Martas Zeiten. Untreue, Grössenvergleiche, Ängste, unerfüllte Wünsche, es bleibt sich alles gleich.
Das Thema Geld ist von vielen beackert
Zum Thema Geld fühlen sich viele berufen. Vom Geldonkel, der angeblich todsichere Tipps gibt, wobei sich der Leser niemals fragt, wieso er die nicht für sich behält, damit ein Vermögen macht und statt Geldonkel zu spielen, auf der eigenen Yacht in den karibischen Sonnenuntergang schippert.
Aber auch die NZZ kann sich gelegentlich nicht zurückhalten. Aktuelles Beispiel: «Investmentfehler: Diese vier Irrtümer kosten Privatanleger Milliarden». Aber hallo, da wollen wir doch mal schauen, wie diese Milliarden eingespart werden können. Aber leider müssen wir feststellen, dass auch hier weder der Autor, noch die NZZ zu Milliardären geworden sind, bei so viel Einsparpotenzial.
Denn hier wird nur eine dünne Wassersuppe gekocht. Aus Plattitüden und Aufgewärmten. Das fängt schon bei der Einleitung an. «Für langfristige «Buy and hold-Investoren» sind Investmentfehler besonders verheerend.» Ach was, und warum? Na, Dummerchen, deren Wirkungen kumulieren sich über die Jahre. Muss man erst mal herausfinden.
Auch die Irrtümer sind kalter Kaffee, frisch serviert
Vielleicht winkt für diese Erkenntnis noch nicht der Wirtschaftsnobelpreis, aber schauen wir uns doch die Irrtümer mal genauer an. Aktive Fonds brächten mehr Rendite als passive. Tja, wer noch nicht selbst darauf gekommen ist, dass aktive Fonds zuerst noch die Managementkosten einspielen müssen, zudem oft von Pfeifen bewirtschaftet werden, die sogar unterhalb von passiven Fonds performen, der ist nun wirklich selber schuld.
Die übrigen Irrtümer: Aktive Fonds würden vor Kurseinbrüchen schützen, vergangene Performance sei Garant für die zukünftige, die Börsenkurse würden die Zukunft bewerten. Da schnarcht ja selbst der hoffnungsfrohe Anfänger an der HSG weg. Wobei der letzte Irrtum im Grunde keiner ist. Natürlich tun sie das, zum Teil, abgesehen von all den Blödis, die auch hier für zukünftige Kursentwicklungen die Vergangenheit untersuchen.
Eine leuchtende Ausnahme
Aber es gibt eine leuchtende Ausnahme. Ein immer noch auflagenstarkes Blatt, dass seit vielen Jahren zur Anlaufstelle für Rat und Tat in fast allen Lebenslagen geworden ist. Natürlich, die Rede ist vom «Beobachter». Für Abonnenten kostenlos, ansonsten zum Selbstkostenpreis wird hier geholfen. Von Rechtsstreitigkeiten über das richtige Abfassen eines Testaments. Von Eheproblemen, Problemen mit renitenten Sprösslingen bis hin zu medizinischen Fragen.
1926 gegründet, mit einer Auflage von über einer Viertelmillion und einer Reichweite von über 800’000 Lesern eine Institution, die im Grossen und im Kleinen mit einem Beraterteam hilft.
Das Schumacher-Imperium
Ein eigenes Imperium hat sich der Rechtsanwalt René Schumacher aufgebaut. Mit seinem K-Tipp erreicht er sogar über 900’000 Leser, die Konsumenteninfo AG ist stark genug, im Alleingang die Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative zu stemmen. Er ist sozusagen der King der Konsumentenratgeber, bestreicht aber auch mit dem Gesundheitstipp oder mit einem Wohnratgeber andere Bereiche.
Insgesamt erreicht Schumacher über 2 Millionen zahlende Leser, ohne dass er oder sein Verlag gross in den Schlagzeilen wären. Dagegen stinken natürlich alle anderen Ratgeber, ob gross oder klein, gewaltig ab.
So wie man sich bei den Geldratgebern fragt, wie unabhängig die denn sind und ob sie den Geheimtipp Aktie X wirklich ganz uneigennützig geben und nicht über Strohmänner Frontrunning machen, so fragt man sich, woher diese Konsum-Tester das Geld für all die getesteten Produkte haben – oder verdienen.
Woher nehmen die Konsum-Ratgeber das Geld für die Tests?
Natürlich ist der Ruf restlos ruiniert, sollte sich herausstellen, dass Produkt Y deshalb auf dem ersten Platz gelandet ist, weil der Hersteller per Inserat oder verdeckt dafür gelöhnt hat. Kommt vor, wobei seriösere Konsumtester ihr Geld damit verdienen, dass anschliessend die «Testsieger» das Ergebnis samt Logo des Testers nicht gratis verwenden dürfen. Sondern nette Summen abdrücken müssen.
Also gilt wohl der Ratschlag für (fast) alle Ratgeber: Wer sie braucht, wer ihnen vertraut, der sollte sich dringend beraten lassen. Wegen Leichtgläubigkeit.
Ich kenne da auch ein paar gute Ratgeber: «Die Kunst des Klaren Denkens» etwa. Auch «Cash oder Crash» steht in meinem Bücherregal. Sie treten aber diskret nicht als solche auf. Gut gemacht, Herr Zeyer!
Den Beobachter übrigens oder den Nebelspalter erhielten wir hier in Südbrasilien in den 70ger-Jahren immer als Care-Paket aus der Schweiz zugeschickt. Mit mehrmonatiger Verspätung zwar, aber das spielt ja bei dieser Art von Publikation eher eine untergeordnete Rolle. Sie haben meine Jugend mitgeprägt.
Ein care-Paket mit dem IKRK-Emblem drauf? Damals musste man sich was einfallen lassen, dass die Post nicht weggeschafft wurde.