Es ist nie an der Zeit für persönliche Rachefeldzüge

Und schon gibt’s Zoff bei ZACKBUM.CH.  Jenny Furer kritisiert René Zeyer ganz schön hart.

Als Zackbum gestartet ist, habe ich mich gefreut. Ehrlich und aufrichtig. Ein Online-Medium, hinter dem keine Geldgeber stecken und das unverblümt die Schweizer Medienbranche ins Fadenkreuz nimmt. So etwas braucht die Schweiz. Schliesslich sollen Verlegerinnen und Verleger sowie Journalistinnen und Journalisten nicht schalten und walten, wie sie wollen.

Als meinungsbildende und demokratierelevante Institutionen gehören sie konstruktiver Kritik ausgesetzt. Wo wir beim Punkt wären. Konstruktiv bedeutet eben nicht, dass persönliche Empfindungen und Sympathien die Basis bilden, um zu Frontalangriffen auszuholen. Womit wir bei unserem Autor René Zeyer sind.

René Zeyer ist zweifelsohne ein begnadeter Schreiberling mit langjähriger Erfahrung in der Medienbranche. Seine Talente lässt er aber missen, wenn er alleine bis Anfang September zehn Mal gegen Pascal Hollenstein, Leiter Publizistik bei «CH Media», ausholt oder wieder einmal im Stil einer persönlichen Abrechnung gegen Andreas Tobler von Tamedia oder Simone Meier von «Watson» wettert. Oder die «Weltwoche», in der er selber schreibt, unkritisch bejubelt.

Es geht in keinster Weise darum, dass Zeyer sich nicht das Recht herausnehmen darf und soll, seine Ansichten zu verbreiten. Meinungen beleben die Debatte. Aber wie heisst es so schön: der Ton macht die Musik. Und in Zeyers Fall eben auch die richtige Dosis.

Wer so häufig auf die gleichen Zielscheiben schiesst, verliert seine Glaubwürdigkeit. Durchaus berechtigte Kritik kann so schnell einmal dem Gefühl weichen, es handle sich um einen persönlichen Rachefeldzug alleine aufgrund nicht vorhandener Sympathien.

Kritik an Journalistinnen und Journalisten verliert so an Glaubwürdigkeit. Sie wird nicht mehr als wichtiges Instrument zur Überwachung der vierten Gewalt angesehen, sondern als Streiterei und Stichelei unter der schreibenden Zunft.

Glaubwürdig ist, wer konstruktiv austeilt – und zwar dort, wo ausgeteilt werden muss und dann, wenn ein Schlag in die Magengrube des Kontrahenten angezeigt ist. Es ist nur fair, um bei der Metapher des Boxkampfes zu bleiben, wenn nicht nur und durchgehend auf den gleichen Gegner eingehämmert wird. Das verstösst nicht nur gegen die Regeln, sondern disqualifiziert den Austeilenden beim Publikum selbst. Er ist es dann, der als unkontrollierbarer Aggressor wahrgenommen wird.

Ein konstruktiver Kritiker darf durchaus seine politische Gesinnung zum Ausdruck bringen, muss es aber nicht und vor allem nicht permanent. Wer nämlich letzteres tut, läuft Gefahr, jegliche Kritik auf Basis politischer Sympathien vorzunehmen. Das raubt dem berechtigten Anliegen seine Legitimation.

Natürlich könnte man mir vorwerfen, dass es auch von mir unfair ist, mit meiner Kritik auf René Zeyer zu spielen. Doch das Versprechen von ZACKBUM.ch ist es schliesslich, «hart auszuteilen und problemlos einzustecken». Dass dieser Text auf dieser Plattform erscheinen darf, beweist immerhin: Die Macher rund um Zeyer haben auch Nehmerqualitäten.

Jenny Furer schreibt unregelmässig für ZACKBUM.CH. Die 25-Jährige arbeitet seit März 2020 als Reporterin beim News-Team von «Bluewin». Sie ist als Berichterstatterin an den Zürcher Gerichten, am Bundesstrafgericht, am Bundesgerichten, sowie an den Gerichten Luzern, Bern, Thurgau und St. Gallen akkreditiert. Vor Bluewin arbeitete sie unter anderem bei «20 Minuten» und den Zürcher Oberländer Medien.

Packungsbeilage: Die ZACKBUM-Redaktion hat diesen Meinungstext eine Weinflasche lang diskutiert. Und im Sinne von «Wer austeilt, muss auch einstecken»,  einstimmig freigegeben. René Zeyer zeigt damit eine seiner weiteren Stärken – nämlich Gelassenheit. Trotzdem und nach Richtlinie 3.8 des Journalistenkodex (Anhörung bei schweren Vorwürfen) hier die (verkürzte) Stellungname des Kritisierten. René Zeyer legt Wert darauf, dass er Hollenstein bisher lediglich 7 mal erwähnt habe. «Jeweils begründet durch ein klar argumentiertes Fehlverhalten».  Und dass an der Abrechnung mit Andreas Tobler etwas persönlich sein soll, stellt Zeyer ebenfalls in Frage. «Stimmt ein einziger meiner Vorwürfe nicht? Hatte er keine Gelegenheit, etwas darauf zu erwidern?», so Zeyer. Und wenn Simone Meier schreibe, Hitler hätte die Juden gecancelt? Das ist für Zeyer definitiv keine persönliche Abrechnung, sie aufs schärfste dafür zu kritisieren.  Und schliesslich «Weltwoche» unkritisch bejubelt. «Das ist reiner Schwachsinn, in meiner dreiteiligen Serie über die Berichterstatttung zum Skandal an der Herzklinik Zürich habe ich Christoph Mörgeli (und mit ihm die WeWo) kräftig abgewatscht. Und wenn das Blatt in diesen Zeiten einen 12-seitigen Kulturteil unter fachkundiger Leitung aus dem Boden stampft, dann verdient das höchstes Lob.»  Ende der Durchsage.

Das «Forum» ist ein Brei

Seit rund 30 Jahren regieren sogenannte Forumszeitungen unsere Medienlandschaft.

Wer glaubt, damit seien Ideologien überwunden und objektiver Journalismus endlich an der Macht, ist ein hoffnungsloser Romantiker.

Es ist viele Jahre her. Ich sass in einem Café irgendwo im Fürstentum Liechtenstein, weil ich Zeit vor einem Termin totschlagen musste. Vor mir lagen die beiden Tageszeitungen des Ministaates. Und die schienen direkt einem Monty-Python-Sketch entsprungen. Beide Zeitungen berichteten nämlich mit Bilderseiten über einen politischen Anlass. Das «Vaterland» zeigte allerdings peinlich genau nur die einen Protagonisten der «richtigen» Partei, das «Volksblatt» die anderen. Es gab buchstäblich keinen politischen Gegner in einem der beiden Blätter. Man musste die Seiten nebeneinanderlegen, um einen vollständigen Überblick zur Veranstaltung zu haben und zu wissen, wer wirklich da war. Nordkorea light.

Die nackte Wahrheit?

Das war ziemlich absurd. Es war aber bis in die 90er-Jahre in der Schweiz ähnlich. Die freisinnige Presse hier, die konservative dort, ein Nischenpublikum wurde mit den diversen linken Blättern abgefeiert, die inzwischen fast alle zugrunde gegangen sind. Mit Journalismus hatte das im Grunde nichts zu tun, und so scheint es ein Grund zur nachträglichen Feier, dass danach die «Forumszeitungen» kamen. Die Blätter, die sich von Parteibüchern lösten und sagen wollten, was wirklich war, unbesehen von Empfindlichkeiten des Hauspublikums. Kein Gelübde mehr an CVP oder FDP, nur noch die nackte Wahrheit. Das wollten sie uns liefern, diese Forumszeitungen.

Rund 30 Jahre später muss man sich die Frage stellen: Tun sie das wirklich? Und sind wir echt besser dran?

Denn damals konnte der Zeitgenosse, der sich frei von jeder Ideologie informieren wollte, sein Bedürfnis mit dem Kauf von zwei Zeitungen befriedigen. Das war zwar umständlich und kostspielig, aber das Resultat stimmte: Man hatte den Überblick. Heute kann der Leser in aller Regel nur noch ein Blatt kaufen und ist diesem dann völlig ausgeliefert. Und der Begriff «Forum» ist ziemlich grosszügig. Er stimmt nur, wenn wir davon ausgehen, dass die Redaktion in sich bereits ein Forum bildet. Was sie selten tut. Denn nach wie vor sitzen dort Ideologen. Nur dass sie früher wenigstens zweifelsfrei identifizierbar waren.

Früher herrschte Transparenz

Im Fall der Regionalzeitungen haben schweizweit die freisinnigen Titel den Konkurrenzkampf tendenziell gewonnen. Die einst freisinnigen Titel jedenfalls. Heute schwingt in den meisten von ihnen so viel Freisinn mit wie in einer Basler Mehlsuppe Fleisch schwimmt. Im Unterschied zu früher kann man das Blatt allerdings nicht mehr einfach wechseln, weil es kein anderes gibt. Wir haben also «Forumszeitungen», die wie ehedem einen klaren Kurs fahren, diesen aber nicht deklarieren. Früher herrschte wenigstens Transparenz. Wer das «Liechtensteiner Vaterland» zur Hand nahm, wusste glasklar, was ihn erwartete. Heute fehlt das Preisschild.

Keine Marktplätze der Meinungen

Wer «Forum» sagt, denkt an einen Marktplatz der Meinungen. An einen knallharten Austausch der Argumente, der es dem Leser ermöglicht, sich ein Bild zu machen. Corona hat uns eines Besseren belehrt. Ausgetauscht wurde in den meisten Zeitungen gar nichts, nur «vermittelt» – und zwar der aktuelle Stand des Irrtums des Bundesamts für Gesundheit. Tag für Tag. Was nicht dazu passte, wurde aussortiert. In Zeiten der Parteipresse hätte es wenigstens die minimale Chance gegeben, dass es eine der zwei Seiten anders sieht und Gegensteuer gibt. In Zeiten der «Forumszeitungen» hingegen ist alles über einen Kamm geschert. Denn der Begriff Forum wird nicht als Plattform der Debatte gedeutet. Sondern eher in die Richtung: «Welche Haltung nützt mir am meisten bei der nächsten Runde in der Medienförderung?»

Da liegt viel Ironie drin. Man war vor 30 Jahren ernsthaft überzeugt, dass das Ende der Parteienpresse zu einem Aufschwung der Meinungsvielfalt führt. Pustekuchen. Die wirtschaftlich stärkeren Titel haben die anderen weggefegt, ihre Monopole gesichert und scheren sich nun einen Deut um die offene Debatte. Die ist nämlich ziemlich lästig. Sie verkünden stattdessen wie früher ihre Wahrheit – nur dass sie inzwischen alleine sind damit und es keine Alternativen mehr gibt.

 

Von Stefan Millius, Chefredaktor «Die Ostschweiz».

Packungsbeilage: ZACKBUM.ch-Redaktor René Zeyer publiziert dort regelmässig.

Mit zugehaltener Nase zu lesen

Mir wurde geraten, die Tweets von Jolanda Spiess-Hegglin anzuschauen. Das hätte ich nicht tun sollen.

Nach den ersten drei, vier Duftmarken wollte ich eigentlich einen resümierenden Kommentar schreiben. Aber dann wurde es mir übel; daher lasse ich es bei einer kommentarlosen, repräsentativen Zusammenstellung bewenden. Mitsamt den «usual suspects», die Spiess-Hegglin gerne retweetet.

So sieht also die Respektierung von Menschenwürde und Privatsphäre aus. Diese selbstgerechte Heuchelei verfault in der Gesinnungsblase unter Luftabschluss:

Das Geschäftsmodell Iso Rechsteiner

Keystone-SDA macht es klassisch. Man hält sich einen externen Kommunikastionsspezalisten.

Immer, wenn Keystone-SDA Jobstreichungen verkünden oder einen Fehler eingestehen muss, ist Iso Rechsteiner zur Stelle. Er ist der Mann fürs Grobe. Dabei war der 53-Jährige nur als Übergangslösung nach der Fusion der Nachrichtenagentur SDA mit der Fotoagentur Keystone gedacht. Noch vor gut zwei Jahren liess Keystone-SDA verlauten, man suche eine Fachperson für die interne und externe Kommunikation. «Wir sind kein Unternehmen mehr, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit agiert. Wir merkten, dass ein Unternehmen in dieser Art und mit dieser Öffentlichkeit einen Profi innerhalb der Gruppe braucht», sagte damals Ueli Eckstein, Verwaltungsratspräsident der Keystone-SDA, gegenüber persoenlich.com. Gerade während der Transformationsphase müsse jemand im Unternehmen verankert sein. «Für einen externen Berater ist das schwierig, er muss sich sämtliche Informationen beschaffen.»

Keine überzeugenden Erfahrungen

Doch die verpflichtete Inhouse-Lösung, Nadine Schumann-Geissbühler, ging schon während der Probezeit wieder. Nun zauberte man allen Beteuerungen zum Trotz wieder Rechsteiner aus dem Hut. Warum dieser Salto rückwärts?  ZACKBUM.ch hat nachgefragt. Auskunft gibt Jann Jenatsch, stellvertretender Geschäftsführer und ehemals Chef der nun mit der Schweizerischen Depeschenagentur fusionierten Fotoagentur Keystone. Grund seiner Stellungnahme: «Normalerweise ist Iso Rechsteiner für die externe Kommunikation zuständig. Da sich Ihre Fragen jedoch auf seine Person beziehen, beantworte ich für einmal die Anfrage». Tatsächlich sei die Stelle vor zwei Jahren ausgeschrieben und auch besetzt worden. «Die Erfahrungen mit der internen Lösung waren jedoch nicht überzeugend. Aus diesem Grund stützen wir uns bei der Kommunikationsberatung wieder auf Iso Rechsteiner», so Jenatsch. – «Falls die Stelle noch nicht besetzt ist: könnte es sein, dass der bislang mit dem Mandat beauftragte Iso Rechsteiner gar kein Interesse hat, etwas an der Situation zu ändern, weil er so sein Mandar behält?» Nochmals Jenatsch: «Wir haben kein Interesse daran, an dieser Situation etwas zu ändern. Die Zusammenarbeit ist gut eingespielt und hat sich bewährt.»

Ein Beispiel für die klassischen Seilschaften

Experten beurteilen eine solche Lösung also durchaus erfolgreich. Gerade bei Keystone-SDA, wo harte Sparrunden und Entlassungen anstehen, macht eine externe Lösung Sinn. Die Wut und der Frust der Mitarbeitenden entlädt sich zwar oft am Überbringer der schlechten Botschaft – dieser ist wie im Fall von Iso Rechsteiner aber schnell wieder weg, und ist in der Firma nicht fassbar.

Rechsteiner soll’s recht sein. Er ist seit gut zwei Jahren Partner in der PR-Agentur Kommunikationsplan. Vorher stand der studierte Germanist und Theologe viele Jahre im Dienste der SRG. Er war Leiter Regionalredaktionen Schweizer Radio DRS und Direktor Schweizer Radio DRS. Eigentlich logisch, gehören nun zu den Kunden von Kommunikationsplan neben Keystone-SDA die SRG, SRF, die schweizerische Post, Verbände von öffentlichen Institutionen, sowie der Werbevermarkter Admeira. Es sind die klassischen Seilschaften. Wie sagte es Jann Jenatsch: «Die Zusammenarbeit ist gut eingespielt und hat sich bewährt.»

Geld her, oder …

Wer sagt das? Richtig geraten, natürlich die «Republik».

In den guten alten Zeiten hätte das die NZZ einen «ordnungspolitischen Zwischenruf» genannt. In den schlechten aktuellen Zeiten stösst den die «Republik» aus. Denn es geht mal wieder ums Geld.

Um die Verteilung von Geld, genauer gesagt: von Steuerfranken. Und wenn es um leistungsunabhängige Finanzierung geht, dann ist die «Republik» aus Prinzip dafür. Also macht sie das, was sie am besten kann.

Nämlich den Dreisprung. Erster Hopser: Die Lage ist ernst und kritisch. Zweiter: Wir trotzen den widrigen Umständen. Dritter: dafür brauchen wir alle Kohle, die wir kriegen können.

Zusammenbrechendes System

Deshalb wendet sich die Dame der «Republik»-Verlagsetage an die «sehr geehrten Damen und Herren in der Verlagsetage». Nicht an «Ladies and Gentlemen», daran merkt man, dass Seibt nicht der Ghostwriter war. Wobei, mit 9500 Zeichen hat das Schreiben doch die übliche Überlänge.

Was will uns also die Präsidentin des Projekts R sagen? Nun, sie vollführt den Dreisprung. Erster Teil: «Schliessungen, Entlassungen, Fusionen als Folge von Spar­runden und Konkursen. Das System bricht vor unseren Augen zusammen.» Hui, das ist übel.

Aber vielleicht gibt es Hoffnung: «Der Strukturwandel findet statt – und es ergibt keinen Sinn, die bestehenden Medien einfach durchzufüttern.»

Bestehende und fast nicht bestehende Medien

Genau, und da die «Republik» schon mehrfach ein fast nicht mehr bestehendes Medium war, ist sie besonders dazu berufen, sich klar für staatliche Subventionen auszusprechen.

Davor macht aber die Präsidentin noch einen Ausfallschritt. Denn: «Die Republik ist kein Beweis, dass es keine Online-Förderung braucht.» Schlimmer noch: «Das Beispiel ist Unfug.» Sehr wahr, werden da die Spender und Abonnenten der «Republik» sagen.

Nun werde das Subventionspaket demnächst im Nationalrat verhandelt, und vorher hat die zuständige Kommission «überraschend» beschlossen, die Online-Förderung abzukoppeln. Falls das der Nationalrat so durchwinkt, wäre «das ein harter Schlag für die Zukunft der Medien­branche».

Will die «Republik» denn Staatsknete?

Aber eigentlich für die «Republik», denn die habe sich das «ehrgeizige Ziel» gesetzt, eine Erneuerungsrate der Abos von 75 Prozent zu erreichen, was gleichzeitig bedeutet, ein paar tausend Neuabos reinzuholen.

Also bislang ging das Erreichen ehrgeiziger Ziele nie ohne Bettelaktion ab, können da die Sympathisanten der «Republik» aufatmend das Portemonnaie stecken lassen, weil dann Staatsknete flösse, sollte der Nationalrat auf die «Republik» hören und die Online-Subventionierung wieder ins Paket nehmen?

Jetzt kommt der Clou, statt des dritten Sprungs gibt’s eine Bauchlandung: Würde die «Republik» denn solche Subventionen annehmen? Da «sind wir noch völlig unentschieden».

Ein uneigennütziger Kampf

Au weia, sagt sich der vorausschauende «Republik»-Unterstützer, bis diese Unentschiedenheit ausgeräumt ist, komme wieder ich an die Kasse. Womit er wohl Recht hat.

Denn die Verlagsetage der «Republik» ist völlig uneigennützig. Sie kämpfe für die Online-Subventionen «nicht unsertwegen. Sondern weil die Medien das Paket brauchen. Und die Demokratie die Medien». Wobei es bekanntlich nur ein Medium gibt, das die Demokratie sogar retten kann. Aber nur ungern mit weniger als 10’000 Zeichen.

Unsere Tugend-Taliban

Das ist kein Kalauer, sondern echte Besorgnis

Eine masslose Übertreibung, zugespitzt, überspitzt? Keineswegs. Im verzweifelten Versuch, die Lufthoheit in der öffentlichen Meinungsbildung zu behalten, sind inzwischen fast alle Mittel erlaubt. Alle, von denen wir uns mühsam in den letzten Jahrhunderten getrennt haben.

Zunächst die fallengelassene Unterscheidung zwischen Mensch und Meinung. Wer Ansichten äussert, die anders, provokativ, vielleicht sogar falsch sind, von fehlenden Kenntnissen zeugen, der sollte auf Widerrede stossen. Auf Gegenargumente.

Stattdessen werden angebliche Haltungen, Auffassungen, die ganze Wesensart kritisiert. Nach dem primitiven Muster: Wer das sagt, ist (hier kann Rassist, Hetzer, Populist, Unmensch, Kommunist, Faschist oder was auch immer eingesetzt werden). Vermeintlich werden damit zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Es müssen keine Gegenargumente gesucht, der so Kritisierte kann aus dem öffentlichen Diskurs ausgeschlossen werden.

Dann der Rekurs auf angeblich unbezweifelbare Werturteile. Der fatale Ersatz von richtig oder falsch durch gut oder böse. Es gibt keine Letztbegründung für moralische Werturteile; wer das Gegenteil glaubt, könnte sich gleich für die Wiedereinführung der Inquisition stark machen.

Statt echten Problemen Sprachreinigung

Als Drittes die Dialogverweigerung, wenn der andere nicht aus sogenannter persönlicher Betroffenheit sprechen kann. Nur Schwarze dürfen ermessen, was Rassismus gegen Schwarze ist. Nur waschechte Mexikaner dürfen einen Sombrero tragen, sonst ist das kulturelle Aneignung. Nur Frauen dürfen mitreden, wenn es um Feminismus oder um die Unterdrückung durch patriarchische Strukturen geht.

Dann wird einer Wehleidigkeit und Sentimentalität gefrönt, die in den übelsten Zeiten der Innerlichkeit nicht vorhanden war, als ein zu lautes Wort schon zu Tränen führen konnte. Moderner sind das Mikroaggressionen, kleinste Verletzungen des Wohlbefindens. Wobei nur und ausschliesslich der Verletzte das Recht hat, das zu beklagen. Der Täter kann sich niemals herausreden, indem er behauptet, dass da gar keine Verletzung sichtbar wäre.

Hinzu kommt die wohlfeile Verlagerung von eingebildeten oder echten Problemen auf Sprachprobleme. Männersprache, weisse Sprache, Unterdrückersprache, hier muss ausgemistet werden, am falschen Wort erkennt man die falsche Meinung, dahinter die falsche Haltung. Also hinweg mit dem Wort. Oder hinweg mit der angeblich männlich dominierten Syntax und Grammatik, auf zur Verunstaltung der Sprache, wie sie nicht einmal Orwell erahnte.

Geradezu faschistisch ist das Bedürfnis nach Reinigung. Der Ausmerzung von allem Schlechten. Vor allem dort, wo sich keiner mehr wehren kann: in der Vergangenheit. Filme, in denen gequalmt wird, was die Lunge hergab: zensieren oder verbieten. Anstössige Textstellen, auch in Klassikern der Weltliteratur: ausmerzen oder mindestens mit Kommentaren und Warnhinweisen versehen.

Denkmäler stürzen wie bei Bilderstürmen

Und schliesslich kulminiert dieser Wahn im Bildersturm, in der Forderung, Denkmäler zu stürzen, Plätze und Strassen umzubenennen. Wenn Namen von angeblichen Rassisten, Befürwortern der Sklaverei, von Generälen der falschen Seite, also den Verlierern, das Auge des sensiblen Betrachters beleidigen.

Thomas Jefferson soll unsterbliche Zeilen über fundamentale Menschenrechte formuliert haben? Mag sein, aber er war ein verdammter Sklavenhalter, weg mit ihm. Platon soll irgendwelche Sachen über Philosophie gesagt haben? Aber auch er hatte Sklaven, und dann die Knabenliebe, weg mit ihm. Karl Marx soll ein paar interessante Sachen über die Ökonomie herausgefunden haben? Aber war der nicht Antisemit, und dann hatte er auch noch ein Verhältnis mit seiner Dienstmagd. Weg mit ihm.

Der Rütlischwur der drei Eidgenossen? Gab’s den wirklich, und wieso war kein Schwarzer dabei, auch keine Frau? Rassisten und Patriarchen, weg damit.

De Pury, Agassiz, Escher, General Guisan, ja selbst Dunant, Pestalozzi oder Rousseau hatten bei genauerer Betrachtung dunkle Flecken auf der weissen Weste. Weg damit. Gandhi? Ein übler Rassist. Wo soll dieser Wahnsinn enden? Im Wahn, aber niemals in einer sinnvollen Verbesserung des Menschen, der Welt oder der Geschichte.

Aber auf dem Irrweg dorthin sollen die wenigen Errungenschaften, die uns aufgeklärte Europäer vor Finsternis, Dummheit, Glaubensdoktrinen als Ersatz für Erkenntnisse, vor dem Rückfall in absolutistische Zeiten, in Meinungsterror schützen, wieder über Bord geworfen werden. Dagegen muss sich jeder wehren. Mit allen Mitteln. Mit aller Stimmkraft. Denn so lieb und sensibel nur um die Förderung des Besseren bedacht diese intellektuellen Terroristen auch daherkommen: Sie sind unsere Tugend-Taliban, nur ohne Bart und Turban.

Was ist älter?

Darum streiten sich Newsverbreiter und Prostituierte.

Allerdings war und ist der Unterschied häufig nur ein gradueller. Reisereportagen: Undenkbar ohne die Mitwirkung von Reisebüros, Fluglinien und Hotels. Und wenn der nette Herr von Autovermieter den Schlüssel für den Mietwagen vorbeibringt, dann wird er nicht einfach so im Artikel erwähnt.

Gleiches gilt auch für Autoberichte. Vielleicht wird gemäkelt, dass der Aschenbecher zu klein ausgefallen ist oder billiger Plastik verarbeitet wurde. Aber selbst solche angetäuschten Kritiken werden wieder eingefangen, indem als mildernder Umstand «in dieser Preisklasse» angeführt wird.

Wieso kommt einem vieles bekannt vor?

Gleiche gilt auch für Kosmetika. Was «Ihre Beauty-Redaktorin» absolut spitze findet, hat meistens nichts mit der Qualität des Produkts zu tun, sondern mit einem grösseren Inserat, das es bewirbt.

Wieso kommt Lesern von mehr als einer Tageszeitung vieles so bekannt vor? Ganz einfach, ihre Leibblätter haben alle die SDA verwendet, die einzig überlebende Schweizer Nachrichtenagentur. Oder aber, sie haben gleich den fertig angelieferten Pressetext der interessierten Firma übernommen.

Da immer mehr Journalisten ihr Heil in Corporate Communication oder in PR suchen, wissen sie ja, wie’s der Redaktor gerne mag. Und falls er nicht mag, wozu hat man die Telefonnummer des Chefredaktors.

Es braucht geschicktes Vorgehen

Dem muss man psychologisch geschickt klarmachen, dass für das Sponsoring des Wettbewerbs, für viele Leser-Blatt-Bindungsmassnahmen schon erwartet werden kann, dass Anliegen des Spenders nicht ignoriert werden. «Ohne mich in die unabhängige und nur nach professionellen Kriterien entscheidende Redaktionsarbeit einmischen möchte», so enden diese Telefonate meistens.

Beide Seiten kichern dann vor sich hin, nachdem sie den Hörer aufgelegt haben. Auch psychologisch geschickt, damit der Redaktor nicht «Zensur!» kräht, muss der Chefredaktor immer wieder missliebige Storys abschmettern. Am besten funktioniert das schon in der Themenkonferenz. «Das interessiert doch keinen, das verstehen unsere Leser nicht, das ist aber sehr einseitig, ich sehe da keine Story», das ist hier der Vierklang der Gründe.

Manchmal gibt es aber verstockte Redaktoren, die nicht einsehen wollen, wer denn eigentlich ihr üppiges Salär zahlt, und störrisch an ihrer Idee festhalten wollen. Das ist dann die Gelegenheit für den Chefredaktor, im Einzelabrieb etwas deutlicher zu werden. Oder aber, die Gelegenheit beim Schopf zu packen, um den schon etwas älteren Redaktor darüber zu informieren, dass leider alle den Gürtel enger schnallen müssen, und da fange man bei ihm an.

Nach der Entlassung ist vor der Mutrede

Nach einer Entlassung ergreift der Chefredaktor dann die nächste Sitzung als Gelegenheit, alle wieder darauf hinzuweisen, dass unter seiner Führung niemals andere als journalistische Kriterien angewendet werden: «Wir schreiben hier für unsere Leser, auch in schwierigen Zeiten.» Damit beendet er normalerweise seinen Kurzvortrag. Schaut sich danach aufmerksam um; wer grinst, wer nickt gläubig, wer tuschelt? Das notiert er sich, es wird seine Auswirkungen auf die Reihenfolge haben, wie Leute gefeuert werden.

Ebenso ist es eher selten, dass die Lifestyle-Redaktorin jemals ein anderes Kleid, ein anderes Produkt, einen anderen Trend anpreist, als die, mit denen sie die Inserateverkäufer gefüttert haben.

Targeting, Native Ad, Branded Content; wenn auch nur auf Englisch, immerhin sind die Verlage noch erfinderisch, wenn es um neue Namen für eine alte Sache geht. Auch das ist der Prostitution sehr ähnlich. Strassenstrich, Bordell. Pfui, warum nicht Escort Service, Traumlandschaft für erotische Fantasien?

Aufgetakelte Wörter, gleiche Handlungen

Aber mit viel Hirnschmalz aufgetakelte Wörter ändern nichts daran, dass es sowohl bei der Prostitution wie im Journalismus um das Gleiche geht: Mach die Beine breit, gibt dem Kunden das Gefühl, er sei der Allergrösste – und kassiere so diskret wie möglich.

Wenn ein Journalist mit ernstem Gesicht sagt: Niemals wurde ich zensiert, niemals wurde eine Storyidee aus windigen Gründen abgelehnt, dann lügt er so wie die Nutte, die ihrem Freier sagt: So schön wie mit dir war’s mit keinem, und was für ein Gemächt du hast.

5G: NZZ am Sonntag lässt sich einspannen

Im Wirtschaftsteil schreibt ein Redaktor für die 5G-Lobby.

Am Sonntag gönnte sich Armin Schädeli, stellvertretender Leiter der Swisscom-Medienstelle, ein zusätzliches Glas Fruchtsaft. Heute gab es etwas besonderes zu feiern. Eine ganze Seite berichtete die NZZ am Sonntag über eines seiner Herzensanliegen. Die rasche Einführung des 5G-Standards beim Handynetz.

«5G-Technologie hilft dem Klimaschutz», lautet der Titel. Der Lead sorgt für noch mehr Klarheit: «Der neue Mobilfunk ist viel energieeffizienter und bringt Anwendungen, die den CO2-Ausstoss senken». Autor Jürg Meier zitiert dazu eine Studie von der Uni Zürich und der Empa. «Dabei arbeiteten sie mit dem Wirtschaftsverband Swiss Cleantech und der Swisscom zusammen, welche die Studie auch finanziert hat». Wenigstens war der Autor ehrlich.

Nun kommen Tausende von Zeichen mit Lobhudelei, welche die Agentur Farner Consulting nicht besser hingekriegt hätte. Der Unterschied: Jene PR-Bude hätte sich fürstlich bezahlen lassen a) für das Texten und b) fürs Platzieren im redaktionellen Teil. Ob bei besagtem Artikel von Jürg Meier auch Geld geflossen ist, wäre natürlich eine gemeine Unterstellung und völlig unbeweisbar.

Tatsache ist, dass die NZZ am Sonntag mit diesem Artikel elementare Grundsätze des Journalismus über Bord geworfen hat. Null ausgewogen, keine Kritiker angehört. Diese kamen nur mit dem bösartigen Nebensatz zu Wort: «In Internetforen ist etwa zu lesen, 5G habe die Verbreitung des Coronavirus begünstigt». Fair ist anders.

Aber die Swisscom freuts. Als Grossinserent, so wie Coop das auch ist. Was hat jetzt das wieder miteinander zu tun? Swisscom und Coop haben den gleichen Verwaltungsratspräsidenten. Hansueli Loosli. Das ist aber wieder eine andere Geschichte.

Zurück zur NZZ am Sonntag und zu ihrer Gefälligkeit. Als Anriss im Wirtschaftsteil steht sogar «Die 5G-Technologie ist nicht nur blitzschnell – sondern auch sehr klimafreundlich». Der Blattmacher hat noch einen draufgegeben. Gratuliere.

Nichts als die Wahrheit

Wie die Medien Ruf und Ansehen verspielen.

Als die sowjetische «Prawda» noch die grösste Zeitung der Welt war – zumindest die auflagenstärkste –, machte sich die freie Presse des Westens zu Recht darüber lustig, wie in der «Wahrheit» die Realität umgebogen wurde.

Wie in «Neues Deutschland», wie in der «Rudé právo», wie in unzählige Zeitungen der herrschenden kommunistischen Partei gab es eigentlich nur drei Arten von Nachrichten. Sehr gute aus dem sozialistischen Lager, schlechte aus dem kapitalistischen, und ganz schlechte aus den USA.

Diesem Ordnungsprinzip folgen heute im Wesentlichen nur noch «Rodong Sinmun», die «Arbeiterzeitung» von Nordkorea, oder «Granma», benannt nach der Yacht, mit der Fidel Castro in Kuba anlandete, um den erfolgreichen Guerillakampf gegen Diktator Batista zu beginnen.

Revolutionär: Leserbriefe

Selbst die chinesische «Rinmen Ribao» verlässt gelegentlich den Pfad der Tugend und wagt tatsächlich Kritik an Parteifunktionären. Das liegt auch daran, dass in Nordkorea und auf Kuba die Parteizeitungen weiterhin das Monopol der Informationsvermittlung auf Papier innehaben.

Geradezu revolutionär lässt die «Granma» seit einiger Zeit sogar Leserbriefe zu, selbst solche, in denen Kritik an den vielen Defiziten des Systems geäussert werden darf. Geradezu investigativ werden dann die zuständigen Parteibonzen damit konfrontiert, die eilfertig Abhilfe versprechen – oder die US-Handelsblockade als Begründung anführen, wieso es nicht besser ginge.

Hüben und drüben bewegt sich was

Hier bewegt sich also was. In der westlichen Presse allerdings auch. Die überlebenden Parteizeitungen müssen sich höchstens Sorgen um die Papierzuteilung machen; keiner der über 200 Redaktoren der «Granma», die normalerweise als achtseitiges Tabloid-Blättchen erscheint, muss sich Sorgen um seine Stelle machen. Wenn er es bis in ihre heiligen Hallen geschafft hat, ist die Zensurschere bereits fest im Hirn verankert.

Im Westen, auch im deutschen Sprachraum, werden die Redaktionen hingegen bis zum Skelett abgemagert. Ressorts werden zusammengelegt, Journalisten im Multipack eingespart, und nach der letzten Sparrunde ist vor der nächsten. So hat Tamedia gerade bekannt gegeben, dass nach diversen Schrumpfungen nochmals 70 Millionen Franken eingespart werden müssen.

Einsparen und auslagern

Sparen ist das eine, die Verengung des Blickwinkels das andere. Seitdem zumindest Printausgaben einer Tageszeitung in der Schweiz von 500 Franken aufwärts im Jahr kosten, will man ja nicht weiter Abonnenten verlieren, die nicht einsehen, wieso sie steigende Preise für sinkendes Inhaltsangebot zahlen sollten.

Da die Rumpf- und Sparredaktionen kaum noch in der Lage sind, eigene Reportagen oder Storys zu produzieren, übernehmen in der Schweiz immer mehr Zeitungen immer mehr Inhalt von der SDA, der letzten überlebenden Nachrichtenagentur. Oder lagern wie Tamedia die Auslandberichterstattung fast vollständig an die «Süddeutsche» in München aus.

Vor allem bei harten, aber aufwendigen Themen wie Wirtschaft erschlafft zunehmend die Recherchierkraft; sparsam eingestellte Kindersoldaten, die erfahrene, aber teurere Redaktoren ersetzen, haben zudem kaum Ahnung von den Grundlagen; eine Bilanz ist für sie schon ein Buch mit sieben Siegeln, von einem umfangreichen Geschäftsbericht ganz zu schweigen.

Hilft Gesinnungsjournalismus?

Also was tun, in all diesem Elend? Eine Sache gibt es immerhin, die getan werden kann. Kostet zudem nichts und hilft ungemein bei der Leser-Blattbindung: Der Gesinnungsjournalismus. Die Weltperspektive, die mit der Weltanschauung der Mehrheit der Leser übereinstimmt.

Eine Reportage ist nicht mehr eine ergebnisoffene, neugierige Expedition in die Wirklichkeit. Sondern eine Einlösung von – zumeist schon vorher festgelegten – Thesen und Anschauungen. Zur Karikatur gesteigert durch den «Spiegel»-Reporter Claas Relotius. Mit Preisen überschüttet, wurden seine Reportagen nie selbst primitivsten Faktenchecks unterworfen. Weil er das Narrativ, die Weltsicht seiner Vorgesetzten und auch der Leser bestätigte.

Da sind die modernen Massenmedien unbelehrbar. Nicht lernfähig. Vor knapp vier Jahren fielen eigentlich alle deutschsprachigen Medien bei ihren Wahlprognosen für die USA kräftig auf die Schnauze. Sie stapelten bis in die Wahlnacht hinein einen Grund auf den anderen, wieso Donald Trump sicherlich nicht gewinnen könne. Ausgeschlossen, keine Chance, niemals.

Leere Versprechungen nach schwerer Niederlage

Nach einer betroffenen Schweigeminute versprachen die Medien dann Besserung, man wolle die Realität wieder ernst nehmen und so darstellen, wie sie ist. Nicht, wie sie sein sollte. Aber das waren leere Versprechungen. Der «Spiegel» hat es sich zur eingestandenen Aufgabe gemacht, Trump wegzuschreiben.

Abgesehen davon, dass das in den USA niemand kratzt: Eher käme ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass ein positives Wort über Trump den Weg in den «Spiegel» findet. Oder in Tamedia. Oder in CH Media. Oder in den «Blick». Trump ist ein grössenwahnsinniger Blender, noch blöder als seine blond gefärbten Haare. Er lügt, wenn er den Mund aufmacht, er versagt überall, er ist korrupt, benimmt sich aussenpolitisch wie ein Elefant im Porzellanladen, aber wie ein angepisster Elefant.

Er widerspricht sich in jedem Satz mindestens ein Mal, und nur er selbst glaubt daran, dass er die USA wieder zu alter Grösse geführt habe. Also ist die Ausgangslage wieder klar. Die Demokraten können auch einen leicht senilen Versager gegen ihn aufstellen, sogar eine dunkelhäutige Vizepräsidentin, eines ist wieder klar: Trump verliert. Auf jeden Fall. Amtlich. Wir müssen uns höchstens Sorgen machen, ob er seine Niederlage auch akzeptiert.

Nach der Niederlage ist vor der Niederlage

Ist das so? Wenn das so wäre, würden seine Umfragewerte doch im einstelligen Bereich dümpeln. Denn die Amis mögen ja eher einfachen Gemüts und an Waschmittelreklame-Wahlkämpfe gewohnt sein. Aber so bescheuert können sie ja nicht sein.

Nun hat Joe Biden tatsächlich in den meisten Wahlumfragen die Nase vorne. Aber auch Trump liegt bei 41 bis 46 Prozent. Kommt noch hinzu, dass das scheisskomplizierte Wahlmännersystem durchaus ermöglicht, dass jemand Präsident wird, obwohl er weniger Stimmen als sein Konkurrent bekommen hat.

Aber wer sind denn die Anhänger von Trump? Genau, White Trash, depravierte Weisse, Rassisten, Wutbürger, Rednecks, Südstaatenfans, die sich die Rassentrennung zurückwünschen, wenn nicht gar die Sklaverei. Die kann Trump verführen, weil sie nicht merken, dass er sich nur verbal für sie starkmacht, in Wirklichkeit in die Pfanne haut.

Filterblase unter Luftabschluss

So stellt es der Gesinnungsjournalismus in seiner Filterblase mit Luftabschluss dar, auch mit Einverständnis der Leser, denn die Bestätigung eigener Vorurteile ist immer angenehmer als die Konfrontation mit verstörenden, aber die komplexe Wirklichkeit abbildenden Berichten.

Sollte Trump wider Erwarten und gegen alle Begründungen, wieso das niemals passieren kann, wiedergewählt werden, dann wird wieder das Gleiche passieren wie vor vier Jahren. Betroffenes Schweigen, dann Erklärungen, wieso die Amis völlig falsch abgestimmt haben. Und dann wird der nächste Relotius ausgesandt, um wieder zu erforschen, welche Hinterwäldler, Idioten, Rassisten, Waffennarren, Blödköpfe, deren Welt hinter dem letzten Mc’Donald’s in ihrem Kaff aufhört, diesen Blender und Versager gewählt haben.

Die Redaktoren der immer noch existierenden ehemaligen Parteizeitungen reiben sich verblüfft die Augen. Wofür sie früher immer harsch kritisiert wurden, das machen nun kapitalistische Leitmedien genauso. Als hätten sie einen Schulungskurs besucht: Wie man die Welt richtig sieht.

Besteht das im Kapitalismus?

Aber im Gegensatz zum Sozialismus herrscht im Westen immer noch Marktwirtschaft. Angebot und Nachfrage. Und wer will schon einen Haufen Geld für einen mageren Aufguss des «Neues Deutschland», der «Prawad» ausgeben?

Es wird zunehmend mit einem Setzkasten vorgeprägter Thesen gearbeitet und geschrieben. Nach dem guten, alten Hollywood-Prinzip: Es gibt die Guten und die Bösen, damit sie auch der blöde Kinogänger unterscheiden kann, haben die Bösen immer schwarze Hüte auf.

Das sieht man im Grossen, aber auch im Kleineren. Nicht nur in Deutschland protestieren immer mehr Menschen gegen die Corona-Politik der Regierung. Natürlich, eine Minderheit, und die Demonstrationen sind tatsächlich begleitet von Verschwörungstheoretikern und Rechtsradikalen.

Gleiche Methode bei den Corona-Demonstrationen

Also eigentlich genauso wie bei jeder linken Demonstration. Aber bei diesen Demonstrationen wird schon im Vorfeld immer warnend darauf hingewiesen, dass es dann auch gewaltbereite Rechtsradikale geben wird, zudem Aluhutträger, die daran glauben, dass Bill Gates diese Pandemie erfunden hat, damit er sich an seinem Impfstoff nochmal dumm und dämlich verdient.

Und welcher Bürger, der schlicht und einfach mit der Coronapolitik nicht einverstanden ist, will sich schon in einem solchen Umfeld bewegen? Dass trotz dieser Warnungen die Anzahl Demonstranten  von Mal zu Mal zunimmt, darauf können die Thesenleitmedien nur kopfschüttelnd mit Unverständnis reagieren. Schon wieder benimmt sich die Wirklichkeit, dieser ungezogene Schlingel, nicht so, wie sie soll. Da ist wieder «Aufklärung» gefordert. Während sich immer mehr Konsumenten gähnend abwenden und ihr Geld lieber sinnvoll ausgeben.

Ich hätte da ein paar Fragen

CH Media, quo vadis?

Qualität, Qualität, Qualität. Vierte Gewalt, Service public, Verantwortung. Mehr als 300 Lokaljournalisten in Lohn und Brot. So hört es sich an, wenn der Verleger von CH Media in die Harfe greift.

Dissonant schneidet er Krise, Krise, Krise dagegen. Um schliesslich mit Pauken und Trompeten zum Finale aufzuschäumen. CH Media braucht Geld. Kohle. Staatsknete. Vornehmer ausgedrückt: Subventionen. So viel wie möglich. Eher dringend.

Denn sonst, das lässt Peter Wanner durchblicken, sind die von ihm verlegten Tageszeitungen gefährdet. Sonst haben sie Mühe, die digitale Transformation umzusetzen. Und wenn das passiert, dann gute Nacht am Sächsi. Dann sind nicht nur Arbeitsplätze gefährdet, sondern auch ein Service public, die Wächterfunktion von Qualitätsmedien.

Wer garantiert die Qualität?

Wenn wir von Qualitätsmedien sprechen, lassen wir «watson» gleich mal aussen vor. Dieses Millionengrab zur Verbreitung von lustigen Videos und Rangordnungen ist nicht mal Bestandteil von CH Media. Obwohl es behauptet, schon 99 der 100 wichtigsten Fragen der Menschheit beantwortet zu haben, wollen wir diesen Flop nicht gegen Verleger Peter Wanner verwenden.

Nun können wir dem Impressum der Zeitungen entnehmen, dass direkt unter dem Verleger der «Leiter Publizistik» thront. Noch vor den jeweiligen Chefredaktoren, noch vor Patrik Müller, dem Chefredaktor der Zentralredaktion für alle Blätter in Aarau.

Führen durch Vorbild?

Der publizistische Leiter Pascal Hollenstein ist also an wichtiger Stelle dafür verantwortlich, dass CH Media all diesen herausragenden Qualitätsmerkmalen nachlebt, sie in jeder Zeile aller Kopfblätter zum Ausdruck kommen.

Natürlich nicht nur dort, sondern in erster Linie bei Werken von Hollenstein selbst. Denn wenn sich ein publizistischer Leiter nicht an die Berufsregeln, an den Journalistenkodex halten würde, wie sollte er da Vorbild sein, das von allen anderen einfordern?

Das ginge ja gar nicht. Wer sich unanständig verhält, kann von anderen schlecht Anstand verlangen. Nun hat Hollenstein mehrfach gegen Berufsregeln verstossen. Dazu gehört, dass gerichtlich festgelegte Sperrfristen zu respektieren sind.

Besonders bei Urteilen, bei denen eine grössere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erwartet wird, stellt das Gericht mit einer Sperrfrist sicher, dass nicht die beteiligten Parteien vorprellen und versuchen, mit einem Präventivschlag die Lufthoheit über der öffentlichen Meinung zu erringen.

Sondern dass alle Medien – genau wie die Prozessparteien – gleichzeitig in Kenntnis des Urteils publizieren, analysieren, kommentieren können. Weil das eine Selbstverständlichkeit ist, sind solche Sperrfristen nicht mit Sanktionen bewehrt, falls jemand dagegen verstösst.

Pascal Hollenstein hat dagegen verstossen. 24 Stunden vor Ablauf der Sperrfrist stellte er einen Artikel online, in dem er einseitig die Position und Meinung einer der beiden Parteien wiedergab. Damit verstiess er gleich noch gegen eine zweite Regel: et audiatur et altera pars. Man höre auch die andere Seite.

Wie ein Vorprellen zur Lachnummer wird

Das war aber gar nicht möglich, weil sich die andere Seite selbstverständlich an die Sperrfrist hielt. Zur peinlichen Lachnummer wurde dieser vorzeitige Erguss dadurch, dass sich die eine Partei darüber beschwerte, dass die andere sich nicht bei ihr entschuldige. Was dann aber prompt geschah, als die Sperrfrist abgelaufen war.

Hat man seither ein Wort des Bedauerns, eine Entschuldigung vom fehlbaren Leiter Publizistik gehört? Empfiehlt er wenigstens seinen Redaktoren, nicht seinem schlechten Beispiel zu folgen? Nein, und warum nicht?

Ganz einfach: Wer an zweiter Stelle im Impressum steht, muss sich von niemandem unten drunter etwas sagen lassen. Höchstens vom Verleger oberhalb, aber der reisst lieber leere Sprüche über Qualitätsmedien und schweigt hier stille.

Ein ungeheuerlicher Satz

Simone Meier ist Mitglied der Redaktion von «watson», dazu Schriftstellerin und Kolumnistin in den Blättern von CH Media. Hier hat sie eine feste Kolumne und äussert sich auch sonst nach Lust und Laune zu Themen, von denen sie nichts versteht.

In einer recht wirren Attacke gegen die sogenannte Cancel Culture versteigt sie sich in einem Ausflug in die Geschichte zum ungeheuerlichen Satz: «Unter Hitler wurden Juden, Menschen mit einer Behinderung, Fahrende, Kommunisten und Homosexuelle gecancelt. Und so weiter.»

Es gibt bekanntlich Idioten, die leugnen, dass Nazideutschland im Zweiten Weltkrieg mehr als 6 Millionen Juden in Form von industriellem Massenmord getötet hat. Soweit man ihrer habhaft wird, werden sie bestraft und der allgemeinen Ächtung preisgegeben.

Eigentlich noch schlimmer ist diese geschmacklose Verniedlichung, diese hirnlose Aufzählung einer Journalistin, die jeden Halt, jeden Anstand verloren hat, der jede Regung von Peinlichkeit oder Scham offensichtlich fremd ist.

Hört man Entschuldigungen?

Hat man hier eine Entschuldigung vernommen? Hat wenigstens der Leiter Publizistik seines Amtes gewaltet und eingegriffen? I wo, da ist das Haus CH Media offensichtlich schmerzfrei. Entschuldigen, das sollen sich die anderen. Und wenn die es freiwillig tun, wird das knapp vermeldet, mehr nicht.

Aber Peter Wanner, eingeladen zu einer Stellungnahme, will diese Vorkommnisse «nicht kommentieren». Simone Meier, eingeladen zu einer Stellungnahme, beschimpft stattdessen lieber ZACKBUM.ch, und überhaupt seien ihr solche Fragen «zu low».

Sollte nicht der Verleger seinem publizistischen Leiter den Kopf waschen und ihn zum sofortigen Eingreifen auffordern? Sollte der Verleger nicht sein Befremden ausdrücken, dass das nicht schon längst geschah?

Alles Fragen ohne Antworten. Allerdings erhebt sich die Frage mit aller Macht: Wieso genau soll CH Media mit Steuerfranken subventioniert werden?