Alte und neue Medien
Joe Rogan & Co.? Noch nie gehört? Schwerer Fehler.
Während sich die klassischen Medien aufplustern und über mangelnde Resonanz staunen, sind die neuen schon da.
Die «Financial Times» (FT) widmet fünf «Schlüssel-Podcastern» eine lesenswerte Analyse. Bei der Inauguration Donald Trumps sassen sie auf den besten Plätzen. Denn Trump bespielt die Medien wie kein anderer. Er liess Klassiker wie die berühmten «60 Minutes» aus und verbrachte geschätzte 1000 Minuten, rund 17 Stunden, im Gespräch mit einem Cluster von Podcastern in den USA, schreibt Anna Nicolaou.
Joe Rogan, mit insgesamt 34 Millionen Abonnenten auf YouTube und Spotify, ist der grösste von allen. Dazu gehören auch Theo Von, Lex Friedman, Andrew Schulz und Logan Paul. Wer noch nie von ihnen gehört hat, hat die Wahlen in den USA schon verloren.
Die FT schreibt: «Es gibt eine riesige und wachsende Medienwelt, die dem Mainstream-Publikum verborgen bleibt. Die heutigen Podcast-Stars sind einerseits sehr berühmt – sie füllen zum Beispiel den Madison Square Garden –, andererseits aber einem großen Teil der Amerikaner unbekannt. Meine Eltern, die in ihren Siebzigern sind und immer noch den ganzen Tag „die Nachrichten“ im Fernsehen laufen lassen, haben noch nie von ihnen gehört. Für die jüngeren Generationen hat YouTube das Kabelfernsehen abgelöst.
Stilistisch ist die „Manosphere“ in vielerlei Hinsicht das Gegenteil dessen, was die traditionellen Medien zu tun lernen. Als Journalisten werden wir gebeten, kurz und prägnant zu sein. Fernsehnachrichten sind eine raffinierte und weitläufige Produktion: Die Moderatoren sind mit Make-up bestäubt, sitzen in aufwendigen Kulissen und sprechen formell und überlegt.
Diese neuen Shows bestehen dagegen größtenteils aus mäanderndem Geplauder. Ein Livestream auf Twitch kann acht Stunden oder länger dauern. Die Moderatoren sind keine Journalisten und wollen es auch nicht sein.
Medienumwälzungen gehen normalerweise auf ein neues Format oder eine neue Technologie zurück. Podcasts und YouTube gibt es jedoch schon seit Anfang der 2000er Jahre. Stattdessen erleben wir radikale Veränderungen durch die Schattenseite eines Internets, das zunehmend Nischeninteressen bedient und es den Menschen ermöglicht, ihre Mediendiät und Informationsquellen zu verfeinern.»
Wie sangen die Buggles 1972 in ihrem einzigen grossen Hit: «Video killed the Radio Star». Also MTV entmachtete die DJs der Radiostationen. Obwohl Bewegtbild natürlich viel teurer ist als Radio, profitierte MTV davon, dass Musikfirmen Gratis-Videos zur Promotion zur Verfügung stellten.
Bei Podcasts fällt das weg, aber die Einkommenslage ist disruptiv im Vergleich zu den grossen TV-Stationen:
«Podcasts verdienen hauptsächlich durch Werbung Geld. Wenn der Moderator selbst eine Produktempfehlung vorliest, ist der Gewinn beträchtlich. Für Podcaster mit einer großen Fangemeinde ist viel Geld zu verdienen. Galloway schätzt, dass die Leute in den Top 10 der beliebtesten Podcasts 10 bis 50 Millionen Dollar pro Jahr verdienen. „Bei einer Million Downloads verdient man 50.000 bis 100.000 Dollar pro Monat“, schätzt er.
Ohne die Kosten für die Infrastruktur – Hauptsitz, Anwälte, Buchhalter, Sicherheit – sind die Gewinne „riesig“, sagt Galloway. „Allein das Einschalten des Lichts für eine [Fernseh-]Sendung kostet wahrscheinlich mindestens 2 oder 3 Millionen Dollar im Jahr. Einen Podcast kann man für Zehntausende von Dollar starten.“ Der Pivot-Podcast soll dieses Jahr 7 bis 10 Millionen Dollar Umsatz machen.»
Interessante Sache. Hat man darüber in deutschsprachigen Medien schon etwas gelesen? Nein; die breite Hutkrempe von Melania Trump ist doch viel wichtiger und umfangreicher Beschreibung wert.