Die Ballon-Geheimnisse

Pumpen, bis er platzt: das Prinzip aller Leaks, Papers und nun Secrets.

Die Trompetentöne erinnern immer an Jericho: Die Credit Suisse sei ein «Geldspeicher für korrupte Politiker, verurteilte Betrüger und mutmaßliche Folterknechte.»

Und gleich nochmal,weil’s so schrecklich ist:

«Die internen Aufzeichnungen aus der Bank belegen, dass die Credit Suisse über Jahrzehnte und über den gesamten Erdball hinweg brutalen Machthabern, korrupten Politikern, Kriegsverbrechern und anderen Kriminellen Zugang zu blickdichten Schweizer Konten ermöglicht hat, auf denen diese ihren teils illegitimen Reichtum sicher parken konnten.»

Wussten wir doch. Skrupellose Schweizer Gnome, ihre geldigierige Amoral hinter biederem Aussehen verbergend. Dabei tropft aus den Safes in den tiefen Kellern der Bahnhofstrasse jede Nacht Blut, erschrecken die Nachtwächter, wenn wieder mal die Schreie von Folteropfern aus Schliessfächern quellen.

Es ist und bleibt eine verdammte Sauerei, das ist die Message, die Schweizer Banken, zumindest die Credit Suisse, haben nichts gelernt; alle Versuche, das Aufbewahren von Geldern aus krimineller oder ungeklärter Herkunft zu unterbinden, waren umsonst, selbst der Automatische Informationsaustausch nützt nicht wirklich.

Geldwäschereigesetz, «besondere Sorfaltspflichten», PEP (politically exposed persons), alles Show. Dahinter sitzt immer noch der ethikbefreite Schweizer Banker in ehrwürdig getäfelten Räumen, serviert Sprüngli und ist servil zu Diensten, wenn ihm grössere Summen anvertraut werden. Seine Flexibiltät wächst mit der Anzahl Nullen. Sieben sind schon mal gut, acht ist fantastisch, und wird sogar das Wort Milliarde in den Raum gestellt, wäre er auch bereit, seine Krawatte zu lockern und auf dem Tisch Salsa zu tanzen.

Weltweit wird über den Finanzplatz Schweiz abgeledert

Die Empörung weltweit ist gross. Stellvertretend dafür darf Nobelpreisträger Joseph Stiglitz abledern: «Zugleich sollten sich Länder wie die Schweiz dafür schämen, dass sie einen Rechtsrahmen geschaffen haben, der solch ein System gedeihen lässt.»

Immerhin fügt er am Schluss, nachdem er sich ausführlich über die Schweiz erregt hat, hinzu: «Wie viele Geschichten, wie viele Enthüllungen wird es noch brauchen, bis die Schweiz, die USA, das Vereinigte Königreich und andere Länder ihre Gesetze zum Bank- und Immobiliengeheimnis und zu all den anderen Aktivitäten ändern, die Geldwäsche erleichtern und Verbrechen und Korruption fördern

In seiner Philippika entgeht ihm hier aber ein nicht unwichtiges Detail: Fast alle Offshore-Finanzplätze der Welt wurden von Skandalen erschüttert, die auf gestohlenen Kundendateien beruhten. Panama, Singapur, fast alle kleinen karibischen oder pazifischen Inseln. Und immer wieder die Schweiz in Sachen Steuerhinterziehung. Oder Beihilfe zum Verstecken von Blutgeldern. Nun noch selbst dabei erwischt, mit blutigen Händen in diesem Sud zu rühren.

Aber: Es gibt keine einzige Enthüllung über die beiden anderen von Stiglitz aufgeführten Geldparadiese. Man kann es nicht oft genug sagen: In den USA stehen die grössten Geldwaschmaschinen der Welt, die lateinamerikanische Drogenmafia regelt dort ihren Finanzhaushalt. In diversen Bundesstaaten kann man bis heute Briefkastenfirmen gründen, ohne dass der Benficial Owner, der wirtschaftlich Berechtigte, angegeben werden muss. Dicht gefolgt werden die USA von Grossbritannien. Deutschland und Frankreich sind die Geldwäschereiparadiese in Europa. Holland ermöglicht es transnationalen Monstern, weitgehend steuerfrei davonzukommen. In der EU wurden bislang alle Versuche, mehr Transparenz bei Holdingstrukturen und Finanzvehikeln zu schaffen, abgeschmettert.

Es ist ein Konkurrenzkampf der Finanzplätze

Das heisst nun nicht: die auch, wieso dann wir nicht. Das heisst aber eindeutig: auch hier herrscht Konkurrenzkampf unter den grossen Geldanlagetöpfen. Und da spielen neben den Grossmächten USA und Grossbritannien eben Zwerge wie Panama, Singapur oder die Schweiz eine herausragende Rolle. So ist die Eidgenossenschaft immer noch die grösste Vermögensverwalterin der Welt.

Trotz allen bisherigen Attacken mittels gestohlener Kundendaten hat sich daran (noch) nichts grundlegend geändert. Ausser der ungebrochenen Lust der Medien, immer wieder einen Riesenballon aufzupumpen.

Diesmal handelt es sich offenbar um Angaben zu rund 30’000 Kunden der CS. Deren Konten wurden bis zurück in die 40er-Jahre des letzten Jahrhunderts eröffnet; laut CS sind 90 Prozent bereits geschlossen oder im Prozess der Schliessung.

Abgesehen von vielen venezolanischen Mitgliedern der korrupten Führungsclique des Landes sind mal wieder erstaunlich wenig wirklich schlimme Finger unter den bislang veröffentlichten Kontobesitzern. Die CS hat weltweit rund 2 Millionen Kunden. Angenommen, bei allen 30’000 CS-Benützern handle es sich um ausgemacht Schweinebacken. Das wären dann 1,5 Prozent. Realistischer dürfet wohl sein, nach den sehr spärlichen Angaben über einzelne Personen, zu denen auch die üblichen Potentaten und Könige gehören, bei denen die illegale Herkunft der Gelder noch zu beweisen wäre, gehen wir vielleicht eher und grosszügig von 3000 aus. Das wären dann 0,15 Prozent.

Nun ist Vermutung und Nachweis in einem Rechtsstaat noch nicht das Gleiche. Nehmen wir also an, am Schluss, das wären aber viele im Vergleich zu den vorherigen «Enthüllungen», bleiben 300 verurteilte Straftäter übrig. Womit wir bei 0,015 Prozent wären.

Nicht signifikanter Bodensatz

Einen solchen Prozentsatz kann man mit Fug und Recht als nicht signifikant bezeichnen. Als fast unvermeidlichen Toleranzfehler. Als Bodensatz, der in jeder Bank ans Tageslicht gespült werden könnte, wenn man deren Kunden bis in die 40er-Jahre des letzten Jahrhunderts zurückverfolgt. Denn zu diesen Zeiten musste zum Beispiel auch Al Capone, der Duce oder Adolf Hitler ihren Finanzhaushalt irgendwo regeln.

Und welche Bank in der Schweiz hätte dem Ehrendoktor der Universität Lausanne verweigert, ein Konto zu eröffnen?

Es ist vorhersehbar, dass auch dieser Ballon sehr hässlich zusammenschnurren wird, piekst man ihn mit genaueren Analysen an. So wird es dann bald einmal heissen: Panama Papers? Pandora Papers? Swiss Leaks? Suisse Secrets? War da mal was?

Wumms: Rena Zulauf

Das gibt rote Bäckchen. Eine Klatsche nach der anderen.

Für ihre Mandantin Jolanda Spiess-Hegglin hat die in der NZZaS hochgejubelte «geschickteste Medienanwältin der Schweiz» eine Klatsche nach der anderen abgeholt. Weiterzug eines Urteils ans Zuger Obergericht: völlige Niederlage mit schmerzlicher Kostenfolge. Klatsch.

Weiterzug eines Urteils über das präventive Verbot einer Buchpublikation: Das Bundesgericht belehrte Anwältin Zulauf, dass sie nicht mal ihre Hausaufgaben gemacht hatte. Peinlich. Klatsch.

Auch ihr Einsatz für Patrizia Laeri ist nicht gerade von Erfolg begleitet. RA Zulauf reichte gleich zwei Klagen gegen «Inside Paradeplatz» ein, eine vor dem Handelsgericht und eine vor dem Bezirksgericht. Das brachte beide Kammern schon mal in Wallungen, die sich jeweils provisorisch für zuständig erklärten, um zwei verschiedene Urteile in der gleichen Sache zu vermeiden.

Zulaufs Antrag, einen kritischen Artikel über ihre Mandantin superprovisorisch und vollständig zu löschen, wurde abgelehnt. Das Bezirksgericht gestand ihr nur die Löschung einiger weniger Punkte provisorisch zu. Klatsch.

Nun hat das Handelsgericht in Sachen unlauterer Wettbewerb mit 13-seitiger Begründung alle vier eingeklagten Punkte abgewiesen. Klatsch, klatsch, klatsch, klatsch. Vor allem machte das Handelsgericht klar, dass eine kritische Berichterstattung über die Performance eines von Laeris elleXX-Firma beworbenen Fonds durchaus erlaubt ist.

Insbesondere zu den Kosten schrieb das Gericht Laeri und Zulauf ins Stammbuch: «Die beanstandete Stelle ist somit nicht unlauter. Im Gegenteil wird die wichtige Thematik der hohen Kosten korrekt dargestellt.»

Das Urteil kann noch ans Bundesgericht weitergezogen werden. Klatsch.

Apropos Kosten. Alleine das Urteil des Handelsgerichts kostet Laeri 10’000 Franken; Gerichtsgebühr plus Parteientschädigung an IP. Plus natürlich die happigen Honorare ihrer Anwältin.

Ach, auch ZACKBUM ist mit einer ganzen Klageflut durch Zulauf überzogen worden. Resultate bislang sehr überschaubar, in einem Fall bereits eine Klatsche abgeholt. Fehlen noch drei weitere …

 

Wahnsinniger Putin

Die Auslandchefs von CH Media und Tamedia: zwei traurige Gestalten.

Samuel Schumacher ist Ressortleiter Ausland bei CH Media. Der zweitgrösste Vertreiber von Tageszeitungen in der Schweiz leistet sich was. Nämlich eine Auslandredaktion, die aus zwei Nasen besteht. Also ein Häuptling und ein Indianer.

Die Welt ist ziemlich gross und bunt und kompliziert. Daher ist es sehr gut, dass sich die Aufmerksamkeit meistens auf ein, zwei Orte konzentriert. Genau, Stichwort Ukraine. Das hat wiederum den Nachteil, dass nach ein paar Wochen intensiv-oberflächlicher Berichterstattung so ziemlich alles gesagt ist, oder kommt jemand der Satz «die Lage spitzt sich dramatisch zu» unbekannt vor?

Da ist es erfrischend, wenn Schumacher Neuland betritt: «Wahnsinniger Putin». Das ist originell. Ex-KGB, Machtmensch, Diktator, aggressiv, Provokateur, das hatte wir alles schon. Aber «wahnsinnig», ergänzt durch «gefährliche Hetzrede», damit betritt Schumacher endgültig das weite Feld der verantwortungslos-bescheuerten Berichterstattung.

Da will Christof Münger von Tamedia nicht nachstehen.

Dieser Weltstratege weiss über die NATO: «Die Militärallianz bedroht Russland nicht», plus: «Auch hinter der sogenannten Osterweiterung der NATO steckte keine offensive Strategie.» Eine defensive Ausdehnung nach Osten, gegen alle Zusicherungen bei der deutschen Wiedervereinigung. Für wie blöd hält der Mann seine Leser?

Münger ist auch um Ratschläge nicht verlegen: «Auch die Regierung in Bern sollte die neue Realität anerkennen.» Wer sagt das? Ein «promovierter Historiker», den «Reportagereisen in den Irak, nach Haiti oder in den Kongo führten». Fantastische Voraussetzungen, um den Ukrainekonflikt zu analysieren.

Was macht der Mann sonst noch? «Zusammen mit seinem Team plant und produziert er den Auslandteil.» Das liegt etwa so nahe an der Wahrheit, wie wenn man den Truppenaufmarsch um die Ukraine als Frühlingserwachen bezeichnen würde. Münger nimmt alle Germanismen aus den von München angelieferten Ausland-Artikeln raus (wenn nicht ein Euro oder ein Parken stehenbleiben) und füllt sie unter neuen Titeln (meist schlechter als im Original) ab.

Als sein Beitrag zur verantwortungslos-bescheuerten Berichterstattung.

 

Süss-saure Geheimnisse

Wem nützt der «Suisse Secrets»-Skandal?

30’000 Kunden der Credit Suisse sind enttarnt worden. Offensichtlich handelt es sich um echte Kontounterlagen, die vor einem Jahr der SZ von einer anonymen Quelle zugespielt wurden.

Angeblich flossen dafür keine Gelder, obwohl das in Deutschland schon lange üblich ist. Die Frage «cui bono» bleibt unbeantwortet, ist aber zentral wichtig bei der Beurteilung dieses Datenklaus.

Wer hat etwas davon, die bereits schwer angeschlagene Bank weiter zu schädigen? Wer hat etwas davon, damit dem ganzen Finanzplatz Schweiz einen weiteren Fleck auf die gar nicht weisse Weste zu klecksen?

Keine Firewall, kein Schutzsystem ist perfekt. Spätestens auf Ebene NSA (Datenkrake der USA) und ihren Pendants in Russland oder China, möglicherweise auch in Nordkorea und zwei, drei anderen Ländern, kann alles geknackt werden.

Nun handelt es sich beim Kundenstamm einer Schweizer Grossbank um das wohl am besten geschützte Datengebirge überhaupt, abgesehen von allfälligen militärischen Geheimnissen. Darin einzudringen, Irrtum vorbehalten, schafft nicht der Amateur-Hacker oder ein kleines Kollektiv von moralisch entrüsteten IT-Nerds.

Kundendaten einer Bank zu klauen ist nicht einfach

So ein Hack, der offenbar auch unbemerkt blieb, ist gehobenes Kunsthandwerk. Das unbemerkte Abfliessenlassen solcher Daten ist eine kitzlige Angelegenheit, die nicht innerhalb von 24 Stunden erledigt ist. Ganz zu Schweigen vom Aufwand, aus allen Kunden der CS eine solche Auswahl zusammenzustellen.

Natürlich kann man beim Herumwühlen, ein paar Namen von venezolanischen Verbrechern eingeben, oder auch nach den üblichen Verdächtigen weltweit suchen, Potentaten, Diktatoren, korrupte Staatsdiener. Aber obwohl es viele solcher Gestalten gib, sind 30’000 Kunden dann doch eine ziemliche Menge. Wie wurden die gefiltert?

Erste Schlussfolgerung: Dahinter steckt Energie, Aufwand und Zeit. Normalerweise werden solch Datendiebstähle durchgeführt, um die bestohlene Firma zu erpressen. Sie muss die Daten zurückkaufen, sonst wird mit Veröffentlichung oder Weitergabe an die Konkurrenz gedroht.

In diesem Fall und bei diesem Ausmass und bei der offenbar sehr delikaten Auswahl wären Zahlungen in Multimillionenhöhe denkbar. Darauf sollen die Hacker menschenfreundlich verzichtet haben?

Alles Robin Hoods?

Wenn es stimmt, dass die SZ mitsamt ihren Helfershelfern ein Jahr zur Auswertung brauchte; in dieser ganzen Zeit ist es innerhalb der CS nicht aufgefallen, dass es zu einem Datendiebstahl kam? Was für ein Monitoring haben die denn, eines aus der Steinzeit?

Wenn das Hacken selbst und vor allem das Suchen in den ganzen Kundendatenbanken zeit- und geldaufwendig war, ist es dann wirklich glaibhaft, dass eine Ansammlung von «Robin Hoods» das Ergebnis seiner Anstrengungen einfach der SZ rüberschiebt? Garniert mit eher banal wirkender moralischer Begründung?

Es sind 30’000 Kunden. Wer auf der Liste ist, hat Pech gehabt, so er Dreck am Stecken haben sollte. Wie viele haben das nicht? Wer entscheidet, ob der Dreck ausreichend sei, den Kontobesitzer mit Namen an den medialen Pranger zu stellen? Warum werden auch die staatlichen Behörden nicht beliefert? Um die Beute selbst genügend ausschlachten zu können, mal wieder Ankläger, Richter und Terminator in einer Person spielen zu können.

Wer ist auf der Liste, wer nicht?

Schliesslich: Wer ist nicht auf der Liste, und warum? Konnte man sich vielleicht freikaufen? Beherbergt die CS genau 30’000 Kunden, denen man etwas vorwerfen kann? Kein einziger darüber hinaus? Kann man allen 30’000 Fehlverhalten vorhalten?

Wenn ja, wie viele Strafuntersuchungen wird es diesmal geben? Wie viele Verurteilungen? Hält sich der Schnitt, werden es ein paar Dutzend Untersuchungen und eine Handvoll Verurteilungen sein, am Schluss.

Schliesslich ist auch hier auffällig, dass es mit schöner Regelmässigkeit die Konkurrenten der grössten Schwarzgeldbunker, der grössten Geldwaschmaschinen der Welt erwischt. Nämlich der USA und von Grossbritannien. Obwohl fast die gesamte lateinamerikanische Drogenmafia ihren Geldhaushalt via US-Finanzdienstleister regelt, hat es noch nie einen solche Hack dort gegeben. Obwohl diverse Bundesstaaten der USA bis heute unversteuerte Gelder ohne die geringsten Fragen zu stellen empfangen, gab es noch nie ein Leak in Delaware.

Reiner Zufall? Wer an den Osterhasen plus Weihnachtsmann glaubt, mag das so sehen. Sind das alles Gründe, von einer Veröffentlichung abzusehen? Gute Frage. Es ist eindeutig Hehlerware, es ist eindeutig ein Diebstahl, es sind eindeutig Daten, die nicht nur in der Schweiz von Gesetzes wegen geschützt sind

Dass Tamedia sich fröhlich am Ausschlachten beteiligt, wenn es nach der Devise «weit weg, und wo kein Kläger ist …» gefahrlos möglich ist, hier aber feige zurücktritt, wo es strafrechtliche Konsequenzen haben könnte, ist schwach. Stattdessen zu fordern «Die Medien müssen recherchieren dürfen», hat etwas leicht Lächerliches.

Denn natürlich dürfen sie das, wie gerade der Schreiber des Kommentars, Tamedia-Oberchefredaktor Arthur Rutishauser, aus eigener Erfahrung weiss. Allerdings ist die Verwendung von Hehlerware mit legalen Risiken verbunden. Das ist in einem Rechtsstaat so, zudem ist’s nicht Neues.

Ein Geschrei anzustimmen, dass Schweizer Gesetze Schweinebacken mit ihren Bankkonten schützen, ist daher völlig verfehlt.

Saure Geheimnisse

«Suisse Secrets»: 30’000 Kunden der Credit Suisse am Pranger.

Mal ernsthaft, liebe Credit Suisse. Wäre es nicht für alle Beteiligten einfacher, wenn sämtliche Kundendaten schlichtweg öffentlich einsehbar wären? Online, mit einfacher Suchmaske nach Namen, Betrag oder Volumen.

Unabhängig von der aufklärerischen Brisanz ist es eine Bankrotterklärung für eine Schweizer Bank, dass ihr Kundendaten in diesem Ausmass abhanden kommen. Ob das etwas damit zu tun hat, dass aus Spargründen immer mehr Dienstleistungen ins ferne (Indien) oder nähere (Polen, etc.) Ausland ausgelagert werden?

Oder hat es damit zu tun, dass beim Migrieren von Daten aus alten Programmen in neue Datenbanken häufig mit Klarnamen gearbeitet werden muss, weil sonst die Algorithmen, Suchmasken und weiteres IT-Blabla nicht richtig funktionieren?

Oder kann man systemisch sagen, dass ein Datenberg von einer gewissen Höhe heutzutage niemals geheimgehalten werden kann? Offenbar wurden die Daten schon vor einem Jahr der «Süddeutschen Zeitung» zugespielt, die sich einen Namen in der Verwertung von gestohlenen Geschäftsunterlagen gemacht hat.

Die Begründung des anonymen Diebs ist mehr als dünn: «Ich halte das Schweizer Bankgeheimnis für unmoralisch. Der Vorwand, die finanzielle Privatsphäre zu schützen, ist nur ein Feigenblatt, das die schändliche Rolle der Schweizer Banken als Kollaborateure von Steuerhinterziehern verdeckt.»

Die «Süddeutsche» hat wie immer auf Kooperation gesetzt und mit «Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) und 46 Medienpartnern aus aller Welt, darunter dem britischen Guardian, Le Monde in Frankreich und der New York Times» die Hehlerware ausgewertet.

Alle üblichen Verdächtigen an Bord, mit einer Ausnahme

Allerdings fehlt diesmal der «Tages-Anzeiger». Man habe sich nicht getraut, weil das einen Verstoss gegen Schweizer Gesetze darstellen würde, jammert das Blatt. Gegen Gesetze von fernen Ländern wie Panama, Singapur oder kleinen karibischen Inseln zu verstossen, dass ist dem Provinzblatt aus Zürich hingegen egal. Da hat es sich schon mehrfach am Ausschlachten beteiligt; allerdings ohne durchschlagenden Erfolg.

Im Gegenteil, sobald es konkret und mit Schweizbezug wurde, landete Tamedia einen Flop nach dem anderen. Erwähnt seien nur Gunter Sachs und ein schweizerisch-angolanischer Geschäftsmann. Beide wurden mit massiven Vorwürfen eingedeckt – die sich am Schluss alle in Luft auflösten. Sachs wiederfuhr das posthum, beim Geschäftsmann führte das zum Ruin seiner Firma und zu schweren persönlichen Schäden, dank eines Aufenthalts in einem angolanischen Höllenknast.

Hier beschränkt sich nun Tamedia darauf, die Ergebnisse zu berichten. Wenn’s stimmt, ist’s natürlich saftig. Schlichtweg der Beweis, dass alle Behauptungen von verschärften Kontrollen gegen Gelder aus krimineller Herkunft oder gegen Geldwäsche reine Lippenbekenntnisse sind.

Die CS erscheint immer mehr sturmreif geschossen. Ein VR-Präsident, der Reisen im Privatjet liebt und sich um Corona-Bestimmungen foutierte, ist dabei ja nur eine ärgerliche Randbemerkung. 2,6 Milliarden Busse im US-Steuerstreit, die höchste Zahlung einer ausländischen Bank weltweit. Insgesamt drückte die CS seither über 10 Milliarden an solchen Zahlungen ab.

Aktuell läuft vor dem Bundesstrafgericht in Belllinzona ein Prozess wegen möglichen Verwicklungen rund um die bulgarische Mafia, in Genf laufen Strafuntersuchungen wegen eines östlichen Präsidenten mit Konto bei der CS, in London hängt der Mosambik-Skandal wie ein Damoklesschwert über der Bank.

Gewinnwarnung, Kunden und Mitarbeiter laufen weg, keiner in Sicht, der das Ruder rumreissen könnte. In der übliche Medienhatz wird mal wieder die Ausgangsfrage bei jedem Anfüttern nicht gestellt: cui bono?

Wem nützt es, wenn ein Medium solche Informationen publiziert? Um das abschätzen zu können, hilft es ungemein, die Quelle zu kennen. Das ist hier – wie bei allen Leaks und Papers bislang – nicht der Fall. Eine anonyme Quelle übermittelte auf angeblich nicht rückverfolgbarem Weg die Daten. Ohne finanzielle Interessen.

Es folgt Teil 2

Wumms: Arthur Rutishauser

Wenn die Trauben zu sauer sind, wird gemotzt.

Friedrich Schiller, Don Carlos, zehnter Aufzug: «Sire, geben Sie Gedankenfreiheit.» Eine Nummer kleiner hat’s Arthur Rutishauser nicht. Zunächst lässt er seine Mitarbeiter jammern: «Seit 2015 droht Journalisten ein Strafverfahren, wenn sie über geleakte Bankdaten schreiben. Tamedia musste auf Recherchen zu den Credit-Suisse-Daten verzichten.»

Das ist nunmal so, dass die Verwendung von Hehlerware strafrechtliche Konsequenzen haben kann. Wieso allerdings Tamedia deswegen auch auf Recherchen verzichten musste, erschliesst sich nicht. Schliesslich hat der Konzern sich ja einige Male an solchen Ausschlachtungen beteiligt.

Dann tritt der Oberchefredaktor persönlich nach. Immerhin räumt er zunächst ein: «Es gibt viele Gründe, seine Bankdaten geheim zu halten.» Es gibt auch viele Gründe, Geschäftsinformationen vertraulich zu halten.

Dann verlangt auch Rutishauser Medienfreiheit:

«Dass heute Bankdaten in ausländischen Medien geleakt werden, während in der Schweiz ein Rechercheverbot herrscht, ist ein Unding, das abgeschafft werden muss.»

Das zeugt von einer gewissen Unsicherheit gegenüber rechtsstaatlichen Prinzipien. Sollten im Ausland ähnliche Gesetze zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen gelten wie in der Schweiz, ist die Publikation solcher gestohlener Daten auch dort strafbar. Die ganzen bisherigen Leaks und Papers konnten nur deswegen ohne strafrechtliche Konsequenzen publiziert werden, weil Panama oder Singapur weit weg sind.

Aber damit ist der Irrflug der Oberchefs noch nicht zu Ende: «Offenbar zählt im Zweifel noch immer das Geschäft, nicht das Gesetz.» Im Gegenteil. Ohne Zweifel herrscht in einem Rechtsstaat das Gesetz. Es abzuschaffen, wie Rutishauser fordert, ist ihm unbenommen.

Schliesslich beschwert sich Rutishauser noch darüber, dass seine Cracks vom «Investigativdesk» mit einem «Rechercheverbot» belegt seien. Man möchte schon gerne wissen, worin das denn bestehen sollte. Es gibt kein Gesetz in der Schweiz, das Recherchen zu jedem beliebigen Thema, abgesehen von vitalen Sicherheitsinteressen des Landes, verbietet. Und das Innenleben der CS gehört sicher nicht dazu.

Hilfe, mein Papagei onaniert

Die Sonntagspresse. Immer ein Quell der Erbauung.

Wir lassen diesmal den «SonntagsBlick» aussen vor. Auf den ersten Blick hat es keine Stellungsnahme von Walder, Ringier oder Heimgarten drin. Also langweilig.

Auf den zweiten Blick rezykliert der SoBli Dinge, die bereits im «Magazin» von Tamedia erschienen sind, also halten wir uns doch lieber ans Original.

Das ist nun leider nicht wahnsinnig originell, muss man gleich einschränkend sagen. Man kommt doch recht schnell ins Blättern, wenn man sich noch eines der letzten Exemplare der «SonntagsZeitung» im Print erstanden hat. Denn das muss ja nun alles wohl leider eingestellt werden, wenn all die düsteren Ankündigungen eintreffen, was passiert, sollte die Medienmilliarde nicht in den Taschen der Verlegerclans landen.

Drei Seiten Gemurmel über die Ukraine. Blätter. Ein Artikel über die immer noch demonstrierenden «Corona-Massnahmen-Gegner», bei dem das Bild doppelt so viel Platz wie der Text einnimmt und auch viel aussagekräftiger ist.

Ein Artikel über den schwarzen Uni-Professor John McWorther, der gegen die Anti-Rassismus-Bewegung rempelt, sie sei «eine ideologische Schreckensherrschaft». Das beweist, dass es in der Zentralredaktion von Tamedia noch mindestens ein NZZ-Abonnement gibt. Denn dort wurde dieser Professor erst vor Kurzem (und natürlich viel tiefsinniger) porträtiert. Aber was der SoZ-Leser vielleicht nicht weiss, macht ihn nicht heiss.

Und weiss man denn, wie viele Leser der NZZ Alzheimer haben und die gleiche Nachricht beliebig häufig lesen und als neu empfinden können? Dann ein Interview mit einem «Experten für Rassismus und Gewaltverbrechen sowie Leiter des Amts für Justizvollzug und Wiedereingliederung beim Kanton Zürich und Professor für Forensische Psychologie an der Uni Konstanz».

Trotz des ellenlangen Titels sind seine Gedankengänge doch so kurzatmig, dass man sich Sorgen um den Justizvollzug und seine Studenten macht. Denn der Professor zeigt in einem Satz, dass er eigentlich wenig Ahnung von nichts hat: «Prävention ist kein Argument gegen Verbote. Hier macht der Bundesrat einen Überlegungsfehler.» Indem er bekanntlich den Hitlergruss oder Nazisymbole nicht verbieten will.

Den Überlegungsfehler, das Hochhalten der Meinungsfreiheit wie in den USA als implizites Billigen dieser Symbole misszuverstehen, unterläuft aber diesem Jérôme Endrass. Wir haben hier schon versucht, das ganz langsam zu erklären

Bei der NZZaS, nun ja, ist der Blätterreflex nicht weniger ausgeprägt. Rasant schnell ist man auf S. 53, wo Peer Teuwsen damit angibt, dass er einem Bündner Baunersohn nach Island folgen durfte, wo der zum Schriftsteller wurde. Das wär’s dann auch schon fast im Kulturbund, der stolze 6 Seiten umfasst.

Aber, wer sucht, der findet, immerhin gibt es einen halbseitigen Bericht über die abseitige Tatsache, dass Benito Mussolini seit 1937 Ehrendoktor der Uni Lausanne ist. Richtig, bis heute.

Bei Adolf Hitler war es dann in Deutschland (und anderswo) schöner Brauch, dem Jahrhundertverbrecher diese Würde posthum abzuerkennen. Wieso hält denn dann die Uni Lausanne daran fest, den Duce weiterhin als Dr. h.c. zu führen? Mit einer Aberkennung «würde die Sache aus der öffentlichen Debatte verschwinden», wird der Rektor der Uni zitiert. «So einfach dürfen wir es uns nicht machen

Die Uni macht’s sich sowieso nicht leicht, «2021 wurden ausschliesslich Frauen mit dem Ehrendoktor der Universität Lausanne geehrt», weiss die NZZaS.

Das lässt den Leser eher ratlos zurück. Den Fehler wieder gutzumachen, dem italienischen Faschisten 1937 den Ehrendoktor verliehen zu haben, würde doch schlicht und einfach bedeuten, dem Diktator den Titel einige Jährchen nach dessen Tod abzuerkennen. Ab so einfach will es sich die Uni nicht machen. Diesem Gedankengang kann man wohl nur folgen, wenn man mindestens zwei Doktortitel hat.

Als weitere Wiedergutmachung und als Abbitte für den Männerüberhang unter Ehrendoktoren wurden nun letzte Jahr nur Doktorinnen geehrt. Dass darin eine negative Diskriminierung enthalten ist (wieso soll es in diesem Jahr plötzlich keinen einzigen auszeichnungswürdigen Mann gegeben haben), fällt weder der Uni, noch dem Autor des Artikels auf.

Also eine nette Trouvaille, gnadenlos versemmelt.

 

Ach, und in der Wirtschaft wird in der Sonntagspresse ein alter Zopf neu geknüpft. Den Recherchierjournalisten ist nämlich aufgefallen, dass eine Aktie in diesem Jahr an der Schweizer Börse am besten performt hat. Und zwar mit Abstand. Um fast 50 Prozent hat ihr Kurs zugelegt. Das nennt man mal eine Gewinnsträhne für all die, die rechtzeitig drauf gesetzt haben.

Wem gehört nun diese Wunderaktie? Der Credit Suisse? Der UBS? Der ZKB? Scherz beiseite, es ist natürlich unsere Schweizerische Nationalbank. Könnte das etwas damit zu tun haben, dass sie mal wieder nur mit grösster Not die Gelspeicher schliessen kann, so quellen dort Eigenkapital, Gewinne und Bilanzsumme heraus.

Aber nein, wissen die Finanzkoryphäen, «hinter der Kurshausse stecken offenbar wie schon in früheren Fällen deutsche Börsenbriefe, die die Unwissenheit ihres Publikums ausnützen». Wie denn das? «Weil normalerweise weniger als 100 Aktien pro Tag gehandelt werden, kann der Kurs leicht bewegt werden.»

Das ist nun ein Satz zum Abschmecken. Er impliziert, dass der Kurs manipuliert wird. Also auf einem engen Markt mit Kauforders der Preis hinaufgetrieben wird. Das ist nun ein so schwerer Vorwurf, dass er unbedingt mit dem Hauch eines Belegs versehen werden müsste. Aber doch nicht in der SoZ, das würde ja noch zu einer Recherche ausarten.

Interessant ist auch: wenn das so wäre, würde der Aktienkurs unserer SNB hinauf- und vielleicht auch wieder hinunterspekuliert werden. Echt jetzt? Und alle schauen zu? Wieso soll eigentlich die angebliche Unwissenheit des Publikums ausgenützt worden sein? Wenn jemand Anfang Januar investierte, dann hat er locker 50 Prozent Profit gemacht. Ist doch super, so unwissend zu sein.

Und schliesslich: Bei rund 8000 Franken pro Aktie hat die SNB einen Börsenwert von 800 Millionen Franken. Völlig lachhaft, angesichts des Eigenkapitals und ihrer besonderen Funktion. Das Hundertfache wäre eigentlich immer noch ein Schnäppchen. Solchem Fragen nachzugehen, das würde ja zu Denkarbeit ausarten. Aber doch nicht in der SoZ.

Wladimir «Der Schreckliche» Putin

Kriegerisches Vokabular ist multifunktional.

«Die Pandemie muss entschlossen bekämpft werden.» – «Sie ist eine Bedrohung für uns alle.» – «Impfgegner sind zu verurteilen und scharf zu sanktionieren.»

Wir erinnern uns. Nun ersetzen wir die Worte Pandemie und Impfgegner durch Putin und Russland. Funktioniert genauso gut.

Nehmen wir nur das Kriegsgeschrei aus der «Sonntagszeitung». Der US-Aussenminister sorge sich «um den Frieden weltweit», brüllt die Headline auf Seite eins heraus. Das ist nett von ihm, aber wieso eigentlich, und wie bringt er diese Sorge zum Ausdruck?

Es geht auf Seite 2/3 genauso kriegerisch weiter. «Ein Krieg hätte schreckliche, verheerende Folgen», warnt hier nochmals der Aussenminister. Wie ein einigermassen zurechnungsfähiger Produzent eine solche Banalität in den Titel nehmen kann – das zeugt von höherer Verzweiflung. Von den rigiden Qualitätskontrollen des Hauses ganz zu schweigen, die hier ein weiteres Mal versagt haben.

Martin Suter, der Linksausleger, vermeldet aus New York: «Die USA rechnen mit baldigem Angriff.» Das ist nun auch nicht wirklich eine Breaking News. Interessant höchstens, dass sich nun Präsident Biden auf diese Woche als Datum des Kriegsbeginns festgelegt hat. Nicht ganz ohne Risiko, wenn der Oberbefehlshaber der stärksten Militärmacht der Welt falsch liegen sollte. Aber es hatte – trotz riesigem Foto russischer Panzer – noch Platz auf der Seite. Also stellte man flugs dazu: «Die Suche nach einem Kriegsgrund».

Auch das ist tiefgründelnd und wahr. Eher selten beginnen Kriege ohne Grund, das könnte auch hier der Fall sein. Nun ist es aber nach wie vor eher schwierig, einen Kriegsgrund zu finden. Die Separatisten in den östliche Provinzen der Ukraine würden «zur «Generalmobilmachung» aufrufen und Waisenkinder evakuieren», weiss die SoZ.

Wenn das mal nicht gleich zwei Kriegsgründe sind … Viele Buchstaben, wenig Inhalt. Schlimmer ist auf dieser Seite eigentlich nur die Bebilderung. Ein Agenturfoto des US-Aussenministers und von Präsident Putin. Ein Wimmelbild von russischen Panzern als fast eine halbe Seite füllende Verzweiflungstat. Und dann noch eine Briefmarke, auf der sich ein nicht identifizierter Soldat einer unbekannten Armee an einem unbekannten Ort über ein kleines Loch im Boden beugt, dass angeblich von einer Granate der Separatisten verursacht wurde.

Insgesamt ist der Informationsgehalt dieser Doppelseite ungefähr so tiefschürfend wie das Löchlein im Boden, das der Soldat begutachtet.

Doppelte «Fuckability»

Was SoZ und NZZaS können, ist für SoBli und «Das Magazin» kein Problem.

Wir erinnern uns: die bescheidene journalistische Kraft Rafaela Roth servierte den NZZaS-Lesern auf einer Doppelseite ein Interview, das mit der gleichen Person (und weitgehend identischem Inhalt) drei Monate zuvor in der SoZ erschienen war. Das reihte sich würdig in ihre jüngsten Flops ein, wie ein Jubelartikel über eine angeblich hervorragende Medienanwältin, die aber dummerweise einen Prozess nach dem anderen verliert.

Das können wir doch auch, sagten sich «Das Magazin» von Tamedia und vom SoBli. In der korrekten Reihenfolge:

Trotz allen Versuchen, die Macho-Männer bei Tamedia zu zähmen, hier interviewt nun eine Frau eine Mode-Erscheinung aus Oxford, die mit ein paar scharfen Begriffen umhüllt gähnende Langeweile verbreitet.

Geradezu zurückhaltend der Titel beim SoBli:

«Kein Recht auf Sex», titelt das Boulevardblatt schüchtern, und illustriert das Interview mit einem Porträt der «Philosophin», während «Das Magazin» lüsterne Fotoinszenierungen zum Interview stellte.

Nun könnte man noch meinen, die Frau habe dermassen Interessantes zu erzählen, dass sich ein Doppelschlag lohnt, dass die Dublette halt Unerhörtes zu Tage fördert.

Nun ja: «Natürlich ist Sex sehr privat und intim, aber er kann gleichzeitig auch politisch sein.» Oder: «Aber wo und wie wir aufgewachsen sind sowie unser Umfeld beeinflussen, wen wir attraktiv finden.»

Das, wie der ganze Rest, ist nun von einer dermassen banalen Beliebigkeit und einer Philosophin unwürdigen Flachsinns, dass man ihr nur gratulieren kann, den Ausdruck «Fuckability» erfunden zu haben. Der haut halt rein und macht es offenbar für Journalisten unmöglich, dahinter gähnende Leere zu erkennen.

Ukraine und kein Ende

Der Krieg, der (noch) keiner ist. Taktische Rückzüge wechseln sich in den Medien mit Offensiven ab.

Nichts Genaues weiss man nicht. Das ist so, und das ist auch nicht verwunderlich. Auch wenn die Kreml-Astrologen und die Biden-Durchschauer zu wissen vorgeben, was in deren Köpfen vorgeht und was für Absichten die beiden haben: stimmt nicht.

Die Ukraine ist (mal wieder) ins Zentrum der weltweiten Aufmerksamkeit geraten. Nun ist die Ukraine das grösste europäische Land, was seine geographische Ausbreitung betrifft. Dennoch wissen wir herzlich wenig über die 1991 unabhängig gewordene ehemalige Sowjetrepublik.

Da war mal was mit orangener Revolution, ein Steinzeitkommunist konnte sich nicht länger an der Macht halten, wurde ersetzt durch grosse Hoffnungsträger – die dann schnell verglühten. Höchstens, dass ein Komiker zum neuen Staatspräsidenten gewählt wurde, sorgte zwischenzeitlich für Schlagzeilen.

Natürlich auch die Annexion der Halbinsel Krim, die im sozialistischen Überschwang 1954 der Ukraine zugesprochen wurde, obwohl es dafür keinen historischen Grund gibt. Schon bei der Aufzählung aller Staaten, die an die Ukraine grenzen, würde wohl so mancher an seine eigenen Grenzen kommen.

Sicher, Russland, Belarus, das ist einfach, Polen auch. Vielleicht weiss man noch Rumänien. Aber Moldawien? Schon mal davon gehört? Und wenn ja, von Transnistrien? Eben, da gibt dann wohl jeder auf, der nicht intimer Kenner der Sachlage ist.

Grenzen, Staaten tun immer so, als seien sie für die Ewigkeit gebaut. Das stimmt natürlich nicht. Gewisse Ethnien oder Nationen, die bleiben meistens über die Jahrhunderte intakt. Ausser, sie werden mehr oder weniger vollständig ausgerottet, wie die Inkas oder Mayas oder Azteken, wie die Indianer in Nordamerika.

Dann gibt es gemischte Staaten, wobei eigentlich jedes Gebilde, das grösser ist als Liechtenstein, meist mehr als eine Ethnie beherbergt. So ist das auch in der Ukraine, wobei hier Ukrainer und Russen tonangebend sind.

Komplizierte Geschichte, komplizierte Gegenwart 

Die Ukrainer kolonialisierten und beherrschten, auf dem heutigen Territorium und auch weiter im Westen. Sie wurden beherrscht, unter anderem von den Polen und den Russen. Man kann also von einer wechselhaften Geschichte sprechen, bei der nicht all zu viel zum «nation building» beitrug, zur Ausbildung einer klaren nationalen Identität. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstand, was man heute als Ukraine bezeichnet.

Wozu dieser kleine Ausflug? Ganz einfach. Das sind alles Mosaiksteine, Puzzleteile, die man zusammensetzen könnte, wenn man das Verständnis für die Ukraine befördern möchte. Natürlich gehen die meisten Medien zu Recht davon aus, dass das die Mehrheit ihrer Leser nicht sonderlich interessiert.

Sondern mehr die Frage, ob es nun Krieg gibt oder nicht. Ob Putin seine Truppen zurückzieht oder nicht. Ob Vorwände für eine Invasion gesucht werden oder nicht. Ob es wieder einen nicht erklärten Krieg geben wird oder nicht. Ob wieder «grüne Männchen» ohne Rangabzeichen oder staatliche Insignien die Dreckarbeit erledigen werden. Nun besteht das Problem der Medien darin, dass man das alles so oder so sehen kann.

Wie viele Truppen, welche und aus welchen Gründen Russland an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen hat, auch darauf wäre die ehrlichste Antwort: wir können doch auch nicht in den Kopf des russischen Präsidenten oder seiner Berater schauen.

Mangels Substanz Wiedergekäutes

Also werden fleissig Satellitenaufnahmen veröffentlicht und interpretiert, so wie es den Redaktoren vom US-Militär eingeflösst wird. So werden gute, wohlmeinende, kriegerische und andere Ratschläge en masse und gratis verteilt.

Der Westen soll Härte zeigen. Der Westen soll auf Diplomatie setzen. Der Westen darf nicht hinnehmen. Der Westen sollte doch wegen der Ukraine keinen Atomkrieg riskieren. Der Westen garantiert die territoriale Integrität der Ukraine. Der Westen garantiert sie nicht, weil er das gar nicht kann.

Die Ukraine fühlt sich von Russland militärisch bedroht, Oder doch nicht. Polen auch. Die baltischen Staaten sowieso. Rumänien weniger. Von Moldawien hört man nix. Belarus ist sowieso auf der Seite Russlands.

Es ist eine Kakophonie der Unübersichtlichkeit. Analysen politischer Konfliktgebiete, wo zudem die Interessen der verbliebenen Supermächte tangiert sind, das war noch nie ein einfaches Geschäft. Aber warum hat man den zunehmenden Eindruck, zunehmend schlecht, einseitig, oberflächlich, repetitiv, holzschnittartig, parteiisch, anspruchslos informiert zu werden?

Könnte das daran liegen, dass in den zu Tode gesparten Redaktionen mit immer weniger Korrespondenten schlichtweg die Dossiersicherheit fehlt? Sich der beschreibende Redaktor auch erst einmal mit Google Maps und Wikipedia aufrüsten muss, damit er ungefähr weiss, worüber er nun schreiben soll?

Das könnte sehr wohl so sein, ist aber auch nur eine Vermutung.