Assange!

Was geht beim «Nawalny des Westens»?

Überhöhungen hüben und drüben sind einer Qualitätsberichterstattung abträglich. Die geradezu hymnische Heiligsprechung von Nikolai Nawalny als Märtyrer, als neues Idol, nach dem zukünftig Plätze und Strassen benannt, für ihn Denkmäler errichtet würden, wie ein völlig entfesselter Kommentator in der NZZ schreibt, ist natürlich Humbug, zumindest jetzt nicht zu prognostizieren. Denn schon mancher Held des Moments war im nächsten Moment vergessen.

Oder erinnern wir uns nur an den letzten gefallenen Superstar aller Gutmeinenden und sittlich Bewegten: möchten sie noch an ihre Lobhudeleien auf die junge Mutter Theresa, auf die neue Jeanne d’Arc des Umweltschutzes, auf Greta Thunberg erinnert werden? Eben.

Auf die sicherlich vorhandenen dunklen Seiten von Nawalny hinzuweisen, wilde Theorien aufzustellen, dass doch sein Tod ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt Präsident Putin ungelegen komme, ihn von Schuld und Verantwortung freizusprechen, das ist genauso unsinnig wie Vorverurteilungen und Mutmassungen über seine direkte Beteiligung am elenden Tod Nawalnys. Richtig ist einzig, dass Putin als Autokrat für alles Verantwortung trägt in seinem Staat, also auch dafür.

Richtig ist zudem, dass sich Putin auch hier als Versager erweist, dem kein Stein aus der Krone gefallen wäre, wenn er Nawalny mustergültig hätte behandeln lassen und propagandistisch wertvoll darauf hinweisen können, wie brutal der Westen mit den Gefangenen im rechtsfreien Raum Guantánamo oder mit Julian Assange umgehe.

Roger Köppel in seinem «Daily», das er offenbar im holzgetäferten Alpenreduit aufgenommen hat, behauptet hingegen tatsachenwidrig, dass «kaum eine Zeile über die Assange-Anhörung» erschienen sei; in seiner Verteidigungssuada, dass man auch anders und wider den Mainstream über Russland berichten müsse und solle. Zumindest damit hat er halbrecht, denn auch das sollte es nicht rechtfertigen, schlichtweg Unsinn zu publizieren.

Auch bei Assange täuscht sich der Vordenker der WeWo, vielleicht hat er auf der Alp keinen Zugang zur SMD. Die verzeichnet in der letzten Woche immerhin 206 Treffer für den Begriff «Assange». Das ist doch etwas mehr als «kaum eine Zeile».

Es ist hingegen richtig, dass das ein Klacks gegen fast 1600 Treffer für Nawalny ist. Natürlich spielt da westliche Propaganda eine Rolle, natürlich ist das kein Ruhmesblatt für die angeblich so freien und ausgewogenen westlichen Medien, die das immer mehr nur behaupten.

Noch wilder treibt es wie meist sein Nachkläffer Wolfgang Koydl. Über den Gerichtstermin von Assange habe man eigentlich kaum etwas gehört, für die meisten Medien sei das «nicht der Rede wert». Hysterisches Fazit: «Umso gleissender werden Scheinheiligkeit, Verlogenheit, und Doppelstandards des «Wertewestens» erhellt.» Überbeissen macht jede im Ansatz sinnvolle Kritik sinnentleert.

Nimmt man als Zeitraum die letzten vier Jahre, gibt es für Assange 5000 Treffer, etwas mehr als «nicht der Rede wert». Für Nawalny sind es allerdings 22’000.

Unabhängig vom Ausgang der Anhörung: der jahrelange Leidensweg Aassanges, die jahrelange Haft in einem englischen Hochsicheerheitsknast, das ist ein Skandal, der dadurch nicht kleiner wird, dass der Häftling noch lebt.

Das ist auch der richtige Ort, um auf die verdienstvolle Zusammenstellung eines ZACKBUM-Kommentators hinzuweisen, die wir ohne vertiefte Prüfung als plausibel erachten; dazu ist jeder weitere Kommentar überflüssig.

Ausser diesem: Hier hat ZACKBUM alle Prügel verdient, die ihm von Kommentatoren versetzt wurde. Schon eine oberflächliche Prüfung der Liste hätte ergeben müssen, dass man Selenskyj schlecht für Todesfälle verantwortlich machen kann, die vor seiner Amtszeit stattfanden.

Mea culpa. Der Besitzer von ZACKBUM hat extra seine Ferien auf der Yacht in der Karibik unterbrochen und per Satellitentelefon folgende Erklärung abgegeben: «Ich schäme mich für diesen Text. Er ist inakzeptabel.» Vom zuständigen Redaktor fehlt seither jede Spur; er soll in einem nordkoreanischen Umerziehungslager gesehen worden sein. Was von Felix Abt aber dementiert wird.

14 Kommentare
  1. H.R. Füglistaler
    H.R. Füglistaler sagte:

    Es gibt neben Julian Assange noch einen weiteren echten Helden:
    Edward Snowden. Dank ihm wissen wir, wo «Das Reich des Bösen»
    seinen Hauptsitz hat. Da war doch mal ein US-Präsident mit
    ähnlichen Schauspielertalenten wie Selensky…

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  2. Dominic Miller
    Dominic Miller sagte:

    Wurde Selenskyi nicht erst 2019 zum Präsidenten gewählt? Kann man ihn daher für diese Taten (gemäss Liste aus den Jahren 2014 und 2015) verantwortlich machen?

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  3. René Küng
    René Küng sagte:

    Und zum reinen Zahlenvergleich von Erwähnungen Assange versus was auch immer:
    Entscheidend ist doch, WAS geschrieben wird zu einem Thema.
    Blü blü blü bla und dazu noch alles das was NICHT gesagt wird.

    Aber nichts, nichts, gar nichts zu dem was eine katastrophale Sauerei, eine niederschmetternde Entmenschlichung, eine unendliche Heuchelei ist.
    Unsere Medien sind feige Mit-Täter und machen die Schweizer und Schweizerinnen durch ihre NICHT-ARBEIT, das Stillhalten zu offensichtlichen menschlichen Katastrophen und Verbrechen ebenfalls zu nichts Wissenden. Oft zu blasierten Ignoranten, die dann als Mehrheit noch hoch zu Ross daher dozieren. Sich als Mehrheit, im Recht, fühlen.

    Noch was zu Israel?
    Jeden Tag, jeden Tag, jeden Tag und bei uns ist’s warm unter der Decke…..
    Sagen dann alle wieder, konnten wir nicht wissen?

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  4. Peter Bitterli
    Peter Bitterli sagte:

    Die „verdienstvolle Liste“ eines Krachzack-Lesers übersieht die schlichte Tatsache, dass Selenskij 2015 noch weit davon entfernt war, dereinst Präsident der Ukraine zu werden. Das war weiland Poroschenko. Macht nichts, Aleksej Navalnyj oder Aleksej Anatolevich heisst ja auch nicht Nikolai Nawalny.

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    • René Zeyer
      René Zeyer sagte:

      Ist in Untersuchung; die berüchtigte Namensschwäche von ZACKBUM muss therapiert werden. Der Verleger hat den Chefredaktor beauftragt, dem Korrektorat und der Dokumentation einen scharfen Verweis zu erteilen.

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  5. René Küng
    René Küng sagte:

    Herr Zeyer, schön haben Sie die (unvollständige – was wissen wir von all den Liquidierten oder Verbrannten ohne Namen) Liste von Herrn Stalder nochmals aufgegriffen.
    Schade, haben Sie den Kommentar von Herrn Bitterli nicht gelesen, Selenskiii war damals noch am Klavier spielen im Volks-TV.
    Aber entscheidend ist doch, was dem ukrainischen Volk die grossartige ‹Öffnung› zum freiheitlichen Westen, zu Demokratie, zu krvschtkkwwvv… gebracht hat.
    Den blonden Frauen, den Kindern, den Soldaten in Ausbildung und Aufbau, der Masse unten in der Skala.

    Im Gegensatz zur schmalen Spitze oben von all den Profiteuren, die ihr Land an ausländische, wertewestlichen Interessen verkauft haben.
    Da spielt es keine Rolle welche Marionette oben stand – bei uns ist das nicht so viel anders, hier sind die Sitten einfach (noch) nicht so abgestürzt.

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  6. Jürg Streuli
    Jürg Streuli sagte:

    Wo bleibt eigentlich die Solidarität insbesondere der Linken mit Julian Assange? Die Linken waren einst die militanten Unterstützer der Opfer der USA und für „Ami go home“. Doch heute hetzen die Linken wie einst ein Joseph Goebbels zuvorderst gegen Russland. Da kommt mit einem Nawalny jede Möglichkeit zur rassistischen Propaganda gegen Russland gerade recht. Auf der anderen Seite wird ein Gangster wie Selenskyj zum absoluten Heiligen verklärt. Wie es scheint, sehnen sich manche Leute wieder nach Krieg. Doch ins Feuer sollen bitte Andere gehen.

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  7. Felix Abt
    Felix Abt sagte:

    Auf die Gefahr hin, von den Trollen, die sich auch in Zackbums Kommentarspalten tummeln, als bezahlter Putin-Agent abgestempelt zu werden, habe ich Fakten und Hintergrundinformationen zusammengestellt, die man von der dezidiert transatlantischen NZZ, also Washingtons noblem Sprachrohr in der Schweiz, nicht bekommt, genauso wenig wie von der Weltwoche mit der behaupteten „anderen Sicht“.

    Dazu gehört ein kleines aber nicht unwichtiges Detail, nämlich ein Bericht der deutschen BILD, in dem es um Verhandlungen zwischen dem pöhzen Putin und Gut-Deutschland über die Freilassung Nawalnys im Austausch gegen einen in Deutschland gefangenen russischen Agenten geht. Das ist dumm gelaufen, weil Putin angeblich auf schändliche Weise den Trumpf des Westens und seine eigene Verhandlungsmasse eliminiert hatte.

    https://voicefromrussia.ch/wer-profitiert-von-nawalny-tod-putin-oder-seine-feinde/

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    • Peter Bitterli
      Peter Bitterli sagte:

      Ich habe Ihr Werklein gelesen. „Während es also klar ist, dass Nawalny keine Bedrohung für den russischen Präsidenten war, ist sein Tod in der Tat eine Bedrohung für Putin, da er vom Westen als willkommene Gelegenheit genutzt wird, ihn und sein Land zu zerstören.“ Ach ja, Navalnyjs Tod ist eine willkommene Gelegenheit, Russland zu zerstören? Und Sie sind sich ganz sicher, dass da nicht auf der Zeitachse, bei der Verkettung von Ursache und Wirkung, mit der Logik, in der Faktentreue und bei der donnernden conclusio so einiges aus dem Lot geraten ist?
      In einem Punkt unterscheidet sich das aktuelle Textlein von Ihren sonst üblichen an den Haaren herbeigezerrten Konstruktionen: Sie halten es überdies für nötig, zur Unterstützung Ihrer Argumentation auf vermutete Seitensprünge von Navalnyjs Witwe hinzuweisen. Diese Vorgänge dürften Ihnen weniger aus eigener Erfahrung als vom Hörensagen bekannt sein.
      Da meine Wenigkeit von Ihnen auch schon recherchiert und auf grauenvolle Art und Weise mit ihrem gelernten und ausgeübten Studium und Beruf denunziert und für ewige Zeiten lächerlich gemacht wurde, bleibt mir nun wohl nur mehr die proaktive Vorwärtsstrategie. Ja, ich gestehe im Angesicht meines Abtes: Ich habe auch schon.

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      • Felix Abt
        Felix Abt sagte:

        “Ihre üblichen an den Haaren herbeigezerrten Konstruktionen” sagt der Luzerner Musikwissenschaftler und Mimose Peter Bitterli, den ich wieder ungewollt aus der Reserve geholt habe. Was soll ich dazu sagen? Eigentlich nichts, denn erstens sollte man Trolle nicht füttern und zweitens möchte ich nicht, dass er wieder eine lange, beleidigte-Leberwurst-Antwort schreiben muss.

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