Die Trampeltiere vom SPIEGEL

Corona, Wirtschaftskrise, Klima? Egal, der Spiegel schreibt lieber über Donald Trump.

 

Auf jeder Redaktion gibt es einen Franz: männlich, verfressen, abgelöscht, geschieden. Franz hat seine Themen: Essen, Auto, Sport. Wenn über einen Pächterwechsel, über Tempo-30-Zonen oder den Abstieg des FC Lümmel in die 3. Liga berichtet werden muss, weiss man: Der Franz, der kann’s.

In jedem von uns steckt hoffentlich ein kleiner Franz. Ein Thema, über das nur wir gut schreiben können und sonst niemand auf der Redaktion. Ich zum Beispiel bin Experte über Kindererziehung und Tropische Krankheiten (im Hans&Asper-Verlag erscheint im September mein Ratgeber).

Doch wie laufen diese Revierkämpfe auf Grossredaktionen ab? Zum Beispiel beim «Spiegel», wo jeder zweite Redaktor ein Trumpversteher ist? Diese Frage stellte ich mir, als ich die aktuelle Ausgabe (33/2020) durchgelesen hatte.

Trump als Buch

Was wissen wir noch nicht über Trump? Philipp Oehmke, USA-Korrespondent, hat von thedailybeast.com eine verdammt alte Story aufgewärmt: Das Trash-Magazin hatte schon im Oktober 2018 von Trisha Hope berichtet: Eine Frau, die sämtliche Tweets von Donald Trump in Buchform herausgibt («Just the tweets»).

Die Geschichte lief im Spiegel unter der Rubrik «Reporter». Oehmke hat mit der Frau telefoniert und den Rest aus der unendliche Weite des Internets zusammengeschrieben. Google spuckt für «Trisha Hope Just the tweets» über zwei Millionen Treffer aus.

Ein anderer USA-Korrespondent des Spiegels, Ralf Neukirch, hat über die bevorstehende Präsidentschaftswahl von November geschrieben. Neukirch hegt nämlich jetzt schon Zweifel am Wahlverfahren.

In welcher Spiegel-Rubrik kam Trump aber viel zu selten vor? Natürlich im Sport. In der aktuellen Ausgabe hat es der amerikanische Präsident nun endlich geschafft. Die Sportredaktion schenkt Matthias Fiedler mehr als zwei Seiten, einmal über den Golfer Donald Trump zu schreiben. Wie Oehmke hat nämlich auch Fiedler fleissig die US-Zeitungen studiert. Die amerikanischen Medien schreiben seit Jahren maliziös über den Golf-Schummler.

Alte Zeitungsberichte zu übersetzen, fällt eigentlich unter Kurzarbeit. Beim Spiegel wäre der Ausdruck Klientelarbeit aber passender.

Ringelreihen und Rausschmeissereien

Ringier baut ab. Tamedia baut ab. CH Media baut ab. NZZ baut ab.

Als festangestellter Redaktor muss man sich in der Schweiz als unfreiwilliger Teilnehmer am Kinderspiel Reise nach Jerusalem sehen. Die Musik hört immer häufiger auf zu spielen, und immer hat es einige Stühle zu wenig.

Gerade hat es die «Schweizer Illustrierte» erwischt. Ihr Ableger «Style» wird eingespart, online und Print zusammengestöpselt. 35 Stellen fallen weg. Damit spart Rasch, also Ringier Axel Springer Schweiz, über den Daumen gepeilt rund 3,5 Millionen Franken pro Jahr ein.

Originelle Begründung: allgemein sinkende Werbeerträge und dann noch Corona. Damit stimmt Ringier in den allgemeinen Chor ein, der wie in einem Abzählreim singt: Stellenabbau, Stellenabbau, Stellenabbau.

Die Chöre singen immer die gleichen Strophen

Gleichzeitig wird der Gegenchor in Stellung gebracht: Content, Qualität, vierte Gewalt. So leiern beide Chöre vor sich hin, um sich am Schluss zum Finale zu treffen: Hilfe, wir brauchen Geld, Geld, Geld.

Subventionen, staatliche Hilfe, Anteil am Gebührentopf für SRF, schliesslich erbringen die privaten Medienhäuser eine gesellschaftlich relevante Dienstleistung. Denn hier werden ja keine Schrauben gedreht, sondern es wird kompetent, seriös und vertrauenserweckend recherchiert, analysiert, kommentiert.

Ach ja? Bei CH Media, der einen Hälfte des Duopols, das den Deutschschweizer Tageszeitungsmarkt unter sich aufteilt, arbeiten laut Selbstauskunft 45 Redaktoren in der Zentralredaktion in Aarau. Gleich beim Zusammenschluss der ehemaligen NZZ-Lokalzeitungen mit dem Wanner-Konzern fielen mal 5 Stellen weg. Natürlich bedauerlich, aber wie sülzte der publizistische Leiter Pascal Hollenstein: «Das Angebot wird besser, der Journalismus gestärkt.»

Stärken durch Einsparen

Deutlich gestärkt ist zum Beispiel das Ausland; laut Impressum bestreichen hier zwei Allrounder die ganze Welt. Von Norwegen bis Südafrika. Von Alaska bis Chile. Von Moskau bis Peking. Zu einer anderen Lösung hat sich Tamedia entschieden. Im Impressum sieht das Auslandressort wohlbestückt aus. 5 Redaktoren, 22 Korrespondenten. Immerhin. Nur: Die Auslandberichterstattung wird weitgehend von der «Süddeutschen Zeitung» aus München übernommen. Sind ja auch grösstenteils deren Korrespondenten.

Beim «Blick», Pardon, bei der «Blick»-Verlagsgruppe ist gar kein Ausland mehr separat ausgewiesen. Eine Liga für sich ist immerhin noch die NZZ. Aber: Wie soll das gehen, mit ständigen Rausschmeissrunden den Journalismus stärken? Mit immer weniger Redaktoren immer mehr Output, online und Print, rauspusten?

Nun, die Arglist der Zeit, das Internet, die Pandemie, wer konnte das denn ahnen? Jeder, ausser, er ist Medienmanager. Der Bankier Julius Bär machte sich in seiner Zunft äusserst unbeliebt, als er richtig feststellte, dass das Bankgeheimnis zwar fett, aber auch impotent mache.

Über viele Jahrzehnte war der Besitz einer Druckerei eigentlich die Lizenz zum Gelddrucken. Stellenanzeiger, Wohnungsanzeiger, Werbung jeder Art: nur der Schlitz der Bezahlboxen und die Druckmaschinen waren die Grenze nach oben, was den Umfang betraf.

In den fetten Zeiten fett geworden

Chefredaktoren, vor allem, wenn sie erfolgreich waren, fuhren Porsche, Reporter flogen Business durch die Welt, beachtliche Gelage wurden als Informationsgespräch auf die Spesenabrechnung gesetzt, und keiner meckerte deswegen. Die drei Besitzerfamilien, die Coninx, Wanner und Ringier, waren mit Geldzählen beschäftigt, legten sich hübsche Kunstsammlungen zu und fuhren Aston Martin oder Rolls-Royce.

Schönwetterkapitäne halt. Dann rüttelte das Internet die ganze Branche durch, die ganzen schönen Kauf- und Tauschbörsen verschwanden ins Digitale, mitsamt einem immer grösseren Stück vom Werbekuchen. Geschäftsmodell kaputt, obsolet geworden. So wie die Kutsche beim Aufkommen des Automobils. So wie die Dampflok gegen die Elektrolok.

Was fällt den Schönwetterkapitänen ein?

Nun könnte man meinen, dass die Besitzer aufhörten, die Scheinchen zu zählen und mehr oder minder sinnvoll auszugeben, ihre Managerriege unter Beweis stellte, dass sie zu mehr taugt als zur Verwaltung des Althergebrachten.

Leider doppelte Fehlanzeige. Gesundbeten und totsparen. Das fällt ihnen bis heute ein. Um Subventionen betteln, das fällt ihnen auch noch ein. Ach, und ganz clevere Medienmanager kamen noch auf die grossartige Idee, den abschwirrenden Inseraten einfach nachzurennen. Und für teures Geld alle möglichen Plattformen im Internet zusammenzukaufen.

Dazu Radiostationen und TV-Stationen. Das verkauften sie dann dem staunenden Publikum als multimedial, als crossmedial, als ganz neue Wertschöpfungsketten. Online-Redaktionen wurden aus dem Boden gestampft und neben die traditionelle Printredaktion gesetzt. Multichannel, you know, verschiedene Geschwindigkeiten, verschiedene Medien, müssen alle spezifisch bespielt werden. Online-Marketing, ein Riesending.

Trennen und zusammenlegen

Als auch das nicht viel half, kamen die Manager auf die nächste uralte Idee: Legen wir zusammen, was wir getrennt haben. Online, Print, Radio, Video, ist doch kein Kunststück, wenn das der gleiche Journalist bespielt. Mikrophon und Handy-Kamera kann doch jeder Depp bedienen.

Das schon, aber wie gross ist das Ausmass der Dummheit in den Chefetagen der Medienhäuser? Das World Wide Web gibt es nun auch schon seit 30 Jahren. Eine Generation lang. Und ist den Medienmanagern eine Antwort dazu eingefallen? Nein. Vom Online-Werbekuchen schneiden sich die Platzhirsche Google und Facebook & Co. 90 Prozent der Einnahmen ab. Reaktion? Null.

Der Grösste räumt die Kleinen weg

Und die grossartigen Kauf- und Tauschplattformen von Tamedia und Ringier? Auch nicht mitgekriegt, dass im Internet gilt: the winner takes it all? Der Grosse macht den Kleinen platt. Google und Amazon räumen alles weg. Bis Alibaba die beiden wegräumt. Von den Zwergplattformen in der Schweiz gar nicht zu reden.

Also zurück zum Sesselspiel. Lassen wir die Journalisten mal wieder im Kreis laufen. Und nehmen ihnen ein paar Stühle weg. Nächste Rausschmeissrunde. Das stärkt den Journalismus.

Wes Brot ich ess …

Vom Saulus zum Paulus: So agieren domestizierte Medien-Wissenschaftler wie Marcel Salathé.

Die oberste Schweizer Gesundheitsbehörde liegt im Koma. Das BAG macht nur mit Pleiten, Pech und Pannen auf sich aufmerksam. Schön, dass es unabhängige Wissenschaftler gibt.

Bis zur Pandemie war Marcel Salathé ein nur Insidern bekannter Assistenzprofessor an der EPFL, der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne.

Sein Fachgebiet: Epidemiologie. Also die Untersuchung von der Verbreitung von Krankheiten, ihren Ursachen und Folgen. Etwas mehr als 100 Resultate zeitigt eine SMD-Suche seines Namens für das Jahr 2019.

Salathé auf allen Kanälen

Ab Januar 2020 bis heute explodiert die Zahl auf 2232 Erwähnungen. Ein typisches Phänomen des aktuellen Sparjournalismus. Denn mangels eigener Sachkompetenz und Sattelfestigkeit machten die Medien in der Schweiz bis zur Lockerung des Lockdowns im Wesentlichen zwei Dinge.

Sie bejubelten alle Entscheidungen des Bundesrats, ernannten den Gesundheitsminister Alain Berset zu einem Riesentyp und den Leiter der BAG-Abteilung «Übertragbare Krankheiten» zum «Mr. Corona». Aber dann braucht es zwecks Anreicherung der Berichterstattung noch das Interview mit dem Experten.

Am Anfang konkurrieren mehrere Interviewwillige miteinander, bis sich wie meist ein Sieger herauskristallisierte. Das ist in diesem Fall Marcel Salathé. Er vereinte dafür drei Eigenschaften. Er ist telegen, er kann verständliche Sätze bilden, und ihm ist der Zweihänder nicht fremd.

Erfrischende Warnrufe am Anfang

Denn häufig ist das Problem mit Wissenschaftlern, dass sie Fachchinesisch sprechen (Lieblingsaussage: «Das kann man nicht so einfach sagen») und begeisterte Anhänger des Konjunktivs sind («Falls das eintritt, wäre es nicht ausgeschlossen, dass»).

Erfrischend dagegen Salathé. Er rempelte das verschnarchte BAG an, erschreckte die Bevölkerung mit Horrorzahlen von möglichen Todesfällen und zeigte sich erschüttert, welcher Beamtenarschigkeit er in Bern nach der Ausrufung des Lockdowns begegnete. Drohend twitterte er, dass bei der politischen Aufarbeitung der Pandemie kein Stein auf dem anderen bleiben werde.

Während sich Mr. Corona fleissig darum kümmert, seine Bekanntheit als Mr. Corona ohne Rücksichten auf seinen Ruf zu versilbern, schwirrte Salathé in die Ferien ab. Und kam kürzlich geläutert zurück. Zur Enttäuschung des «Blick». Der hatte sich sicherlich schon auf ein paar knackige Zitate gefreut, als er Salathé zum Interview bat.

Inzwischen handzahm geworden

Zum Aufwärmen fragte die Boulevard-Zeitung, ob die Schweiz die Pandemie im Griff habe. «Im Moment habe ich das Gefühl ja», repliziert Salathé diplomatisch. Schluck; da dreht der «Blick» auf und will wenigstens eine Kritik daran, dass doch jeder Kanton sein eigenes Süppchen koche. Das sei auch richtig so, antwortet Salathé.

Die Interviewerin klappt den Unterkiefer wieder nach oben und erinnert Salathé daran, dass er doch zu den schärfsten Kritikern des Bundesrats gehört habe. Ach, Kritik, meint Salathé milde, das sei doch mehr eine «wissenschaftliche Richtigstellung» gewesen. Letzter Versuch, und das mit den Steinen? Aber auch dazu hat sich Salathé etwas überlegt. Das sei ganz falsch interpretiert worden: «Ich meinte, dass es wichtig sein werde, quasi unter jeden Stein zu schauen.»

Wagt er wenigstens wieder einen Blick in die Zukunft? «Prophet spielen wäre gefährlich.» Denn inzwischen ist Salathé zur wissenschaftlichen Erkenntnis gelangt: «Auch diese Krise wird vorbeigehen.» Da sieht man doch mal wieder, wie ein Biologiestudium einschenkt.

Was erklärt den Sinneswandel?

Aber woher denn dieser Sinneswandel? Gehirnwäsche, Zensur, oder einfach «kä Luscht» auf weitere Schlagzeilen? Aber nein. In der Schweiz läuft das anders. Denn zu den wild wuchernden Krisenstäben, die sich gegenseitig im Weg stehen, konstituierte sich im April noch die «Swiss National COVID-19 Science Task Force».

So umständlich wie der Name dieses Gremiums, das direkt den Bundesrat berät, ist auch sein Aufbau in «Adivsory Panels» und Expertengruppen. Vorsitz bei der Gruppe «Digital epidemiology» hat – Marcel Salathé. Aha, ist er also eingekauft worden und hat sich deshalb einen Schalldämpfer aufgeschnallt?

Auch Salathé will etwas werden

Aber nein, es geht um etwas ganz anderes. In dieser Task Force ist so ziemlich alles versammelt, was in der Schweiz in dieser Fachrichtung Rang, Namen und Einfluss hat. Dazu die Rektoren der Hochschulen, und so weiter. Wenn nun ein Assistenzprofessor mal gerne ordentlicher Professor werden möchte, an ausreichend Forschungsgelder herankommen will, auch internationale Vernetzung vorantreiben, wenn wieder Symposien überall auf der Welt stattfinden werden: was macht der dann?

Sagt er lautstark, dass Bundesrat, BAG, Krisen- und Expertenstäbe krachend versagt hätten, kritisiert er die bis heute lausige Arbeit des BAG? Nun, die Antwort überlassen wir dem Leser. Weil wir sicher sind, dass er diesen kleinen Intelligenztest mit Bravour besteht.

Der Büttel

Pascal Hollenstein ist ein flexibler Mensch. Ein begabter Imitator.

Publizist Pascal Hollenstein (Screenshot Twitter)

Jeder, der Macht hat, braucht Lakaien und Büttel. Lakaien, um die täglichen Verrichtungen abzunehmen. Büttel, um als Boten, als Sprachrohr die Meinung des Mächtigen herauszutrompeten.

Pascal Hollenstein ist ein perfekter Büttel. Das hat er im ganzen Verlauf seiner Karriere immer wieder unter Beweis gestellt. Als Schreiber für die Kundenzeitschrift einer Elektrizitätsgesellschaft. Als biegsamer Tänzer zwischen Journalismus und PR. Im Dienst der Axa Winterthur. Oder im Dienst des russischen Oligarchen Viktor Vekselberg.

Unbarmherzig wie Stalin

Das prädestiniert ihn, in seiner neusten Inkarnation als «Leiter Publizistik» der zwei Dutzend Kopfblätter des Konzerns CH Media seinen Senf zu Wladimir Putin zu geben. Der autoritäre Herrscher Putin, der «einen neuen Thron» für sich baue, sei schon länger an der Macht als Stalin, behauptet der studierte Historiker Hollenstein.

20 Jahre Machtausübung zählt er für Putin, macht ja nix, dass Stalin seit 1922 Generalsekretär der allmächtigen Kommunistischen Partei der UdSSR war, seit 1927 auch faktisch Alleinherrscher. Und das bis zu seinem Tod im Jahre 1953 blieb. Über solche Kleinigkeiten sieht der publizistische Leuchtturm des Hauses CH Media gern hinweg.

Dabei liebt er doch starke Männer und verachtet Schwäche: «Der Westen, diese weinerliche Memme», so polterte er 2018, als Putin angeblich «jede Linie überschritten» habe, «die das Völkerrecht gezogen hat». Also statt feige russische Aggressionen zu dulden, sollte die NATO wohl einen Militärschlag ins Auge fassen. Gut, dass niemand auf Hollenstein hört.

Unbarmherzig wie Stalin keilt Hollenstein gegen Journalisten, wenn die für die Konkurrenz arbeiten. «Jetzt muss sich die Staatsanwaltschaft mit einer «Tages-Anzeiger»-Journalistin befassen», teilt er gegen Michèle Binswanger aus. Denn Hollenstein macht gerne das Sprachrohr für Jolanda Spiess-Hegglin, die nach einer angeblichen Schändung bei einer alkoholseligen Feier im Jahre 2014 auf einem Feldzug gegen alle ist, die sich dieses Vorfalls publizistisch annehmen wollen.

Ein echter Feminist

Hollenstein dagegen ist ein aufrechter Verfechter des Feminismus; zum Thema Lohngleichheit und Vertretung von Frauen in seinem Verlag fällt ihm ein, dass das Thema gleicher Lohn für gleiche Arbeit in den Chefredaktionen immer auf der Agenda bleibe und mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt werde. Mit anderen Worten: schön, dass wir darüber gesprochen haben.

Als Inlandchef der NZZ am Sonntag versuchte er, nach dem Abgang von Felix E. Müller den Chefsessel zu besteigen. Das war dann doch eine Liga zu weit oben. Nachdem er schon der publizistische Leiter von rund 15 Blättern im NZZ-Reich war, hat er seit dem Joint Venture NZZ und AZ Medien zu CH Media sein eigenes Königreich ausgeweitet.

Mit dem unsterblichen Vorteil, den auch schon Frank A. Meyer bei Ringier weidlich ausnützte: Als Leiter Publizistik darf man überall reinreden, zu allem seinen Senf geben, wichtig die Weltläufe kommentieren, wohlfeile Ratschläge erteilen und Noten verteilen – aber man ist für nichts verantwortlich.

Nach aussen anders als nach innen

Gegen aussen erhebt Hollenstein, diesmal als Büttel von CH Media, den moralischen Zeigefinger, warnt, fordert, analysiert. Im sicheren Wissen, dass das weder innerhalb der Redaktionen noch ausserhalb irgend jemand ernst nimmt. Würde er sich nur auf diese Funktion als Mietmeinung beschränken, könnte man ihm dazu gratulieren, wie er im Slalom durch seine verschiedenen Positionen und Funktionen gefahren ist.

Aber es gibt auch den Büttel Hollenstein nach innen. Und da muss er den Tarif durchgeben, da muss er verunsicherten Redaktoren gegenüber his master’s voice geben. Denn das Joint Venture, das nun 25 Kopfblätter umfasst, war ja keine Liebesheirat. Sondern der Tatsache geschuldet, dass Newsjournalismus, dass Tageszeitungen immer mehr in die Bredouille kommen. Reine News sind gratis und im Überfluss vorhanden, die Inserateeinnahmen bröckelten schon vor der Pandemie, inzwischen zerbröseln sie.

Die überregionalen Themen werden in allen Blättern bereits von einer Zentralredaktion bespielt. Vor Ort bleibt nur noch das Lokale. Aber eines ist (fast) allen Redaktoren klar: Die Payroll ist überlastet. Es braucht weder in der Zentrale noch vor Ort dermassen viele Journalisten.

Milchkühe und Abfallprodukte

Also stimmt Hollenstein die Redaktionen mit markigen Worten auf ihre Zukunft ein. Regionalausgaben oder selbst traditionelle Titel wie die «Luzerner Zeitung»: Im Print ein Auslaufmodell, ein «Abfallprodukt», das ausgemolken werden muss, solange es genügend Gewohnheitsabonnenten gibt, die noch bereit sind, pro Jahr über 500 Franken zu bezahlen.

Rentiert das nicht mehr, werde die Milchkuh geschlachtet, dann wandere alles ins Internet. Mit diesen Ankündigungen will Hollenstein austesten, wie flexibel die ihm zuhörenden Mitarbeiter sind. Wer aufmuckt, Qualitätseinbussen beklagt, gar diesen Umgang mit treuen Abonnenten kritisiert, hat sich selbst auf die Abschussrampe geschoben.

Praktikanten, die Kindersoldaten, wie Helmut-Maria Glogger selig das nannte, billig und willig, ersetzen erfahrene Redaktoren, die leider zu teuer geworden sind. Deshalb sind Hollenstein auch Lohnunterschiede zwischen Männlein und Weiblein eher schnurz. Teurer Redaktor oder billiger Anfänger, das ist sein Thema.

Mit Heuchelei ins Grab

Mit dieser Haltung, staatsmännisch-getragen gegen aussen, immer mit dem erhobenen Zeigefinger in der Luft, rein geschäftsmässig nur auf Kosten und Nutzen bedacht gegen innen, damit verkörpert Hollenstein diese tiefgreifende Heuchelei, mit der sich der Journalismus sein eigenes Grab schaufelt.

Er behauptet, nahrhafte Qualität zu liefern, die halt auch koste, in Wirklichkeit wird dünne Suppe ausgeschenkt. Gegen aussen salbadert Hollenstein von «Freiheit und Solidarität», die unsere stärksten Waffen gegen die Pandemie seien. Intern gibt er den Tarif durch, wie man den Abonnenten zu sehen habe, und wem das nicht passt, wohlan, der nächste Praktikant wartet schon. Freiheit heisst dann freigestellt werden, für Solidarität mit altgedienten Redaktoren ist leider kein Platz mehr.

Alles Rassisten!

Henry Dunant: Muss das weg?

Teil zwei: Keiner zu bedeutend, um nicht Rassist zu sein.

Der Dominikanermönch de Las Casas war einer der Ersten, der sich für die Indios einsetzte, ihnen beistand, forderte, dass sie als Menschen anerkannt und behandelt würden. Diesem Anliegen widmete er von 1515 an sein ganzes Leben. Unermüdlich, ohne Rücksicht auf persönliche Gefahren. Aber, nach der sich pervertierenden neuen Definition von Rassismus, war de Las Casas natürlich Rassist.

Denn obwohl er sich später umbesann, nahm er an Kriegszügen gegen Ureinwohner teil und hielt selber welche als Sklaven. Aber das ist nicht einmal das Schlimmste. In seinem Bestreben, das Aussterben der Ureinwohner zu verhindern, regte er an, dass man an ihrer Stelle doch Sklaven aus Afrika importieren könnte. Da dort Sklaverei allgemein üblich und schwarze Sklaven sicherlich widerstandsfähiger als Indios seien, wäre das für alle zum Vorteil.

Fataler Widerspruch statt platte Eindeutigkeit

Welch fataler Widerspruch. Zutiefst humanistisch und christlich geprägt, wollte de Las Casas den Indios helfen. Und trug damit zum Beginn des Sklavenhandels mit Afrika bei. Erst später verurteilte er auch das und kämpfte unermüdlich dafür, gegen den erbitterten Widerstand des spanischen Klerus, dass sowohl Indios wie Schwarze, dass schlichtweg alle vernunftbegabten Wesen als Menschen anerkannt werden sollen. Unabhängig von Herkunft oder Hautfarbe.

Ist also de Las Casas Rassist? Weg mit seinen Denkmälern überall auf der Welt? Müssen seine Werke mit einem warnenden Vorwort versehen, am besten gleich ganz verboten werden? Geschichtsvergessene Dummköpfe fordern das bereits. So wie in der Schweiz die Ächtung des grossen Wissenschaftlers Louis Agassiz gefordert und teilweise schon praktiziert wird. Ebenso wie beim grössten Mäzen der Stadt Neuenburg. David de Pury hinterliess seiner Geburtsstadt nach heutigem Wert rund 600 Millionen Franken.

Andenken weg, Geld bleibt

Aber er besass Aktien einer portugiesischen Handelsgesellschaft, die unter anderem mit Sklaven handelte. Also weg mit ihm, mit seinem Denkmal. Aber natürlich nicht mit seinem gespendeten Geld.

Weg mit Agassiz, weil der neben seiner internationalen Reputation als Forscher auch ein paar der damaligen Zeit geschuldete Dummheiten über die angeblich minderwertige schwarze Rasse sagte. Ein völliger Unsinn, natürlich. Was aber sein übriges Werk keinesfalls abwertet. Flugs wird er zu einem der «führenden Rassentheoretiker» umgebogen. Weil wahrscheinlich die tapferen Kämpfer gegen Rassismus in der Schweiz noch nie etwas von Arthur de Gobineau gehört haben. Der mit seinem «Versuch über die Ungleichheit der Rassen» (1855) tatsächlich einer der Begründer von modernem Rassenwahn ist.

Ein nervenkranker Menschenfeind, der es nicht verwandt, dass seine Skulpturen als mittelmässig abgelehnt wurden und der vergeblich versuchte, seinen Familienstammbaum auf den Gott Odin zurückzuführen. Dagegen ist und bleibt de Las Casas natürlich eine Lichtgestalt. Ein Kämpfer gegen Rassismus, der im Gegensatz zu den «Black Lives Matter» grölenden Schweizer Manifestanten tatsächlich sein Leben dafür riskierte.

Ein gültiges und vorbildhaftes Vermächtnis hinterliess. So wie Gandhi und Dunant. So wie Agassiz, de Pury und Escher. So wie viele Gestalten der Gesichte, die neben alle Zeiten überdauernde Leistungen auch fehlten, Schwächen hatten, unsinnige Ansichten vertraten. Das macht sie menschlich, aber sicher nicht zu Rassisten als einzige Definition ihres Wirkens.

An den Pranger gestellt

Als eine Art moderner Pranger soll in der Schweiz die «Datenbank» der NGO «Cooperaxion» dienen. Hier seien auf «einzigartige Weise die Geschäfte der verschiedenen Schweizer Akteure während des transatlantischen Sklavenhandels des 17. bis 19. Jahrhunderts dokumentiert». Es gebe schon 260 Datensätze. Meistens aus Sekundärliteratur gefischt gibt es hier ein wildes Durcheinander. So taucht zum Beispiel Auguste de Stael auf, wie seine berühmte Mutter ein unerschrockener Kämpfer gegen den Sklavenhandel. Macht ja nix, wahrscheinlich war er doch Rassist.

Dabei ist es ganz einfach, die Sache mit dem Rassismus. Rassisten sind Menschen, die individuellen Mitgliedern von Gruppen nur wegen dieser Zugehörigkeit eine – meistens negative – Eigenschaft zuschreiben. So gesehen, sind wir alle Rassisten, und solche Art von Antirassismus ist absolut und damit totalitär. Wer nur schon einmal «der Schweizer ist zuverlässig, der Deutsche ist pünktlich, der Italiener liebt das dolce far niente» gesagt hat, ist Rassist. Womit das Thema erledigt wäre.

Zum ersten Teil: hier klicken.

Hilfe! Alles Rassisten

Gandhi in Genf: Muss das weg?

Teil eins: Aufgeschäumte Erregungsbewirtschaftung gegen alle

Mehr als 5200 Treffer erzielt man in der SMD, wenn man den Begriff «Black Lives Matter» eingibt. Ungefähr gleich viele mit «Rassismus in der Schweiz». Etwas mehr als 3000 Treffer erzielt «Wirtschaftskrise in der Schweiz». Man muss ja Prioritäten setzen. «Genf stellt sich der Gandhi-Frage», rauschte vor Kurzem durch die Medien. Denn der gewaltfreie und erfolgreiche Kämpfer für Indiens Unabhängig wird in Genf mit einem Denkmal geehrt. Aber er sei Rassist gewesen.

De Pury, Agassiz? Sklavenhändler oder Rassisten. Alfred Escher gar? War der Gründer der Credit Suisse und Erbauer des Gotthard-Tunnels etwa auch Rassist? Bislang ist das noch nicht entdeckt worden, aber ein Onkel von ihm soll auf Kuba sein Vermögen mit Sklavenhaltung gemacht haben. Dafür kann nun Escher irgendwie nichts, und dass schon sein Vater – erfolgreich – vor Gericht ging, als ihm das ebenfalls unterstellt wurde, was soll’s.

Es wimmelt von Rassisten

Henry Dunant, bekannt als Humanist, auf dessen Ideen die Gründung des Roten Kreuzes zurückgeht, und die Genfer Konvention? Der Friedensnobelpreisträger «war als Kolonialhändler in Tunesien tätig», weiss das Schweizer Zentralorgan des Antirassismus. Obwohl die «Republik» hier «die Fakten» liefern will, sagt sie leider nicht, was daran anrüchig sein soll. Aber so ist es halt bei «Nachhilfe», wenn der Lehrer dümmlich und ungeprüft nachplappert.

Mangelnde historische Kenntnisse bei allen Antirassisten schützen noch nicht enttarnte Übeltäter.

Einer der ältesten in der europäischen Geschichte bekannten Rassisten war zweifellos Bartolomé de Las Casas. Wohl 1485 im spanischen Sevilla geboren, wurde er Dominikanermönch und brach 1502 nach Hispaniola auf, heute Dominikanische Republik und Haiti.

Dort nahm er an Feldzügen gegen die Ureinwohner teil, 1511 an der Seite von Diego Velázquez als Konquistador in Kuba. Nach der Niederwerfung der Indios wurde de Las Casas zum Landbesitzer, das er mit den ihm zugeteilten Indiosklaven bewirtschaftete, die er auch in eine ihm gehörende Mine jagte.

1515 ungefähr begann ein Umdenkprozess im Dominikanermönch, er begann zu bezweifeln, ob das Halten von Sklaven richtig sei. Er gab in diesem Jahr seine Indios an den spanischen Gouverneur Kubas zurück, wie man es mit geliehenen Sachen halt so tut, und verliess die Insel.

Anschliessend bereiste er die Karibik und Südamerika, schliesslich wurde er 1453 zum Bischof von Chiapas in Mexiko ernannt. 1546 kehrte er endgültig nach Spanien zurück und starb 1566 in einem Dominikanerkloster bei Madrid.

Kämpfer für die Rechte der Indios

Er gelangte zu unsterblichem Ruhm durch seine Werke. Vor allem die dreibändige «Historia general de las Indias». Denn es dauerte lange, bis man vom Irrglauben Abstand nahm, der mit Kolumbus begonnen hatte, dass man einen westlichen, bislang unbekannten Teil von Indien entdeckt habe. In diesem Werk schildert de Las Casas die Conquista von 1492 und Kolumbus an, die Eroberung Mittelamerikas und Perus.

Vor allem aber überdauert sein «Kurzgefasster Bericht von der Verwüstung der westindischen Länder» die Zeiten. 1552 wurde diese flammende Anklageschrift klandestin im Ausland veröffentlicht, denn in Spanien stand sogar die Todesstrafe darauf, ohne höchste Erlaubnis sich zu den Kolonien zu äussern.

Noch 1660 wurde dieser Bericht in Spanien verboten, er schade dem Ansehen. Als er 1966 von Hans Magnus Enzensberger frisch übersetzt auf Deutsch herauskam, behielt er seine Wirkung wie am ersten Tag. De Las Casas beschreibt eindrücklich und ungeschminkt die Greuel, die die Kolonisatoren, die rücksichtslosen Eroberer der Urbevölkerung antaten, immer auf der Suche nach Eldorado, dem sagenhaften Goldland.

De Las Casas listet all die Gemetzel, die gebrochenen Versprechen, die Versklavung, das schnelle Sterben der Indios in Minen oder wegen den unmenschlichen Arbeitsbedingungen unter den Grossgrundbesitzern, ohne Beschönigung auf. Es ist die Geschichte eines Völkermords. Begangen auch im Namen der christlichen Kirche, was allen Kämpfern gegen Rassismus in der Schweiz wohl entgangen ist.

Dafür durchstöbern sie die Geschichte mit heutigen Massstäben, um überall Rassisten und Sklavenhändler zu enttarnen.

Fortsetzung folgt.

 

 

Operation am offenen Herzen verpfuscht

Christoph Mörgeli auf dem Kriegspfad: Ein Indianer kennt keinen Schmerz. (Screenshot SRF)

Ins Amt schreiben geht nicht: Prof. Maisano ist’s los.

Der Titularprofessor und Vizepräsident der Europäischen Totentanz-Vereinigung weiss, wie es sich anfühlt, wenn man von einer Stelle als Institutsleiter entfernt wird. Vielleicht liegt darin der tiefere Grund, dass sich Christoph Mörgeli mit drei ausführlichen Artikeln in der «Weltwoche» für den zunächst beurlaubten, inzwischen seines Amtes enthobenen Leiter der Herzchirurgie am Unispital Zürich einsetzt.

«Tumult an der Herzklinik», «Zürcher Herzgeschichten» und aktuell gar «Den Falschen beurlaubt» lauten die Titel der ausführlichen Storys, denen man vieles vorwerfen kann, aber nicht das Fehlen eines klaren Standpunkts.

Wie man sich nicht instrumentalisieren lassen darf

Mit rund 28’000 Anschlägen zieht Mörgeli so ziemlich alle Register zur Verteidigung von Prof. Francesco Maisano, Chefarzt der Herzchirurgie am Unispital Zürich (USZ). Die Kampagne könnte von der PR-Agentur Farner, die Maisano zur Unterstützung beigezogen hat, nicht besser orchestriert worden sein. Man sollte sie als Lehrstück für angehende Journalisten anpreisen. Wie man sich als Journalist nicht instrumentalisieren lassen sollte.

Denn es handelt sich um eine dreistufige Rakete mit voller Feuerkraft und Rauchentwicklung. Die erste Stufe, die Ouvertüre, bestand darin, einerseits dem indirekten Vorgesetzten von Maisano, dem Kardiologie-Chef Frank Ruschitzka, die Beteiligung an einem «äusserst schwerwiegenden Publikationsskandal» nochmal aufs Brot zu schmieren. Der musste tatsächlich einen Bericht in einer angesehenen Medizinzeitschrift zurückziehen, weil die darin verwendeten Daten nicht belastbar waren.

Aber Ruschitzka werde mit Samthandschuhen angefasst, beklagt Mörgeli, während Maisano wegen «Verdächtigungen von ungleich geringerem Gesicht sofort beurlaubt wurde». In einem «vom Spitalrat (dem Aufsichtsorgan über das USZ, Red.) bestellten Bericht» werde die Schuld für Reibereien nur Maisano «in die Schuhe geschoben». Wieso wohl das? Nun, ob das wohl damit zu tun habe, dass der Spitalratspräsident Patient von Ruschitzka sei, fragt Mörgeli unschuldig.

Fataler noch, der deutsche Whistlebower, der die Untersuchung gegen Maisano ins Rollen brachte, sei «Mitbegründer und Mitverwaltungsrat» einer Firma; zusammen mit Ruschitzka. Zudem sei der Whistleblower vom Spital entlassen worden, das habe dann der Spitalrat «unter dem öffentlichen Trommelfeuer aus dem Hause Tamedia» zurückgenommen.

Mörgeli blickt furchtlos in einen Abgrund

Ein selten gelungener Blattschuss. Beziehungskorruption, zweierlei Ellen, Anschwärzung mit bestelltem Bericht, ein Whistleblower mit verborgener Agenda. Schwer, da etwas draufzulegen, aber das schafft Mörgeli locker mit Stufe zwei: die geschlagene Bresche erweitern. So rekapituliert Mörgeli eine Woche später seine Vorwürfe, erwähnt befriedigt, dass sie von den Medien aufgenommen wurden, beklagt nochmals die «butterweiche» Behandlung von Ruschitzka, während der «weltweit anerkannte Experte für Mitralklappen», der Beste von 29’000 Experten weltweit, eben der Prof. Maisano, beurlaubt wurde, obwohl doch die Untersuchung «keine Hinweise auf ein strafbares Verhalten» ergeben habe.

Aber der Präsident des Spitalrats, der die Beurlaubung anordnete, sei nicht nur Patient bei Ruschitzka, sondern auch Tauchkollege von Malcom Kohler. Was insofern von Belang sei, weil Kohler Bereichsleiter und damit auch Vorgesetzter von Maisano sei. Schlimmer noch, kehre Maisano nicht umgehend zurück, «dürfte die internationale Reputation des Herzzentrums Zürich leiden». Während der interimistische Leiter «in einer Blitzaktion ohne eigentliches akademisches Auswahlverfahren berufen» worden sei. Also ein Stümper anstelle einer Weltkoryphäe.

Einer geht noch

Geht da noch einer? Aber sicher, rechtzeitig zum Nationalfeiertag steigert sich Mörgeli zum feuerspeienden Höhepunkt: Der Whistleblower habe lediglich die «schon früher geäusserten Vorwürfe von Frank Ruschitzka gegen Francesco Maisano wiederholt», den «international anerkannten Pionier». Auch aufgrund eines von Maisano bei der Nobelkanzlei NKF bestellten Gutachtens «bleibe kein substanzielles Unrecht am Herzchirurgen hängen».

Dann werden noch Stimmen angeführt, die innerhalb und ausserhalb der Klinik die Beurlaubung kritisieren und die Rückkehr der weltweiten Nummer eins fordern. Es handelt sich um eine Rufmordkampagne gegen einen renommierten Arzt, angezettelt von einem Whistleblower, der finanziell mit einem neidischen Kollegen von Maisano verbandelt ist, und durchgeführt von einer Aufsichtbehörde, deren Präsident möglicherweise parteiisch ist. Eine Riesensauerei also.

Der unter dem Trommelfeuer der Tamedia nicht wankende Professor musste sich sogar Hilfe bei einer PR-Agentur holen und ein sicherlich schwindelerregend teures Gutachten besorgen, um seinen blütenweissen Arztkittel vor Dreckeleien, wie Mörgeli so etwas in eigener Sache damals nannte, zu beschützen. Unglaubliche Zustände.

Das Pech klebt an der «Weltwoche»

Nur, dieses Pech ereilt die «Weltwoche» gelegentlich. Als sie ein Loblied auf die UBS anstimmte, musste die Bank am Erscheinungstag um Staatshilfe betteln. Einen Tag, nachdem Mörgeli seine Trilogie mit der krönenden Folge «Den Falschen beurlaubt» abschloss, gab das USZ bekannt, dass es Maisano seines Amtes enthoben habe.

Damit habe er keinen Zugriff mehr auf das spitaleigene Intranet; neu wird ihm auch noch vorgeworfen, dass er während der laufenden Untersuchung auf Daten zugegriffen und sie verändert habe. Er bestreitet auch diesen Vorwurf; da es sich aber wohl nur um Operationsberichte handeln kann, wäre das tatsächlich ein schweres, strafbares Vorgehen.

Und die 132-seitige Rechtfertigungsschrift, die im Vorwurf gipfelt, es werde eine Hetzkampagne gegen ihn geführt, ist das Papier nicht wert, auf das sie gedruckt wurde. Alle Mitarbeiter der Herzklinik, die sich vor allem auf der Jobplattform Linkedin für ihn und gegen den interimistischen Leiter aussprachen, dürften die sehr bald für eigene Bedürfnisse brauchen.

Mitten im Lauf gestoppt

Dabei war man so gut unterwegs. Die NZZ setzte schon brav Fragezeichen hinter eine mögliche «Vorverurteilung». St. Gallen meldet volle Unterstützung für Maisano, Spitaldirektor und Chef Kardiologie verweigern die Zusammenarbeit mit dem Whistleblower, meldet das «Tagblatt». «Viele Ärzte wollen Maisano zurück», «Unispital verletzt Fürsorgepflicht», nur zwei Titel der Kampagne in «Medinside», einer Medizinerplattform. Selbst aus der fernen Türkei drückt ein Arzt sein Missfallen über die Behandlung von Maisano aus. Alles rausgeschmissenes Geld.

«Gebt mir eine Million, und ich mache einen Kartoffelsack zum Bundesrat», soll der PR-Pionier Rudolf Farner gesagt haben. Aber er ist schon lange tot, einen geschassten Klinikchef kann Farner Consulting nicht wieder ins Amt hebeln. Obwohl alle Register gezogen wurden und vor allem Mörgeli sein Bestes gab. Was leider nicht gut genug ist. So eloquent der Totentanz-Spezialist auch in Sachen Maisano ist, eingeladen zu einer Stellungnahme schweigt er schmallippig. Schade auch, dabei könnte er heute das August-Feuerwerk um «die ins Gesicht explodierende Rakete» erweitern.

Blabla hat eine meditierende Wirkung

Zappelseibt

 

Ich rutschte sofort in den Geburts­kanal, meine Mutter musste ohne Wehen weiter pressen (aus Folge 8, ADHS-Kolumne)

Ein grosses Stück Mutterkuchen für  die «Republik» : Der Starjournalist Constantin Seibt hat eingewilligt, eine regelmässige Kolumne zu schreiben. Vielen Abonnenten der Republik war Seibt der eigentliche Grund, das Abo zu erneuern. Zu ihrem Glück befindet sich der Maestro gerade in der Spätphase der Geschwätzigkeit.

Losgelöst von jeder Aktualität schreibt Seibt nun so lokal, wie es nur geht, nämlich über sein Gehirn, und warum das nicht so gut funktioniert. Seibt hat nämlich von Onkel Doktor die Diagnose ADHS erhalten. ADHS, auch bekannt als Zappelphillipp-Syndrom, ist eine gefährliche Krankheit. Wie überhaupt alle Krankheiten mit vier Buchstaben: AIDS, ABBA, Kopf(weh).

Wer unter ADHS leidet, wird selten 100 Jahre alt. Leute mit ADHS fahren in Kontinentaleuropa häufig rechts auf der Strasse und nicken bei Texten über 5000 Zeichen ein. Ausser, sie schreiben selber Zeichenungetüme.

Krankheit ADHS

Seibt, vor Kurzem Vater geworden, leidet aber nicht nur unter ADHS. Er leidet auch unter einem falschen Körper. Normalerweise schreiben eher Frauen Blogs über ihren Körper. Zum Beispiel, wenn sie unter Schwangerschaft oder Menopause leiden.

Schon zehn Folgen hat er geschrieben, und es kommen noch viele mehr, hoffentlich. Seibt schreibt, was ihm durch den Kopf geht. Und das ist ziemlich viel. Zum Beispiel, wie er durch den Geburtskanal vom Mami durchgeflutscht ist und dass er beim «Tagi» mehr verdient hat als 99 Prozent der Menschheit.

Eigentlich gibt es bei der «Republik» bereits diverse Kontrollinstanzen. Für die Artikel von Seibt bräuchte es aber noch einen Papagei im Redaktionszimmer, der alle zehn Sekunden kräht: «Nicht lustig, nicht spannend, nicht relevant.» Denn was mit Seibt geschehen ist, macht nur traurig. Der ehemals nicht untalentierte Autor hat keinen Rahmen mehr. Der Esprit ist verloren gegangen. Wenn Seibt heute schreibt, ist das nur noch ein zäher Monolog mit ein paar Aphorismen.

Nun, ich wünsche Seibt viel Geduld mit seiner Krankheit und rate ihm zu Computerspielen, Schnapps oder Ritalin. Die beruhigen ungemein. Ich weiss das, weil ich auch ADHS habe. Seit 43 Jahren.

Wenn das Sommerloch gähnt

Und sich noch nicht mal die Hand vor den Mund hält …

Wenn Reportagen über Badeanstalten erscheinen, Leser aufgefordert werden, ihre schönsten Ferienfotos einzusenden, dann weiss man: Das Sommerloch erhebt sein hässliches Haupt.

Obwohl die Journalisten eigentlich die Einzigen sind, die darüber froh sind, dass es das Virus und die Pandemie gibt, immerhin ein Dauerbrenner, füllt das natürlich auch nicht alle Löcher.

Da kommt es wie gerufen, dass der alte Profi Kurt. W. Zimmermann mal wieder zeigt, wie man mit einem kleinen Tweet für Aufregung sorgen kann, als wär’s einer von Donald Trump. Also zwitschert er munter am 28. Juli:

«Ich habe gehört, ich sei ein Mitarbeiter eines Medienportals namens «Zackbum». Davon weiss ich nichts.» 15 Wörter, 7 Satzzeichen, und schon machen einige Männchen und verbellen einen Riesenskandal.

Keine Story ist auch eine Story

Der Chefredaktor eines Branchenblattes bittet um Aufklärung, mitsamt Deadline für die Antwort. Und auch persoenlich.com gerät ins Hyperventilieren und bittet um Klärung des Sachverhalts.

Die Sache verhält sich so, dass es keine Sache, keinen Skandal, keine Verwirrung, schlichtweg gar nichts gibt. Überhaupt nichts. Ausser dem Sommerloch. Und wenn sich das nicht die Hand vors Maul hält, dann entsteht ein Aufmacher mit dem Titel: «Verwirrung um neue medienkritische Plattform». Himmels willen, wer ist da verwirrt, sie selbst? Gibt es sie gar nicht? Ist sie schon wieder eingestellt? Hat sie mit Fake News von sich reden gemacht?

Auf jeden Fall sorge sie «schon für Aufsehen, kaum lanciert», weiss persoenlich.com. Oh, Potzblitz, megakrass, genau das will doch wohl ein neues Medium. Oder doch nicht?

Nichts von alledem. Das bekam der gewaltig recherchierende Enthüllungsjournalist von persoenlich.com auch haarklein erklärt. Dann machte er den uralten Trick: Eigentlich wäre die Story damit gestorben. Aber he, es ist Sommerloch, also bringen wir die Erklärung – in einer Story. Und da wir ja schlecht «Das ist keine Story» drüberschreiben können, zudem nicht Magritte heissen, aber eigentlich kein anderer Titel möglich ist, nehmen wir doch das gute alte «Verwirrung».

Dann versucht sich Loric Lehmann in Ironie, was aber leider nur was für Könner ist. Er kopiert einen Abschnitt aus dem Q&A von ZACKBUM.ch und fügt maliziös hinzu: «Offenbar hat aber jemand der drei im Impressum ausgewiesenen Journalisten versäumt, Kurt W. Zimmermann über seine neue Stelle als Gastautor zu informieren.»

Schenkelklopf, prust, kicher. Aber der wirkliche Lacher kommt erst. Denn Zimmi, der alte Profi, weiss, wie man mit kleinstem Aufwand grösste Wirkung erzielen kann. Er kennt doch seine Kollegen von der schreibenden Zunft, deren durchschnittlichen IQ und deren Bedarf, im Sommerloch alles zu verarbeiten, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.

Also twittert er nonchalant, dass er nix von seiner Mitarbeit bei «Zackbum» wisse. Das ist nun, wie formuliere ich das höflich, im breiteren Streubereich der Wahrheit. Denn, der Fluch des modernen Mailverkehrs, man hat fast alles schriftlich.

Kleiner Sabber-Test

Zum Beispiel, dass ich vergangenen Samstag um 7.38 Uhr, mitten in den letzten Handgriffen für den Launch, noch die Zeit fand, Zimmi ein Mail zu schreiben, in dem ich ihn darüber informierte, wie sein Name in die «Schweiz am Wochenende» geraten sei. Er wünschte dann artig viel Erfolg, und eigentlich nahm ich an, dass damit die Sache erledigt sei.

Bis Zimmi mal wieder die pavlovschen Reflexe der Journalisten testen wollte. Kleiner Scherz-Tweet, grosse Wirkung, es wird gesabbert.

Randnotiz: Aufhebens um unsere zweite Medienmitteilung zu machen, dass wir schon im ersten Tag der Existenz von der «SonntagsZeitung» das Eingeständnis einer Falschmeldung erwirkten, die in der nächsten Ausgabe richtiggestellt wird? Aber nein, «Relevanz?», mokiert sich der gleiche Journalist, der diesen Pipifax hier für ungeheuer relevant hält.

Es ist ja leider so: Das Umfeld, die Einnahmen, die Zukunft, alles etwas eingetrübt im Journalismus. Aber es ist ja nicht nur exogen; viele Journalisten betätigen sich zudem als Totengräber ihrer Zunft.

SoZ: Tief gesunken

Erst ein Tag alt, schon erste Gegendarstellung nötig

 

Der Niedergang des einstigen Qualitätstitels «SonntagsZeitung» ist unaufhaltsam. Immer weniger Inhalt, immer weniger Qualität, immer mehr verludernde Sitten. Bis hin zum Austragen von Privatfehden.

Fertigmacherjournalismus aufgrund gestohlener Geschäftsunterlagen im Fall Bastos. Veröffentlichung von angefütterten Dokumenten im Fall Vincenz. Beides wurde von mir 2019 öffentlich scharf kritisiert.

Daraufhin feuerte der «Tages-Anzeiger» eine Breitseite gegen mich ab: «Das doppelte Spiel eines Wirtschaftsjournalisten». Eine ganze Seite Rachefeldzug.

Im Vorfeld wurden mir zum Teil unverschämte Fragen gemailt, die ich öffentlich beantwortete. In der vergeblichen Hoffnung, damit ein weiteres solches Stück zu vermeiden.

Dreamteam Brönnimann Rutishauser

Als Autorenteam zeichneten Christian Brönnimann und Arthur Rutishauser. Brönnimann war verantwortlich für die Kampagne gegen Bastos. Rutishauser war von mir mehrfach kritisiert worden, wieso er sich von der Staatsanwaltschaft im Fall Vincenz mit Interna abfüttern liess, die er dann als «exklusiv» und sich auch auf die ewigen anonymen Quellen berufend, publizierte.

Obwohl ich selbst und die immerhin angefragten Firmen strikt verneinten, dass ich mich mit finanziellen Forderungen oder mit Beratungsangeboten an sie gewandt hatte, behauptete Tamedia dennoch – «bestätigen drei voneinander unabhängige Personen», die natürlich anonym bleiben mussten – das Gegenteil. Um diesem üblen Stück nicht noch mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, verzichtete ich auf Schritte gegen diese Unterstellungen. Vielleicht ein Fehler.

Aber offensichtlich ist man weiterhin nachtragend im Hause Tamedia. Während früher nur Banken alle meine öffentlichen Äusserungen unter die Lupe nahmen, ob sich da etwas finden liesse, was man gegen mich verwenden könnte, macht das nun die ehemalige Qualitätszeitung SoZ. Lange Monate vergeblich, aber nun meinte man, etwas gefunden zu haben.

Stümper am Werk

In der Spalte «Bürohr», wo anonym Gerüchte verbreitet und Behauptungen aufgestellt werden, glaubt man, mir eine reinbrennen zu können. Nur: Zum allgemeinen Niedergang der SoZ gehört auch, dass nur noch schlampig recherchiert wird, wenn überhaupt.

Der Anlass ist eigentlich nichtig, wenn es nicht so komisch wäre. Denn hier behauptet die SoZ, ich hätte zur Genese des Namens unserer Medien-Show auf einen Geniestreich verwiesen, der Beni Frenkel berührt habe; damit sei der Name gesetzt gewesen. In Wirklichkeit sei das ein alter Hut, behauptet die SoZ, «denn Frenkel liess den Domain-Namen zackbum.ch schon im Mai 2009 auf sich eintragen».

Liebe Anfänger und Stümper im Hause Tamedia: Ich gebe zu, das Internet gibt es noch nicht so lange, da muss man sich ja erst dran gewöhnen. Dem Recherschör war dann nichts zu schwör, er schaffte es in einer journalistischen Meisterleistung, Beni Frenkel als Besitzer des Domain-Namens aufzuspüren. Bravo.

Nur: Bei jedem Domain-Namen steht normalerweise, wann er zuerst registriert wurde. In diesem Fall tatsächlich im Jahr 2009. Tatä? Leider nein, denn er wurde damals nicht von Frenkel registriert. Der ihn sich deswegen, nach seinem Geniestreich in diesem Jahr, vom bisherigen Besitzer besorgen musste.

Was lernt man daraus? Die Kollegen von der SoZ lernen nichts. Deswegen kriegen sie nun eine Gegendarstellung reingepfeffert, denn nur aus Schaden wird man klüger. Wie könnte sich das äussern? Nun, indem man seinen journalistischen Muskel nochmal angespannt hätte und sich bei Frenkel erkundigt, ob er nicht schon seit 2009 Besitzer dieses Namens sei. Aber auch da gilt offenbar: lass dir eine gute Anekdote ja nicht durch die Wahrheit totrecherchieren.

Wie es die SoZ oder Tamedia begründen kann, für solchen Stuss auch noch Geld zu verlangen, das wird immer mehr zu deren wohlgehüteten Geheimnis.