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Tagi kann nix

Wie obrigkeitshörig soll’s denn sein?

Der Berner Regierungspräsident und Sicherheitsdirektor Philippe Müller (FDP) rechnete unter dem Vermerk «Verpflegung» oder «Znüni» ein Bio-Mehrkornbrötli für 95 Rappen ab, eine Banane für 20 Rappen oder ein «Laugenbrezeli mit Butter» für 3.20 Franken. Auch einen Adventskranz über 183 Franken zu «Repräsentationszwecken» verbuchte Müller über die Spesen.

Das ist zwar kein Skandal, aber jämmerlich, knausrig und zeigt einen kleinkarierten Geiz, der an den staatsmännischen Fähigkeiten von Müller zweifeln lässt.

Nun könnte man die Enthüllung vom «Kassensturz» noch etwas vertiefen oder ausweiten. Genügend (noch) beschäftigte Journalisten gäbe es doch.

Stattdessen entblödet sich Tamedia nicht, eine SDA-Tickermeldung ins Blatt zu heben, in der sich der Regierungsrat unwidersprochen mit absurden Behauptungen zur Wehr setzen darf: «Er selber habe nie solche Kleinspesen verrechnet. Aber es gebe diese Spesenbelege – und «wie sie genau in die Spesenbuchhaltung kamen, weiss man nicht». Er übernehme dafür selbstverständlich die Verantwortung – «es war mein Fehler, weil es in meinem Bereich stattfand.»»

Tja, wie kamen denn nun die Pipifaxspesenbelege in die Buchhaltung? Müller behauptet, er selbst habe «nie einen einzigen Spesenzettel für Kleinstspesen abgeliefert». Also hat sie ihm ein übereifriger Mitarbeiter aus dem Portemonnaie gezogen und hinter seinem Rücken abgeliefert? Und als Müller dieser Pipifax erstattet wurde, hat er sich nicht gefragt, was das soll?

Aber nicht nur Müller, auch seine Partei kennt nix. So berichtet SDA und Tamedia übernimmt: «An der Mitgliederversammlung der Stadtpartei gab es zu der Angelegenheit nur eine Wortmeldung: Eine Freisinnige bezeichnete die Medienberichte als «bodenlose Frechheit von Presse, Journalisten und ‹Kassensturz›». Die Frage sei, was man gegen die Leute unternehme, die solches verbreiteten.»

Müller soll staatsmännisch geantwortet haben, dass man das «am Mittwoch in der Regierung» anschaue.

War es bis hierhin nur eine Schmonzette über einen peinlich-geizigen Pünktlischiisser, der ohne jedes Schamgefühl selbst Rappenbeträge vergütet bekommt, wird es hier zu einem Politskandal. Die Rüpelei der Freisinnigen, die aufgeblasene Antwort Müllers, die sei von den FDP-Mitgliedern «mit spontanem Applaus» quittiert worden.

20 Rappen für ein Banane als Spesen einreichen und zurückbekommen. Das ist peinlich.

Behaupten, man könne sich das nicht erklären und habe selber sicher nicht so einen Beleg eingereicht, das könnte für einen Rücktritt reichen, wenn es sich als Unwahrheit herausstellt. Aber dass Parteidelegierte dann nicht ihrem Exponenten die Kappe waschen, sondern die Enthüllung bedenklichen Verhaltens als «bodenlose Frechheit» beschimpfen, das ist mehr als bedenklich. Was meinen diese abgehobenen FDPler eigentlich?

Wohlgemerkt bekommen Müller und seine Miträte zusätzlich zu ihrem üppigen Gehalt noch eine Spesenpauschale von 8000 Franken im Jahr. Müller als Präsident nochmals 6000 Franken obendrauf. Aber selbst die 2000 Franken den Feier-Apero dafür rechnete er separat ab. Dazu kommen Dutzende solcher Kleckerbeträge der Regierungsräte und Tausende von Franken Bewirtungskosten, die eigentlich in diesen Pauschalen abgedeckt sein sollten, aber dennoch separat eingereicht wurden. Was die Frage erhebt, wie und wofür sie denn die 8000, bzw. 14’000 Franken eigentlich ausgeben.

Wird man bei etwas so Peinlichem erwischt und steht mit offenem Hosenschlitz im Scheinwerferlicht, dann sollte man den Anstand haben, rot anzulaufen, sich zu schämen und um Verzeihung zu bitten. Stattdessen schaue man sich an, was man gegen eine solche Berichterstattung unternehmen könne? Und Tamedia bringt diesen Unfug kommentarlos, anstatt tiefer zu bohren?

Sackschwach, peinlich. Für alle Beteiligten.

Die feste Burg bröckelt

Der VSM verliert Mitglieder – und wohl auch die Abstimmung.

Der Verlegerverband Schweizer Medien (VSM) sollte die Interessen der Medienhäuser vertreten. Ihm gehören rund 100 Medienunternehmen an – von insgesamt rund 1430 Medienhäusern mit 28’645 Mitarbeitern. Laut Selbstauskunft.

Es gab immer mal wieder Knatsch zwischen den Big Boys, so zog sich Ringier mal beleidigt zurück, kam aber wieder. Der VSM hat das strukturelle Problem, dass er die Interessen der Big Boys wie auch von kleinen Verlagen vertreten sollte. Online-only-Unternehmen, Print, TV, Radio, lokal, national.

Das ist eigentlich eine Mission impossible, selbst in friedlichen Zeiten. Nun ist der VSM einer der grossen Motoren auf Verlagsebene, der die Annahme des Medienpakets am 13. Februar befürwortet.

Dafür hat er einen bunten Strauss von Komitees ins Leben gerufen oder unterstützt und fährt eine Werbekampagne für die zusätzliche Steuermilliarde. Aber obwohl unermüdlich wiederholt wird, dass die schwergewichtig den kleineren Playern zugute käme, sprechen alle seriösen Analysen dagegen.

Wer grosse Taschen hat, kriegt mehr ab als die kleinen. Ist ja auch sonst im Leben so. Also fühlen sich die Kleinen nicht mehr richtig vertreten und haben eigene Interessensvertretungen gründet.

Bröckel.

Ein Grosser hat dem Verband den Rücken gekehrt

Nun wurde so nebenbei bekannt, dass auch ein ziemlich Grosser dem VSM den Rücken gekehrt hat. Nämlich der Verlag Konsumenteninfo. Der gibt nicht nur den K-Tipp, sondern auch Saldo, Gesundheitstipp, K-Geld, Kulturtipp, K-Tipp Wohnen und Plädoyer heraus. Die Juristenzeitschrift ist eine Referenz an den Gründer und Besitzer René Schuhmacher.

Dessen Meinungsmacht ist nicht zu unterschätzen. 2009 ergriff Schuhmacher das Referendum gegen eine Verschlechterung der Bedingungen der Pensionskassen – und gewann. Auch 100’000 Unterschriften für die Initiative «Pro Service Public» brachte er problemlos zusammen, unterlag dann aber an der Urne.

Alleine sein K-Tipp hat weit über 200’000 Abonnenten und geniesst hohes Ansehen. Schuhmacher kritisierte von Anfang an die Gratisgeld-Verteilung an Medienhäuser. In seinen Zeitschriften listete er minutiös auf, wie welche Verlage von der zusätzlichen Steuermilliarde profitieren würden.

Insgesamt erreicht Schuhmacher über eine Million Leser. Da er sämtliche Gewinne immer in den Verlag reinvestierte, steht er heute schuldenfrei da – und völlig unabhängig. So konnte er – alleine auf weiter Flur – die Verbandelung der Mitglieder der Task Force to the Bundesrat mit der Pharmaindustrie thematisieren.

Obwohl ihm dadurch 4,2 Millionen Subventionsfranken entgingen, ist er klar gegen das Medienpaket. Warum?

«Man beisst nicht in die Hand, die einen füttert»,

zitiert ihn die SoZ in einem Porträt.

Konsequent hat er schon letzten Sommer die Kündigung beim VSM eingereicht und sie – im Gegensatz zu Ringier – auch per Ende Jahr vollzogen. Der Verband vertrete die Interessen von Zeitschriften und Non-Profit-Verlagen nicht angemessen.

Dreifache Ohrfeige für die anderen Verlage

Das ist gleich eine dreifache Ohrfeige für die Big Player im VSM. Schuhmacher hat im Gegensatz zu ihnen seine Gewinne weder in eine Kunstsammlung, noch in Villen, Yachten und Wagenparks investiert. Sondern zeigt, wie stabil ein Verlag dasteht, wenn die erwirtschafteten Profite reinvestiert werden.

Er zeigt zudem, wie man Medien- und Meinungsmacht einsetzen kann, wenn man dabei auf sein Publikum hört und grossen Nutzwert bietet.

Schliesslich bewahrt sich Schuhmacher kritische Distanz zu Staat und Regierung – nimmt dafür auch hin, dass ihm Subventionsmillionen entgehen.

Nebenher zeigt er, im Gegensatz zu Pietro Supino oder Marc Walder, was gekonnte Verlagspolitik, klare Kante und seit 30 Jahren eine journalistisch blütenweisse Weste wert sind.

Er muss Begriffe wie Bedeutung als Vierte Gewalt, Kontrollinstanz, Glaubwürdigkeit und Vertrauen nicht vorbeten. Weil er sie lebt.

Was dem VSM und seinen Shareholdern wohl nicht ganz klar ist: auf die Verliererstrasse bei der Abstimmung einbiegen, das ist nur die Spitze des Eisbergs. Das Angebot bis zum Skelett abmagern, Einheitssauce in Kopfblätter giessen, das Lokale vernachlässigen und das Niveau ständig tieferlegen: dafür happige Abonnentsgebühren fordern, das kann nicht gutgehen.

Weniger Angebot für gleichviel oder sogar mehr Geld: absurd. Das Jahresabo online des K-Tipp kostet übrigens Fr. 43.50.

 

Bröckel, bröckel, bröckel.

Ein Ratgeber über Ratgeber

Hoher Nutzwert, Leser-Blatt-Bindung, Kompetenz zeigen. Mach einen Ratgeber draus.

Jedes Mal, wenn eines der obigen Stichworte in einer Videokonferenz der zu Hause arbeitenden Medienschaffenden fällt, weiss einer der Teilnehmer, dass es ihn nun treffen wird. Meistens den, der für sonst nicht viel zu gebrauchen ist. Aber das weiss er natürlich nicht.

Ratgeber gibt es in jeder Preislage, jedem Niveau und über jedes Thema. Sex, Geld, Gesundheit, Konsum. So lautet die Hitparade der beliebtesten Themen. Für Sex ist natürlich der «Blick» zuständig. Seit der unvergessenen Marta Emmenegger, die als «Liebe Marta» rau, aber herzlich zur Institution gereift, über Jahrzehnte Aufklärungsarbeit leistete.

Ihre Nachfolgerin Caroline Fux beweist, dass trotz Internet und der möglichen Befriedigung aller Neugier letztlich die Fragen von Jugendlichen und Erwachsenen nicht wahnsinnig anders sind als zu Martas Zeiten. Untreue, Grössenvergleiche, Ängste, unerfüllte Wünsche, es bleibt sich alles gleich.

Das Thema Geld ist von vielen beackert

Zum Thema Geld fühlen sich viele berufen. Vom Geldonkel, der angeblich todsichere Tipps gibt, wobei sich der Leser niemals fragt, wieso er die nicht für sich behält, damit ein Vermögen macht und statt Geldonkel zu spielen, auf der eigenen Yacht in den karibischen Sonnenuntergang schippert.

Aber auch die NZZ kann sich gelegentlich nicht zurückhalten. Aktuelles Beispiel: «Investmentfehler: Diese vier Irrtümer kosten Privatanleger Milliarden». Aber hallo, da wollen wir doch mal schauen, wie diese Milliarden eingespart werden können. Aber leider müssen wir feststellen, dass auch hier weder der Autor, noch die NZZ zu Milliardären geworden sind, bei so viel Einsparpotenzial.

Denn hier wird nur eine dünne Wassersuppe gekocht. Aus Plattitüden und Aufgewärmten. Das fängt schon bei der Einleitung an. «Für langfristige «Buy and hold-Investoren» sind Investmentfehler besonders verheerend.» Ach was, und warum? Na, Dummerchen, deren Wirkungen kumulieren sich über die Jahre. Muss man erst mal herausfinden.

Auch die Irrtümer sind kalter Kaffee, frisch serviert

Vielleicht winkt für diese Erkenntnis noch nicht der Wirtschaftsnobelpreis, aber schauen wir uns doch die Irrtümer mal genauer an. Aktive Fonds brächten mehr Rendite als passive. Tja, wer noch nicht selbst darauf gekommen ist, dass aktive Fonds zuerst noch die Managementkosten einspielen müssen, zudem oft von Pfeifen bewirtschaftet werden, die sogar unterhalb von passiven Fonds performen, der ist nun wirklich selber schuld.

Die übrigen Irrtümer: Aktive Fonds würden vor Kurseinbrüchen schützen, vergangene Performance sei Garant für die zukünftige, die Börsenkurse würden die Zukunft bewerten. Da schnarcht ja selbst der hoffnungsfrohe Anfänger an der HSG weg. Wobei der letzte Irrtum im Grunde keiner ist. Natürlich tun sie das, zum Teil, abgesehen von all den Blödis, die auch hier für zukünftige Kursentwicklungen die Vergangenheit untersuchen.

Eine leuchtende Ausnahme

Aber es gibt eine leuchtende Ausnahme. Ein immer noch auflagenstarkes Blatt, dass seit vielen Jahren zur Anlaufstelle für Rat und Tat in fast allen Lebenslagen geworden ist. Natürlich, die Rede ist vom «Beobachter». Für Abonnenten kostenlos, ansonsten zum Selbstkostenpreis wird hier geholfen. Von Rechtsstreitigkeiten über das richtige Abfassen eines Testaments. Von Eheproblemen, Problemen mit renitenten Sprösslingen bis hin zu medizinischen Fragen.

1926 gegründet, mit einer Auflage von über einer Viertelmillion und einer Reichweite von über 800’000 Lesern eine Institution, die im Grossen und im Kleinen mit einem Beraterteam hilft.

Das Schumacher-Imperium

Ein eigenes Imperium hat sich der Rechtsanwalt René Schumacher aufgebaut. Mit seinem K-Tipp erreicht er sogar über 900’000 Leser, die Konsumenteninfo AG ist stark genug, im Alleingang die Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative zu stemmen. Er ist sozusagen der King der Konsumentenratgeber, bestreicht aber auch mit dem Gesundheitstipp oder mit einem Wohnratgeber andere Bereiche.

Insgesamt erreicht Schumacher über 2 Millionen zahlende Leser, ohne dass er oder sein Verlag gross in den Schlagzeilen wären. Dagegen stinken natürlich alle anderen Ratgeber, ob gross oder klein, gewaltig ab.

So wie man sich bei den Geldratgebern fragt, wie unabhängig die denn sind und ob sie den Geheimtipp Aktie X wirklich ganz uneigennützig geben und nicht über Strohmänner Frontrunning machen, so fragt man sich, woher diese Konsum-Tester das Geld für all die getesteten Produkte haben – oder verdienen.

Woher nehmen die Konsum-Ratgeber das Geld für die Tests?

Natürlich ist der Ruf restlos ruiniert, sollte sich herausstellen, dass Produkt Y deshalb auf dem ersten Platz gelandet ist, weil der Hersteller per Inserat oder verdeckt dafür gelöhnt hat. Kommt vor, wobei seriösere Konsumtester ihr Geld damit verdienen, dass anschliessend die «Testsieger» das Ergebnis samt Logo des Testers nicht gratis verwenden dürfen. Sondern nette Summen abdrücken müssen.

Also gilt wohl der Ratschlag für (fast) alle Ratgeber: Wer sie braucht, wer ihnen vertraut, der sollte sich dringend beraten lassen. Wegen Leichtgläubigkeit.