China-Missversteher, Teil 1

Und gefürchtete Agenda-Journalisten.  Ein Versuch, Missverständnisse zu klären.

Von Felix Abt

In Zeiten, in denen Verstehen verpönt ist – man denke nur an die vielgeschmähten Putin-Versteher – sind die China-Missversteher gefragt. Selbst die in China ansässigen «Spiegel»-Journalisten müssen sich dem China-Narrativ ihrer auf strikt atlantisch (d.h. antichinesisch) getrimmten Redakteure in Deutschland unterordnen. Deshalb lesen sich Artikel über China im «Spiegel» so, als wären sie in Hamburg von ausgewiesenen China-Missverstehern geschrieben worden.

Ich habe auch über China geschrieben. Aber kann jemand, der sieben Jahre lang in Nordkorea gelebt hat, China verstehen? Nein, sagt der Ökonom und freie Autor Thomas Baumann, der auch für die NZZ schreibt, in seinem Zackbum-Artikel «Ein Breitbandantibiotikum namens KPCh«. Auf den ersten Blick hat er recht. Aber lassen Sie mich dieses und einige andere Missverständnisse ausräumen, um gleichzeitig zu einem etwas ungetrübteren Bild von China zu kommen.

Unvermeidbares China

Wenn ein Ausländer wie ich eine Fabrik in Nordkorea aufbaut und Maschinen und andere Ausrüstungen, Verbrauchsmaterialien und Software benötigt, die er in Nordkorea nicht finden kann, wo bekommt er sie dann? Genau, in China, wo alles verfügbar ist. Wo schult er seine nordkoreanischen Mitarbeiter, bevor die Fabrik in Betrieb geht? Auch in China, bei befreundeten Unternehmen, denn in keinem anderen Land kann man das modernste Produktions- und Logistik-Know-how besser erlernen als dort (zu den Freunden komme ich gleich noch). Wenn die Produktion anläuft, aber schlecht ausgelastet ist, weil der heimische Markt noch zu klein ist, sucht er sich anderswo einen guten Absatzmarkt, also wieder China. Wenn es im Verwaltungsrat des Joint-Venture-Unternehmens unterschiedliche Meinungen über die Unternehmensstrategie und -führung gibt, was macht dann der Ausländer: In meinem Fall habe ich einen erfahrenen und kompetenten chinesischen Geschäftsmann in den Verwaltungsrat geholt. Während der Kulturrevolution wurde der neue Verwaltungsrat, der damals Chef eines großen chinesischen Unternehmens war, von den damaligen roten Wächtern – heute wären sie wohl grün – abgesetzt und zu einem Arbeiter an einem Arbeitsplatz degradiert, an dem er giftigen Dämpfen ausgesetzt war. Als Chinas woke Kulturrevolution vorbei und sein Unternehmen ruiniert war, wurde er zurück an die Spitze des Unternehmens geholt, um es wieder aufzubauen. Er war der erste in seiner Branche, der ein Joint Venture mit einem ausländischen (amerikanischen) Unternehmen einging. Henry Jin wurde ein enger Freund von mir, dem ich den Artikel im “Diplomat” gewidmet habe: “When Capitalism came to North Korea. How a Chinese businessman helped spark North Korea’s pharmaceutical industry.”

Außerdem habe ich vereinzelte VR-Sitzungen in China abhalten lassen. Dies gab uns die Möglichkeit, für meine nordkoreanischen VR-Kollegen Informationsbesuche bei chinesischen Unternehmen zu organisieren.

Bei einem Treffen mit dem Vorstandsvorsitzenden eines großen Staatsunternehmens fragten die Nordkoreaner ihn, welche Anweisungen er von der Partei und der Regierung erhalte. Der Vorstandsvorsitzende wusste, worauf sie anspielten: Auch in China mischten sich in der Vergangenheit Ministerien und andere staatliche Stellen in das Tagesgeschäft ein, und der Vorstandsvorsitzende war lediglich ein Befehlsempfänger, kein Gestalter. Die Antwort verblüffte meine nordkoreanischen Kollegen: «Die einzige Erwartung der Regierung ist, dass wir das Unternehmen so führen, dass es rentabel und nachhaltig bleibt. Wenn nicht, bin ich meinen Job los

Gefürchtete Agenda-Journalisten

Ich hatte schon lange vor meiner Nordkora-Zeit geschäftlich mit China zu tun. Jahrelang hatte ich eine in Hongkong registrierte Firma, die für die Geschäfte in China zuständig war. Wir bauten ein in diesem Teil der Welt unverzichtbares, und deshalb wertvolles Netzwerk von Freunden und Bekannten im Reich der Mitte auf, über das ich auch all die Informationen bekam, die in westlichen Zeitungen nicht zu finden sind. In einer Karaoke-Halle hatte ich einmal ein Gespräch mit einem chinesischen CEO eines erfolgreichen Unternehmens. Er erzählte mir: «Der Satz ‹Kein Zutritt für Hunde und Chinesen!›, den westliche Kolonialisten am Eingang ihrer Banken und in chinesischen Parks angebracht hatten, ist in die Seele vieler Westler eingebrannt.» Ich fragte ihn, ob er westlichen Journalisten keine Interviews gebe, worauf er antwortete: «Wir haben kein Interesse daran, denen zu helfen, die uns schlecht machen wollen.» Auf meine Frage, warum er mit einem Westler wie mir spreche, antwortete er: «Sie und ich sind Geschäftsleute, die keine politischen Ziele verfolgen. Wir haben Geschäftsinteressen, die sich gegenseitig ergänzen, also sind wir Partner und können Freunde sein. Und alles, worüber wir sprechen, bleibt unter uns.» Andere chinesische, koreanische, indonesische und vietnamesische Unternehmer haben sich mir gegenüber so oder ähnlich geäußert.

Als Anna Fifield, eine Journalistin der «Financial Times«, eine mehrteilige Reportage über Nordkorea machen wollte, half ich ihr, das einzige Interview zu führen, das ein nordkoreanischer Geschäftsmann jemals einem westlichen Medium gegeben hatte. Der Chef eines Industriekonglomerats, das damals in Südkorea als das nordkoreanische Pendant zu Samsung angesehen wurde und das bereits erfolgreich Produkte in China vermarktete, war auf der Suche nach weiteren Exportmärkten. Ich sagte dem fließend Englisch und Chinesisch sprechenden Geschäftsmann, dass die Financial Times sicher Leser hat, die sich für sein Unternehmen und seine Produkte interessieren könnten. Selbst wenn das Produkt und der Preis stimmen, gibt es in den ostasiatischen Ländern noch eine weitere Bedingung, um Geschäfte zu machen oder die Türen zu öffnen: Vertrauen. Wenn der Nordkoreaner mir nicht vertraut hätte, wäre das Treffen mit der Journalistin nicht zustande gekommen. Und wenn die Journalistin ihn in die Pfanne gehauen hätte, wäre das als Vertrauensbruch meinerseits gewertet worden mit den entsprechenden Konsequenzen für mich. Was für Asiaten gilt, gilt auch für Westler in diesem Teil der Welt: Man lässt nicht jeden an seine wertvollen Kontakte heran.

Zusammen mit dem Chef des nordkoreanischen Industriekonglomerats, das nach seinen Worten auch «coole Motorräder» herstellt. Ausnahmsweise sprach er mit der Financial Times.

Fortsetzung folgt.

11 Kommentare
  1. Felix Abt
    Felix Abt sagte:

    Von wegen China-Korrespondent des Spiegels: Vor ein paar Tagen wärmte er eine alte Geschichte aus dem Jahr 2017 wieder auf, als die Medien behaupteten, Winnie Puuh sei in China komplett verboten worden, weil er dem chinesischen Präsidenten zu ähnlich sehe (der angeblich keinen Sinn für Humor habe, was stimmen mag). Die Tatsache, dass das vollständige Verbot eine Falschmeldung westlicher Zeitungen ist, ist dem Spiegel entgangen (siehe https://chinafilminsider.com/is-winnie-the-pooh-banned-in-china/).

    Einige Tage zuvor berichteten Zeitschriften für Technikinteressierte wie die unabhängige Tech Wire Asia, dass “Yangtze Memory Technologies Co (YMTC), Chinas führender Hersteller von Speicherchips, erfolgreich den weltweit modernsten 3D-NAND-Speicherchip für Verbrauchergeräte entwickelt. Diese bemerkenswerte Leistung wurde trotz Sanktionen und der Aufnahme in die Entity List des US-Handelsministeriums erreicht” (siehe https://techwireasia.com/2023/10/has-china-made-the-worlds-most-advanced-3d-nand-memory-chip/)

    Und der Spiegel? Über diesen Durchbruch (der wohl wichtiger ist als Winnie the Pooh) hat er nicht berichtet. Kein Problem, von der NZZ und anderen Schweizer Zeitungen konnten Sie es sehr wahrscheinlich auch nicht erfahren.

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    • Sam Thaier
      Sam Thaier sagte:

      Völlig unwichtig bezüglich Winnie Puuh. In der Volksrepublik China ist die Geheimnistuerei zuoberst auf der Agenda. Auch der wahrscheinliche Laborunfall in Wuhan (und die Verschleierungstaktik) hat der Welt Trillionen gekostet.

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    • Felix Abt
      Felix Abt sagte:

      Danke für die Anregung, Victor Brunner, aber ich habe schon zwei Bücher geschrieben, und das reicht. Warum schreiben Sie nicht ein Buch mit dem passenden Titel: «Einschlafgeschichten aus dem langweiligen Leben eines Neidgenossen».

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    • René Küng
      René Küng sagte:

      Plapperplapplap,
      Sie müssen es ja nicht lesen, nicht glauben, nicht applaudieren, Herr Brunner.
      Aber manchmal fehlt bei Ihren Kommentaren der Respekt und leider auch der Anstand.
      Geschweige irgendwelche konkreten, konstruktiven Ansätze zum Artikel.
      Wenn Herr Zeyer Ihre miesen (es gibt ja durchaus lesenswerte von Ihnen) Kommentare trotz Verstoss gegen Kleiderordnung durchlässt, dann vielleicht darum, weil Sie sich selber bloßstellen, diskreditieren.
      Aber ich sag’s Ihnen, damit es jemand schreibt. Vielleicht hilft es dann.
      Mit freundlichen Grüssen
      René Küng

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    • Sam Thaier
      Sam Thaier sagte:

      Caption: „Zusammen mit dem Chef des nordkoreanischen Industriekonglomerats, das nach seinen Worten auch «coole Motorräder» herstellt. Ausnahmsweise sprach er mit der Financial Times“.

      Die Einschätzung von Victor Brunner teile ich. Seine narzisstisch geprägten Einschübe zementieren das Bild von einer Person, der sich in verklärten Worten für den ganz grossen bedeutungsvollen Umsetzer hält. Haben die coolen Motorräder oder Autos aus dem nordkoreanischen Konglomerat übrigens einen Namen? Heissen sie „Cool“ und können mit den Mitbewerbern aus Südkorea (Hyundai, KIA, Genesis, Daewoo) auf den Weltmärkten konkurrieren?

      Komme soeben von der Grabstätte des Schweizers Alexandre Emile Jean Yersin (22 September 1863 – 1 March 1943) den ich sehr bewundere. Ist 10km südlich der Stadt Nha Trang (Vietnam), wo er sein Labor hatte. In seinem Labor hat der Schweizer Bakteriologe Yersin massgeblich daran gearbeitet, den Pestbazillus (Yersinia pestis) zu entschlüsseln.

      Alexandre Yersin hat um seine Person nie ein grosses Aufsehen gemacht. In Vietnam wird er sehr verehrt. Auch Strassen in Hanoi, Märkte und Universitäten wurden nach ihm benannt. Auch das Pasteur Institut in Nha Trang hat ihn mit einer Büste geehrt.

      Der ständige Eigenlob von Felix Abt in seinen Publikationen, setze ich die Machart des uneigennützigen Wissenschafter Alexandre Yersin entgegen. Seine Arbeit wird auch für viele weitere Generationen Bestand haben.

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      • Eveline Maier
        Eveline Maier sagte:

        Südkorea mit seinen Weltmarken Samsung, LG, SK Hynix, Hyundai und vielen anderen Companies als Vorzeigebeispiel für Innovation und Erfolg. Finde es bizarr, wie Felix Abt diese nordkoreanische Wirtschaftsleistungen in verklärter Manier rühmt.

        Erwarte endlich mehr Selbstreflexion von ihm über seine erfolglose Entwicklungshilfe in diesem totalitären Despotenstaat.

        Viele sind diesem Regime auf den Leim gekrochen. Auch Christoph Blocher ging ja einst auf Wanderferien nach Nordkorea…….

        Auch SP und damalige PoCH-Grössen schrieben bewundernde Artikel über dieses abgeschottene Land. Ob sie dies auch heute noch tun würden?

        Interessanter Artikel darüber in der NZZ aus dem Jahre 2017 darüber:

        https://www.nzz.ch/schweiz/kim-il-sungs-schweizer-freunde-ld.1326678

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        • Felix Abt
          Felix Abt sagte:

          Oh, Evelyn Maier, Ihr Recht als Ignorantin, so viel Unsinn wie möglich zu verbreiten, in Ehren. Ich würde es auch verteidigen, glauben Sir mir.

          Und wenn Sie wissen wollen, wie ich Ihre Steuergelder für die Entwicklungshilfe in Nordkorea verbrannt habe, finden Sie das auf dieser Website des amerikanischen Stimson Center, aber nicht in der NZZ: https://www.38north.org/2012/12/fabt122312/

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          • Eveline Maier
            Eveline Maier sagte:

            „We wanted to teach North Korean managers how to apply the same administrative know-how found in the Singaporean success story to North Korean businesses“.

            Da ist leider in den letzten 20 Jahren auch gar nichts passiert bezüglich wirtschaftlichem Fortschritt in Notdkorea.

            What is the GDP of North Korea and South Korea?

            In 2022, South Korea’s nominal gross domestic product (GDP) amounted to around 2,080 trillion South Korean won, while that of North Korea was approximately 36.2 trillion South Korean won. With this, South Korea’s nominal GDP was around 57 times greater than that of North Korea.
            (Quelle:Statista)

      • Felix Abt
        Felix Abt sagte:

        Ich würde es nicht wagen, mich mit Dr. Yersin zu vergleichen. Das tut nur Sam Thaier, weil er mangels sachlichen Argumenten immer wieder obsessiv auf den Mann zielt. So ist es nicht verwunderlich, dass er sich zu der Behauptung hinreißen lässt, meine Veröffentlichungen seien durchzogen von «ständigem Eigenlob». Warum sollte ich mich selbst loben? Ich ziehe es vor, dass sich meine Leser auf das Urteil meines Verlegers und meiner prominenten Leser verlassen.
        https://www.amazon.com/stores/author/B00JT7W63Y/about
        https://www.amazon.com/Prison-Camps-Starving-Slaves-Nuclear-ebook/dp/B09XXW9KQK?ref_=ast_author_mpb

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