Die Selenskyj-Show

ER ist gekommen. Wahnsinn.

Deutsche schwadronieren in solchen Fällen vom Mantel der Geschichte, der weht. In der Schweiz hat man’s eine Nummer kleiner, aber man merkt deutlich, dass die Schweiz etwas aus dem Häuschen ist. Also die Eidgenossen nicht, aber viele Politiker und die Massenmedien.

Denn er ist gekommen, er ist da. Der grosse Freiheitsheld, der unerschrockene Kämpfer gegen Russland und gegen die Korruption. Auf beiden Gebieten ist Wolodymyr Selenskyj letzthin nicht sonderlich erfolgreich; vielleicht muss er bald seine Luxusvilla im Exil in Italien beziehen. Oder vielleicht sein Pied-à-terre in London.

Wie auch immer, nun ist er erstmal in der Schweiz. In Bern hat ihn unsere frischgebackene Bundespräsidentin Viola Amherd empfangen. Gemeinsame Pressekonferenz, der Mann in seiner gewohnten olivgrünen Kampfausrüstung, Bart, ernster, entschlossener Blick, von den besten PR-Profis der Welt gedrechselte Reden, super. Allerdings wollte sich der chinesische Ministerpräsident, obwohl auch in Bern, nicht mit ihm treffen. Blöd auch.

Das ändert nichts daran, dass die Schweiz und der ukrainische Präsident einen grossen Friedensgipfel ankündigen. Endlich kann die Schweiz wieder ihre Rolle als neutraler Vermittler wahrnehmen, oder nicht? Dass sie sämtliche US- und EU-Sanktionen gegen Russland mitmacht, obwohl sie dazu nicht verpflichtet wäre, kann doch wohl nicht hinderlich im Weg stehen, oder? Dass sie dabei sogar den Rechtsstaat aushebelt, indem von diesen Sanktionen in der Schweiz betroffene Russen keinerlei Möglichkeit haben, sich dagegen auf dem Rechtsweg zu wehren – macht doch nix, neutral ist neutral, Matterhorn, Heidi, Swiss Chocolate und die Rolex nicht vergessen.

Nun macht ein «Friedensgipfel» eigentlich nur Sinn, wenn alle Kriegsparteien sich an einen Tisch setzen. Nur fehlt hier Russland. 2021 trat Präsident Putin noch per Videoschaltung am WEF auf, darauf verzichtet er dieses Jahr.

Im Vorfeld des WEF fand schon mal eine Konferenz mit mehr als 80 Delegationen in Davos statt, bei der über ukrainische Vorschläge für einen «dauerhaften Frieden» palavert wurde. Immerhin fiel dem Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis ein und auf: «Es braucht einen Schritt, Russland auf die eine oder andere Weise einzubeziehen.» Denn die Kriegspartei nahm nicht an dieser Konferenz teil, ebenso wenig wie China.  Womit sie nur dem Motto genügte «Schön, haben wir drüber geredet». Russland bezeichnet die ganze Veranstaltung als «Farce», was nicht gerade nach einem Gesprächsangebot aussieht.

Grundlage für die Besprechung ist die sogenannte «Friedensformel», mit der Selenskyj bereits seit Ende 2022 hausieren geht. Sie beinhaltet zehn Punkte, darunter: Beendigung der Feindseligkeiten und der Abzug der russischen Truppen, internationaler Sondergerichtshof zur Untersuchung aller russischen Kriegsverbrechen, Wiedergutmachung, Schutz der Umwelt, internationale Garantien für die territoriale Integrität der Ukraine, Verhinderung einer weiteren Eskalation und Bestätigung des Kriegsendes.

Welche Gegenleistungen die Ukraine erbringen würde, ist nicht bekannt. Dass Russland das nicht als ernst gemeinte Einladung zu Friedensverhandlungen versteht, ist sonnenklar.

Während sich also die Schweizer Medien mit Berichten, verwackelten Videos von der Ankunft Selenskyjs mit dem Zug in Davos und überhaupt überschlagen, sieht die Lage in der Ukraine in Wirklichkeit ganz anders aus.

Nachdem die überlebenswichtige weitere US-Militärhilfe nach wie vor gesperrt ist, geht der ukrainischen Armee langsam, aber sicher die Munition, das Kriegsmaterial und die Mannschaft aus. Demgegenüber ist Russland weiterhin in der Lage, auch horrende Verluste auszugleichen, seine Kriegsproduktion läuft auf Hochtouren. Sollte Donald Trump wieder Präsident werden, ist es sowieso mit der militärischen Unterstützung der USA vorbei. Auch die EU hat zunehmend Mühe, Milliardenhilfsleistungen gegenüber der eigenen Bevölkerung zu vertreten.

Ein Beitritt der Ukraine zur EU oder gar zur NATO ist völlig illusorisch; das Land erfüllt keine der Voraussetzungen. Korruption, Meinungsfreiheit, Demokratie, Opposition, Legitimität des Regimes, der Schönheitsfleck, dass Selenskyj von einem reichen ukrainischen Oligarchen der Wahlsieg gekauft wurde, der sich dann mit einer Generalamnestie für begangene Milliardenbetrügereien bei ihm revanchierte – all das macht solche Schritte unmöglich.

Erschwerend kommt noch hinzu, dass es Selenskyj immer schwerer fällt, neben dem Krieg im Gazastreifen mit seinen Wünschen und Bitten Gehör zu finden; möglicherweise hat er seine 15 Minuten Ruhm bereits ausgereizt. Einzig interessant wird sein, welche finanziellen Zusagen sich der ukrainische Präsident von der Schweiz und anderen Ländern abholt.

Und bislang ist der mediale Jackpot noch nicht geknackt: welches Medium schafft das Exklusivinterview?

10 Kommentare
  1. Jürg Casanova
    Jürg Casanova sagte:

    Vermutlich meint Ignazio Cassis mit «Russland auf die eine oder andere Art einbeziehen», am Tisch der westlichen Heuchler über Russland zu reden. Das wäre die eine Art, die andere wäre die leibhaftige oder der Leibhaftige am Tisch zu haben, doch den müsste man gemäss Drehbuch verhaften, damit Ursula wieder schlafen kann. Mir kommen die westlichen Politiker vor wie ein besoffener Haufen Fans, die Selenskyj wie einem Popstar huldigen, der die Klaviatur der Verführung und Bittstellung meisterhaft beherrscht, denn die Milliarden sind gesprudelt, sodass auch für ihn selbst ein beträchtliches Sümmchen zusammenkam. Seine Dreistigkeit und Unverfrorenheit sind kaum zu überbieten. Wir haben mit Jacques Baud eine Koryphäe, der für die Uno und die Nato auch in der Ukraine gearbeitet hat und von diesem Konflikt mehr versteht als alle Politiker, die ihr Maul so weit aufreissen. Bauds Bücher sollten Pflichtlektüre sein.

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  2. Martin Hefti
    Martin Hefti sagte:

    Selenski wünscht sich immer noch Munition und kein Taxi. Das wirkt doch glaubhafter als solche Schweizer Politiker, die, de facto hinter dem Nato-Schirm, mit einer Rumpfarmee von einer lehrbuchmässigen reinweissen Neutralität fabulieren. Und natürlich nicht erwähnen, dass Morgarten, Näfels, Sempach und die Burgunderkriege Bündnisfälle waren, in der Zeit von Fussmärschen und Hellebarden statt Hyperschallraketen und Drohnen.

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    • Slavica Bernhard
      Slavica Bernhard sagte:

      Herr Hefti, ihre Mischung stimmt nicht und ist ungeniessbar. Der Ukraine-Krieg ist nicht unser Krieg! Was immer Sie Glauben, Meinen oder Ihnen gesagt wird.
      Zahlen müssen Sie selbstverständlich, ungefragt!

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    • Martin Arnold
      Martin Arnold sagte:

      Nun sind wir wieder soweit: Leute die sich für Frieden anstatt Schiessen einsetzen werden von den leider viel zu vielen Ahnungslosen angekläfft.

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  3. H.R. Füglistaler
    H.R. Füglistaler sagte:

    Exklusivinterview? Dann aber Tempo bitte! Was soll ein solches
    mit einem Ex? (Der Brutus ist wohl schon ausgewählt).

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  4. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Viola Amherd liebt Sprechblasen, kündigt eine Friedenskonferenz an, ohne Russland, Naiv, Dumm, oder pures kurzfristiges Eigenmarketing?

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    • Martin Arnold
      Martin Arnold sagte:

      „Geifernde Suada“. Nanana, Herr Attenhofer.
      Geht es ihnen wirklich nicht auf den Keks dass dieser Komiker sich immer mit einer sauberen Uniform zeigt, während massenweise junge Ukrainer in dreckigen Schützengräben verrecken? Dieser aufgeblasene Idiot schwingt realitätsferne Reden. Müsste er selbst an die Front, wäre der Krieg vorbei.

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