Rassenkunde: Neues vom Mohrenkopf

Gibt es verschiedene Rassen auf der Welt? Oder ist schon die Frage rassistisch?

Die «Süddeutsche» vermeldet: «Ein wichtiges Medizin-Fachjournal publiziert bald nur noch Studien, wenn in diesen die «Rasse» der Probanden angegeben wird. Woran liegt das?»

Natürlich findet dieser Artikel seinen Weg in die Spalten der Qualitätsmedien von Tamedia, die ja immer weniger Content selber herstellen. Allerdings wurde am Lead etwas geschraubt, so heisst die Schweizer Version:

«In Studien soll künftig die «Race» der Probanden angegeben werden, um Minderheiten besser abbilden zu können. Damit begibt sich das New England Journal of Medicine auf gefährliches Terrain.»

Denn es kann ja in diesem Konzern mit hochstehendem Qualitätsmanagement nicht sein, dass der Leser mit einer ergebnisoffenen Frage in einen Artikel entlassen wird. Da muss eine Wertung her, damit von Anfang an alles klar ist.

Worin besteht denn nun dieses «gefährliche Terrain»? Zunächst einmal kommt dieser Begriff im differenzierten Artikel des Wissenschaftsjournalisten Markus C. Schulte von Drach nicht vor.

Nicht nur wegen den Erfahrungen im Hitler-Faschismus ist der Begriff «Rasse» auf Deutsch aufgeladen, problematisch, verbrannt. Zudem herrscht allgemein Einigkeit, dass Rasse nur schwerlich ein biologischer Begriff ist, sondern vielmehr ein soziales Konstrukt, wie von Drach referiert.

Muss weg.

Dann liefert er die Begründung des NEJM, das übrigens zum Club der weltweit hochangesehenen wissenschaftlichen Fachzeitschriften gehört.

«In den Vereinigten Staaten haben schwarze Amerikaner hohe Raten von Bluthochdruck und chronischer Nierenerkrankung, hispanische Amerikaner haben die höchste Prävalenz von nicht-alkoholischer Fettleber, amerikanische Ureinwohner haben überproportional häufig ein metabolisches Syndrom, und asiatische Amerikaner sind einem besonderen Risiko einer Hepatitis-B-Infektion und nachfolgenden Zirrhose ausgesetzt, jedoch sind diese Gruppen in klinischen Versuchen und Kohortenstudien häufig unterrepräsentiert.»

Differenzierte Debatte von Fachleuten

Zudem hat das Journal eine ganze Reihe von Fachleuten eingeladen, sich zu diesem Thema zu äussern. Sie liefern – verständlich – einen Eiertanz ab. Auf genetischer oder biologischer Ebene gebe es keinerlei Beweise für die Existenz unterscheidbarer rassischer Gruppen. «Aber in einigen Fällen, ich denke, da ist es den meisten von uns klar, dass Rassekategorien bis zu einem gewissen Grad mit genetischer Abstammung korrelieren», eiert Michele Evans. Ein Nephrologe ergänzt: «Es ist eine Sache zu sagen, dass Rasse ein soziales Konstrukt ist, aber es gibt genetische Abstammungsmarker, die sehr wirkungsvoll über die Ausprägung von Krankheiten in bestimmten ethnischen Minderheitengruppen informieren können.»

Dahinter steht das Problem, ob und wie man Rassismus Vorschub leistet. Diese unausrottbare Unart geht davon aus, dass gewisse Eigenschaften auf Rassen zutreffen. Also beispielsweise «Weisse sind intelligent, Schwarze sind faul und dumm». Das ist natürlich hanebüchener Blödsinn, weil es auch viele faule und dumme Weisse gibt, viele intelligente Schwarze.

Ist schon weg.

Nicht alle Schweizer mögen Schokolade, blasen ins Alphorn und arbeiten auf einer Bank. Der chaotische Italiener, der stolze Spanier, der pünktliche Deutsche. Alle diese normativen und generalisierenden Begrifflichkeiten sind Versuche, durch Verallgemeinerungen etwas Ordnung zu schaffen, greifen aber auf der Ebene individueller Betrachtung viel zu kurz. Dort entscheidet sich dann, ob ein Rassist spricht oder kein Rassist.

Verwendung von Unterscheidungsmerkmalen ist völlig richtig

Aber die Verwendung von Kategorien zwecks besserer Einteilung, gesteigertem Verständnis beispielsweise von Krankheiten, was soll daran falsch sein? Wer sagt, dass stark Übergewichtige überproportional höhere Gesundheitsrisiken haben im Vergleich zu Normalgewichtigen, ist deswegen doch kein Rassist oder Ausgrenzer und äussert auch kein Ressentiment gegen Dicke.

Es ist auch kein Rassismus, Formulierungen wie «gefährliches Terrain» als Ausdruck von in Dummheit umschlagendes Gutmenschentum zu kritisieren. Korrelationen zwischen Ethnien – um den Begriff Rassen zu vermeiden – und überproportional häufig auftretenden Krankheiten können bei Therapie und Heilung helfen. Wer dagegen ist, ist ein Dummkopf.

Wer sagt, jeder Schwarze habe Bluthochdruck, hat ebenfalls nicht alles verstanden. Hinzu kommt die unterschiedliche Sensibilität beim Ausdruck «race». In jedem amtlichen US-Formular wird heute noch nach Geschlecht, Nationalität und Rasse gefragt. Das stört dort auch niemanden gross, obwohl der Bürgerkrieg um die Sklavenbefreiung nicht Hunderte von Jahren her ist.

Ausdifferenzierte Fragen nach ethnischer Zugehörigkeit.

In den USA wird viel unternommen, um verschiedenen, bleiben wir bei Ethnien, gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft zu eröffnen. Einem Hispanic oder Schwarzen besondere Förderung zuteil kommen zu lassen, ist aber nur möglich – wenn er so kategorisiert werden kann.

Ethische und Rasseninformation wird gesetzlich verlangt.

Denn die Benachteiligung von Schwarzen ist nur messbar, wenn man Schwarze als solche identifiziert. All das übersehen die Rassimus-Kreischen, die am liebsten alle diese Kriterien als diskriminierend, eben rassistisch abschaffen möchten, so wie den Mohrenkopf.

Werbemüll im Internet

Die Kostenfreiheit fördert Sumpfgebiete.

Mehr als die Hälfte aller E-Mails weltweit sind Spam. Also unverlangter Werbemüll. Das ist ein ziemlich hoher Haufen, denn 2021 dürften rund 320 Milliarden E-Mails versandt und empfangen werden. Pro Tag.

Obwohl sich der Aufwand für das Abfeuern von Spam in überschaubaren Grenzen hält, würde er nicht betrieben werden, wenn es nicht zumindest kostendeckend genügend Deppen gibt, die darauf reinfallen.

Also Produkte zur Penisverlängerung kaufen wollen, angeblich totsichere Geldanlagen ausprobieren möchten. Den Reizen einer Dame erliegen, die sich einfach so und spontan unsterblich in den Empfänger verliebt hat. Natürlich jede Menge Schnäppchenpreise ausnützen wollen, das neue iPhone für 100 Stutz, kein Problem, nur ist die Anzahl beschränkt, sofort zuschlagen. Oder lieber gleich ein Testgerät, selbstverständlich gratis?

Es gibt auch einigermassen cleveren Spam

Es gibt auch aufwendigere, sowie fiesere Lockmails. Der Verwandte eines afrikanischen Potentaten, der ungetreue Buchhalter mit Prokura, der sterbenskranke Reiche, die alle nichts lieber täten, als dem Empfänger einen beeindruckend grossen Geldberg zu schenken.

Nett sind auch die Erpressermails; man habe den Empfänger bei unsittlichem Tun vor seiner Computer-Kamera beobachtet, der Inhalt der Festplatte werde verschlüsselt und anschliessend geschrottet, peinliche Videos an alle Bekannten und Verwandten verschickt, wenn nicht …

Es gibt auch immer wieder Konjunkturwellen, als hätten sich weltweit die Spamer auf Modeerscheinungen geeinigt. So war es eine Weile üblich, dass mit dem Absender eines tatsächlich vorhandenen Mailkontakts ein Hilferuf abgesetzt wurde. Die Person sei im Ausland in einer finanziell prekären Situation, der nur durch die sofortige Überweisung eines vierstelligen Betrags abgeholfen werden könnte, per Western Union oder so, asap.

Adressen sammeln, Spam schleudern, alles fast gratis

Der bedeutendste Kostenfaktor dabei ist das Aufkaufen von E-Mail-Adressen. Wobei sich auch der in überschaubaren Grenzen hält. In trüberen Gewässern des Internets kriegt man solche Pakete, zum Beispiel eine Million Adressen aus Deutschland, für schlappe 25 $.

Will man etwas selektionierter vorgehen, also nach Alter, Kaufkraft oder Affinität zu Online-Käufen unterscheiden, wird’s ein wenig teurer. Das Versenden, wenn man ein Botnet verwendet, also ein Netz von ohne Wissen der Besitzer gekaperten Computern, ist ebenfalls kriminell billig.

Bleibt nur noch der heikelste Punkt, die Geldübergabe. Aber da bietet die schöne, neue Welt der Kryptowährungen ganz ungeahnte Möglichkeiten. Oder aber die immer noch existierenden Bargeldüberweisungssysteme oder Finanzhäuser in den vielen Gegenden der Welt, wo die Rechtsstaatlichkeit nicht wirklich ausgeprägt ist.

Neben Mails gibt es auch Inseratespam

Es gibt auch eine Art Werbe-Spam, der alle Plattformen zumüllt, die sich entschieden haben, Google Ads Plätze zu vermieten. Der grosse Vorteil für den Besitzer der Webseite: er muss sich nicht um Vermarktung, Belegung und alles Administrative kümmern. Besonders für kleinere Plattformen, die nicht über die Möglichkeit einer eigenen Akquise verfügen, ergeben sich hier sehr willkommene Zusatzeinnahmen.

Downside ist aber, dass der Leser gelegentlich mit Müll belästigt wird, der nervt. Auch das sind Wellen, das Grundprinzip einer Form des Werbespams ist immer das Gleiche. Es wird eine bekannte Persönlichkeit genommen, in der Schweiz sehr beliebt Roger Federer zum Beispiel, der habe mit einer neuen Geschäftsmethode unglaubliche Gewinn erzielt; wer sich davon einfangen lässt, wird auf eine Webseite geleitet, die diese Story mit angeblichen Berichten aus seriösen Medien untermauert.

Es gibt auch erheiternde Beispiele

Das nervt und weckert. Ausser bei der neusten Variante. Denn offensichtlich haben die hier verwendeten Algorithmen ausgerechnet, dass ein Schweizer Bundesrat so sehr im Gespräch ist, dass er sich als unfreiwilliger Werbeträger eignet.

So lächelt einem Knutschkugel Alain Berset mit einer verfänglichen Botschaft entgegen:

Das bringt wenigstens etwas Humor in dieses trübe Thema, obwohl mit seinem Foto keine Werbung für Potenzmittel gemacht wird:

Ach, wer sich fragt, wieso die Missbrauchten sich nicht dagegen wehren: viel Spass beim Kampf mit einem schmierigen Server in Usbekistan, Vanuatu oder Kasachstan. Oder mit Google Ads.

PS Das hier ist weder Werbung, noch Spam:

 

Selektive Wahrnehmung einer Selbstzerstörungsmaschine

Der Recherchierjournalist Daniel Ryser denaturiert zum demagogischen Kommentator.

Es ist der Weg nach unten eines Begabten zu beklagen. Daniel Ryser hatte seinen eigenen Sound geschaffen, bei seinen Langzeitreportagen. Er traute sich sogar an ein Buch über den umstrittenen Publizisten Roger Köppel. Unter dem etwas verwirrlichen Titel «In Badehosen nach Stalingrad» wurde eine Abrechnung draus.

Ein durchaus lesenswertes Buch, wenn auch nicht immer mit sauberen Methoden recherchiert. Ryser arbeitet seit einiger Zeit für die «Republik», und das ist leider nicht spurlos an ihm vorbeigegangen.

Anfang August erschien von ihm der Artikel «Die Zerstörungsmaschine» in der «Republik». Seine These:

«Der grösste Medienkonzern der Schweiz» habe es auf Jolanda Spiess-Hegglin abgesehen, sie werde «mit allen Mittel diskreditiert».

Auf den üblichen 23’000 Anschlägen diskreditierte er sich hier allerdings selbst, obwohl er sozusagen als Mahnung sich einleitend aufrief, dass diese «Geschichte präzis erzählt werden» müsse, «aus Fairness gegenüber Spiess-Hegglin».

Das schloss allerdings keine Fairness gegenüber Tamedia ein. Der Artikel strotzte von Unsauberkeiten, Fehlern und polemischen Überspitzungen. Schlimmer noch: Ryser begab sich aus dem Feld der Debatte.

Gesprächsverweigerung und Rechthaberei statt Recherche

Wir stellten ihm damals 25 präzise Fragen, darunter auch die, wieso er gegen ein Grundprinzip des anständigen Journalismus verstossen habe; nämlich sämtlichen in seiner Polemik angegriffenen und namentlich kritisierten Personen keine Möglichkeit zur Stellungnahme einräumte.

Ryser schwieg.

Auf dem Weg nach unten hat er inzwischen ein neues Niveau erreicht. Offenbar strebt er danach, sich selbst immer mehr tieferzulegen. Er greift zum Kommentar, um auszuführen: «Der Mord an einem Tankstellen-Kassier in Deutschland zeigt auf drastische Weise: Wer mit Begriffen wie «Diktatur» und «Faschismus» aufwiegelt, ebnet den Weg zur Gewalt.»

Streng gegen Linksradikale?

Das ist eigentlich die Spezialität von Linksradikalen, die diese Begrifflichkeit für das uns angeblich beherrschende Schweinesystem verwenden. Ein Blick auf die Webseite aufbau.org genügt, um die inflationäre Verwendung dieser Begrifflichkeiten zu sehen.

Aber das meint Ryser nicht. Denn in der hysterisch aufgeheizten Debatte um Massnahmen zur Pandemie-Bekämpfung findet sozusagen eine Vergesellschaftung dieser Keulen-Begriffe statt. Auch rechtskonservative Kreise beginnen, sie zu verwenden.

Denunziation einer Bewegung aufgrund von Amoks

Herausragend dabei offensichtlich der Irrwisch Nicolas A. Rimoldi. Ein Wirrkopf, der im Trüben fischt und sich als Feindbild für Ryser anbietet, weil er auch auf dem Weg nach unten ist. Vom ehemaligen Jungfreisinnigen zum Sprachrohr absurder Verschwörungstheorien.

Ryser hat ihn verdienstvoll in einem längeren Artikel porträtiert. Was da an Rimoldi auffällt: er will unfassbar bleiben wie Quecksilber. Widerspricht sich gerne und häufig, weicht aus, korrigiert und löscht, lebt offenbar in einer Welt mit abnehmendem Kontakt zur Realität.

Nun hat anscheinend in Deutschland ein Amoktäter einen Tankwart ermordet, weil der ihn zum Tragen einer Maske aufforderte. Der Täter soll seine Bluttat damit begründet haben, dass er ein Zeichen gegen die Maskendiktatur setzen wolle.

Ein Vollirrer. Auf einschlägigen Plattformen, in Telegram-Chatgruppen schäumte danach weitere Irrheit hoch, «wenn’s die richtigen trifft, hab ich nichts dagegen», zitiert Ryser einen verantwortungslosen Spinner.

Soll man ganze Strömungen so disqualifizieren?

Von der Ermordung Martin Luther Kings bis zu den Terrorakten am 11. September im Grossen, von Anschlägen auf Abtreibungskliniken bis zu Sachbeschädigungen durch den Schwarzen Block bei 1.-Mai-Demos im Kleineren, bei den Chaostagen anlässlich des G7-Gipfels in Hamburg: es gibt immer Amoks, die solche Gewalttaten loben, beschönigen, erklären, zum Ausdruck berechtigten Widerstands gegen Diktatur, Faschismus, Imperialismus, im Namen von Rassenwahn oder dem Kampf für ungeborenes Leben erheben.

Im Kopf von geistigen Brandstiftern …

Seit es die Klowände im Internet gibt, ist das öffentlich einsehbar, wenn man sich die Nase zuhält.

Auch in sogenannten Qualitätsmedien gibt es entsprechende Amoks, erinnert sei nur an den Leiter des «Interaktiv-Teams» bei Tamedia. Marc Brupbacher twittert mit dieser Berufsangabe «Sind jetzt alle komplett durchgeknallt in diesem Land», beschimpft Regierende wie Silvia Steiner als «traurigen Clown in einem anti-wissenschaftlichen Polit-Zirkus», ist mit Bundesrat Alain Berset «komplett durch», denn der Gesamtbundesrat ist «komplett übergeschnappt», viele Regierenden verfügen «über die Hirnleistung eines Einzellers». Die Uni Luzern fordert er auf:

«Hey, Uni Luzern, nehmt den Dreck runter, entschuldigt euch bei C. Althaus und publiziert eine Richtigstellung.»

Sicher, er schwafelt nicht von Faschismus und Diktatur, ruft auch nicht zu Gewalt auf. Aber er ist ein Beispiel dafür, dass es überall Amoks gibt. Aber wegen Brupbacher kann man nicht alle Befürworter von Lockdowns oder drastischen Massnahmen als durchgeknallt diskreditieren. Oder alle Mitarbeiter von Tamedia.

Oder wir erinnern an die «rechte-Hetzer»-Kreische Daniel Binswanger in eben dieser «Republik», den Verteidiger der Burka als Ausdruck selbstbestimmten Handelns selbstbewusster Frauen. Deswegen kann man doch nicht die gesamte Crew in Sippenhaft nehmen.

Heinrich Böll würde im Grab rotieren

So wie das Ryser mit Massnahmenkritikern tut. Dazu bemüht er einen heutzutage weitgehend vergessenen deutschen Schriftsteller: Heinrich Böll. Der Literaturnobelpreisträger sagte 1959 in einem Vortrag: «Der Spruch: Wenn Worte töten könnten, ist längst aus dem Irrealis in den Indikativ geholt worden.»

Ein differenzierter Mahner, missbraucht von Ryser.

Ryser zitiert ihn weiter, mit anschliessender strenger Ermahnung: ««Worte können töten, und es ist einzig und allein eine Gewissensfrage, ob man die Sprache in Bereiche entgleiten lässt, wo sie mörderisch wird.» Darüber sollten Leute, die heute ständig von Diktatur sprechen und twittern, dringend nachdenken.»

Teilgebildet, wie Ryser ist, verzichtet er aber darauf, den Zusammenhang herzustellen, in dem Böll das sagte. Holen wir gerne nach:

«In allen Staaten, in denen Terror herrscht, ist das Wort fast noch mehr gefürchtet als bewaffneter Widerstand, und oft ist das letzte die Folge des ersten. Die Sprache kann der letzte Hort der Freiheit sein.»

Böll bezog sich also auf die damals noch frische Erfahrung des deutschen Hitler-Faschismus, darüber sollte Ryser dringend nachdenken. Böll mischte sich damals auch in die Debatte um die Taten der linksterroristischen RAF ein. Dazu schrieb er: «Es ist inzwischen ein Krieg von 6 gegen 60 000 000. Ein sinnloser Krieg.»

Dazu rief er zu Augenmass auf: «Ich habe die Gruppe um Ulrike Meinhof relativiert – ja. Verharmlost nein. Ich habe versucht, die Proportionen zurechtzurücken. Nichts weiter. Wenn Albanien der Sowjetunion den Krieg erklären würde, so fände ich das nicht harmlos, nur fände ich die Situation der Sowjetunion nur relativ gefährlich.»

Proportionen zurechtrücken, darum ging es Böll, darum sollte es vielleicht auch Ryser gehen. Es ist unstatthaft, mindestens ungebildet, wenn nicht absichtsvoll demagogisch, Böll hier als Kronzeugen für Rysers Feldzug gegen Massnahmenkritiker einzusetzen.

Aber wollen wir einen Mann auf dem Weg nach unten aufhalten?

 

 

 

Freude herrscht: Die Ostschweiz lebt

Medial gute Nachrichten. Wenn nur dieser Dialekt nicht wäre.

Zunächst die Packungsbeilage: ZACKBUM-Redaktor René Zeyer schreibt auch für «Die Ostschweiz».

Höchstwahrscheinlich liegt es daran, dass das muntere Online-Magazin gerade vermeldet hat:

«Mehr als eine Million Leser oder «unique user» haben unsere Seite in diesem Monat besucht.»

Und der Monat September ist noch relativ jung.

Diese gute Nachricht wurde am 20. veröffentlicht, das bedeutet, dass es wohl bis Ende Monat locker 1,5 Millionen werden können.

 

Das ist ohne Zweifel eine Erfolgsgeschichte. Im April 2018 gestartet,  bald einmal konnten 20’000 Leser pro Monat vermeldet werden. Pipifax, im Vergleich zu den aktuellen Zahlen. Diese Million ist aus mehreren Gründen bemerkenswert.

Hoch die Flaschen!

Wenig Mittel, grosser Erfolg

«Die Ostschweiz» konzentriert sich (fast) ausschliesslich auf die Ostschweiz. Lokales, Lokales, Lokales, bis hinunter zu Polizeimeldungen über Unfälle und Verbrechen. Insgesamt arbeitet nur eine Handvoll Leute mit, der Inhalt wird im Wesentlichen von Chefredaktor Stefan Millius plus ein, zwei, Mitarbeitern abgefüllt.

Mit Vorsicht, aber beharrlich wurden sogenannte Extension Lines ausgefahren, so ein Printprodukt. Von Anfang an verstand sich die «Ostschweiz» als Forum, eine Lieblingsidee am Anfang war, möglichst viele Kolumnisten, meinungsstarke Autoren zu versammeln. Eine geplante Diskussionsreihe fiel (bislang) der Pandemie zum Opfer.

Nachdem einige konservative Stimmen diese Gelegenheit ergriffen hatten, verabschiedeten sich dann leider – aber nicht untypisch – diverse linke Meinungsträger, da wollten sie nicht teilhaben. Dahinter stand sicher auch die Überlegung, dass das St. Galler «Tagblatt» der Platzhirsch in der Ostschweiz sei und bleibe. Die «Ostschweiz» hingegen ein Randphänomen.

Den langjährigen Platzhirsch bereits hinter sich gelassen

So kann man sich täuschen. Online hat die «Ostschweiz» das «Tagblatt» bereits überrundet, und die Eingemeindung ins CH Media-Reich mitsamt in Aarau hergestellter Einheitssosse, hat dem «Tagblatt» auch nicht viel Sympathie eingebracht. Tiefflieger wie die publizistische Leiter nach unten Pascal Hollenstein oder ein einseitig meinungsstarker Chefredaktor (wovon eigentlich?), der Verzicht auf jeglichen Anspruch, gerade in der Frage der Corona-Massnahmen ein Forum für divergierende Meinungen zu sein, hat dem «Tagblatt» weiter geschadet.

Nicht zuletzt ist der Unterschied auch: Die «Ostschweiz» ist gratis, das Tagblatt kostet rund 500 Franken im Jahr. Auch der Chefredaktor der «Ostschweiz» macht aus seiner (dezidiert kritischen) Meinung zur Coronapolitik des Bundesrats kein Hehl. Da er aber nicht nur eine Meinung hat, sondern auch Ahnung und seine Artikel meinungsstark, aber faktenbasiert sind, konnte sich die «Ostschweiz» auch als Plattform für abweichende Ansichten profilieren – über die Ostschweiz hinaus.

Als Sahnehäubchen ist es seit einiger Zeit so, dass das «Tagblatt» kaum eine Gelegenheit auslässt, an der «Ostschweiz» rumzumäkeln. Nicht nur ein schwerer strategischer Fehler, denn der «Tagblatt»-Abonnement fragt sich natürlich, warum er für die Darstellung dieser Fehde einen Haufen Geld abdrücken soll. Das Gezeter bedeutet auch, dass die «Ostschweiz» zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz geworden ist.

Es gibt Leben im Internet – und Ziele

Sicher, bis zu den rund 140 Millionen monatlichen Online-Lesern von «20 Minuten» ist’s noch ein Wegstückchen hin. Aber wer weiss …

Unabhängig von persönlichen Präferenzen von ZACKBUM ist es einfach so, dass diese Plattform beweist, dass es Leben im Internet gibt – jenseits von Google, Facebook und dem Gejammer der grossen Medienclans der Schweiz, die sich eine weitere Milliarde Steuergelder als Subventionen einverleiben möchten.

«Die Ostschweiz» als Gratisangebot würde dabei – wie auch ZACKBUM – leer ausgehen. Auch das macht diese Subvention so fragwürdig. Versagen wird belohnt, Erfolg bestraft.

Aber unabhängig davon zeigt die «Ostschweiz» – und das ist der Aufsteller – dass es möglich ist. Von null auf eine Million, eher 1,5 Millionen in dreieinhalb Jahren, das ist ein starkes Stück. Erfolgsgeheimnis?

Keinerlei Erfolgsgeheimnis

Überhaupt kein Geheimnis. Harte Arbeit, das Einhalten journalistischer Minimalstandards, Meldung und Meinung schön austariert, klare USP – Ostschweiz, immer Ostschweiz, abgesehen von ein paar Pausenclowns wie Zeyer –, Kontinuität, Professionalität und einen guten Sprutz Herzblut.

Dem normalen Medienmanager eines der drei Grossverlage oder der NZZ ist es letztlich egal, welche journalistische Leistung sein Konzern erbringt. Die Kohle fliesst sowieso schon durch andere Aktivitäten als Journalismus rein. Das Gehalt ist üppig und kommt pünktlich, geht was in die Hose, kräht man nach Hilfe von Vater Staat.

Das ist bei der «Ostschweiz» alles anders, und genau deshalb ist sie erfolgreich. Das Modell ist sicherlich exportierbar – auch in Gegenden ohne diesen Akzent. Es belegt die in sich ruhende Lahmarschigkeit der Medienmanager, dass sie seit Jahren keine einzige eigene Idee produzierten. Alles Neuere wie «20 Minuten» oder die meisten Handelsplattformen: eingekauft. Zukaufen, Zusammenlegen, Runtersparen aufs Skelett. Damit wird’s natürlich nichts mit erfolgreichem Journalismus.

«Die Ostschweiz» beweist, dass das kein Naturgesetz ist.

Fakten, Fakten, Fakten

Der heilige Gral aller ernstzunehmenden Berichterstattung. Nur: was sind Fakten? Oben ein faktentreuer Nachbau der Arche Noah.

Ältere Leser erinnern sich: «Fakten, Fakten, Fakten». Das war der Schlachtruf, mit dem der erste Chefredaktor des deutschen «Focus» gegen den damals alleinherrschenden «Spiegel» antrat.

Er wollte damit insinuieren, dass der «Spiegel», obwohl er sich «Nachrichtenmagazin» nennt, die Welt durch eine ideologische Brille sieht, sich als Besserungsanstalt versteht, als Organ von Rechthabern, mit erhobenem Zeigefinger und der leichten Säuernis von Menschen, die es eigentlich besser wissen, nur hört niemand wirklich auf sie.

 

Immerhin war «Focus» der erste gelungene Versuch, den «Spiegel» zu konkurrenzieren, und das Magazin existiert bis heute. Aber das Erfolgsgeheimnis war keine Faktentreue, sondern die Vorwegnahme moderner Lesegewohnheiten. Kurzstoffe, üppige Grafik, servicelastig, und «immer an den Leser denken», das war der zweite, weniger häufig zitierte Teil des Schlachtrufs von Helmut Markwort.

Alle denken an die Leser. Das ist das Problem

Damit war er allerdings nicht alleine. Der «Spiegel», eigentlich alle Newsmedien, denken an ihre Leser. Deshalb wollen sie deren Haltung nicht zu sehr mit unangenehmen Fakten erschüttern, das mag der Konsument nicht. Der Sündenfall Relotius beim «Spiegel» war nicht nur Ergebnis eines offenbar pathologischen Lügners. Er wurde auch durch die Absicht möglich, antizipierend dem Leser das zu liefern, was er gerne lesen möchte.

Verschärft beobachtet man dieses Phänomen bei der aktuellen Impfdebatte. Dafür, dagegen, alle Argumente sind eigentlich ausgetauscht. Jetzt geht es nur noch um Haltungen und Polemik. Könnte auch aus dem Lager der Impfkritiker stammen, aber hier ein Beispiel aus dem Lager der Impfbefürworter, vom Oberchefredaktor von Tamedia, in einem Kommentar:

«Nun kaufen wir mit unserem vielen Geld für ein paar egozentrische Impfskeptiker den Stoff, der anderswo Leben retten würde.»

Ein guter Beleg dafür, wie schwierig es mit den Fakten ist. Denn deren unumstössliche Kraft hört schnell einmal auf. Die Erde ist nicht flach, das darf man heute als Fakt bezeichnen, ohne auf dem Scheiterhaufen zu landen. Das Universum ist älter als nur ein paar tausend Jahre, obwohl das Kreationisten aller sich auf biblische Überlieferungen beziehenden Religionen genau so sehen und als Fakt wissenschaftlich untermauern wollen.

Was sind nun Fakten? Die NZZ gibt aus aktuellem Anlass die journalistisch korrekte Definition:

«Sachverhalte, die mit Tatsachen belegt werden können.»

Für Exegeten: und was sind Tatsachen? Fakten oder Sachverhalte. Kicher. Um aus diesem Kreislauf herauszukommen: Tatsachen sind sinnlich wahrnehmbare Vorgänge oder Zustände, die sich mit wissenschaftlich anerkannten Methoden darstellen, überprüfen und experimentell wiederholen lassen.

Fakten sind noch nichts

Die NZZ geht allerdings noch einen wichtigen Schritt weiter:

«Fakten erklären nichts. Genauso wie Daten noch keine Informationen sind. Fakten müssen erklärt, vertieft, eingeordnet und interpretiert werden, damit man sie verstehen kann.»

Genau hier beginnt das Problem der modernen Informationsüberschwemmung. Erklären, vertiefen, einordnen und interpretieren, das ist die eigentlich wichtige Leistung des Journalismus. Neben den entsprechenden professionellen Fähigkeiten braucht es allerdings noch ein entscheidendes Ingredienz: Vertrauen und Glaubwürdigkeit.

Denn der Konsument, der Leser kann nicht jedes erwähnte Faktum selbst nachkontrollieren, geschweige denn, die daraus gezogenen Schlussfolgerungen nachvollziehen und den Weg dahin abschreiten. Entweder vertraut er der Informationsquelle, dann ist’s gut. Oder er zweifelt, dann wird’s schwierig.

Die NZZ kommt nicht aus dem luftleeren Raum zu diesen Überlegungen. Die neue Chefredaktorin von Associated Press hat der NYT ein Interview gegeben. AP ist die grösste Nachrichtenagentur der Welt; angesichts schrumpfender Bordmittel und Eigenleistungen wird ihre Bedeutung monatlich grösser. Da ist es schon wichtig zu wissen, worauf sich diese Julie Pace verpflichtet sieht. Auf Fakten, sagt sie. Das ist gut. Also Dinge, über die man nicht reden oder diskutieren müsse, weil sie feststehen.

Zum Beispiel? Ob die Impfstoffe gegen Covid-19 sicher seien, ob es einen Klimawandel gebe oder ob es bei den US-Wahlen im vergangenen Jahr zu grösseren Betrügereien gekommen sei. Also ja, ja, und nein, laut Pace.

Fakten sind Fakten, können aber falsch sein

Und schon wird’s brandgefährlich. Denn Fakten können auch falsch sein, bzw. widerlegt werden. Mangels technischer Möglichkeiten meinte man lange Zeit, dass ein Atom unteilbar sei, daher auch der Name (altgriechisch «unteilbar»). Der Name blieb, das Faktum nicht.

Natürlich kann nicht jedes Mal in der Berichterstattung alles haarklein hergeleitet und belegt werden. Das würde die Newstexte unlesbar machen. Ungeniessbar werden aber selbst Kommentare, wenn sie Fakten – der Ankauf von «klassischen Impfstoffen» – mit despektierlicher Kritik – «für ein paar egozentrische Impfskeptiker» – und faktenfreier Behauptung – «Stoff, der anderswo Leben retten würde» – vermischt.

Umso unversöhnlicher – und auch faktenfreier – die Debatte um die Pandemie-Massnahmen wird, desto wichtiger wäre es, sich auf altbewährte Prinzipien des Erkenntnisgewinns zu besinnen.

Nur im offenen, tabulosen Schlagabtausch in der Öffentlichkeit ist Erkenntnisfortschritt möglich. Falsche Meinungen können, müssen falsifiziert und mit oder ohne Polemik zurückgewiesen werden. Aber ohne, dass die Meinungsträger persönlich angegangen, ihnen böse oder gute Absichten – je nachdem – unterstellt werden.

Das wäre der Idealfall. Leider entfernen wir uns von diesem Ideal beinahe täglich. Ein erkennbarer Grund dafür: Meinung ist wohlfeil, gratis und schnell gebildet. Fakten zu eruieren, aufzubereiten und darzubieten, das ist aufwendig und anstrengend.

Wäre aber dringend nötig.

Die Macht des Mittelsmanns

Hersteller und Verbraucher. Dazwischen sahnt der Middle Man alles ab.

Zwischen Produktion und Konsumtion liegt die Distribution. Das ist eine Binsenwahrheit. Oftmals ist es so, dass der Verteiler sich eine grosse Scheibe vom Verkaufspreis abschneidet.

In der Warenwelt zeigt sich das in aller Hässlichkeit zum Beispiel beim Allerweltsprodukt Jeans. Lassen wir einmal den enormen Wasseraufwand (ca. 8000 Liter), Färbe- und Bleichmittelprozesse, überlange Transportwege und auch mögliche Kinderarbeit beiseite.

Baumwolle, Garn, Stoff, Färben, Nähen, Waschen: das kann weltumspannend zwischen Kasachstan, der Türkei, Tunesien, China und Europa stattfinden. Auch das lassen wir beiseite.

In der Warenwelt kassiert der Verteiler am meisten

Der Jeanspreis im Laden setzt sich normalerweise so zusammen:

  • 1 % Lohnkosten.
  • 11 % Transport, Gebühren und Steuern.
  • 13 % Materialkosten.
  • 25 % Design, Entwicklung, Marketing, Werbung.
  • 50 % Einzelhandel.

Also kassiert der Detailhändler den Löwenanteil, unabhängig davon, ob er dafür physisch mit einem Laden präsent ist oder nur im Internet den Distributeur spielt. Der physische Warenverteiler, abgesehen von Gütern des täglichen Gebrauchs wie vor allem Lebensmittel, ist am Aussterben. Teure Lokalmieten, Personal, Lagerkosten, diese Präsenz wird immer mehr zum Statussymbol von Luxus- und Prestigemarken.

Grosse Warenhäuser wie Amazon oder Alibaba, Handelsplattformen wie Google oder Facebook übernehmen Macht, Verteilung und sacken die Gewinne ein. Natürlich bestimmen sie die Preise und können auch Geld fürs Listing verlangen, also dafür, dass ein Produkt überhaupt in das Angebot aufgenommen wird.

Amazon …

Das alles sind die üblichen kapitalistischen Mechanismen in einer globalisierten Wirtschaft, bei der die Distanz zwischen den Produktionsschritten und dem Endverbraucher keine Rolle mehr spielt. Wo die Reise hingehen soll, darüber zerbrechen sich genügend Fachleute die Köpfe, das ist nur für die Beteiligten und Betroffenen von Interesse. Dem Konsumenten kann’s egal sein.

In der Warenwelt heuchelt der Konsument am meisten

Sollten ihm Hungerlöhne, Kinderarbeit, weite Transportwege und umweltschädliche Herstellung nicht passen, kann er ja auf zertifizierte Produkte umsteigen. Das tut er auch zunehmend – allerdings nur verbal. In der reichen Schweiz sind offiziell eigentlich alle gegen Kinderarbeit und solche Schweinereien. Daher wird pro Kopf massenhaft Geld für zertifizierte Produkte ausgegeben. Nun ja, haargenau 103 Franken pro Mensch und Jahr für Fair Trade.

Soviel zur üblichen Heuchelei.

Es gibt allerdings ein Gebiet, auf dem die Rolle des Mittelsmanns mehr als problematisch ist. Bei der Herstellung und dem Verkauf von News. Der wurde seit seinen Anfängen von zwei Einkommensquellen gespiesen. Der Konsument bezahlte den Hersteller direkt, das Abonnement. Der Hersteller bot sein Produkt als Transportmittel für andere Produkte an, das Inserat.

Wir bewegen uns immer noch auf dem Gebiet der Binsenwahrheiten. Aber nicht mehr lange.

Frühes Porträt eines Medienmanagers.

Alte Printwelt, nicht mehr so neue Digitalwelt

In der Printwelt kam ein Grossteil dieser Einnahmen dem Produzenten direkt zugute. Lediglich die Verteilung bspw. über Kioske bedeutete, dass er so einen Drittel des Verkaufspreises an den Verteiler abgeben muss. Zudem entstehen natürlich Unkosten durch Papiereinkauf, Druck und Distribution in jeder Form. Pro Stück Bedrucktes kann man im Normalfall, den Inhalt nicht inbegriffen, von einem Franken sprechen.

Das sind mehr oder minder Fixkosten, an denen nicht zu rütteln ist. Da die Newsproduzenten für sich eine besondere Stellung in der modernen Gesellschaft beanspruchen, wird in der Schweiz zum Beispiel die Zustellung staatlich subventioniert.

Ganz anders sieht es im Internet aus. Hier ist die direkte Wertschöpfung Produzent – Konsument durch den Verteiler unterbrochen. Der schneidet sich dafür natürlich, wir erinnern uns an das Beispiel Jeans, eine grosse Scheibe von der Wertschöpfung ab.

Genauer gesagt, er frisst den ganzen Kuchen auf. Online-Marketing, also alle Werbeformen im Internet, ist der am stärksten wachsende Werbemarkt in der Schweiz. Pro Jahr werden insgesamt rund 4,5 Milliarden Franken umgesetzt. Davon 40 Prozent im Internet, gefolgt von TV/Radio und schliesslich der Printbereich mit 21 Prozent.

Von diesen rund 2 Milliarden verfrühstücken die grossen Verteiler 90 Prozent. Also Google, Facebook & Co. Ihre Leistung dafür hält sich in bescheidenen Grenzen. Bei einem Umsatz von rund 90 Milliarden US-Dollar machte zum Beispiel Facebook 2020 einen Gewinn von 29,15 Milliarden. Das ist eine Profitrate von sagenhaften 32,4 Prozent.

Tarotkarte des Medienmanagers.

Was ist der Grund für so exorbitante Gewinne?

Wenn der «normale» Gewinn eines Verteilers bei 50 Prozent liegt, dann müssen die zusätzlichen 40 Prozent in der Schweiz einen anderen Grund haben. Der hat einen Doppelnamen. Dummheit und Unfähigkeit der Medien- und Verlagsmanager der grossen Familienclans der Schweizer Privatmedien.

Denen ist in all den Jahren, in denen das Internet existiert, keine Methode eingefallen, mit der der Hersteller des Produkts News sich einen akzeptablen Anteil an der Wertschöpfungskette zu sichern. Das kommerzielle Internet gibt es seit rund 25 Jahren. Das heisst, bald mal eine Generation von hochbezahlten Teppichetagenschlurfern haben «hm, ist nicht so gut» gemurmelt. Haben markig «da muss uns etwas einfallen» gefordert.

Das ist es auch. Sie krähen (heute!) nach einer Milliarde zusätzlicher Steuerknete, um unter anderem die «Digitalisierung» und «Transformierung» ihres Angebots besser bewältigen zu können. Das ist in der jüngeren Geschichte des Kapitalismus ohne Beispiel.

Das ist so, wie wenn die Benützer von Handwebstühlen 25 Jahre nach der Einführung mechanisierter Webstühle sagen würden: wir brauchen Staatshilfe. Das ist so, wie wenn die Hersteller von Dampfloks, die 25 Jahre lang dem Siegeszug der Elektroloks zugeschaut haben, sagen würden: wir brauchen Steuergelder.

Das Narrenschiff der Medienmanager.

Man kann Google, Facebook & Co. nicht den geringsten Vorwurf machen, dass sie sich dumm und krumm verdienen. Das ist das Versagen der Medien. Man kann ihnen auch keinen Vorwurf machen, dass sie mit den ihnen auferlegten Zensurvorschriften vor allem darauf achten, ihre eigenen Interessen zu schützen.

Die chinesixche Regierung findet Opposition nicht so toll? Zu Befehl, wird abgeschaltet. Das russische Regime ärgert sich über den Dissidenten Nawalny? Google und Apple entfernen seine App. In Deutschland ärgert man sich über die «Querdenker»? Stecker raus.

Dummheit und Unfähigkeit sind nicht gratis zu haben. Man muss bitter und teuer dafür bezahlen.

Medienmanager, porträtiert von Paul Klee als Narr.

Schellen und Treicheln

Ein schöner Brauch auf Abwegen. Meint Tamedia zumindest.

Eigentlich muss man nur ein wenig ins Bildarchiv steigen, dann wird alles klar:

Ueli Maurer und der Gottseibeiuns aus Herrliberg.

Ist zwar ein rundes Dutzend Jahre her, aber man hätte es ahnen können: diese beiden Herren wollen harmlose Kuhglocken für üble politische Zwecke missbrauchen.

Es gibt ja noch ein weiteres Beweisfoto:

Christoph Blocher als Treichler.

Auch da konnte man schon ahnen, dass bei der Ablehnung des EWR-Beitritts 1992 die Glocken des Grauens nicht ihren letzten Auftritt hatten.

Wie aus dem Nichts sind nun die «Freiheitstrychler» aufgetaucht und bereiten vielen Journalisten Unbehagen. Auch solche, die mit dem schönen Brauch eigentlich nichts am Hut haben.

Die Welt der Treichler ist natürlich eine eigene, da muss man sich erst mal einlesen. «Die flachen Gotthard- und Prageltreicheln tönen anders als die bauchigen Froschmaultreicheln». Heisst es auf Wikipedia. Leider fielen die letzten «Eidgenössischen Scheller- und Trychlertreffen» der Pandemie zum Opfer.

Kleiner geht’s nicht: Landspalter Tamedia.

Nun konzentrieren sich die Hoffnungen der rund 3800 Treichler in der Schweiz auf Menzingen im Kanton Zug und das Jahr 2023. Hier amtet Stefan Keiser, und der Präsident der örtlichen Trychler habe «mit Freunden diskutiert, wie man damit umgehen soll, dass Freiheitstrychler das Image des Brauchtums zu schädigen drohen», wissen die Brauchtumsspezialisten David Sarasin und Andreas Tobler.

Expedition ins Geläut

Sie durften offenbar ihre Verrichtungsboxen im Newsroom kurz verlassen und berichten daher: «Stefan Keiser trägt seine beiden Treicheln auf einen der vielen Hügel von Menzingen. Hier oben kann man den Blick schweifen lassen. Keiser stellt die Glocken ins Gras

Jetzt kommt sicher was Weltbewegendes. Nun ja: Er zeige ins Tal hinunter, ««dort unten kommen in zwei Jahren die ganzen Trychler zusammen», sagt er.

Und alle sollen daran teilnehmen können, «auch die Freiheitstrychler», sagt Keiser.»

Ist natürlich blöd, dass er so versöhnlich spricht, wo doch «der Graben in der Trychlerszene derzeit auch durch die einzelnen Vereine» gehe, wissen die Autoren. Es herrschen Angst und Bangen unter den tapferen Mannen: «Es wäre «sozialer Selbstmord», wenn er sich in der aktuellen Situation öffentlich äussern würde, sagt ein Trychler-Präsident, der angesichts der hitzigen Diskussionen lieber anonym bleiben will.»

Ach, immer diese anonymen Quellen, als sei’s ein Stück der «Republik». Selbst ein angefragter «Freiheitstrychler» wolle «anonym» bleiben, bevor er sich zum gewagten Statement aufrafft: «Für ihn ist das Engagement der Trychlergruppen an den Demonstrationen der Massnahmenkritiker selbstverständlich. «Das Treicheln an Anlässen gehörte immer schon zu unserer Tradition», sagt er.»

Anonyme Quellen und gegenseitiges Abschreiben

Das mag ja so sein, aber neben dem Zitieren von anonymen Quellen betreiben die Tamedia-Journalisten auch noch die zweite moderne Lieblingsbeschäftigung: abschreiben. «Inzwischen gibt es Hinweise, dass zumindest einzelne Freiheitstrychler eine Nähe zu den extremen Rechten haben. So soll der Betreiber der Freiheitstrychler-Website eine Zeit lang auch eine rechtsextreme Seite gehostet haben, wie der «Sonntags-Blick» in seiner jüngsten Ausgabe schreibt.»

Durch Abschreiben eines Gerüchts zur Wahrheit veredelt; wie betreichelt ist das denn?

Es gab Zeiten, da wäre ein Journalist für so einen Satz zurechtgewiesen worden. Vielleicht hätte man sogar ein paar aus Blech gehämmerte Treicheln zum Einsatz gebracht. Oder gar Glocken. So eine schöne Treichel mit allem Drum und Dran kostet gerne mal 2000 Franken, das ist doch im Gegensatz zu den Gehältern einiger Tamedia-Journi gut angelegtes Geld.

Die Polizei sagt dies, «Megafon» sagt das

Nachdem die einen nicht vorhandenen Graben in der Trychler-Szene herbeigeschrieben haben, zeigen sie abschliessend noch, wie man objektiv mit Informationen umgeht, was Gewaltanwendung bei der Demo in Bern betrifft:

«Auch die Polizei spricht gegenüber der «SonntagsZeitung» von «gezielten Provokationen» auf der Seite der Gegendemonstrationen. Auf Twitter wird dies unter anderem vom «Megafon», der Zeitschrift der Berner Reitschule, angezweifelt und bestritten: Von Agents Provocateurs könne keine Rede sein.»

Leider gibt es keine empirischen Untersuchungen, welche Auswirkungen das Geläut einer Treichel auf die Gehirntätigkeit von Kühen hat. Bei Journalisten müssen wir aber bedenkliche Phänomene konstatieren.

Zum Beispiel eine glockenförmige Verengung des Gesichtsfelds. Denn, was den beiden Recherchier-Genies völlig entgeht, nicht nur die «Freiheitstrychler» spalten die Kuhglocke.

Karl «Kari» Mächler von den «Helvetia Trychler».

Fernsehen bildet. Das trifft hier für einmal zu. Denn auch das Schweizer Farbfernsehen widmet sich dem Phänomen, dass politisch und aufmüpfig getreichelt wird. Mächler kann sogar stolz behaupten, dass er bereits 1992 an der Seite von Blocher die Treicheln geschwenkt hat. Damals gab es die «Freiheitstrychler» noch gar nicht. Sarasin und Tobler als Journalisten auch nicht. Das waren noch Zeiten.

 

Wie tief hinunter geht’s?

Ein neues Gefäss. Gegen den Missbrauch der deutschen Sprache. Jeglicher Art.

Nein, es ist nicht nur Feministen vorbehalten, der deutschen Sprache Gewalt anzutun. Das kann auch das Organ mit den grösseren Buchstaben und dem Regenrohr im Logo.

Rettet des Genitivs!

Es müssen auch nicht immer Sprachverbrechen sein. Was ist plötzlich in die letzte Sonntagszeitung mit Anspruch gefahren, die NZZaS?

Plötzlich überlebensgrosse Porträtfotos statt Buchstaben?

Hier hätten wir nun einen Beitrag zum Thema «Sprachbilder sind Glücksache»:

«Maurers Freiheits­trychler-Stunt ist nichts als die hässliche Fratze einer radikalisierten Rechten, die sich rund um den Globus beobachten lässt.»

Richtig, das kann nur von der schreibenden Schmachtlocke aus der geschützten Werkstatt «Republik» sein. Oder um es in seinem Stil zu formulieren: Binswangers Sprachbilder-Stunt ist nichts als die hässliche Paraphrasierung einer redundanten Haartolle, die sich rund ums Rothaus beobachten lässt.

Mit ganz feiner Klinge will Mischa Aebi arbeiten. Er ist einer der Bundeshausredaktoren, die am Donnerstagabend Besseres zu tun hatten, als eine Demonstration von ein paar Tausend Menschen zu beobachten. Was? Pediküre, Fondueplausch, neue Netflix-Serie, schwer zu sagen. Auf jeden Fall muss Aebi auch noch etwas zur Enthüllung der «Weltwoche» über fragwürdiges Gebaren des SP-Bundesrats Alain Berset beitragen.

Nein, keine Eigenrecherche, das macht die NZZaS. Die «SonntagsZeitung» wäffelt. Jeder nach seinen Kernkompetenzen.

Aebi schleicht sich zuerst hinterlistig an und lobt, dass die Fragen der WeWo «legitim» und sogar «verdienstvoll» seien. Liesse er das so stehen, könnte er aber in der Helfti nicht mehr in Ruhe sein Feierabendbier kippen, wenn er mal in Zürich ist.

Daher geht’s weiter: «Aber Mörgeli überschreitet auch eine rote Linie, denn im Bericht werden angebliche Sexpraktiken des Bundesrates ausgebreitet. Der Autor versucht zwar, das öffentliche Interesse an den intimen Details zu rechtfertigen. Doch es sind fadenscheinige Argumente, die nichts mit dem Fall zu tun haben. Vielmehr ging es der «Weltwoche» darum, einen an den Haaren herbeigezogenen Grund zu finden, um den Voyeurismus ihrer Leser zu bedienen.»

An den Schamhaaren herbeigezogen? Welche, sabber, «Sexualpraktiken», lechz, des Bundesrats wurden denn vor den voyeuristischen Lesern ausgebreitet? Absonderliche Stellungen, gar Lack und Leder, Abnormes? Gemach, Mörgeli führte lediglich aus, dass der Bundesrat angeblich ungeschützten Geschlechtsverkehr bevorzuge. Daher habe ihn seine Geliebte auch mit einem behaupteten Schwangerschaftsabbruch erpressen wollen und können.

 

Macht irgendwie Sinn, nur nicht für Aebi, der die Bettdecke schön unaufgedeckt lassen will.

Wir wollen uns aus diesem Jammertal der Sprachmisshandlungen aber nicht ohne eine gute Nachricht verabschieden:

«Das hier ist meine letzte Kolumne. Meine letzte Kolumne für ein paar Monate. Und dennoch weiss ich nicht, was ich in dieser «Bitzeli Abschied»-Kolumne schreiben soll. Weil noch alles gar nicht ist.»

Tschäksches? Wenn nicht: so ist halt eine Kolumne von Alexandra Fitz im «Blick». Die hiess zwar «Fix zur Gesellschaft», machte aber die Leserschaft fix und fertig. Aber eben, nicht zu früh freuen, denn nach Dürrenmatt ist etwas nur zu Ende, wenn es die schlimmstmögliche Wendung genommen hat. Was hier bedeutet: Fitz als ihre eigene Wiedergängerin. Aber wenn wir die Pandemie überleben, wird uns auch das nicht umbringen.

 

Quellenstudium à la Tagi

Wer war gewalttätig? Erregte Massnahmengegner oder Agents Provocateurs? Tamedia probiert eine neue Methode der Wahrheitsfindung.

Auch Tage nach der Demo vom Donnerstag in Bern gehen die Wogen noch hoch. Wer war gewaltbereit, wer hat am Zaun gerüttelt, wer hat wen provoziert, wer hat eskaliert?

Während sich der SoBli darum kümmert, alles in einen Topf zu schmeissen, von den «Freiheitstrychlern» über Ueli Maurer bis zum Referendumskomitee, das erfolgreich 50’000 Unterschriften gegen das Milliarden-Subventionsgesetz für Medien gesammelt hat, geht Tamedia investigativ auf Spurensuche.

Im ganzen Schlamassel vom Donnerstagabend gibt es zwei Vorfälle und eine Behauptung, die besonders kontrovers dargestellt werden. Haben Gegendemonstranten der sogenannten Antifa-Bewegung gewalttätig versucht, den Demonstrationszug aufzuhalten und dabei einen Sicherheitsmann der Freiheitstrychler «mittelschwer» verletzt, wie die behaupten?

Waren es Demonstrationsteilnehmer oder Provokateure, die solange am Absperrgitter vor dem Bundeshaus rüttelten, bis die Polizei Wasserwerfer einsetzte? Wurde dabei vom Ordnungsdienst der Demonstration deeskalierend eingegriffen oder weggeschaut?

Trifft es schliesslich zu, dass ein «Sturm aufs Bundeshaus» gerade so abgewehrt werden konnte?

Zusammenfassend: Kann man aus all diesen Ereignissen schliessen, dass die «Gewaltbereitschaft» der Massnahmen-Kritiker zunimmt?

Heutzutage wird alles aufgezeichnet und ist digital vorhanden

Angesichts der heutigen Handyvideo-Kultur sollte es doch möglich sein, all die kontrovers dargestellten Vorfälle zu dokumentieren und mit Zeugenaussagen den Ablauf zu rekonstruieren. Eigentlich eine klassische Aufgabe für ein Qualitätsmedium wie die «Berner Zeitung». Oder den «Bund». Oder den «Tages-Anzeiger». Oh, das ist ja alles das Gleiche.

Nein, das war nicht am Donnerstag letzter Woche.

Macht ja nix, die Aufgabe ist klar und lösbar. Wäre. Im Titel des Tamedia-Kurzartikels wird immerhin das Problem adressiert, wie man so schön sagt:

«Nach der eskalierten Corona-Demo in Bern geben prominente Massnahmengegner linken Gegendemonstranten die Schuld für die Gewalt. Daran gibt es jedoch Zweifel.»

Lassen wir die Definition der Begriffe «eskaliert» und «Gewalt» beiseite. Also, wie spielte sich die Auseinandersetzung zwischen Gegendemonstranten der Antifa und den Manifestanten ab? Da kommt nun sicher eine Zusammenfassung der Recherche-Ergebnisse einer Zentralredaktion plus der Doppelpower von immer noch existierenden zwei Lokalredaktionen zu Bern.

So sieht es in Bern aus, wenn Gewalt eskaliert.

Zunächst schildert Christoph Albrecht ausführlich, wie die Massnahmengegner versuchten, «den Spiess umzudrehen» und anderen die Schuld für Eskalationen in die Schuhe zu schieben. Vielleicht etwas länglich, aber gut, wieso nicht. Schliesslich steigert das die Spannung auf die Ergebnisse seiner Eigenrecherche.

Leider wird die Spannung grausam enttäuscht: ««Das «Megafon» lässt an der Darstellung der Massnahmengegner jedenfalls deutliche Zweifel aufkommen. Auf Twitter hat die Zeitung aus der Berner Reitschule die Vorkommnisse vom Donnerstagabend akribisch aufgearbeitet.»

  • Wie bitte?

Lobeshymne im «Schweizer Journalist».

Kann Albrecht (29) noch für sich in Anspruch nehmen, als Kindersoldat im Lokalressort der «Berner Zeitung» mildernde Umstände einzufordern? Das höchsten journalistischen Standards und der Objektivität verpflichtete «Megafon», das Gewaltexzesse jeglicher Art und vor allem um die Reitschule herum immer klar und deutlich verurteilt hat, soll Tamedia die Recherche abgenommen haben? Auf Twitter? «Akribisch»?

Faulpelz Albrecht stört sich nicht einmal daran, dass auf dem «Megafon»-Twitterkanal die Videos über die Auseinandersetzungen zwischen schwarzem Block und Demonstranten bis fast zur Unkenntlichkeit weichgezeichnet oder verpixelt sind. Erkenntniswert, wie auch die Interpretation anderer Aufnahmen: null.

800 Abos, weitgehend anonyme Redaktion.

Man könnte fairerweise sagen, dass es weder für die Behauptung Provokateure noch für den genauen Hergang, der zur Verletzung eines Sicherheitsmannes führte, sachdienliche Hinweise gibt. Auch nicht zur Frage, ob das Sicherheitspersonal wegschaute oder Schlimmeres verhindern wollte.

Das Material ist weder akribisch zusammengestellt, noch aussagekräftig

Klar erwiesen scheint mit diesem Material nur, dass von einem drohenden «Sturm» auf das Bundeshaus nicht im Ansatz die Rede sein kann. Eine Handvoll Chaoten rüttelt am Absperrgitter, wird abgeduscht und verzieht sich. Als Höhepunkt der Gewalteskalation tritt einer sogar dreimal ans Gitter. Mit Anlauf, aber ohne Erfolg.

Ist das alles ein Beleg dafür, dass die «Gewaltbereitschaft» der Demonstranten zugenommen habe? Im Gegenteil, auf der Tonspur hört man immer wieder Rufe, sich ja nicht provozieren zu lassen. Dafür, dass sich eher konservative Manifestanten Aug in Aug mit Schwarzvermummten gegenüberstanden, ging es eigentlich wie bei der Kappeler Milchsuppe zu. Hätte nur noch ein grosser Topf gefehlt.

Aber all das wird überstrahlt von einer Bankrotterklärung des grössten Medienkonzerns der Schweiz. Echt jetzt, das ist alles, was Tamedia zur Aufklärung der Vorfälle beitragen kann? Und das soll eine Steuermilliarde an Zusatzsubventionen wert sein?

Das kann ja wohl nicht Euer Ernst sein, lieber Arthur Rutishauser, lieber Herr Supino.

 

Reza Rafi: ein Büttel am Werk

Wenn Journalisten zu Mietmäulern werden, ersäuft der Beruf in der Schmiere der verborgenen Parteilichkeit.

Erfolg der Falschen ist irritierend. Zurzeit demonstrieren Tausende von Massnahmen-Skeptikern. In Bern, Winterthur, Chur und anderswo.

Abgesehen von einer Handvoll Chaoten friedlich und im Rahmen ihrer demokratischen Rechte. Mit erlaubten, aber auch mit nicht erlaubten Umzügen. Meistens vorne dabei: die «Freiheitstrychler».

Eine Gruppe, die sich innert weniger Wochen von völlig unbekannt zu präsent auf allen Kanälen gemausert hat. Kein Wunder, dass die Mainstream-Medien sich Gedanken machen, woher die denn kommen und wer die sind.

Gutes Merchandising ist alles heutzutage.

Früher, viel früher, gab es mal so etwas wie eine entscheidungsoffene Recherche und Reportage. Die Schönheit des Berufs bestand darin: man kann überall hingehen, an Türen klopfen, in fremde Leben eintreten – und beschreiben, was man da antrifft. Prallt man an der Realität ab, kann passieren, dann schob man’s in den Rundordner und widmete sich einem anderen Thema.

Zuerst die These, dann die Bestätigung

Diese Zeiten sind vorbei. Heute wird zuerst eine These gebastelt, daran wird dann die Story nacherzählt. Der alte Taschenspielertrick ohne den geringsten Erkenntnisgewinn. Der Reporter weiss schon von Vornherein, wie’s ist. Dann schreitet er mutig in die Wirklichkeit und kommt von seiner Expedition mit der grandiosen Erkenntnis zurück: sagte ich doch, es ist so.

Auch wenn der Reporter nicht wirklich sehr tief in die Wirklichkeit eingedrungen ist. Früher hätte spätestens der Produzent an dieser Stelle gesagt: Wand dusse, so kann man doch nicht anfangen. Aber auch der Produzent wurde weggespart, also darf Reporter Reza Rafi beschreiben, wie er scheiterte:

«Die Fenster sind verriegelt. Auf dem schmucklosen Balkon im Erdgeschoss steht ein Tisch. Darauf ein Bierkarton der Marke Eidgenoss, der von zwei Corona-Flaschen flankiert wird. Die Symbolik muss der Hausherr bewusst kreiert haben. Der Name des Spassvogels: Andreas «Andy» Benz. Wir stehen vor einem mehrstöckigen Gebäude in der Anlage «Seepark» in Altendorf SZ.»

Mangels anderer Ergebnisse legt Rafi das Stethoskop an die Wohnung und diagnostiziert: «Hier schlägt das Herz einer Bewegung», die der «Freiheitstrychler». Aber oh Graus, «am Donnerstag führten sie einen Marsch durch Bern an, der in Randale vor dem Bundeshaus mündete». Erwähnen, dass auf dem Weg dorthin laut Medienberichten einem Mitmarschierer von gewaltbereiten Antifa-Chaoten die Zähne ausgeschlagen wurden? Ach, was, das passt doch nicht in diese Wirklichkeit.

Grossmäulige Ankündigung, aber nix dahinter.

Wir merken uns den Namen eines Reporters, der ohne rot zu werden bekannt gibt, dass er an einer Wohnungstüre geklingelt hat. Aber niemand machte auf. Zur Strafe tritt Rafi noch nach, denn dieser Benz ist «der Initiator dieser losen Gruppierung», und an der Klingel stehe «Holz & Bauen Consulting». Aber, da war der Rechercheur gnadenlos, «diesen Titel sucht man im Handelsregister oder im Altendorfer Firmenverzeichnis vergeblich».

Genauso wie eine Aussage des «Herzens» der Bewegung in diesem Artikel. Aber was sich von der Verrrichtungsbox im Newsroom aus recherchieren lässt, das tut Rafi natürlich. Denn die «Freiheitstrychler» verfügen doch tatsächlich über eine eigene Webseite, und die stammt von Hilweb, und diese Firma gehört Markus Hilfiker. Der wiederum haust in Glattfelden und schuf «ein Konglomerat von Internetseiten, das um das Portal patriot.ch herum entstanden ist und mit der Covid-Pandemie eine Renaissance erlebt. Womit die 4000-Seelen-Gemeinde Glattfelden gewissermassen den heimlichen Knotenpunkt des neuen rechten Anti-Establishments bildet».

Gewissermassen. Leider ist Rafi auch an Hilfiker nicht herangekommen, deshalb muss er sich mit diesem Anschwärzen begnügen: «Vor einigen Jahren geriet der Zürcher in den Fokus von Szenebeobachtern, als seine Firma der rechtsextremen Seite swissdefenceleague.ch eine Weile lang den Server zur Verfügung stellte.»

Dass die Webseite nicht mehr existiert und der Name nicht mehr registriert ist, was soll’s, irgendwann hört’s auch mal auf mit Nachforschungen.

Eine Medienmitteilung recherchieren? I wo.

Dennoch von so viel Recherche völlig erschöpft, kommt es Rafi nicht mal in den Sinn, sich eine «Medienmitteilung» anzuschauen, die auf der Webseite der Treichler für Recherchierjournalisten und Laien problemlos einsehbar ist.

Stellungnahme zu Übergriffen: interessiert doch keinen Büttel.

Hier schreiben die Treichler unter anderem: «Der Sicherheitsdienst wurde angegriffen und ein Teammitglied erlitt mittelschwere Verletzungen. Die Täter sind flüchtig.» Dann wird die Vermutung geäussert, dass es sich bei den paar Chaoten, die am Absperrgitter vor dem Bundeshaus rüttelten, um «Agents Provocateurs» handelte. Dieser Behauptung hätte ein umsichtiger Reporter nachgehen können. Aber doch nicht Rafi.

Auch dieses Foto aus der Medienmitteilung sah man nirgends.

Aber damit der knallharten Recherche nicht genug. Der Name «Freiheitstrychler» ist doch tatsächlich beim Amt für geistiges Eigentum eingetragen, von Andy Benz. Hängig sei noch ein zweites Gesuch, auch das Logo zu schützen. Dahinter stehe wiederum Benz, zusammen mit, oha, Markus Hilfiker.

Als Journalismus noch gewissen Minimalanforderungen genügen musste, hätte nach all diesen Erkenntnissen spätestens der Ressortleiter gesagt: bis hierher eine Nullnummer, spülen.

Aber doch nicht mehr heute, und nach all diesen Karikaturen einer Recherche gibt Rafi Vollgas. Denn das «Netzwerk» dieser dunklen Gestalten ist natürlich noch viel umfassender. Schliesslich habe der Rapperswiler Bruno Hug vor Jahren Benz «publizistisch begleitet und unterstützt», als der «sich einen bizarren Streit mit den Altendorfer Behörden lieferte, die seine Eigentumswohnung zu einem Bastelraum herabstufen wollten».

Alle bizarr, streitlustig und vernetzt

Ja und? Ha, dieser Hug mache als «Komiteegründer gegen das Mediengesetz Furore». Noch entlarvender: «Hugs Kompagnon, der Autor Philipp Gut (49), trat am Samstag als Redner am Trychler-Protest in Winterthur auf

Abgründe tun sich da auf, denn: «Dass der Kreis der Trychler und Patrioten anderen Massnahmen-Gegnern wie Nicolas A. Rimoldis Verein Mass-Voll oder den Freunden der Verfassung nahesteht – geschenkt.»

Geschenkt? Geschenkt wie billig, wie nichts wert? Aber es fehlt noch etwas.

«Nationalräte der SVP überbieten sich gegenseitig mit Trychler-Huldigungen. Der grösste Fan ist und bleibt indes Finanzminister Ueli Maurer.»

Und fertig ist die Schmiere. Ist ein Artikel, der behauptet, das angeblich «stille Netzwerk» der «Freiheitstrychler» zu enttarnen. Gut, dass die beiden Hauptnetzwerker «Anfragen von SonntagsBlick unbeantwortet» liessen.

Das macht die Arbeit des des Medienbüttels viel einfacher. Aber nicht besser. Treichler, SVP, Ueli Maurer, Rechtsradikale, Verschwörungstheoretiker – und das Komitee gegen das Mediengesetz. Alles eine Sauce. Das will Rafi insinuieren.

Früher gab es auch mal ein Korrektorat bei Zeitungsredaktionen.

Eigene Interessen wenigstens ausweisen? I wo.

Ohne darauf hinzuweisen, dass dieses Komitee den Verlegern kräftig in die Subventionssuppe gespuckt hat. Die schaukelten bekanntlich einen Raubzug auf das Portemonnaie des Steuerzahlers durchs Parlament. Eine Milliarde zusätzlich, damit die Verlegerclans nicht verlumpen.

Kaum waren die Champagnerflaschen nach der erfolgreichen Gesetzgebung geleert, kam doch tatsächlich ein Referendum dagegen zustande. Nun kann die Bevölkerung im Februar nächsten Jahres darüber abstimmen, ob sie wirklich Yachten, Schlösser und Kunstsammlungen von Multimillionären subventionieren will.

Das hingegen ist kein übles Geraune wie das von Rafi. Sondern einfach die Wahrheit. Dagegen: Ein Redaktor als Alarmglocke läutet Sturm gegen Randalierer und vernetzte Gesellen. Ein Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung, aber das Totenglöcklein für anständigen Journalismus.

Ach, zwei weitere Eigenschaften sind im modernen Spar- und Elendsjournalismus verloren gegangen: Scham und Selbstachtung.

Hilfsmittel im modernen Newsroom.