Schlagwortarchiv für: Financial Times

Alte und neue Medien

Joe Rogan & Co.? Noch nie gehört? Schwerer Fehler.

Während sich die klassischen Medien aufplustern und über mangelnde Resonanz staunen, sind die neuen schon da.

Die «Financial Times» (FT) widmet fünf «Schlüssel-Podcastern» eine lesenswerte Analyse. Bei der Inauguration Donald Trumps sassen sie auf den besten Plätzen. Denn Trump bespielt die Medien wie kein anderer. Er liess Klassiker wie die berühmten «60 Minutes» aus und verbrachte geschätzte 1000 Minuten, rund 17 Stunden, im Gespräch mit einem Cluster von Podcastern in den USA, schreibt Anna Nicolaou.

Joe Rogan, mit insgesamt 34 Millionen Abonnenten auf YouTube und Spotify, ist der grösste von allen. Dazu gehören auch Theo Von, Lex Friedman, Andrew Schulz und Logan Paul. Wer noch nie von ihnen gehört hat, hat die Wahlen in den USA schon verloren.

Die FT schreibt: «Es gibt eine riesige und wachsende Medienwelt, die dem Mainstream-Publikum verborgen bleibt. Die heutigen Podcast-Stars sind einerseits sehr berühmt – sie füllen zum Beispiel den Madison Square Garden –, andererseits aber einem großen Teil der Amerikaner unbekannt. Meine Eltern, die in ihren Siebzigern sind und immer noch den ganzen Tag „die Nachrichten“ im Fernsehen laufen lassen, haben noch nie von ihnen gehört. Für die jüngeren Generationen hat YouTube das Kabelfernsehen abgelöst.

Stilistisch ist die „Manosphere“ in vielerlei Hinsicht das Gegenteil dessen, was die traditionellen Medien zu tun lernen. Als Journalisten werden wir gebeten, kurz und prägnant zu sein. Fernsehnachrichten sind eine raffinierte und weitläufige Produktion: Die Moderatoren sind mit Make-up bestäubt, sitzen in aufwendigen Kulissen und sprechen formell und überlegt.

Diese neuen Shows bestehen dagegen größtenteils aus mäanderndem Geplauder. Ein Livestream auf Twitch kann acht Stunden oder länger dauern. Die Moderatoren sind keine Journalisten und wollen es auch nicht sein.

Medienumwälzungen gehen normalerweise auf ein neues Format oder eine neue Technologie zurück. Podcasts und YouTube gibt es jedoch schon seit Anfang der 2000er Jahre. Stattdessen erleben wir radikale Veränderungen durch die Schattenseite eines Internets, das zunehmend Nischeninteressen bedient und es den Menschen ermöglicht, ihre Mediendiät und Informationsquellen zu verfeinern

Wie sangen die Buggles 1972 in ihrem einzigen grossen Hit: «Video killed the Radio Star». Also MTV entmachtete die DJs der Radiostationen. Obwohl Bewegtbild natürlich viel teurer ist als Radio, profitierte MTV davon, dass Musikfirmen Gratis-Videos zur Promotion zur Verfügung stellten.

Bei Podcasts fällt das weg, aber die Einkommenslage ist disruptiv im Vergleich zu den grossen TV-Stationen:

«Podcasts verdienen hauptsächlich durch Werbung Geld. Wenn der Moderator selbst eine Produktempfehlung vorliest, ist der Gewinn beträchtlich. Für Podcaster mit einer großen Fangemeinde ist viel Geld zu verdienen. Galloway schätzt, dass die Leute in den Top 10 der beliebtesten Podcasts 10 bis 50 Millionen Dollar pro Jahr verdienen. „Bei einer Million Downloads verdient man 50.000 bis 100.000 Dollar pro Monat“, schätzt er.

Ohne die Kosten für die Infrastruktur – Hauptsitz, Anwälte, Buchhalter, Sicherheit – sind die Gewinne „riesig“, sagt Galloway. „Allein das Einschalten des Lichts für eine [Fernseh-]Sendung kostet wahrscheinlich mindestens 2 oder 3 Millionen Dollar im Jahr. Einen Podcast kann man für Zehntausende von Dollar starten.“ Der Pivot-Podcast soll dieses Jahr 7 bis 10 Millionen Dollar Umsatz machen

Interessante Sache. Hat man darüber in deutschsprachigen Medien schon etwas gelesen? Nein; die breite Hutkrempe von Melania Trump ist doch viel wichtiger und umfangreicher Beschreibung wert.

Verschwörungs-Spinner

Simon Kuper ist eigentlich Sportjournalist. Aber er schiesst auch gerne Eigentore.

Wie kommt Tamedia dazu, einen Beitrag des Sport-Kolumnisten der «Financial Times» zu publizieren? Ganz einfach: weil er inhaltlich bestens in die Gesinnungsblase der Redaktion passt.

Natürlich sind die meisten Rechten Rassisten, halten Neger im Allgemeinen für unterbemittelt und träumen von der Reinheit und Überlegenheit der weissen Rasse. Nur sagen sie das halt leider nicht so offen.

Aber da kommt Kuper und deckt bislang verborgene biographische und andere Zusammenhänge auf: «Und Paul Furber, ein obskurer südafrikanischer Softwareentwickler und Technikjournalist, der in der Nähe von Johannesburg lebt, wurde von forensischen Linguisten als Urheber der QAnon-Verschwörung identifiziert, die dazu beigetragen hat, Trumps ­MAGA-Bewegung («Make America Great Again»)aufzubauen. (Furber bestreitet, «Q» zu sein.)»

Oder mit anderen Worten: Kuper entwickelt selbst eine hübsche Verschwörungstheorie. Die Wurzeln dieser Verschwörung von Musk, Thiel & Co. liegen in Südafrika. Genauer im Apartheid-Südafrika, bevor der ANC damit begann, das Land herunterzuwirtschaften und selbst in Korruption zu versinken. Nachdem die Jahrhundertgestalt Nelson Mandela gestorben war.

Aber zurück zum Kern der Verschwörungstheorie von Kuper:

«Vier der einflussreichsten Stimmen der MAGA-­Bewegung sind weisse Männer in den Fünfzigern mit prägenden Erfahrungen im Apartheid-Südafrika. Das ist wahrscheinlich kein Zufall – sage ich als weisser Mann in den Fünfzigern, mit prägenden Kindheitsbesuchen bei meiner Grossfamilie im Apartheid-Südafrika.»

Denn Kuper weiss, wovon er spricht: «Wir schwammen im Pool meiner Grosseltern, während das Hausmädchen und ihre Enkelkinder in der Garage wohnten. Diese Erlebnisse waren so schockierend, so anders als alles, was ich in Europa erlebt hatte, dass sie meine stärksten Kindheitserinnerungen sind.»

Aber während dieser Schwumm im Swimmingpool für Kuper schockierend und prägend war, nahmen diese vier einflussreichen Stimmen der «Make America Great Again»-Bewegung ganz andere Prägungen aus Südafrika mit. So war Peter Thiels Vater Manager in einer Mine, die laut Thiels Biograf «für Bedingungen bekannt (war), die nicht weit von der Schuldknechtschaft entfernt waren».

Kommilitonen von Thiel behaupten, dass er ihnen gegenüber Südafrikas Apartheid verteidigt hatte, er selbst bestreitet das. Auch Elon Musk verbrachte seine Jugend in Südafrika und habe 2023 vor einem «Völkermord an den Weissen in Südafrika» gewarnt. Und auch der Investor David Sacks «verliess das Land im Alter von fünf Jahren und wuchs in einer südafrikanischen Familie in Tennessee auf».

Schlimmer noch: «1995, ein Jahr nachdem der ANC in Südafrika mit genau diesem Versuch (Rassismus zu bekämpfen, Red.) begonnen hatte, veröffentlichten Thiel und Sacks, die sich in Stanford kennen gelernt hatten, das Buch «The Diversity Myth». Es ist eine gut geschriebene Verteidigung der «west­lichen Zivilisation» gegen den «Multikulturalismus» (oder das, was die Rechte heute «woke» nennt), verfasst von zwei weissen Mittzwanzigern, die sicher sind, dass Rassismus nicht das Problem ist. Tatsächlich verkünden sie: «Es gibt fast keine echten Rassisten in Amerikas junger Generation.»»

Und heute? «Drei Jahrzehnte später unterstützen nun die beiden gemeinsam mit Elon Musk, mit dem sie sich in der sogenannten Paypal-Mafia von Silicon Valley zusammenschlossen, eine weisse republikanische Partei, die erfundene Geschichten über schwarze Einwanderer aus Haiti, die Haustiere essen, herumreicht.»

Musk & Co. seien sicherlich auch noch anderen Einflüssen ausgesetzt, räumt Kuper immerhin ein. Aber: «Dennoch lebt im Trumpismus die alte, weisse Mentalität Südafrikas weiter

Hier haben wir alle Elemente einer absurden Verschwörungstheorie versammelt. Es werden Realitätssplitter zusammengeklebt und mit dunklem Raunen unterlegt. Es werden Zusammenhänge konstruiert, die zuvor niemandem ausser dem Verschwörungstheoretiker aufgefallen sind. Es wird Koinzidenz fleissig mit Kausalität verwechselt. Und dann kommt noch ein Sprutz Unsinn dazu:  «Die Demokraten schicken zum dritten Mal in fünf Wahlen eine dunkelhäutige Präsidentschaftskandidatin ins Rennen.» Also in unserer Welt schicken sie zum zweiten Mal eine Frau und zum ersten Mal eine dunkelhäutige Frau ins Rennen. Aber vielleicht war Hillary Clinton nur weiss geschminkt und Bill Clinton in Wirklichkeit eine Frau.

Da muss Kuper noch nacharbeiten.

 

China-Missversteher, Teil 1

Und gefürchtete Agenda-Journalisten.  Ein Versuch, Missverständnisse zu klären.

Von Felix Abt

In Zeiten, in denen Verstehen verpönt ist – man denke nur an die vielgeschmähten Putin-Versteher – sind die China-Missversteher gefragt. Selbst die in China ansässigen «Spiegel»-Journalisten müssen sich dem China-Narrativ ihrer auf strikt atlantisch (d.h. antichinesisch) getrimmten Redakteure in Deutschland unterordnen. Deshalb lesen sich Artikel über China im «Spiegel» so, als wären sie in Hamburg von ausgewiesenen China-Missverstehern geschrieben worden.

Ich habe auch über China geschrieben. Aber kann jemand, der sieben Jahre lang in Nordkorea gelebt hat, China verstehen? Nein, sagt der Ökonom und freie Autor Thomas Baumann, der auch für die NZZ schreibt, in seinem Zackbum-Artikel «Ein Breitbandantibiotikum namens KPCh«. Auf den ersten Blick hat er recht. Aber lassen Sie mich dieses und einige andere Missverständnisse ausräumen, um gleichzeitig zu einem etwas ungetrübteren Bild von China zu kommen.

Unvermeidbares China

Wenn ein Ausländer wie ich eine Fabrik in Nordkorea aufbaut und Maschinen und andere Ausrüstungen, Verbrauchsmaterialien und Software benötigt, die er in Nordkorea nicht finden kann, wo bekommt er sie dann? Genau, in China, wo alles verfügbar ist. Wo schult er seine nordkoreanischen Mitarbeiter, bevor die Fabrik in Betrieb geht? Auch in China, bei befreundeten Unternehmen, denn in keinem anderen Land kann man das modernste Produktions- und Logistik-Know-how besser erlernen als dort (zu den Freunden komme ich gleich noch). Wenn die Produktion anläuft, aber schlecht ausgelastet ist, weil der heimische Markt noch zu klein ist, sucht er sich anderswo einen guten Absatzmarkt, also wieder China. Wenn es im Verwaltungsrat des Joint-Venture-Unternehmens unterschiedliche Meinungen über die Unternehmensstrategie und -führung gibt, was macht dann der Ausländer: In meinem Fall habe ich einen erfahrenen und kompetenten chinesischen Geschäftsmann in den Verwaltungsrat geholt. Während der Kulturrevolution wurde der neue Verwaltungsrat, der damals Chef eines großen chinesischen Unternehmens war, von den damaligen roten Wächtern – heute wären sie wohl grün – abgesetzt und zu einem Arbeiter an einem Arbeitsplatz degradiert, an dem er giftigen Dämpfen ausgesetzt war. Als Chinas woke Kulturrevolution vorbei und sein Unternehmen ruiniert war, wurde er zurück an die Spitze des Unternehmens geholt, um es wieder aufzubauen. Er war der erste in seiner Branche, der ein Joint Venture mit einem ausländischen (amerikanischen) Unternehmen einging. Henry Jin wurde ein enger Freund von mir, dem ich den Artikel im “Diplomat” gewidmet habe: “When Capitalism came to North Korea. How a Chinese businessman helped spark North Korea’s pharmaceutical industry.”

Außerdem habe ich vereinzelte VR-Sitzungen in China abhalten lassen. Dies gab uns die Möglichkeit, für meine nordkoreanischen VR-Kollegen Informationsbesuche bei chinesischen Unternehmen zu organisieren.

Bei einem Treffen mit dem Vorstandsvorsitzenden eines großen Staatsunternehmens fragten die Nordkoreaner ihn, welche Anweisungen er von der Partei und der Regierung erhalte. Der Vorstandsvorsitzende wusste, worauf sie anspielten: Auch in China mischten sich in der Vergangenheit Ministerien und andere staatliche Stellen in das Tagesgeschäft ein, und der Vorstandsvorsitzende war lediglich ein Befehlsempfänger, kein Gestalter. Die Antwort verblüffte meine nordkoreanischen Kollegen: «Die einzige Erwartung der Regierung ist, dass wir das Unternehmen so führen, dass es rentabel und nachhaltig bleibt. Wenn nicht, bin ich meinen Job los

Gefürchtete Agenda-Journalisten

Ich hatte schon lange vor meiner Nordkora-Zeit geschäftlich mit China zu tun. Jahrelang hatte ich eine in Hongkong registrierte Firma, die für die Geschäfte in China zuständig war. Wir bauten ein in diesem Teil der Welt unverzichtbares, und deshalb wertvolles Netzwerk von Freunden und Bekannten im Reich der Mitte auf, über das ich auch all die Informationen bekam, die in westlichen Zeitungen nicht zu finden sind. In einer Karaoke-Halle hatte ich einmal ein Gespräch mit einem chinesischen CEO eines erfolgreichen Unternehmens. Er erzählte mir: «Der Satz ‹Kein Zutritt für Hunde und Chinesen!›, den westliche Kolonialisten am Eingang ihrer Banken und in chinesischen Parks angebracht hatten, ist in die Seele vieler Westler eingebrannt.» Ich fragte ihn, ob er westlichen Journalisten keine Interviews gebe, worauf er antwortete: «Wir haben kein Interesse daran, denen zu helfen, die uns schlecht machen wollen.» Auf meine Frage, warum er mit einem Westler wie mir spreche, antwortete er: «Sie und ich sind Geschäftsleute, die keine politischen Ziele verfolgen. Wir haben Geschäftsinteressen, die sich gegenseitig ergänzen, also sind wir Partner und können Freunde sein. Und alles, worüber wir sprechen, bleibt unter uns.» Andere chinesische, koreanische, indonesische und vietnamesische Unternehmer haben sich mir gegenüber so oder ähnlich geäußert.

Als Anna Fifield, eine Journalistin der «Financial Times«, eine mehrteilige Reportage über Nordkorea machen wollte, half ich ihr, das einzige Interview zu führen, das ein nordkoreanischer Geschäftsmann jemals einem westlichen Medium gegeben hatte. Der Chef eines Industriekonglomerats, das damals in Südkorea als das nordkoreanische Pendant zu Samsung angesehen wurde und das bereits erfolgreich Produkte in China vermarktete, war auf der Suche nach weiteren Exportmärkten. Ich sagte dem fließend Englisch und Chinesisch sprechenden Geschäftsmann, dass die Financial Times sicher Leser hat, die sich für sein Unternehmen und seine Produkte interessieren könnten. Selbst wenn das Produkt und der Preis stimmen, gibt es in den ostasiatischen Ländern noch eine weitere Bedingung, um Geschäfte zu machen oder die Türen zu öffnen: Vertrauen. Wenn der Nordkoreaner mir nicht vertraut hätte, wäre das Treffen mit der Journalistin nicht zustande gekommen. Und wenn die Journalistin ihn in die Pfanne gehauen hätte, wäre das als Vertrauensbruch meinerseits gewertet worden mit den entsprechenden Konsequenzen für mich. Was für Asiaten gilt, gilt auch für Westler in diesem Teil der Welt: Man lässt nicht jeden an seine wertvollen Kontakte heran.

Zusammen mit dem Chef des nordkoreanischen Industriekonglomerats, das nach seinen Worten auch «coole Motorräder» herstellt. Ausnahmsweise sprach er mit der Financial Times.

Fortsetzung folgt.

Prioritäten setzen

Nirgendwo versagen die modernen Medien so wie hier.

Überthemen werden zum Selbstläufer. Keine Redaktionskonferenz seit mehr als einem Jahr, an der nicht gefragt wird: und was haben wir heute zur Ukraine? Das ist und bleibt die absolute Artikelschleuder.

Dann gibt es die Hoch-und-runter-Themen. Rammstein ist so eins. Bad News sind immer good news («Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen»). Good News sind no news; Staatsanwaltschaft hat Untersuchung eingestellt. Auch hier wird ein ganzer Teppich von Kollateralartikeln ausgerollt. Was sagen Groupies? Was sagen Experten über Groupies? Was sagt uns die Existenz von Groupies? Sind die Herrinnen ihres Willens? Ist ein Ja ein Nein? Oder umgekehrt? Wieso beisst Til Lindemann in einen Apfel? Was hatte Chris von Rohr im Schweizerhof zu suchen?

Auch hier beginnt alles mit der täglichen Frage: was haben wir heute zu Rammstein? Aber das vergeht. So wie die Frage: was haben wir heute zum U-Boot?, inzwischen untergegangen ist. Noch etwas Nachbearbeitung, wer ist dran schuld, wer warnte schon früh, Milliardäre und ihre Sucht nach Gefahr, aber auch das geht vorbei.

Alain Berset, perfekte Gelegenheit, auf der Glatze Locken zu drehen. Mann und Werk, was hat er vollbracht, wo ist er gescheitert, was macht sein Liebesleben, lernt er nun ernsthaft fliegen, wer wird sein Nachfolger, was macht er eigentlich mit dem Rest seines Lebens? Aber auch das vergeht und verweht.

Aber nichts kommt an das Überthema heran, unter dem Stichwort «Ukraine» findet man in den letzten sechs Monaten in der SMD über 100’000 Treffer.

Es gibt aber auch Überthemen, die sehr stiefmütterlich behandelt werden, obwohl sie für die Schweiz von herausragender Bedeutung sind. Beispiel? Über die Credit Suisse sind in den letzten sechs Monaten etwas mehr als 27’000 Artikel erschienen, rund ein Viertel des Ausstosses bei der Ukraine.

Obwohl das einige behaupten, sind die Interessen der Schweiz durch den Ukrainekrieg nicht zentral berührt. Bleibt der Krieg lokal, sowieso. Wird er nuklear, ist es sowieso egal.

Aber selbst das Grounding der Swissair war Peanuts gegen das Schlamassel bei der CS. Selbst die Staatsrettung der UBS war im Vergleich harmlos – und gewinnbringend. Aber durch den Ausverkauf der CS zum Schnäppchenpreis an den Überdinosaurier UBS sind die Interessen der Schweiz zentral berührt. Selbst das Parlament hat das gemerkt und  eine PUK einberufen, das schärfste Instrument zur Aufklärung.

Insgesamt stehen 275 Milliarden an Staatsgarantien im Feuer, ungeheuerlich. Aber die Journaille verfolgt das nur mit mässigem Interesse. Das liegt einerseits an mangelnder Kompetenz. Wer sich erst durch die «Financial Times» darüber aufklären lässt, dass die Liquidierung von 16 Milliarden AT1-Anleihen per Federstrich der Bankenaufsicht FINMA international bei den Geprellten ein Riesengebrüll auslöst, sollte sich umschulen lassen. Wer sich ständig vom Einzelkämpfer Lukas Hässig abtrocknen lässt, hat seinen Beruf verfehlt.

Diese Fusion zu verstehen, ist sicherlich schwieriger, als sich gegen ein gesponsertes Abendessen auszusprechen. Aber mehr als drei Monate nach der Ankündigung der Fusion sind die meisten Fragen offen, haben die Schweizer Medien kaum etwas Eignes gebacken gekriegt, immer mit der löblichen Ausnahme Hässig und sein IP.

Seit wann bereitete sich die UBS auf die Übernahme vor? Welche (klägliche) Rolle spielen Bundesrat, Nationalbank und Bankenaufsicht? Wieso übernimmt der Steuerzahler Risiko ohne Entgelt? Wie hoch sind die Kollateralschäden durch diesen schwerwiegenden Eingriff in die Eigentumsgarantie? Wie kann es sein, dass der letzte CEO der CS zuerst von der UBS zur Konkurrenzbank wechselte, an der letzten GV der Bank abgewatscht und um sein Gehalt gebracht wird – um dann wieder ein warmes Plätzchen bei der UBS zu finden?

Das ist nur eine kleine Auswahl von Fragen, auf die die Schweizer Medien keine Antwort gefunden haben. Da zurzeit das Interesse von FT, «Wall Street Journal» und anderen ernstzunehmenden Wirtschaftsmedien nicht gerade riesig ist, macht eigentlich nur Hässig auf IP damit weiter, unangenehme Zusammenhänge auszuleuchten und unangenehme Fragen zu stellen.

Selbst die NZZ scheint mehr mit sich selbst und mit den Wirren um eine Nachfolge des Ex-Chefredaktors der NZZaS beschäftigt zu sein, als dass die Schreibkräfte sich auf das Thema «275 Milliarden im Feuer, na und?» kümmern würden.

Natürlich ist ein implodiertes U-Boot spannender als eine implodierte Bank. Natürlich kann man im gegendarstellungsfreien Raum der Ukraine immer wieder angeblich Neues behaupten. Natürlich ist eine Prozessbeobachtung bei Trump ergiebiger, weil man da problemlos von den US-Medien abschreiben kann. Aber eigentlich wären die Umstände, wie die CS verscherbelt wurde, für den Schweizer Leser und Steuerzahler entschieden interessanter. Wenn man sie ihm darbieten würde.

Neuer Knaller bei der CS/UBS

Die frisch geborene Monsterbank kommt nicht zur Ruhe.

Gerade wurde der UBS-CEO Ralph Hamers mit einem Goldenen Fallschirm vom Chefsessel geschupst. An seine Stelle wurde der Dressman und Italo-Schweizer Sergio Ermotti gehievt. Nach der Devise: «play it again, Serge».

Ermotti kassierte 2020, seinem vorläufig letzten Jahr bei der UBS, alles in allem rund 11 Millionen Franken. Sein Nachfolger und Vorgänger Hamers sogar 11,5 Millionen. Also hätte Ermotti angesichts einer deutlich grösseren UBS und seiner Herkules-Aufgabe, den aus allen Löchern tropfenden Kahn CS ins Trockendock zu bugsieren, sicher noch mehr verdient.

Hätte, denn wie die «Financial Times» vor fünf Minuten mal wieder weltexklusiv meldete: Auch Ermotti ist bereits wieder Geschichte und hat sein gerade bezogenes Chefbüro schon wieder geräumt. Dabei hatte er seine wenigen Mitbringsel – Kamm, Kleiderbürste, Schuh-Polish, Ersatzkrawatte und zweiter Satz Manschettenknöpfe – gar noch nicht richtig ausgepackt. Nun mussten dem Vernehmen nach diverse Termine beim Schneider zum Massnehmen und die bereits beauftragte Installation eines Solariums wieder abgeblasen werden.

Denn der UBS-Big-Boss Colm Kelleher hat sich schon wieder umbesonnen. Er will offenbar keine feste Bindung eingehen, obwohl sein irischer Name Céileachar wörtlich «ehepartnerliebend» bedeutet.

Aber das interessiert hier natürlich weniger. Auch der neuste CEO der CS/UBS ist ein alter Bekannter. Er erfüllt noch besser als Ermotti die Voraussetzung, beide Banken zu kennen. Denn Oswald Grübel ist der einzige Banker, der sowohl bei der CS wie bei der UBS CEO war.

«He’s the guy, an excellent choice», lobt sich Kelleher in einem kurzen Statement. «I can do that», ergänzt Grübel in seiner gewohnt trockenen Art. Als wollte er Kritiken an seinem fortgeschrittenen Alter von 79 zuvorkommen, fügte er noch hinzu: «The US-President is one year older and only in his first term.»

Ermotti soll in einer der Banker-Tränken beim Paradeplatz gesichtet worden sein, wo er zusammen mit Hamers einen Black Russian nach dem anderen runterkippte.

Wieder einmal ist es der «Financial Times» gelungen, die gesamte Schweizer Wirtschaftspresse abzutrocknen. Und ZACKBUM erweist sich des heutigen Datums würdig …

Die Medien kriegen’s nicht hin

Und der Journalist ist der Rechthaber im Nachhinein.

Es gibt wenige Ausnahmen, Arthur Rutishauser gehört dazu. Aber da Kompetenz (und Loyalität) im Hause Tx keinen besonders hohen Stellenwert geniesst, wurde er trotz seiner ständigen Warnrufe Richtung CS als Bauernopfer degradiert. Weil Pietro Supino auch die Kommunikation in der Affaire Roshani versemmelt hatte.

Die übrige Journaille tat das Gleiche, was sie nun dem Bundesrat und der Aufsichtsbehörde FINMA vorwirft: Sie schaute mehr oder minder tatenlos zu, wie die Credit Suisse gegen die Wand geklatscht wurde. Ringier versank in Lobhudeleien der Kurzzeit-Chefs, unvergesslich das Doppelinterview mit dem Alptraumpaar Gottstein Horta. Plisch und Plum waren ein Dreck dagegen.

Ansonsten zeigten weite Teile der Wirtschaftsjournalisten, was sie können. Nämlich nichts. Den Geschäftsbericht einer Bank lesen, das überfordert 90 Prozent von ihnen. Die Zusammensetzung des Eigenkapitals verstehen: Fehlanzeige. Erklären können, was ein CoCo ist: nur im Abschreibemodus. Die wichtigsten Indikatoren identifizieren, um den Zustand einer Bank messen zu können: hä?

Aber damit wissen sich die Mainstream-Medien mit ihrer Regierung einig: frei von Sachverstand kann man am besten vom Blatt lesen. Das war der Zustand bis kurz vor dem Exitus der Bank.

Währenddessen wurde weiterhin ab Blatt gelesen, ab der «Financial Times». Denn im fernen London war man besser über die Verhandlungen, den Inhalt und vor allem die heiklen Punkte informiert als die geballte Fachkraft der Schweizer Medien in Bern.

Auf welches Notrecht stützt sich der Bundesrat genau, was bedeutet der Abschreiber von 16 Milliarden Franken, wieso musste die UBS läppische 3 Milliarden Franken bezahlen, erhält ein Risikopolster von 9 Milliarden plus Liquidität bis zu 200 Milliarden? Kann man Aktionärsrechte so aushebeln? Riskiert der Bundesrat keine Staatsklagen, steht er eventuell in der Verantwortung für diese Entscheidungen – und ihre Kostenfolgen?

Und vor allem: war das mal wieder alternativlos? In welchem Schweizer Medium las man vor dem grossen Showdown vor einer Woche, wie Alternativen aussehen könnten? Dass die Bank schlecht geführt war, das war spätestens seit dem Amtsantritt von Urs Rohner offenkundig. Aber forderte je – ausser dem Autor dieser Zeilen – jemand seinen Rücktritt, mahnte Haftbarkeit an?

Aber nach dem Fall, da kommen nun alle Besserwisser aus den Löchern und überschlagen sich mit Kritiken, basteln grosse Zusammenstellungen von Fehlern und Flops, von dummen Sprüchen der Bankenlenker. Der Lobhudel-«Blick» räumt plötzlich dem alten Schlachtross Oswald Grübel die Spalten frei, der auch kräftig losgaloppiert – nachdem auch er zuvor mit Kritik gelinde gesagt sehr zurückhaltend war. Sicher, als ehemaliger CEO beider Banken, der CS und der UBS, musste er aufpassen, was er sagt.

Aber eigentlich gab es mal wieder nur einen Einzelkämpfer, der sogar so viel Gas gab, dass ihn die CS mit einer mehrhundertseitigen Klageschrift fertigmachen will. Denn Lukas Hässig fährt auf seinem Finanzblog «Inside Paradeplatz»* einen scharfen Reifen. Und lässt regelmässig die gesamte Konkurrenz alt aussehen. Er erlegte fast im Alleingang Pierin Vincenz und veröffentlichte ein Jahr lang eine Bombenstory nach der anderen über den einstmals strahlenden Banker – ohne dass jemand das Thema aufnahm.

Hässig steht auch auf der Shitlist von Daniel Vasella ganz, ganz oben, seit er verhinderte, dass der Pharma-Boss 72 Millionen hätte kassieren sollen – für süsses Nichtstun.

Irgendwie ist die «Blick»-Penisgeschichte symptomatisch für den aktuellen Zustand der Medien. Eigentlich möchte man gerne ein heikles Thema aufgreifen, das nun (fast) jeden Mann interessiert. Denn Nullwachstum in der Hose, das ist auch für Banker schlimmer als Nullzinsen.

Aber früher hätte der Fachmann höchstens als Feigenblatt dafür gedient, den Voyeurismus von weiblichen und männlichen Lesern zu befriedigen. Die Schlagzeile wäre auf der Hand gelegen: «Wenn Sie dieses Foto nicht erregt, sollten Sie zum Arzt». Welcher Art das Foto gewesen wäre, nun, wir breiten den Mantel des Schweigens darüber.

Aber wie löst das der «Blick» heute? Das einzige Boulevard-Organ mit einem Regenrohr im Logo zeigt doch tatsächlich einen Kaktus als Penissymbolbild. Wobei der Kaktus durchaus erigiert erscheint. Allerdings dürfte er weder bei Männern, noch bei Frauen erotische Empfindungen auslösen. Das gilt höchstwahrscheinlich auch für alle anderen Genderklassen, vielleicht mit Ausnahme von Masochisten.

«Der Penis ist die Antenne des Herzens», der Satz ist so blöd, der könnte glatt von diesem Kim irgendwas sein. Nein, so blöd ist er dann auch nicht.

Wieso nicht «Die UBS ist die Bank der Schmerzen», «von der Credit Suisse zur Debit Suisse zur Debil Suisse».  Oder gleich «Der Kontostand ist der Messfühler des Portemonnaies», «Die Kreditkarte ist die Windfahne der Begierde», «Der Zeigefinger ist das Instrument am Bankomat», «Die Credit Suisse ersetzt den Bankomat durch den Dankomat». Und nur echt mit dem Foto eines kompetent dreinblickenden Fachmanns.

Das kann man alles machen. Aber noch Geld dafür verlangen und behaupten, man sei unverzichtbar als Vierte Gewalt in der Demokratie – das ist nicht nur lachhaft, wenn es die «Republik» behauptet.

*Packungsbeilage: ZACKBUM-Redaktor René Zeyer schreibt gelegentlich auf IP.

Wumms: Republik

Es geht nichts über Eigenleistungen. Kann man für 6 Mio. doch erwarten.

Wie viele Mitarbeiter der «Republik» braucht es, um in einer Woche ganze 9 eigene Werke rauszupusten? Genau, rund 50 Nasen. Alles andere sind NL, Briefings – oder eingekaufte Beiträge, beispielsweise aus der «Financial Times».

Greift der ehemalige Recherchierjournalist Daniel Ryser in die Tasten, kann man den Redaktionsschwanz schon am Anfang erahnen: «In einer früheren Version schrieben wir über die Credit Suisse: «Sie versicherte 2021 Investitionen für 1,1 Milliarden Dollar bei mehreren Atomwaffen­herstellern und stellte für 885 Millionen Dollar Kredite für Investitionen in Atomwaffen bereit.» Wir haben diese Stelle mittlerweile leicht präzisiert.»

Auch so wichtige Themen wie «Baby an Bord» verdienen natürlich besondere Aufmerksamkeit und viele, viele Buchstaben.

Den Vogel schiesst aber wie meist Daniel Binswanger ab. Er beschimpft in seinem Wort zum Samstag die sogenannten «Putin-Versteher», die sich nun «aus der Verantwortung stehlen» würden. Sagt ausgerechnet der Wendehals, der zuerst begeistert über den Erweiterungsbau des Kunsthauses Zürich war («eine der grossartigsten privaten Impressionistensammlungen»), um dann mit Zehntausenden von Buchstaben Gift und Galle über die Ausstellung zu speien («Die Bührle Connection», denn schlecht adaptierte Filmtitel sind auch Binswangers Liga).

Der kann sich gar nicht aus der Verantwortung stehlen. Dazu müsste man erst mal eine haben. Oder eine Haltung. Aber wie soll man das von einer schreibenden Schmachtlocke im Wind auch verlangen.

 

Wieso kann das in der Schweiz keiner?

Credit Suisse hat ein paar Probleme. Im Milliardenbereich. Na und, sagen die CH-Medien.

Die Credit Suisse hat nur noch Swissness im Namen. Ihre grössten Aktionäre sind Ölscheichs und US-Hedgefonds. Ihr Business ist weltweit, von Asien bis USA. Der einzige sichere Gewinnbringer ist die Schweizer Einheit. Alles andere …

Mit einem Doppelschlag, vielleicht folgen noch weitere, zeigte die CS, dass sie den heutzutage wichtigsten Kontrollposten nicht im Griff hat: das Risk Management. Also die Abteilung, die bestimmen sollte, welche Risiken für die Bank akzeptabel sind – und welche nicht. Natürlich gibt es dabei immer Auseinandersetzungen mit bonushungrigen Bankern, für die das Risk Management einfach nur ein Spielverderber ist.

Bis hierher sind die Schweizer Medien vorgedrungen, das war’s dann aber auch. Keine abgemagerte Wirtschaftsredaktion der sogenannten Qualitätsmedien war in der Lage, den Ursachen für dieses Disaster weiter auf den Grund zu gehen. Auch keine Wirtschaftsfachzeitschrift. Wie beim Wirecard-Skandal in Deutschland gibt es auch hier eine Zeitung, die schmerzlich den Niveauunterschied deutlich macht.

Auch damals schon: Nur die FT recherchierte weiter.

Richtig, natürlich die «Financial Times» (FT). Vier Journalisten rollen auf, wie die CS «beim Risikomanagement gewürfelt – und verloren hat». Ausser «Inside Paradeplatz» hält es – nebenbei – kein anderes Schweizer Medium für nötig, wenigstens auf den Inhalt des Artikels einzugehen.

Denn er belegt, dass alles noch viel schlimmer war und ist, als man bei zwei Multimilliardenschäden annehmen muss. Denn es war offensichtlich nicht einfach Versagen durch Fehleinschätzung – es war absehbar und fahrlässig.

Nur fünf Monate vor dem Zusammenbruch von Greensill Capital präsentierte die CS ihren Topleuten in Asien einen mutigen Unternehmer, ein gefeiertes Beispiel dafür, mit wem man Geschäfte machen will: Lex Greensill.  Helman Sitohang, Asien-Chef der CS, hatte ihn eingeladen, um seinen Managing Directors zu zeigen: solche Partner brauchen wir, holt mehr davon.

Auf Watchlist, aber was soll’s

Nur zwei Monate vorher war Greensill auf eine Beobachtungsliste der CS-Risikomanager in Asien geraten, schreibt FT.

«Die Greensill-Explosion ist nur ein Glied in einer langen Kette von Risikomanagementfehlern bei der Credit Suisse.»

Abgewatscht mit immer neuen Bussen, versuchte die CS eine Kehrtwende mit dem Fischen in gefährlichen Gewässern, oder wie das ein Manager ausdrückt: «Die Credit Suisse schwamm am tiefen Ende des Teichs mit den Haien, tat dies jedoch mit einer Private-Banking-Denkweise. Deshalb würde sie immer gefressen werden.»

Das Problem personifizierte die Risk- und dann auch noch Compliance-Chefin Lara Warner. Die zweite Funktion war ihr von Thomas Gottstein übertragen worden, der damit durch das Ausmerzen von Doppelspurigkeiten 500 Millionen einsparen wollte. Damit hatte eine Person diese beiden Schalthebel in der Hand ­ – die über keine adäquate Ausbildung in diesen Bereichen verfügte. Sondern die Devise umsetzte, dass man mehr Gas geben soll, «kommerzieller» denken, nicht immer die Risiken in den Vordergrund schieben. Das führte dann unter anderem dazu, dass Warner ihre Risikomanager überstimmte, als die vor dem Gewähren eines weiteren Kredits in der Höhe von 160 Millionen Dollar an Greensill warnten.

Asien entwickelte sogar ein eigenes Risiko-Tool

Es wird noch aberwitziger: «Im Jahr 2016 begann das Asiengeschäft mit der Entwicklung eines Tools zur Abbildung der Risiken eines Kunden bei der Suche nach Problemen zweiter Ordnung, die sich auf die Bank auswirken könnten.» Wäre das nicht irgendwo im Gestrüpp der Bürokratie verschwunden, hätte die CS dieses Disaster vermeiden können.

Und auch das in den USA: «Es gab systematische Unempfindlichkeit auf allen Ebenen», zitiert die FT,  «wenn Sie der Risikoleiter sind und einen Verlust von 60 Mio. USD vorbeigehen lassen, dann einen Verlust von 200 Mio. USD, und Sie fragen nicht, was zum Teufel hier passiert, was machen Sie dann eigentlich?»

Vermächtnis des scheidenden VR-Präsidenten Urs Rohner

Was die FT hier glasklar aufzeigt: es ist nicht das übliche «shit happens» im Bankgeschäft. Es ist auch nicht das übliche «untere Chargen übertraten interne Vorschriften und bewirkten damit». Nein, diese Risikokultur, diese Fahrlässigkeit beginnt ganz oben in der CS. Sie ist das schlimmste Vermächtnis des scheidenden VR-Präsidenten Urs Rohner. Nicht nur die CS-Aktionäre mussten seit seinem Amtsantritt einen Verlust von 70 Prozent hinnehmen.

2,6 Milliarden für Beihilfe zur Steuerhinterziehung. 154 Millionen, um die Untersuchung von Manipulationen in einem Dark Pool beizulegen. Milliarden-Kredit an Mosambik, der zum Staatsbankrott führte und bis heute untersucht wird. Zahlung von 5,28 Milliarden, um einer Untersuchung wegen Fehlverkäufen von Hypopapieren vor der Finanzkrise eins zu entkommen. Verkauft für 900 Millionen Dollar Wandelanleihen von Wirecard. Kündigt an, dass es bis zu 680 Millionen Verluste geben könnte, durch einen US-Gerichtsfall wegen RMBS-Verkäufen 2007. Plus wohl 3 Milliarden durch Greensill, plus 4,7 Milliarden bei Archegos Capital. Die Liste ist nicht vollständig.

Will da noch jemand behaupten, dass diese Bank nicht systemisch krank ist? Dass das Feuern von ein paar Managern ausreicht? Solange die Schweizer Medien Gewehr bei Fuss stehen, könnte sich die CS-Führung in dieser Illusion wiegen. Wie auch Wirecard dachte, Reportagen von FT einfach aussitzen zu können.