Bruch mit dem Schweigegelübde

Was tun, wenn sich kein aktuelles Thema anbietet? Dann stellt man als Journalist jemandem eine belanglose Frage und behauptet, der habe nun «sein Schweigen gebrochen».

Von Stefan Millius

Floskeln sind was Schönes. Sie fallen einem schnell ein und füllen eine leere Zeile. Über 200 Mal haben Schweizer Zeitungen in den vergangenen zwölf Monaten geschrieben und in aller Regel damit auch getitelt: «Jetzt bricht er sein Schweigen» beziehungsweise natürlich «sie ihr Schweigen». Der FIFA-Chef, Prinz William, Kuno Lauener, Bernhard Burgener, David Degen: Sie und viele mehr sind offenbar Mitglied eines geheimen Schweigeordens, aber wenn der «Blick», 20min.ch, nau.ch oder auch die «Republik» anklopfen, bricht es regelrecht aus den Leuten heraus.

Enthüllung? Fehlanzeige

Er bricht sein Schweigen: Das klingt furchtbar dramatisch und exklusiv. In vielen Fällen ist es aber einfach so, dass die Leute vorher gar nie gefragt worden waren und deshalb keine Veranlassung sahen, ihr angebliches Schweigen zu brechen. Und wer angesichts des Titels erwartet, nun gleich eine satte Enthüllung zu erleben, ist danach meist eher ernüchtert. Denn wäre das Gesagte wirklich ein Hammer, würde bereits der Sachverhalt in den Titel gehören – und nicht der Umstand, dass jemand sein Schweigen bricht.

Stellen wir uns vor, der Papst unterhält in den Katakomben des Vatikans einen privaten Harem und beschliesst aus einer Laune heraus, dem «Boten der Urschweiz» davon zu erzählen. Was würde wohl besser ziehen als Schlagzeile: «Papst hält sich 34 Prostituierte im Keller»? oder «Der Papst bricht sein Schweigen»? Eben.

Redseliger Schweiger

Es gibt besonders absurde Fälle. Zum Beispiel der frühere Nationalrat Luzi Stamm, der zum Ende seiner politischen Karriere zunehmend durch Verwirrtheit auffiel. Der Aargauer wollte letztes Jahr urplötzlich in den Badener Stadtrat und veröffentlichte dazu auf seinem eigenen Youtubekanal eine Reihe von Videos, in denen er wortreich über seine Ambitionen sprach. Medienanfragen hingegen mochte er nicht beantworten. Als er es gegenüber der «Aargauer Zeitung» dann doch einmal tat, hiess es prompt: «Stamm bricht sein Schweigen». Nachdem er bereits alles, was es zu sagen gab, auf einem öffentlich zugänglichen Portal gesagt hatte. Schweigen sieht anders aus.

«Ich hatte kein Bedürfnis»

Das jüngste Beispiel betrifft ein Interview mit dem Fussballtrainer Ludovic Magnin auf blick.ch. Er, wir erraten es, bricht sein Schweigen und erzählt, wie es ihm nach seiner Entlassung beim FC Zürich so ergangen ist. Diese ist übrigens mehr als ein halbes Jahr her. So lange also haben uns die ausbleibenden Informationen über Magnins Gefühlslage schon gepeinigt. Die Zeitung will natürlich wissen, warum er so lange geschwiegen habe. Die für einen Fussballer erstaunlich schlagfertige Antwort:

«Das habe ich nicht. Sie wissen ja, dass ich nicht mal einen Tag schweigen kann! Ich habe viel geredet in dieser Zeit (lacht).»

Darüber hinaus habe er aber kein Bedürfnis verspürt, sich gegenüber den Medien «zu erklären oder irgendetwas klarzustellen».

 Damit ist das ganze Problem schon geklärt. Wenn ein Journalist eine Frage stellt, die sein Gegenüber nicht für relevant hält, kommt eben keine Antwort. Wenn er sieben Monate später findet: «Na, dann sage ich halt was, dann gibt der Typ endlich Ruhe» – dann wird offenbar ein massiv gehütetes Geheimnis endlich gelüftet. Und man kann titeln: «Jetzt bricht er sein Schweigen.»

Überhaupt sind Sportler übervertreten, wenn es um den angeblichen Bruch des Schweigegelübdes geht. Dabei sind wir bei denen in aller Regel froh, wenn sie möglichst wenig sagen. Meist erfahren wir ja nur, dass sie glücklich sind über den Sieg oder enttäuscht über die Niederlage. Was in aller Regel etwa so überraschend kommt wie die Enthüllungen, die auf die Schlagzeile «Jetzt bricht er sein Schweigen» folgen.

Vom Zauberberg ins tiefe Tal der Niedertracht

Es sollte ein Zusammenspiel zwischen Sport und Kultur werden. Zwischen dem HC Davos und dem Buser World Music Forum. Es wurde ein Foulspiel.

Am 30. November 2019 war die Welt in Davos sehr in Ordnung. An einer gemeinsamen Pressekonferenz stellten der Präsident des HC Davos, der Stadtpräsident und Peter Buser eine kulturelle Zusammenarbeit vor.

«Eine Partnerschaft, die den Sport und die Kultur zusammenbringt, die Synergien nützt und sich gegenseitig ergänzen soll.» Klassische Konzerte auf Weltniveau, am WEF und am Spengler Cup. PR für die Stiftung, in die der Mäzen und Musikliebhaber Buser später sein Vermögen einbringen will. Viel Geld für den HC Davos, insgesamt rund 12,5 Millionen über die nächsten 8 Jahre verteilt.

Es herrschte eine Stimmung, als ob eine Fortsetzung zu Thomas Manns Zauberberg in Planung sei. Die Hürden schienen klein und leicht überwindbar. Der VR-Präsident Gaudenz Domenig, Of Councel bei einer renommierten Anwaltskanzlei, hatte den Vertrag aufgesetzt. Der Stadtpräsident von Davos versprach, sich um den Bau eines Konzerthauses zu kümmern, das zu diesen Anlässen aufgestellt werden sollte. Und Buser war so begeistert, dass er gleich mal über drei Millionen Franken überwies.

________________________________

Fouls im Eishockey:

  • Beinstellen (tripping); Hoher Stock (high sticking); Haken (hooking), Angriff gegen das Knie (kneeing); Spielverzögerung (delay of game); unkorrekte Ausrüstung (z.B. spielen mit gebrochenem Stock).

________________________________

Von da an ging’s bergab. Schon wenige Tage später nahm das «Sportpanorama» von SRF diesen Paukenschlag einer Zusammenarbeit zum Anlass, um den Menschen Peter Buser zu porträtieren. Er gewährte Eintritt in eine seiner Wohnungen; sein Pied-à-Terre am Zürichberg. Es wurde gefilmt und gefilmt, schliesslich wurde Buser gebeten, doch an seinem Flügel etwas vorzutragen.

Das tat er, und eine seiner jungen Begleiterinnen setzte sich neben ihn auf den Boden; in dieser Ecke der Wohnung hat es keinen Platz für weitere Sitzgelegenheiten. Das war für die Reporterin von SRF endlich eine Szene, die sie ausschlachten wollte. Wer denn diese Dame sei, mischte sie sich nassforsch in Busers Privatleben ein, und warum sie denn auf dem Boden sitzen müsse.

Zwei Sätze, hingeworfen. Riesenauswirkungen

In offenkundiger Verkennung der aktuellen Lage in Sachen Sexismus, Korrektheit und Frauendiskriminierung, antwortete Buser auf eine für ihn offensichtlich eher dumme Frage mit Ironie. Das sei früher seine Sklavin gewesen, aber inzwischen sei sie zur untergebenen Frau aufgestiegen, dabei aber emanzipiert.

Für ihn eine vielleicht etwas provokative Antwort auf eine übergriffige Frage. Aber seit diesem Satz war alles andere vergessen. Sein Mäzenatentum, seine Liebe zur Musik, seine Grosszügigkeit in allen Richtungen, seine umfassende Bildung. Selbst der Respekt davor, dass jemand einfach mal so 12 Millionen Franken ausgeben möchte, um die Welt mit klassischen Konzerten zu bereichern.

Wie es sich im Boulevard-Journalismus gehört, dem auch SRF immer mehr frönt, rannte die TV-Equipe natürlich zum Präsidenten des HC Davos, spielte ihm die Szene brühwarm vor und stellte die inquisitorische Frage, was er denn dazu sage. «Wir wussten, dass er eine schillernde Figur ist», ruderte Domenig herum, «dass er extremer ist, als wir gedacht haben, das scheint der Fall zu sein.» Was ein Anwalt halt so sagt, wenn er überraschend in die Eier getreten wird.

So ein Mist, dachte Domenig sicherlich, über 12 Millionen Franken, dachte er. Über drei Millionen schon eingesteckt, dachte er.

________________________________

  • Stockschlag (slashing); Stockstich (spearing); Stockendstoss (butt-ending); Bandencheck (boarding), Cross-Check (auch Stock-Check); Check von hinten (checking from behind); Check gegen den Kopf (checking to the head).

________________________________

Wie von SRF erhofft und von Domenig befürchtet, erhob sich der übliche Proteststurm. Geht es um die kostenlose Verurteilung eines sinnvollen Projekts, ist die SP immer vorne dabei. Hier in Person des Nationalrats Jon Pult: «Blanker Sexismus. Darf keinen Platz haben», dekretiert er. Die Medien, die üblichen Schaumschläger sahen die Gelegenheit, noch Action in die eher ruhige Vorweihnachtszeit zu bringen.

Domenig trifft eine Entscheidung

Imageschaden, Reputationsschaden, Forderungen, moralische Entrüstung. Nur ein Sportjournalist hält dagegen. Buser habe keine Straftaten begangen, keine fragwürdigen Geschäfte wie Waffenhandel getätigt, keine Produkte verkauft, die beispielsweise mit Kinderarbeit hergestellt wurden, er rufe nicht zu Straftaten auf und verherrliche auch nicht Gewalt, Rassismus oder Sexismus. All das unterscheidet ihn von einigen Sponsoren, die nicht mit solch «billiger Empörung» abgestraft werden.

Domenig versuchte noch verzweifelt, sich auf die letzte Bastion zurückzuziehen, dass man ja schliesslich nicht mit Buser, sondern mit seiner Stiftung einen Vertrag geschlossen habe. Obwohl er einräumen musste, dass Buser faktisch die Stiftung ist und er die finanziellen Garantien übernimmt.

Noch verzwickerter wurde Domenigs Position, als sich Buser erkundigte, wann er endlich mit den versprochenen ersten Gegenleistungen rechnen könne, zum Beispiel so etwas Banales wie das Logo des Forums im Stadium anzubringen.

Inzwischen musste Domenig aber eine definitive Entscheidung getroffen haben. Denn er machte das, was jeder schlechte Anwalt tut. Er versteckte sich hinter Vorwänden. Dieses Logo könne noch nicht angebracht werden, weil der Verein noch nicht ordentlich ins Handelsregister eingetragen sei. Dass dieser Eintrag am Tag des Vertragsabschlusses beantragt wurde, dass er mit der üblichen bürokratischen Verzögern dann erfolgte, was soll’s.

«Wir können keine Werbung für eine Stiftung machen, die es nicht gibt», spaltete Doming noch ein Haar, dann versank er in tiefes Schweigen. Das noch tiefer wurde, als Buser forderte, mangels jeglicher vereinbarter Gegenleistung ihm seine Anzahlung zurückzugeben.

_________________________________

  • Ellbogencheck (elbowing); zu viele Spieler auf dem Eis (too many men on ice); Unsportliches Verhalten (unsportsmanlike conduct; Übertriebene Härte (roughing), unerlaubter Körperangriff (charging ); Schiedsrichterkritik (misconduct); Halten (holding).

_________________________________

Da stellte Domenig seine Ohren auf Durchzug; weder von einer Rückzahlung, noch von Nichterfüllung könne die Rede sein. Im Gegenteil, der Vertrag sei weiterhin gültig, und Buser schulde noch rund 8 Millionen Franken, die nun fällig seien.

Eine Million als money for nothing

Angesichts seines Alters (84) und ohne grosse Lust, in jahrelange Streitigkeiten zu versinken, machte Buser ein grosszügiges Angebot: er verzichte auf eine Million Franken, wenn die fehlenden 2,4 Millionen bis am 10. Mai 2021 überwiesen würden.

Immerhin, eine Million für nichts, für absolut nichts, ein mehr als generöses Angebot. Es sieht aber nicht so aus, als ob der HC Davos darauf eingehen wollte.

Gerne hätten wir hier die Stellungnahme von Domenig wiedergegeben. Er hatte Gelegenheit, zu zwei ausführlichen Fragenkatalogen Stellung zu nehmen. Die benützte er auch termingerecht und sehr ausführlich. Aus seinen Antworten zu den ersten Fragen ergaben sich Nachfragen, die er ebenfalls und noch ausführlicher beantwortete. Aber leider verstosse ich eigentlich schon gegen diese Anordnung, wenn ich zitiere:

«Ich erlaube Ihnen nicht, direkte oder indirekte Zitate aus meinen schriftlichen Stellungnahmen zu verwenden.»

Das ist bedauerlich, bei der Mühe, die er sich gegeben hat. Aber bei aller Mühwaltung: wohl nur ein abgebrühter Anwalt kann es für anständig, erlaubt, vereinbar mit Treu und Glauben halten, über 3 Millionen Franken einfach einzusacken – ohne einen Handschlag dafür getan zu haben. Und darauf hinzuweisen, dass die restlichen 8 Millionen weiterhin fällig seien.

Wir erlauben uns nicht, dieses Verhalten so zu qualifizieren, wie es redlich verdient wäre.

Ist Muschg Dialektiker?

Oder kennt er die Strategeme von General Tan Daoji? Wenn ja, ist seine Verwendung des Worts Auschwitz genial.

Die SRF-Sendung «Sternstunde Philosophie» strahlt normalerweise eine Ruhe aus, die ebenfalls entsteht, wenn man der Farbe an der Wand beim Trocknen zuschaut. Da wird bedeutungsschwanger Schwulst geschwätzt, der Dialog schleppt sich dahin, bis das Ende den verbliebenen Zuschauern die Augendeckel lupft und sie mit letzter Kraft die Fernbedienung betätigen.

Ganz anders in der letzten Sendung. Da war der letzte lebende Schweizer Grossschriftsteller Adolf Muschg zu Gast. Der entwickelte einen interessanten Gedankengang.

Er dachte laut darüber nach, wohin das Ausschliessen von Menschen aus dem allgemeinen Diskurs führe. Was eine radikale Stigmatisierung von Anderen bedeute. Er dachte dabei über die Cancel Culture nach:

«Dass man abgeschrieben wird, wenn man bestimmte Zeichen von sich gibt. Das sehen wir bei feministischen Diskursen ebenso wie bei anti-rassistischen.»

Er geht noch weiter; nicht das Inhumane daran sei schrecklich: «Es ist das Interessenlose an den eigenen Widersprüchen.» Also an der Tatsache, dass unvereinbare Dinge zusammengehen. Dem wird mit «schrecklichen Vereinfachungen» begegnet. Dann kommt Muschg zu seiner vorläufigen Synthese: «Man will Leute disqualifizieren, die Schwarze disqualifizieren. Das ist sehr ehrenwert. Aber diese Disqualifikation gerät ins genau gleiche faschistoide Fahrwasser des Ausschliessens der Anderen. Nur sind es jetzt andere Andere.»

Ein bestechender, richtiger und nicht einmal sonderlich neuer Gedankengang. Das hätte höchstens an abgelegenen Lagerfeuern intellektueller Abschmecker und Abwäger für ein paar Kriegstänze gesorgt, nach denen man sich aber wieder abgeregt hätte. Nun stellte Muschg aber auch diesen Satz in den Raum:

«Die Canceling Culture, die wir heute haben (…) das ist im Grunde eine Form von Auschwitz.»

Nun kann der inzwischen 86-jährige Literaturprofessor, der sich mit dem Thema Auschwitz ausgiebig beschäftigte, sicher nicht behaupten, dass ihm die Verwendung dieses Wortes einfach so rausgerutscht sei.

Auschwitz ist immer ein Trigger für Aufmerksamkeit und Entrüstung

Natürlich wusste er, was dann passieren wird. Nämlich das übliche absurde Theater genau dieser Canceling Culture. Zunächst bedauerten SRF und der Moderator der Sendung «sehr». Was denn? Er hätte «einhaken müssen», den «problematischen Vergleich kritisieren».  Doppelt genäht hält besser, dachte sich der Moderator, und entschuldigte sich gleich nochmal persönlich dafür, dass er es «verpasst» habe, «den absurden Vergleich zu thematisieren».

Man weiss eigentlich sofort, welches die richtige und welches die falsche Seite in einer Debatte ist, wenn sich der Westentaschen-Geschichtsprofessor Philipp Sarasin ungefragt zu Wort meldet. Seine Tonlage ist nicht professorale Gelassenheit: «Das ist ja echt nicht zu fassen. Was für eine Schande.» So keifte er aus Anlass einer Karikatur im neuen «Nebelspalter». Und auch hier ist er sofort zur Stelle, macht Männchen und kläfft los:

«Herr Muschg sollte sich in Grund und Boden schämen – und es ist absolut unverständlich, warum der Moderator das unwidersprochen einfach stehenlässt

Nein, Herr Professor, einzig unverständlich ist hier, wieso man Sie üppig bezahlt auf arme Studenten loslässt, die eigentlich einen reflektierten und auf wissenschaftlichen Methoden beruhenden Umgang mit der Geschichte lernen sollten. Das können Sie ihnen offensichtlich nicht beibringen.

Aber das waren natürlich nur die ersten Schaumkronen auf der üblichen Gischt der Verurteilung, der Entrüstung, der Indignation, der Erschütterung. Die sich natürlich noch steigerte, als Muschg keinen Grund sah, sich seinerseits zu entschuldigen. Wofür auch?

Eine Übertragung eines Gedankens von Raul Hilberg

Er hat ja lediglich den Gedanken von Raul Hilberg anders formuliert. Hilberg? Alle Frettchen von Sarasin abwärts sollten sich vielleicht kundig machen, wer das war und welches Werk Hilberg hinterlassen hat. Der fasste die Vernichtungslogik der Nazis gegen die Juden so zusammen: Zuerst war: «Ihr dürft nicht so sein, wie ihr seid.» Dann war: «Ihr dürft nicht unter uns sein.» Und schliesslich: «Ihr dürft nicht sein.»

Auf genau diese Ähnlichkeit bei den Vertretern der fanatischen Rechthaberei und der inquistorischen Anmassung, zwischen Gut und Böse, richtig und falsch unterscheiden zu können, hat Muschg hingewiesen. Dass viele dieser Kämpfer für das Gute und gegen das Böse genau die gleichen Methoden verwenden, die sie den «Unmenschen» vorwerfen.

Selbst der Ausdruck «Unmensch» verbreitet schon einen leicht angebräunten Geruch. Aber zu solchen Differenzierungen sind weder ein Professor Unrat, noch andere Tiefflieger fähig. Sie machen also genau das, was Muschg ihnen vorwirft. Anstatt sich mit ihm auseinanderzusetzen, besser noch: mit seinen Überlegungen, verwechseln sie Mensch und Meinung.

Eine Meinungsdebatte wäre: Muschg hat das gesagt; das ist falsch, weil. Muschg hat einen Vergleich mit Auschwitz gezogen. Das geht nicht, weil. So würde, theoretisch, eine intellektuell anspruchsvolle Debatte laufen.

Bereue, Mensch, schäm dich, fordern die modernen Inquisitoren

Aber stattdessen soll sich Muschg in Grund und Boden schämen, hat der Moderator versagt, weil er dem Denker nicht sofort übers Maul gefahren ist, müssen alle sofort das Haupt senken und um Verzeihung bitten. So wie der arme Sünder, wenn ihm die Instrumente gezeigt wurden, sofort alles einräumte. Und bereute.

Nun ist – zum grossen Ingrimm all dieser Kläffer – Muschg nicht irgendwer. Sarasin ist nicht mal ein Irgendwer, er ist einfach ein Titelträger, so wie der Kleiderbügel einen Anzug trägt, aber deswegen nicht zum Herrn wird. Also was tun? Im Gegensatz zu sonstigen Pfeiforgien wird in diesem Fall sehr schnell Ruhe einkehren.

Und wenn es, was ich doch sehr vermute, Muschgs Absicht war, seinen in der kurzatmigen Presse nicht vermittelbaren längeren Gedankengang mit einem Reizwort in die aufgeregte Stratosphäre der sozialen Medien zu schiessen, dann kann man nur gratulieren. So macht man das. Anstatt schon während des Lichterlöschens in der «Sternstunde Philosophie» selbst zu erlöschen – und kein Mensch erinnert sich an irgendwas –, hat der Dichter etwas Bleibendes geschaffen. Gut, nicht für die Ewigkeit, aber bei einer durchschnittlichen Aufmerksamkeitsspanne von 12 bis 30 Sekunden sind 24, eventuell sogar 48 Stunden Präsenz eine grosse Leistung.

Der Mann, der das aufräumte

Markus Diethelm sagt beim Abschied leise tschüss. Mit ihm geht ein ganzer Giftschrank voller nicht erzählter Storys.

Er ist das dienstälteste Mitglied der Geschäftsleitung der UBS. Er ist seit 13 Jahren Chief Legal Councel, wie das im Banker-Sprech heisst. Der Chefjurist der Bank. Der Auf- und Abräumer. Wohl das einzige Mitglied der GL, das sein Salär wert ist.

Er ist all das, was Urs Rohner gegenüber am Paradeplatz nicht ist. Daher wurde die UBS zwar auch stark gerupft, von der Finanzkrise eins bis heute. Aber sie hat’s überlebt, nicht zuletzt wegen diesem Mastermind. Nun beginnt Diethelm mit seinem Abgang. Überlegt, geplant, leise. Wie immer.

Man muss sich die damalige Situation nochmals vergegenwärtigen. Wegen den irren und hochfliegenden Plänen des damaligen UBS-Bosses Marcel Ospel, die UBS zur Nummer eins machen zu wollen, musste die Bank mit einer gewaltigen Staatshilfe vor dem Bankrott gerettet werden.

Während sich Journalisten schon mit Lobliedern lächerlich machten, wie die UBS elegant durch die Krise gesteuert sei, musste sie gleich die nächste Hiobsbotschaft verkünden. Ein rachsüchtiger Ex-Mitarbeiter hatte sich den US-Behörden als Whistleblower angeboten. Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Vor Ort, in den USA.

Nach der Krise ist vor der Krise. Alte Bankerweisheit

Jetzt reicht’s, sagten die Amis. Wir wollen alle Kundendaten von US-Steuerpflichtigen, die die UBS beherbergt. Sonst – ziehen wir der Bank den Stecker raus. Durch den Ausschluss aus dem Dollar-Clearing. Nach der schlimmen Krise die noch schlimmere.

Was tun? Diese Kundendaten waren durch das Schweizer Bankgeheimnis geschützt. Und durch heilige Schwüre der UBS. Selbst wenn die Bank wollte, jeder, der sich an einer solchen Datenherausgabe beteiligte, machte sich in der Schweiz gleich doppelt strafbar. Und ein Banker mit Vorstrafe, das ist dann doch undenkbar.

Nur Christoph Blocher hatte damals den Mut, die einzig richtige Lösung vorzuschlagen: ein führender UBS-Banker müsse in die USA reisen. Mit den Kundendaten im Gebäck. Sich anschliessend in der Schweiz verantworten. Das sei dann wenigstens einmal von Verantwortung nicht nur quatschen, sondern sie auch übernehmen.

Ein Fall für Diethelm.

Jetzt muss ich ausdrücklich festhalten, dass wir den Bereich der Fantasie betreten, dass von hier an Übereinstimmungen mit tatsächlichen Ereignissen oder Personen rein zufällig und nicht beabsichtigt wären.

Was alles so sicher nicht passiert ist …

Nehmen wir also an, der Chief Legal einer Schweizer Grossbank hat ein grosses Problem auf dem Schreibtisch. Gerade hat der Schweizer Steuerzahler ungefragt viele Milliarden Franken für diese Grossbank, nennen wir sie SUP, ins Feuer gestellt. Und nun muss sie bereits das zweite, ganz grobe Problem bekannt geben.

Was noch erschwerend hinzukommt: der dafür zuständige Bundeszwerg, der schon der Staatsnotrettung nur widerwillig zugestimmt hatte, machte Anstalten, diesmal der Bank zu sagen: «pfeift Euch eins, es reicht mit Hilfe von uns.» Selbstverständlich wollte keiner des Kaders es auf sich nehmen, Freiheit, Ruf und Karriere aufs Spiel zu setzen. Das Bankgeheimnis, das hatte der Bundeszwerg gesagt, das sei so stabil, daran würden sich alle die Zähne dran ausbeissen.

Die Bankführung um den allmächtigen Oberopel war gelähmt, was sie auch nach seinem Abgang blieb. Also die Aufgabe für einen wahren Mastermind. Seine Bank stand auf einem Spielfeld, das mit Verboten und Unmöglichkeiten gespickt war. Was tun? Da gab es nur einen Ausweg: die Spielregeln ändern.

Mit Fantasie läuft’s wieder wie geschmiert.

Der einer neuerlichen Rettung der SUP sehr ablehnend gegenüberstehende Bundeszwerg: nach einer Herzbaracke ausser Gefecht gesetzt. Das störende Bankgeheimnis: muss weg. Nun wurden die Amis aber leider ungeduldig und stiessen immer finsterere Drohungen aus. Also Notrecht. Damit konnte das Schlimmste verhütet werden. Ein reitender Bote überbrachte der US-Botschaft zu Bern die gewünschten Daten auf einem Memory Stick, gleichzeitig wurde den US-Behörden der Codeschlüssel übermittelt.

Problem gelöst? Fast. Die fällige Busse wurde auf schlappe 780 Millionen Dollar runtergehandelt. Es blieb nur noch ein Problem. Die USA hatten nicht die etwas über 2000 ihnen ausgelieferte Kundendaten verlangt. Sondern alle, also über 50’000. Das ging nun beim besten Willen mit Notrecht nicht, und die offizielle Abschaffung des von der SUP geschleiften Bankgeheimnisses, das würde dauern.

Nach der Lösung ist vor dem Problem

Was tun? Die SUP stand schon wieder am Abgrund, und die Kräfte, die sie vor dem Fall bewahren könnten, wurden immer schwächer. Da kam der Mastermind auf seine nächste grosse Idee. Die SUP schmiss einfach alle ihre Ami-Kunden raus. Zwangsweise, und wenn Ihnen das nicht passt, schauen Sie mal ins Kleingedruckte.

Die anderen Schweizer Banken wunderten sich, wieso plötzlich Amikunden kleine Schlangen vor dem Kontoeröffnungsschalter bildeten. Aber während das Einwerben eines Schwarzgeldkunden locker mal über 100’000 Franken kosten konnte, hier schaute man einem geschenkten Gaul doch nicht ins Maul. Hätte man aber vielleicht tun müssen.

Den gleichzeitig mit dem Rausschmiss bei der SUP wurde eine sogenannte Leaver-List erstellt. Also Namen, Anschrift, Höhe des saldierten Betrags, wohin er überwiesen wurde. Teuflisch, aber effektiv. Die US-Steuerämter konnten ihr Glück kaum fassen. Die bei der SUP Schwarzgeld bunkernden Amis konnten ihr Pech nicht fassen.

Das geniale Sahnehäubchen war: so konnten die Amis die Wanderung der Schwarzgelder auf andere Schweizer Banken genau verfolgen. Der ganze Finanzplatz war kontaminiert, ohne es zu wissen. Schliesslich musste der letzte Konkurrent der SUB eine Multimilliardenbusse zahlen, die Waffengleichheit war wieder hergestellt.

Zurück aus der Fantasie in die reale Welt. Diethelm, wir werden Sie schmerzlich vermissen.

Geld her, oder ich fall um

Lausige Qualität ist das eine. Geldgier das andere. Wie die Privat-Medien am Staatstropf hängen.

Ist es eigentlich eine gute Idee, dass die sogenannte Vierte Gewalt, die Kontrollinstanz der demokratischen Gesellschaft, die Aufdecker, Kritiker, unabhängig, nur ihrem journalistischen Gewissen verpflichtet, immer mehr am Staatstropf hängt?

Ist es überhaupt eine gute Idee, dass das, was reintropft, nach Abzug des Aufwands, in privaten Taschen landet? In den tiefen Taschen von vier Clans. Da wäre der Ringier-Clan, der Coninx-Clan, der Wanner-Clan und der Lebrument-Clan. Dann hätten wir noch den Sonderfall NZZ, und das war’s dann schon mit der pluralistischen Meinungsbildung im Bereich Tageszeitungen.

Wie formuliert da Bruno Hug, Präsident Verband Schweizer Onlinmedien (VSOM):

«Die Verleger werden zu Schosshündchen der Politik.»

Und die Journalisten sind schon längst zu Zierleisten geworden, die sich geschmeidig in die Richtung biegen, die dem Besitzer-Clan zusagt.

Der Gebührensender ist nicht wirklich ein Gegengewicht

Natürlich, es gibt als Informationsquelle noch die gesammelten Gebührensender von SRG, aber sind die wirklich ein valables Gegengewicht? Seitdem auch hier immer mehr die Bauchnabelbetrachtung Einzug gehalten hat, ist das noch mehr zu bezweifeln. Sandro Brotz, als Beispiel, sollte sich als Chef im Ring der «Arena» besonderer Zurückhaltung befleissigen in öffentlichen Meinungsbekundungen.

Nun beschimpft er Demonstranten gegen die Corona-Massnahmen der Regierung als «Flacherdler», also als Idioten. Kaum entfacht er damit einen Shitstorm, zieht er sich beleidigt zurück und darf sich dann in einer Sendung «Journalisten therapieren Journalisten» ausheulen.

Zurück zu den Steuergeldern, die in diese privaten Verlagshäuser ins Portemonnaie geworfen werden. Da gäbe es die Zustellungssubventionierung. 50 Millionen im Jahr. Plus rund 80 Millionen Corona-Hilfe. Plus, plus, plus, das läppert sich am Schluss ganz schön. Ein ganz dicker Brocken sind die zusätzlich-zusätzlichen Hilfen und Guetzli. Hier noch 20 Millionen drauf, und wenn wir schon in Fahrt sind, machen wir doch gleich 172 Millionen Corona-Hilfen. Für die nächsten zehn Jahre, versteht sich. Manche kriegen aus schierer Grösse nochmal speziell etwas obendrauf.

Geld schiesst aus allen Rohren in die Privat-Medien

Ticker-Meldungen von Keystone-SDA: geschenkt. Damit füllen viele Organe schon die Hälfte ihrer News-Seiten. Kurzarbeit? Natürlich geht das, gibt’s auch dafür noch Guetzli, wieso denn nicht.  Da freut sich der Steuerzahler. Unschlagbares Geschäftsmodell:

der Käufer liest in seiner Zeitung das, was er vorher subventioniert hat.

Gleichzeitig dünnt sich der Inhalt immer mehr aus, kassieren einige Medienhäuser (nicht alle) Kurzarbeitsgeld, auch mit freundlichen Grüssen des Steuerzahlers. Der dann natürlich nochmal abdrücken muss, und zwar happig, wenn er den blamabel-banalen Inhalt der Tageszeitung morgen im Briefkasten haben will. Oder ihn im Internet abrufen möchte.

Wer sich zuvorderst bei den Geldtöpfen anstellen darf? Das führte natürlich zu ein paar unschönen Szenen, bei denen gerempelt, getreten und gebissen wurde. Gesamtergebnis: der Steuerzahler drückt immer mehr an Mitleid erheischende Medienkonzerne ab. Bezahlt doppelt und dreifach für das Produkt.

Die Tageszeitungskonzerne wissen natürlich, wo ihr Platz ist. Um gut Wetter für die letzte Subventionsrunde zu machen, lobten sie die Massnahmen des Bundesrats über den roten Klee. Den sie vorher noch harsch kritisiert hatten. Inzwischen sind sie alle auf Linie. Coronamassnahmen-Skeptiker? Alles Corona-Leugner, brandgefährlich. Jede Art von Gegenwehr gegen staatliche Zwangsmassnahmen und den Verlust fundamentaler Freiheitsrechte? Alles verkappte Rechtsnationale, Hetzer, mit üblen Hintergedanken.

Was sind die wahren Ursachen für den blamablen Zustand?

Und wodurch ist diese Misere überhaupt erst entstanden? Durch Corona? Nicht wirklich. Sie ist daraus entstanden, dass die Clans über viele Jahre hinweg neben den Zeitungsdruckmaschinen eigentlich auch Gelddruckmaschinen hätten aufstellen können. Sie verdienten sich ganze Berge goldener Nasen. Dafür gaben sie das Geld natürlich nicht aus.  Aber für Villen, Yachten, Feriendomizile, Kunstsammlungen, schicke Autos, was man halt so alles braucht.

Kaum einen Rappen gaben sie für etwas mindestens so Wichtiges aus: wie soll’s denn weitergehen, nach Internet und seiner Gratiskultur? Ach, wird doch von selbst wieder verschwinden, dachten die Clans, davon lassen wir uns doch nicht vom Geldzählen abhalten.

Zukunftsperspektiven? Neue Spielregeln, neues Spiel? Wie bringt man Internet, elektronische Medien und Print sinnvoll unter einen Hut? Was haben eigentlich die ganzen Jahre die hochbezahlten Manager gemacht, die doch sonst gerne und ungefragt ihren Latz überall reinhalten? Und von der staatstragenden Aufgabe der Medien salbaderen?

Die Zeitungsbünde wurden immer dünner, die Redaktionen immer menschenleerer, die Eigenleistung immer kläglicher. Meinungskommentare, Fachleute interviewen, Hehlerei mit der Beute von Geschäftsgeheimnissen betreiben. Die Beine weit, aber ganz weit spreizen, wenn es um die Verwischung des Unterschieds zwischen redaktionellem Teil und bezahlter Werbung geht. Eigenleistung? Überschaubar, bescheiden, ärmlich.

Einmaliges Geschäftsprinzip: weniger Leistung, dafür teurer

Das hindert aber selbst die Kopfblätter nicht daran, die Abopreise immer wieder zu erhöhen. Kapitalismus absurd: mehr Geld für weniger Leistung. Da laufen die Direktzahler scharenweise davon. Lösung: mehr Staatskohle, noch weniger Content, Bezahlschranke hoch, runter, hoch und runter.

Wohin soll die Reise gehen? Könnte es sein, aus welchen Gründen auch immer, dass jeglicher zukunftsfähiger Ansatz fehlt? Bei allen? Da wüssten wir was: «Neues Deutschland» und «Prawda» gibt es heute noch. Beide nicht mehr im Besitz des sozialistischen Staates. So rum geht’s also. Wieso nicht die «Neue Schweiz» und «Die Wahrheit»? Die Unterschiede zwischen einem Tamedia-Kopfblatt und einem von CH Media sind ja heute schon nur schwer auszumachen.

Da kann gewaltig gespart werden. Die Konzerne werden verstaatlicht, die Clans bekommen ein letztes Mal einen Riesenbatzen Geld, und niemand muss mehr das verlogene Lied der staatsunabhängigen Vierten Gewalt singen.

Mythos «Dickpic»

Wir müssen uns eines sehr unappetitlichen Themas widmen. Das ist bei Jolanda Spiess-Hegglin unvermeidlich.

Vielleicht wissen das viele Leser, Leserinnen und alles Diverse dazwischen nicht. Aber es geht in der Schweiz eine widerliche Unsitte um. Ein unerträglicher Ausdruck dieser sexistischen, männerbeherrschten, frauenfeindlichen Gesellschaft, in der wir hier und heute leben.

Täter sind, das ist hier naturgegeben, ausschliesslich Männer. Opfer sind fast ausschliesslich Frauen, es könnten aber auch Männer darunter sein. Aber das sollen die unter sich ausmachen. Hier geht es immerhin um die Mehrheit in unserer Gesellschaft. Die leidet.

Unter uns Männern. Also unter mir nicht, aber ich muss hier ein Zeichen setzen. Ich muss mich distanzieren. Solidarisieren. Ich kann nicht länger schweigen. Denn es gibt ein Thema, das noch wichtiger ist als der Rahmenvertrag. Noch bedeutender als der Klimawandel.

Männer sind Heuchler, Frauen Opfer

Mit Abscheu tippe ich dieses Wort hin: Dickpics. Nein, Ihr heuchlerischen, lesenden Männer: tut nicht so, als ob ihr das nicht kennt. Das kann nicht sein. Denn schon die Hälfte aller Frauen in der Schweiz hätten so ein Dickpic erhalten. Darunter versteht man die unaufgeforderte Zusendung eines Fotos des männlichen Geschlechts.

Genau, das, was der Stadtammann von Baden gerne von seinen Amtsräumen verschickte. Die Hälfte aller Frauen? Ach was, das Recherchierorgan «zentralplus» ist, nun ja, tiefer in das Thema eingedrungen.

Isabelle Dahinden, die laut Selbstauskunft «Vorurteile bekämpfen möchte, mit Klischees brechen. Minderheiten & Schwachen eine Stimme geben», hat auch mit diesem Vorurteil gebrochen. Denn die Wirklichkeit ist noch viel schlimmer:

«Dickpics waren bei vielen Mädelsabenden schon Thema. Wohl jede Frau hat schon einmal ein Dickpic – ein Bild eines Penis – bekommen, ohne dass sie danach gefragt hätte. Manche könnten schon ganze Alben damit füllen. Das irritiert, lähmt, hemmt – und löst auch Ekel aus.»

Allerdings. Nicht zuletzt deswegen, weil es noch in der Bildlegende zum Artikel heisst: «Studien zufolge hat fast jede zweite Frau schon einmal ein Dickpic bekommen.» Nun klafft doch zwischen «fast die Hälfte» und «wohl jede Frau» ein Abgrund, den nicht mal das längste Glied zu überspannen vermöchte, wenn ich das so formulieren darf.

Eine umrepräsentative Umfrage

Aber wie auch immer, das ist natürlich eine Sauerei. Allerdings: eine völlig unrepräsentative Umfrage in meinem Bekanntenkreis hat ergeben: kein einziger Mann hat gestanden, schon mal ein Foto seines Gemächts ungefragt verschickt zu haben (angefragt wurde auch keiner). Nun wissen wir ja, dass Männer lügen. Aber auch alle befragten Frauen haben bestätigt, dass ihnen der Anblick eines unverlangt zugestellten Penis-Bildes noch nie den Tag versaut hat.

Aber das muss dann einfach die andere Hälfte gewesen sein. Auf jeden Fall hat die Kämpferin gegen Hassreden im Internet (ja, die gleiche, die einen Wettbewerb um «das Arschloch des Monats» ausrief und gleich auch ihren Lieblingskandidaten bekannt gab), also die nicht ganz widerspruchsfreie Jolanda Spiess-Hegglin hat die Webseite «netzpickcock.ch» gebastelt. Dabei handle es sich um «einen Service vom Verein «#Netzcourage».

Der Service besteht darin, dass diese Webseite einen Anzeigengenerator enthält, mit dem von diesem üblen Männerbrauch betroffene Frauen «innert 60 Sekunden» eine Anzeige herstellen können. Sogar das Porto fürs Einreichen wird grosszügig übernommen. Es braucht nur die Tatwaffe, Angaben zum Besitzer, und ab geht die Strafanzeige.

Unter dem Kleingedruckten im Impressum findet man allerdings diesen Satz:

«Ebenso lehnt sie (#netzcourage, R.Z.) jede Haftung für Schäden irgendwelcher Art, die sich durch die Benutzung von netzpigcock.ch ergeben, ab

Verantwortungslose Bombe gezündet …

Das ist ein wohl nicht unnötiger Hinweis, denn auch Falschbeschuldigung ist strafbar. Aber reden wir von den Erfolgen: «Das Tool schlug ein wie eine Bombe. Erst einen Monat im Einsatz, wurden bereits 1178 Anzeigen generiert, wie Spiess-Hegglin auf Anfrage sagt.»

Und zentralplus exklusiv vermelden darf. Wir wollen den Freudentaumel ja nicht mutwillig in Frage stellen; aber rund 1200 Anzeigen nach 30 Tagen? Also rund 40 am Tag? Laut neusten erhältlichen Zahlen leben 4,25 Millionen Frauen in der Schweiz. Und 4,17 Millionen Männer.

Wenn nun bereits jede Frau so eine Schweinerei zugeschickt bekam, muss es offensichtlich unter den Männern Mehrfachtäter geben. Hat nur die Hälfte aller Frauen, da ist die weibliche Wissenschaft noch unsicher, so einen Schweinskram erhalten, dann wären das immer noch mehr als 2 Millionen Betroffene.

Wie man angesichts dieser Zahl behaupten kann, gekleckerte 40 Anzeigen am Tag sei der Beweis, dass das Tool richtig eingeschlagen habe, zeigt die Abgründe zwischen männlicher und weiblicher Logik, die ebenfalls nicht vom längsten …, aber das sagten wir schon.

Wie häufig ist dieses Phänomen nun in der Realität?

Anstatt ein Denunziationstool ins Netz zu stellen, für seine Benützung jede Verantwortung abzulehnen, wäre es doch eine gute Idee, die Häufigkeit dieses Phänomens mal ernsthaft zu eruieren. Denn offensichtlich haben weder alle, noch die Hälfte aller Frauen schon mal unverlangt ein Penisbild zugeschickt erhalten.

Aber das ist natürlich nur eine sexistische, diskriminierende, frauenfeindliche, rechthaberische Ansicht eines unbelehrbaren Machos. Der tatsächlich noch nie im Leben ein solches Foto verschickt hat, ja seines Wissens nicht mal so eins knipste. Aber das salviert ihn natürlich nicht.

 

 

Schawinski und die Radio-Zwerge

Wer keine guten Argumente hat, verspritzt Häme und zielt auf den Mann. Ein weiteres Trauerspiel der Medienmanager.

Eine Ausnahme sei lobend erwähnt. Sandro Benini bemühte sich bei Tamedia um eine einigermassen ausgewogene Darstellung des Problems, der beiden Positionen und liess nur eine leise Präferenz erkennen, dass doch nicht alle anderen falsch lägen, nur Roger Schawinski recht habe.

Das brachte ihm dann am Sonntag eine Einladung in Roger Schawinskis «Doppelpunkt» ein, wo er den entschiedenen Gegner der Abschaltung aller UKW-Sender in der Schweiz befragen, kritisieren, beharken durfte, und natürlich auch selber einige Körpertreffer einstecken musste.

Dass die federführende SRG und die BAKOM-Bürokraten keinen Anlass zur Beunruhigung sehen, ist klar. Nachdem sie 20 Jahre lang ziemlich viel Geld ausgegeben haben, um DAB sowie DAB+ den Schweizern beliebt zu machen, probieren sie es nun mit Gewalt. Denn immer noch verfügen 58 Prozent aller Autos nicht über DAB, benützt nicht einmal die Hälfte aller Radioempfänger diese Übertragungstechnologie.

Die Zukunft ist völlig klar. Natürlich VOIP, Streaming und Internet

Die Zukunft liegt im Internet; sobald 5 G überall erhältlich ist, kann man auf DAB wohlgemut verzichten. UKW benützen auch noch die Mehrheit der Automobilisten in Zentraleuropa, die wären dann in der Schweiz plötzlich in einem schwarzen Loch. Verkehrsdurchsagen, Unterhaltung? Sendepause.

Noch putziger: laut europäischen Vereinbarungen muss jedes Land, auch die Schweiz, in längeren Tunneln die Versorgung sicherstellen – mit UKW. Also, es gibt schon ein paar Argumente auf der Seite von Schawinski. Weniger, dass der alte Radiopirat in der Abendsonne seiner Karriere nochmal Pizzo Goppera wiederholen möchte. Nochmal einer gegen alle geben.

Die Radio-Zwerge haben keine Botschaft.

Aber diesmal im Kampf für eine veraltete Technologie, gegen eine neue, moderne, die halt ein 75-Jähriger nicht mehr so ganz versteht. Nun ist dieser 75-Jährige aber noch viel fitter bei solchen Fragen als die managenden Durchschnittslangweiler, die bei den inzwischen verklumpten privaten Sendestationen das Sagen haben. Oder – durchaus Nordkorea ähnlich – qua Geburt in diese Position gerutscht sind. Da wird’s dann richtig peinlich.

Wer etwas sagt, aber nichts zu sagen hat …

So machte Florian Wanner, von Beruf Sohn, aber auch Leiter Radio von CH Media, den Fehler, ein Interview zu geben. CH Media hat sich den grössten Brocken an Privat-Sendern zusammengekauft. Also ist sein Wort sicherlich wichtig.

Gleich mit seiner ersten Antwort auf die Frage, was er denn von Schawinskis Kampf gegen die Abschaltung von UKW halte, machte er sich’s im Fettnäpfchen bequem: «Ich musste schmunzeln und war nicht überrascht. Es ist eine schöne Geschichte für ihn. Er war der Erste unter den Privaten – und möchte offensichtlich auch der Letzte sein.»

Da hat er’s ihm aber gegeben. Nun kommt jedoch der wirklich blöde Teil für Wanner Junior; was hat er denn für Argumente gegen Schawinski? DAB+ sei eine gigantische Fehlinvestition, sagt der. «Kann man sicher kritisch hinterfragen», sagt Wanner. Man spare kaum etwas durch die Abschaltung, da die Infrastruktur längst abgeschrieben ist: «Der Unterhalt ist günstig, aber es würden Neuinvestitionen kommen», sagt Wanner. In Irland betrage der Anteil von DAB+ kümmerliche 0,5 Prozent. «Ich kenne die Situation in Irland nicht», sagt Wanner, er sehe das auch nicht aus der Perspektive «kleiner Regionalsender wie Radio 1».

DAB sei sowieso höchstens eine Übergangstechnologie. «Diese Aussage hat einen Wahrheitsgehalt», sagt Wanner. Aufschrei in der Bevölkerung, ausländische Automobilisten? Ja, das seien sicher Themen, meint Wanner. Und nachdem er das Interview frei von Argumenten durchgestanden hat, kommt noch der Knaller am Schluss. Ob er denn einer der Manager und Bürokraten sei, über die Schawinski herzieht.

Seine Antwort fürs Poesiealbum:

«Nein. Ich sehe mich als vorwärtsgerichteten Medienmanager, welcher Chancen nutzt.»

Das muss ihn offenbar dermassen auslasten, dass er vor der Debatte mit Schawinski im Clubhouse von persoenlich.com kniff. Vielleicht wurde ihm doch gesagt, dass ein HSG-Studium und Mitglied eines Familienclans zu sein, nicht unbedingt ausreiche, um eine Debatte mit Schawinski zu bestehen.

Wer etwas sagt, aber vieles ungesagt lässt …

Wenn es um Untergriffe geht, ist Kurt W. Zimmermann immer vorne dabei. Wie er schon gegen den designierten NZZaS-Chefredaktor Jonas Projer mit erfundenen und ausschliesslich auf «anonymen Quellen» beruhenden Verleumdungen zu Felde zog, erfindet er in seinem Nachruf für Peter Schellenberg in der «Weltwoche» ein Zitat von Schawinski. Schelli und Schawi hätten sich nicht leiden können, holt Zimmi aus. Schawinski habe Schellenberg «grossspurig» mit seinem Tele 24 herausgefordert und getönt, «dass «der Schellenberg hier bald einmal auf Knien angekrochen kommt». Bald darauf war aber Schawinski auf den Knien und sein Sender gescheitert.»

Das ist etwas launig vom ehemaligen Tages-Anzeiger-Manager Zimmermann, der als frischgebackenere WeWo-Kolumnist über das «gescheiterte Privat-TV-Projekt» von Tamedia herzog. Wobei er es unterliess, zu erwähnen, dass er höchstpersönlich für das Scheitern von TV3 verantwortlich war, ebenso für alle Flops, die er in seiner Kolumne dafür verantwortlich machte.

Offenbar besteht spätestens seither eine Antipathie gegen Schawinski, gespeist aus grüngelbem Neid. Bei diesem Niveau der wenigen verbleibenden Medienkritiker, das wollen wir nicht unterdrücken, kann es eigentlich zukünftig nur noch …

 

Werdstrasse: Fatale Fanale

Jetzt darf auch schon die vierte Garnitur ran. David Sarasin gibt den Demonstranten Saures.

Die wichtigste Eigenschaft eines Journalisten? Von nichts eine Ahnung, zu allem eine Meinung haben. Hier haben wir ein weiteres, idealtypisches Beispiel. David Sarasin ist Redaktor bei «Zürich Stadtleben» im «Tages-Anzeiger».

Also bestens qualifiziert, um vor «Fatalen Signalen aus Rapperswil» zu warnen. Ja was haben die St. Galler da schon wieder angestellt? Schlimmes. Es fand eine Demonstration statt. Früher mal eines der Grundrechte von Bürgern in einer Demokratie. Aber es war eine Manifestation von über 4000 «Massnahmen-Kritikern».

Nein, es war ein «Exzess der Demonstrierenden mitten in der Pandemie», fasst sich der Nixverstan an den Kopf. Oh, fand eine Orgie im sonst doch eher sittlich gefestigten Rapperswil statt? Allerdings, aber es kommt noch schlimmer.

Denn die Demonstration «war gesetzeswidrig». Verboten. Zudem fast maskenfrei. Also hätte die Polizei doch einschreiten sollen. Aber was tat sich stattdessen? Es ist geradezu peinlich, das berichten zu müssen. Sie liess sich abknutschen:

«Exemplarisch das Bild eines am Rande stehenden Polizisten, der von einer Massnahmengegnerin umarmt und mit einer Rose beschenkt wird. Er lächelt und rückt seine Maske zurecht, die wegen der spontanen Liebesbekundung verrutscht.»

Symbiose von Demonstranten und Polizei?

Ja was sind das denn für Zustände, erregt sich Sarasin zu Recht. Keine Knüppel, kein Tränengas, keine Gummigeschosse, nicht einmal Wasserwerfer. Das macht Sarasin natürlich misstrauisch:  «Wie kommt diese, ja, Symbiose von Massnahmenkritikern und Polizei zustande?» Man kann ihm vielleicht zugute halten, dass er nicht so genau weiss, was eine Symbiose ist, Fremdwörter sind immer so eine Sache.

Die St. Galler Polizei behaupte, man habe zwischen dem Schaden einer Auflösung und dem Schaden der Demonstration abwägen müssen. Aber abwägen, das ist Sarasins Sache nicht.

Schreibtischtäter Sarasin

Er ist eindeutig für dreinschlagen, niederknüppeln, auseinandertreiben, denn:

«Das Signal, das St. Gallen damit in die Schweiz sendet, ist aus drei Gründen verheerend.»

Hui.

Wenn sich viele Menschen ohne Maske versammelten, dann würde das toleriert. Dann habe die Polizei «virologische Argumente zu wenig gewichtet». Sagt Virologe Sarasin. Aber er kann noch besser: für alle, «die in Spitälern arbeiten oder behandelt werden», nun kommt der Journalisten-Modalverb-Trick, «dürfte ein solcher Menschenauflauf wie Hohn klingen».

Ein Menschenauflauf klingt wie Hohn? Nun, wer ungeordnete Gedanken rausbläst, hat natürlich auch mit der Sprache seine liebe Mühe. Was hätte denn die Polizei einem hohnklingenden Menschenauflauf entgegensetzen sollen?

«Eine Durchsetzung des Verbots hätte ein wichtiges Signal ausgesendet.»

Statt eines fatalen Signals. Und welches genau? «Ein Signal der Solidarität mit all jenen, die hart mit der Pandemie zu kämpfen haben.» Behauptet der harte Kämpfer Sarasin.

Ein weiterer Dummschwätzer. Kann er irgendwie belegen, dass von solchen Demonstrationen «fatale Signale» ausgingen? Liestal, Schaffhausen, Altdorf. Haben wir seither gehört, dass im Anschluss dort die Intensivstationen der Spitäler unter dem Andrang Erkrankter zusammenbrachen? Weil eben «virologische Argumente» fehlten? Weil auch diese Demonstrationen laut Sarasin hätten zusammengeknüppelt werden sollen?

Vielleicht sollte Sarasin mal etwas in Schulung bei Bruno Hug gehen, dem Betreiber von «linth24.ch» – in Rapperswil. Wie es der unglückliche Zufall so will, erschien gleichzeitig ein Interview mit ihm auf persoenlich.com. Das war werthaltig, deshalb gratis zu lesen. Während das Geschwätz von Sarasin nur gegen Bezahlung erhältlich wäre.

Hug zeigt, was sinnvolle Antworten eines Berichterstatters sind. Demo nicht erlaubt?

«Es ist nicht meine Aufgabe, über Recht oder Unrecht einer Demo zu urteilen.

Offenbar hat die Polizei nicht eingegriffen, um keine Eskalation heranzuführen. Ich fand diese Strategie klug.» Kaum Masken? «Ich bin weder das BAG, noch vertrete ich den Staat. Was ich jedoch sehe, ist, dass seit schönes Wetter ist und die Terrassen offen sind, die Masken quer durchs Land im Rückzug sind und die Leute überall frei herumsitzen.»

Was meinen die Rapperswiler? Das weiss ich nicht, weil ich nicht vor Ort war.

So war das mal im Journalismus. Als der noch Journalismus war, und kein Meinungsgekeife von unqualifizierten, mit Vorurteilen belasteten Journalisten, die null Bedürfnis haben, die Wirklichkeit abzubilden. Sondern nur, den armen Lesern ihre Meinung aufs Auge zu drücken. Kein Wunder, dass das immer mehr Leser nicht mögen.

Ein sicherlich vergeblicher Ratschlag an Sarasin: Wenigstens andeuten, dass man eine Ahnung hat, worüber man schreibt, das hilft ungemein. Wenn man über eine grössere Demonstration schreibt, würde eine kurze Erwähnung, wofür und wogegen die Teilnehmer auf die Strasse gehen, unglaublich die Autorität des Schreibers stärken.

Schlimme Meinungen aus dem Hause Tamedia.

 

 

«Radio im Herz»

UKW abschalten, ja, nein? Noch wichtiger ist: Schawinski ja nicht abschalten.

Es ist mal wieder einer gegen alle. Roger Schawinski wehrt sich als einziger Betreiber eines Privatradios dagegen, dass beginnend im nächsten Jahr die Radio-Übertragung per UKW beendet wird.

Nicht nur vom Gebührensender SRG, sondern auch alle Privatradiobetreiber haben sich einverstanden erklärt. Alle? Ausser einem. Der bekommt nun die übliche Portion Häme ab. Im fortgeschrittenen Alter wolle er wohl nochmal zu seinen Anfängen zurück als der Radiopirat, der die Sendelandschaft in der Schweiz umgepflügt hat. Nostalgiker, aus der Zeit gefallen.

Das ist Häme, weil die Gegenargumente gegen seine Position sehr dünn gesät sind. Sandro Benini vom «Tages-Anzeiger» hatte sich die Mühe gemacht, in einem Artikel die Problematik und die widersprechenden Positionen aufzuzeigen. Zudem ist Benini ein bissiger, schneller und argumentativ keine Gefangenen machender Diskussionspartner, wie ich aus eigener Erfahrung weiss.

Er ist mit Roger Schawinski per du, wie ich übrigens auch. Das als Packungsbeilage. Es geht hier aber gar nicht in erster Linie darum. Es geht darum, dass Roger Schwaniski für seinen «Doppelpunkt» letzten Sonntag Benini eingeladen hat. Und zwar nicht, um ihn zu befragen und zu rösten, sondern um sich befragen und kritisieren zu lassen.

Die reine Hörfreude

Daraus entwickelten zwei Dinge. Zum ersten der wohl vergnüglichste Schlagabtausch zweier geübter Rhetoriker der letzten Monate, wenn nicht Jahre. Natürlich hatte Schawinski gewisse Vorteile, was profunde Kenntnisse von Technik und Geschäft betrifft.

Dass Benini Betriebskosten und Verbreitungskosten verwechselte, wurde ihm gnadenlos und mehrfach aufs Brot geschmiert.

Er wehrte sich damit, wieso ihn Schawi dann überhaupt eingeladen hatte, und hackte seinerseits immer wieder auf dem Argument herum, dass doch nicht alle anderen Trottel sein könnten, die mit der Abschaltung von UKW einverstanden seien, während nur Schawinski das Licht der Wahrheit sehe.

Es geht hier auch nicht um eine Darstellung sowie Würdigung der Argumente, die ausgetauscht wurden. Die kann (und sollte und müsste) jeder nachhören, der sich für die Umrüstungskosten, die Vor- und Nachteile von UKW, DAB/DAB+ und Internet interessiert.

Und da 58 Prozent aller Autos in der Schweiz kein DAB haben, zum Beispiel, werden zu diesem Thema sicherlich noch grosse Schlachten geschlagen werden. Schawinski macht den Anfang und hat angekündigt, dass er ohne weiteres zum Bundesverwaltungsgericht nach St. Gallen gehen wird, sollte dieser seiner Meinung nach unsinnige Entscheid nicht korrigiert werden.

Benini hielt tapfer mit seinem Argumentarium dagegen. Das wäre nun selbst für die Medien-Show ZACKBUM.ch höchstens eine Meldung wert. Und Meldungen machen wir nicht. Was es aber erwähnungswert macht: Wo, wo sonst gibt es einen solchen Schlagabtausch? Wo, wo sonst lädt sich der Chef einer Plattform seinen schärfsten Kritiker in eine Live-Sendung ein und lässt sich von ihm befragen und beharken?

Wo sonst können verschiedene Ansichten so spritzig, auch gnadenlos, aber humorvoll aufeinandertreffen? Wo sonst können Zuschauer live mitreden, und zwar ausführlich? Nirgends sonst. In den vielen, vielen Sendegefässen des Gebührenmonstrums SRG nicht. In den inzwischen miteinander verklumpten Privat-Radio- und TV-Stationen auch nicht.

Eine Oase in der Wüste

Seit Markus Gilli krankheitshalber «Talk täglich» und «Sonntalk» abgeben musste, stehen dort nicht nur Plastikwände zwischen den Diskussionsteilnehmern. Sondern das meiste, was dort geschwatzt wird, ist auch Plastik. Die «Arena» ist so zu Tode durchorganisiert worden, dass sie meilenweit von der einfachen Grundidee entfernt vor sich hinröchelt: ein paar Leute stehen um einen runden Tisch und geben sich Saures. Gelegentlich dürfen noch weitere Leute aus einem äusseren Zirkel was reinmopsen. Das war auch nicht immer eine Sternstunde der Rhetorik. Aber doch lebhaft, unterhaltsam.

Also kann man nur sagen: Ob weiterhin auf UKW, DAB/DAB+ und Internet übertragen wird oder nicht, dass ist sicherlich eine Debatte wert. Wenn Schawinski einmal abtritt, und er ist 75, dann ist guter Rat teuer. Denn er hat wirklich das «Radio im Herz», wie er sagt. Im Gegensatz zu den Managern, die die anderen Radiostationen leiten und noch nie eine eigene Sendung gemacht haben.

Die werden’s dann wohl genauso in den Sand setzen wie ihre Kollegen im Gebührensender SRG. Denn letztlich kommt es vor allem bei Radio nicht auf die Qualität des Dudelfunks an. Sondern auf den Wortinhalt. Und auf die Leidenschaft der Macher. Wie überall sonst auch.

Packungsbeilage: René Zeyer ist schon mehrfach in diversen Sendungen von Roger Schawinski aufgetreten.