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Gelebte Demokratie

Die «Republik» verkündet nordkoreanische Ergebnisse.

Gut, das ist etwas ungerecht. In Nordkorea beträgt die Wahlbeteiligung 100 Prozent, und die Abstimmungsresultate liegen auch bei 100 Prozent Zustimmung.

Das ist bei der «Republik» (teilweise) anders. Das Online-Magazin der guten Denkungsart und der Retter der Demokratie verfügt über 28’373 Abos – oder wie die das nennen, so viele «Verleger». An der achten «Urabstimmung» haben sich maximal 2274 «Verleger» beteiligt. Das sind klägliche 8 Prozent. In Worten acht. Ein Desaster.

Bei der Bestätigung der Revisionsstelle machten 2154 «Verleger» mit. 35 von ihnen stimmten mit nein. Das sind 1,62 Prozent. Zugegeben, in Nordkorea würde das bei Kim dem Dickeren leichtes Stirnrunzeln auslösen und vielleicht stünden ihm sogar die Haare zu Berge. Aber als Ausdruck einer lebendigen Demokratie? Ein Desaster.

Oder nehmen wir die Jahresrechnung. Dort ist es eigentlich so, dass nur der Rangrücktritt von zwei Millionenerben von ihren in die «Republik» verpulverten Darlehen verhindert, dass das Bubbleblatt die Bücher deponieren müsste. Angesichts des andauernden Missverhältnisses von Einnahmen und Ausgaben und der Unfähigkeit, aufgenommene Kredite zurückzuzahlen, müssten hier die Alarmsirenen erschallen. Dennoch haben von 2267 Abstimmenden genau 18 die Jahresrechnung abgelehnt. Das sind 0,79 Prozent. Katastrophe.

Schliesslich wurde der Vorstand mit 2264 zu 22 Stimmen entlastet. Dabei wird er von einem Irrwisch präsidiert, der schon mal ankündigte, dass er die Zahl von 100’000 Abonnenten für durchaus realistisch halte und das beispielsweise durch eine Expansion nach Deutschland bewerkstelligt werden könnte. Von diesem Gigantoplan hat man dann nichts mehr gehört.

Das sind mal die betrüblichen Ergebnisse der Abstimmungen. Immerhin hat die «Republik» weiterhin einen Vorstand; das war auch nicht immer der Fall, als Roger de Weck, der mit Pauken und Trompeten angekündigt worden, war, blitzartig den Posten wieder verliess. Wahrscheinlich hatte er sich mal informiert, wie es eigentlich mit der Haftbarkeit steht, nach dem Desaster beim «Kosmos», dem Bruchlandungsprojekt von Erblinken, die sich mit qualmenden Socken aus dem Staub gemacht hatten, als klar wurde, dass das Teil heillos überschuldet und bankrott ist.

Aber es ist in Wirklichkeit noch viel schlimmer. Denn das sind die skurrilen Resultate einer trübseligen Abstimmung, mit einer Stimmbeteiligung von kläglichen 8 Prozent. Würde das woanders stattfinden, wären die Republikaner die Ersten, die rauskrähen würden, dass das doch wohl nichts mit Demokratie zu tun habe und das Ergebnis keinesfalls repräsentativ oder signifikant sein könne.

Aber hier üben sie mal wieder Pfeifen im Wald:

«Vielen Dank nicht nur für Ihre Teilnahme an der Abstimmung, sondern auch für Ihre rege Beteiligung an der zugehörigen Debatte

Und dann wirft die «Republik» noch einen kühnen Blick in die Zukunft: «Willkommen an Deck – wir freuen uns auf die nächsten drei gemeinsamen Jahre!»

Drei Jahre? ZACKBUM nimmt Wetten auf die Frage an, wie oft die «Republik» in den nächsten drei Jahren Bettelaktionen durchführen wird, wie oft sie mit Selbstmord drohen wird, wie oft sie verkünden wird, dass Ziele fast, also nicht ganz, aber immerhin, erreicht wurden. Und natürlich Wetten zur Frage, ob die «Republik» in drei Jahren überhaupt noch existieren wird.

Denn irgendwann muss es doch den «Verlegern» und Geldgebern dämmern, dass sie hier einen Haufen von selbstverliebten Weltenreglern unterhalten, die am liebsten über sich, über ihre Weltsicht und über all die furchtbaren Dinge, die trotz ihren strengen Ermahnungen passieren, in epischer Länge salbadern.

Denen es bei allen Quengelaktionen «wir brauchen mehr Kohle» niemals auch nur im Traum eingefallen wäre, als leuchtendes Beispiel auf einen Teil ihrer üppigen Gehälter zu verzichten. Oder ihren überschaubaren Ausstoss zu steigern. Oder überhaupt etwas zu publizieren, was ausserhalb der immer kleiner werdenden Gesinnnungsblase irgend jemanden interessiert.

Aber wer gebannt auf den eigenen Bauchnabel starrt, der vergisst die Welt um sich herum. Solange das Gehalt pünktlich auf dem Konto ist.

Erregungsbewirtschaftung

Hurra! Nordkoreaner dürfen jetzt Pornos schauen – in Russland.

Von Felix Abt*

Die westlichen Medien sind genauso erregt wie die nordkoreanischen Soldaten, weil sie in Russland in den Genuss von Pornos kommen und so erleben können, wie geil die Freiheit ist.
Die Nordkoreaner sind an die allgegenwärtige Propaganda in ihrem Land gewöhnt und durchschauen sie, weil sie leicht zu durchschauen ist.

Im Westen ist die Propaganda weniger aufdringlich, aber ebenfalls allgegenwärtig.

Die Medienkonsumenten im Westen glauben wirklich, dass sie gut informiert sind, weil sie die subtilere und raffiniertere Propaganda nicht erkennen können. Das ist nicht verwunderlich, denn die Propaganda im Westen ist tatsächlich viel schwerer zu durchschauen als in Nordkorea. (In diesem Zusammenhang empfehle ich dieses Video-Interview mit einem deutschen Journalismus-Veteranen, der sehr gut erklärt, wie Propaganda hierzulande betriebent wird).

Nehmen wir also das Beispiel der pornohungrigen nordkoreanischen Soldaten. Westliche Medienkonsumenten glauben zu wissen, dass Nordkorea von der Aussenwelt abgeschottet ist, weshalb Pornos, die dort verboten sind, gar nicht erst ins Land gelangen können, abgesehen davon, dass der Besitz und Konsum von Pornos eine sofortige Abschiebung in den Gulag oder eine sofortige Hinrichtung zur Folge hätte.

Ich habe sieben Jahre in Nordkorea verbracht und mit unzähligen Menschen aus allen Gesellschaftsschichten und aus städtischen und ländlichen Gebieten zu tun gehabt, und ich war überrascht, wie gut sie über die Aussenwelt informiert waren. Sie wussten viel mehr über andere Länder als die Menschen im Westen über Nordkorea.

Westliche Medienkonsumenten erfahren, dass die Grenzen vom „bösen Diktator“ im Eremitenreich hermetisch abgeriegelt wurden und wissen nicht, wie durchlässig sie sind. Sie wissen auch nicht, dass hunderttausend Nordkoreaner in China arbeiten und dass jedes Jahr Tausende ein- und ausreisen. Schon vor zwanzig Jahren zirkulierten südkoreanische Dramen, Hollywood-Filme und Pornografie auf USB-Datenträgern in Nordkorea. Sie alle kamen über China ins Land. Und wenn man damals einen Nordkoreaner glücklich machen wollte, schenkte man ihm einen leeren USB-Stick, weil er schon wusste, wie man ihn füllt. Wenn ich Nordkoreaner fragte, ob sie jemals Pornografie gesehen hätten, antworteten sie oft mit einem schallenden Lachen und dachten: „Wie können diese Westler nur so naiv sein!


*Felix Abt ist der Autor der Bücher „A Capitalist in North Korea: My Seven Years in the Hermit Kingdon“ und „A Land of Prison Camps, Starving Slaves and Nuclear Bombs?”. Sein Amazon-Autorenprofil finden Sie hier.

 

Die Phantom-Soldaten

Kämpfen Nordkoreaner an der Ukraine-Front?

Der US-Geheimdienst ist sich sicher: ja. Ukraines Präsident Selenskyi ist sich absolut sicher: ja. Der ukrainische Geheimdienst vermeldet sogar schon «erste Gefechte» zwischen Ukrainern und Nordkoreanern.

Der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow (im Gegensatz zu seinem israelischen Kollegen immer noch im Amt) behauptet sogar, somit sei Nordkorea offiziell in den Krieg eingetreten. Und natürlich warnen der Noch-US-Aussenminister und der Noch-Bundeskanzler Scholz vor dieser «Eskalation». Der Noch-US-Verteidigungsminister will sogar «Beweise» für diese Präsenz haben, zeigt sie aber nicht.

Bei all dem Gedöns gibt es nur ein Problem: vielleicht mal ein Beleg, ein Beweis? Ein gefangener, ein toter nordkoreanischer Soldat? Ein einziger? Und zwar ein Kämpfer, dessen nordkoreanische Herkunft einwandfrei nachgewiesen werden kann, denn auch russische Soldaten können asiatische Gesichtszüge haben.

Es ist die Rede von geschätzt 11’000 nordkoreanischen Soldaten in Russland. Die entweder noch trainiert werden, oder bereits im Kampfeinsatz stehen. Es gibt sogar Vermutungen, was Russland dafür an Nordkorea alles liefert, neben Lebensmitteln.

Dass der russische Präsident die nordkoreanische Aussenministerin empfangen hat, wird als weiteres bedeutungsschweres Indiz herumgeboten.

Es ist nun, überschattet vom Wahlsieg Trumps, durchaus denkbar, dass der nordkoreanische Diktator mit der merkwürdigen Frisur und einem misslungen Diätplan seine Soldaten an Russland vermietet. Wieso auch nicht, private Sicherheitsfirmen wie Blackwater und andere aus den USA liefern auch Söldner an alle Welt, inklusive das US-Militär.

Wieso das eine bedenkliche Eskalation, gar ein Schritt näher zum Atomkrieg sein soll, wieso nun die NATO, wie Selenskyi fordert, endlich eigene Truppen in die Ukraine entsenden soll, wieso er endlich Langstreckenraketen bekommen sollte, um Ziele tief im Hinterland Russlands anzugreifen – das ist logisch nicht nachvollziehbar.

Die Story ist einfach zu gut, und die meinungsstarken, aber faktenschwachen westlichen Medien treten sie genüsslich breit.

Natürlich ist es durchaus denkbar, dass Nordkorea Soldaten zur Unterstützung der russischen Armee aufbietet. Alle Werweisereien, wieso das gar nicht sein könne, sind Unsinn.

Aber nur in Kriegszeiten ist es möglich, dass eine Phantom-Armee durch die Medien geistert, unscharfe Fotos von asiatisch aussehenden Soldaten herumgeboten werden. Ohne genaue Orts- oder Zeitangabe, belanglos, nicht beweiskräftig.

Aber macht sich jemand aus der Journaille die Mühe, mal der Quelle dieses Gerüchts nachzugehen? Kommt hier der berühmte «Faktencheck» zum Einsatz? Wird, banales Handwerk, verifiziert oder falsifiziert? Eingeordnet? Behauptung von belegbarem Fakt unterschieden?

Pustekuchen.

Aber wir können froh sein, dass die Journaille die nächsten Tage damit ausgelastet sein wird, den überwältigenden Sieg von Trump und seinen Republikanern zu bejammern. Wegzuerklären. Im Nachhinein recht zu haben, es schon immer gesagt zu haben (obwohl es kaum einer sagte).

Nicht ganz wie beim Duell Clinton – Trump, aber durchaus ähnlich haben weite Teile der Journaille mit allen Mitteln gegen Trump und für Harris geschrieben. Gewisse Journalisten sollten eine zweite Karriere als Gesundbeter in Betracht ziehen.

Allerdings: genutzt hat’s schon wieder nix. Statt endlich mal die USA und das Funktionieren von Wahlen dort zu erklären, muss die Journaille nun wieder sich selbst erklären. Wieso sie irgendwo doch recht hatten, obwohl sie wieder krachend daneben lagen.

Denn letztlich war es nicht einmal ein Kopf-an-Kopf-Rennen, ein denkbar knappes Resultat, ein Wahlkrimi. Sondern Trump räumte souverän die nötigen Wahlmännerstimmen ab, die Republikaner gewannen sowohl im Repräsentantenhaus wie im Senat, womit Trump mit einer bequemen parlamentarischen Mehrheit regieren kann.

Aber so wie über die nordkoreanische Phantom-Armee schreibt die Journaille über eine Phantom-USA, einen Phantom-Trump, eine Phantom-Zukunft.

Statt mal über den gefährlichsten Mann der Welt zu schreiben. Nein, das ist nicht Kim der Dickere. Auch nicht Putin. Schon gar nicht Xi. Nicht mal Khomeini. Erst recht nicht jeder beliebige Führer von radikal-islamistischen Wahnsinnigen. Und keinesfalls Trump. Aber der gefährlichste Mann der Welt ist in dessen Nähe, hat im Gegensatz zu Trump wirklich Kohle und echt verrückte Ideen. Plus die Macht, sie auch umzusetzen.

Natürlich, die Rede ist von Elon Musk.

Verbots-Unkultur

Wir leben im meinungsfreien Westen. Na ja.

Alles ist relativ im Leben. Im Vergleich zu Nordkorea existiert in der Schweiz Meinungsfreiheit. Auch im Vergleich zu den Zensurstaaten Ukraine und Russland. Saudi-Arabien zerlegt Oppositionelle sogar buchstäblich in Einzelteile, wenn die den Fehler machen, eine Botschaft des fundamentalistischen Wahhabiten-Staats zu betreten. Solch ruppige Methoden führen im freien Westen nicht sonderlich zu Protesten, genauso wenig wie der verbrecherische Krieg Saudi-Arabiens im Jemen. Denn die Scheichs dort sind doch unsere Freunde und Verbündete und Abnehmer von Kriegsmaterial im Multimilliardenpack.

Will man dem Index der «Reporter ohne Grenzen» folgen (der nun auch nicht über jeden Zweifel erhaben ist), hat Norwegen die höchste Pressefreiheit, gefolgt von Dänemark und Schweden.

Die Schweiz steht auf Platz neun, vor Deutschland. Auch Osttimor gehöre zu den 20 Ländern mit der höchsten Pressefreiheit. Lassen wir das einmal dahingestellt und schauen uns die Schweiz genauer an.

Meinungsfreiheit ist ein enger Verwandter der Pressefreiheit, weil die Meinung im stillen Kämmerlein nun nicht wirklich Ausdruck von Freiheit ist. Erst im öffentlichen Widerstreit lässt sich Meinungsfreiheit messen.

Um die ist es in der Schweiz allerdings nicht allzu rosig bestellt. Das fängt schon damit an, dass drei Familienclans die Medienlandschaft unter sich aufgeteilt haben. Coninx, Ringier und Wanner, so heissen die Besitzer der meisten Printmedien, der Privatradios und -TV-Stationen. Daneben gibt es noch den Zwangsgebühren-Moloch SRG, der nur auf dem Papier um Ausgewogenheit bemüht ist. Wer’s nicht glaubt, schaue sich nur mal ein Weilchen die ausgewogene Berichterstattung über die SVP, den Corona-Skandal oder über die deutsche AfD an.

Wer es sich mit einem (oder gar zwei) dieser vier Meinungsmach-Maschinen verscherzt hat, hat schon gröbere Mühe, seine freie Meinung auch öffentlich zu sagen. Der abserbelnde Tamedia-Block innerhalb von TX arbeitet mit Schreibverbot. CH Media nimmt kaum bis keine Fremdbeiträge mehr, darin der NZZ nicht unähnlich, die immerhin ansonsten als einsamer Leuchtturm noch Journalismus betreibt.

Während der Pandemie zeigten die Schweizer Massenmedien, was sie von Meinungsfreiheit oder kritischer Berichterstattung über das Handeln der Herrschenden halten. Nämlich nichts. Das ist seither nicht besser geworden. Der Ukrainekrieg, der Krieg im Nahen Osten, die Berichterstattung über China, über Donald Trump, über Russland und die Ukraine. Da ist von Meinungsfreiheit, vom Wettstreit verschiedener Meinungen nichts zu lesen, zu hören oder zu sehen.

Da es in Deutschland (oder in Österreich) nicht viel besser ist, muss man sich in den angelsächsischen Sprachraum begeben, wenn man gelebte Meinungsfreiheit haben will. «Der Spiegel», zum woken Blödelblatt denaturiert. Der Tagi, als Skelett kräht er aus dem Brei-Newsroom seine links-grüne Einheitsmeinung heraus. Der «Blick» hat als Volkes Stimme abgedankt, zuschanden geritten zum weiblich-sensiblen Boulevard ohne Ecken und Kanten. CH Media gleitet teflonartig durch die Welt und tut das immerhin skandalfrei.

Aber Meinungsfreiheit? Nun mag man einwenden, dass sich doch jeder aus der wilden Kakophonie des Internets die Meinungen zusammensuchen kann, die er anregend findet. Das widerspricht aber der durchschnittlichen Aufnahmefähigkeit des interessierten Staatsbürgers. Obwohl er sich massenhaft von den Massenmedien abwendet.

Meinungsfreiheit braucht Plätze und Plattformen, braucht Debatte, Widerstreit und argumentative Auseinandersetzung. Meinungsfreiheit heisst auch, dass sensibel und gleichzeitig massiv auf Zensur reagiert wird. Der Skandal am Zurich Zensur Festival ist ein ganz schlechtes Omen.

Meinungsfreiheit gibt es nicht gratis. Auch derjenige, der seine freie Meinung äussern will, muss dafür meistens einen Preis bezahlen. So er das darf. So man ihn lässt. Oder versuchen wir uns vorzustellen, bei CH Media erschiene ein Text, der um Verständnis für die Hamas wirbt. Bei Tamedia eine einfühlsame Meinung zu Putins Aussenpolitik. Im «Blick» ein Stück über israelische Kriegsverbrechen. Und in der NZZ eine vernichtende Kritik an der NATO als Kriegstreiber.

Dass man sich das alles nicht vorstellen kann, belegt, dass es mit der Meinungsfreiheit in der Schweiz nicht mehr weit her ist. Da nützt auch ein Vergleich mit Nordkorea nichts.

Die Selbst-Abschaffung

Echt jetzt? Dafür noch Geld verlangen?

ZACKBUM lotet und lotet. Inzwischen geht uns die Lotleine aus, und das Gewicht am unteren Ende verschwindet im Dunkel der Tiefe. Beim Versuch, den Inhalt der aktuellen «SonntagsZeitung» auszumessen.

Selbst die Kaffeetasse oben rechts macht ein falsches Versprechen. Hier werden «Alternativen» vorgestellt. Mangels anderen Themen versucht Chefredaktor Arthur Rutishauser, noch etwas aus dem Vincenz-Skandal herauszumelken. Vergeblich. Der Kampf zwischen Jung und Alt bei der AHV. Das holt nicht mal die Oma aus dem Koma. Bei den Pensionskassen seien die «künftigen Rentner die grossen Verlierer». Das ist bekannt, seit es Pensionskassen gibt.

Was können wir noch schreiben, die Frage bestimmte auch die Berichterstattung über die 13. AHV-Rente. «Das Rentnerpaar, das mit einem Inserat gegen die Initiative kämpft», so sieht journalistische Verzweiflung aus. Begleitet von «Die Zwanzigjährige, die in  der «Arena» der Bundesrätin widersprach». Was eigentlich die News wäre, müsste man nicht noch neben einem Riesenfoto etwas Text drapieren.

Die obligate Solidarität mit der Ukraine, die ist der SoZ so wichtig, dass sie es bei einem freispaltigen Foto und einer einspaltige Meldung von der SDA bewenden lässt.

Dann der Sozialporno: «Lidl setzt sich stärker für Pflückerinnen ein als Coop oder Migros».

«Die Verteidigung bröckelt überall», lamentieren inzwischen die gleichen Kriegsgurgeln, die zwei Jahre lang unermüdlich den Kampfes- und Siegeswillen der Ukrainer besungen haben, denen nur noch ein paar Waffen fehlten, um die völlig demoralisierte, dezimierte, verzweifelte russische Armee endlich aus dem Land zu werfen.

Der «Fokus» war einmal das Parade- und Filetstück der SoZ. Hier gab man sich Mühe, brachte gut recherchierte Longstorys unter. Seit Jahren ist es zum Interview-Abfüllbecken verkommen. Aber auch da geht noch einer nach unten; das Interview mit der «Vorturnerin der Nation». Meine Güte, ist denen denn nichts mehr zu peinlich?

Nein, ist es nicht.

Wirklich nicht: «Wieso ich gestresst auf der WC-Schüssel sitze», das wollen wir ganz sicher nicht von Gülsha Adilji wissen. Leider erzählt sie es trotzdem. Vielleicht hätte sie dabei auch die Kolumne von Markus Somm einer sinnvollen Verwendung zuführen können, denn die ist genauso unlesbar und ungeniessbar wie ihre eigene.

Aber irgendwie scheint das das Motto, das Prinzip dieser Ausgabe zu sein:

Das ist schön für diese Männer, nur findet das die überwiegende Mehrheit der Leser*Innen** keinesfalls prickelnd. Apropos, der grosse Test: «Wir haben Zichorien-, Getreide- und auch Lupinengetränke getestet.» Das taten viele Menschen in finsteren Zeiten, als Kaffee ein unerschwingliches Luxusgut war. Und wieso genau soll man das heutzutage wieder tun? Nur weil den Testern überhaupt nichts eingefallen ist?

Das gilt auch für den «neusten Trend» mit dem Supertitel «Geist ist geil»: «Bücher sind das neue, alte Stilsymbol». Auch darauf muss man mal kommen. Kommt man nur, wenn einem auch nach tiefem Grübeln überhaupt kein Trend eingefallen ist.

Dann noch eine erschütternde Erkenntnis aus der Automobilproduktion: «Mit kleinen Modellen ist es schwieriger, Geld zu verdienen». Dann noch ein abgelegener Tourismus-Quark, bei dem die Fussnote eigentlich alles erklärt: «Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde teils unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und Tourismus-Agenturen.» Recherche? Und welches Teilchen wohl nicht?

Was macht eine Tourismus-Redaktion, wenn auch ihr wirklich nichts einfällt? Genau, da hat es doch mal wieder einer geschafft, durch Nordkorea zu reisen. und zu fotografieren. Wahnsinn, löst sofort «muss hin»-Schübe beim Leser aus. Aber es gibt eine gute Nachricht: damit ist das Ende der Quälerei erreicht.

Nun hurtig zur Kasse im Glashaus an der Werdstrasse: Fr. 6.40 zurückverlangen. Plus Schmerzensgeld. Und zwar in einer Höhe, die selbst Pietro Supino erschauern lässt. Und der denkt nur in grossen Zahlen.

China-Missversteher, Teil 1

Und gefürchtete Agenda-Journalisten.  Ein Versuch, Missverständnisse zu klären.

Von Felix Abt

In Zeiten, in denen Verstehen verpönt ist – man denke nur an die vielgeschmähten Putin-Versteher – sind die China-Missversteher gefragt. Selbst die in China ansässigen «Spiegel»-Journalisten müssen sich dem China-Narrativ ihrer auf strikt atlantisch (d.h. antichinesisch) getrimmten Redakteure in Deutschland unterordnen. Deshalb lesen sich Artikel über China im «Spiegel» so, als wären sie in Hamburg von ausgewiesenen China-Missverstehern geschrieben worden.

Ich habe auch über China geschrieben. Aber kann jemand, der sieben Jahre lang in Nordkorea gelebt hat, China verstehen? Nein, sagt der Ökonom und freie Autor Thomas Baumann, der auch für die NZZ schreibt, in seinem Zackbum-Artikel «Ein Breitbandantibiotikum namens KPCh«. Auf den ersten Blick hat er recht. Aber lassen Sie mich dieses und einige andere Missverständnisse ausräumen, um gleichzeitig zu einem etwas ungetrübteren Bild von China zu kommen.

Unvermeidbares China

Wenn ein Ausländer wie ich eine Fabrik in Nordkorea aufbaut und Maschinen und andere Ausrüstungen, Verbrauchsmaterialien und Software benötigt, die er in Nordkorea nicht finden kann, wo bekommt er sie dann? Genau, in China, wo alles verfügbar ist. Wo schult er seine nordkoreanischen Mitarbeiter, bevor die Fabrik in Betrieb geht? Auch in China, bei befreundeten Unternehmen, denn in keinem anderen Land kann man das modernste Produktions- und Logistik-Know-how besser erlernen als dort (zu den Freunden komme ich gleich noch). Wenn die Produktion anläuft, aber schlecht ausgelastet ist, weil der heimische Markt noch zu klein ist, sucht er sich anderswo einen guten Absatzmarkt, also wieder China. Wenn es im Verwaltungsrat des Joint-Venture-Unternehmens unterschiedliche Meinungen über die Unternehmensstrategie und -führung gibt, was macht dann der Ausländer: In meinem Fall habe ich einen erfahrenen und kompetenten chinesischen Geschäftsmann in den Verwaltungsrat geholt. Während der Kulturrevolution wurde der neue Verwaltungsrat, der damals Chef eines großen chinesischen Unternehmens war, von den damaligen roten Wächtern – heute wären sie wohl grün – abgesetzt und zu einem Arbeiter an einem Arbeitsplatz degradiert, an dem er giftigen Dämpfen ausgesetzt war. Als Chinas woke Kulturrevolution vorbei und sein Unternehmen ruiniert war, wurde er zurück an die Spitze des Unternehmens geholt, um es wieder aufzubauen. Er war der erste in seiner Branche, der ein Joint Venture mit einem ausländischen (amerikanischen) Unternehmen einging. Henry Jin wurde ein enger Freund von mir, dem ich den Artikel im “Diplomat” gewidmet habe: “When Capitalism came to North Korea. How a Chinese businessman helped spark North Korea’s pharmaceutical industry.”

Außerdem habe ich vereinzelte VR-Sitzungen in China abhalten lassen. Dies gab uns die Möglichkeit, für meine nordkoreanischen VR-Kollegen Informationsbesuche bei chinesischen Unternehmen zu organisieren.

Bei einem Treffen mit dem Vorstandsvorsitzenden eines großen Staatsunternehmens fragten die Nordkoreaner ihn, welche Anweisungen er von der Partei und der Regierung erhalte. Der Vorstandsvorsitzende wusste, worauf sie anspielten: Auch in China mischten sich in der Vergangenheit Ministerien und andere staatliche Stellen in das Tagesgeschäft ein, und der Vorstandsvorsitzende war lediglich ein Befehlsempfänger, kein Gestalter. Die Antwort verblüffte meine nordkoreanischen Kollegen: «Die einzige Erwartung der Regierung ist, dass wir das Unternehmen so führen, dass es rentabel und nachhaltig bleibt. Wenn nicht, bin ich meinen Job los

Gefürchtete Agenda-Journalisten

Ich hatte schon lange vor meiner Nordkora-Zeit geschäftlich mit China zu tun. Jahrelang hatte ich eine in Hongkong registrierte Firma, die für die Geschäfte in China zuständig war. Wir bauten ein in diesem Teil der Welt unverzichtbares, und deshalb wertvolles Netzwerk von Freunden und Bekannten im Reich der Mitte auf, über das ich auch all die Informationen bekam, die in westlichen Zeitungen nicht zu finden sind. In einer Karaoke-Halle hatte ich einmal ein Gespräch mit einem chinesischen CEO eines erfolgreichen Unternehmens. Er erzählte mir: «Der Satz ‹Kein Zutritt für Hunde und Chinesen!›, den westliche Kolonialisten am Eingang ihrer Banken und in chinesischen Parks angebracht hatten, ist in die Seele vieler Westler eingebrannt.» Ich fragte ihn, ob er westlichen Journalisten keine Interviews gebe, worauf er antwortete: «Wir haben kein Interesse daran, denen zu helfen, die uns schlecht machen wollen.» Auf meine Frage, warum er mit einem Westler wie mir spreche, antwortete er: «Sie und ich sind Geschäftsleute, die keine politischen Ziele verfolgen. Wir haben Geschäftsinteressen, die sich gegenseitig ergänzen, also sind wir Partner und können Freunde sein. Und alles, worüber wir sprechen, bleibt unter uns.» Andere chinesische, koreanische, indonesische und vietnamesische Unternehmer haben sich mir gegenüber so oder ähnlich geäußert.

Als Anna Fifield, eine Journalistin der «Financial Times«, eine mehrteilige Reportage über Nordkorea machen wollte, half ich ihr, das einzige Interview zu führen, das ein nordkoreanischer Geschäftsmann jemals einem westlichen Medium gegeben hatte. Der Chef eines Industriekonglomerats, das damals in Südkorea als das nordkoreanische Pendant zu Samsung angesehen wurde und das bereits erfolgreich Produkte in China vermarktete, war auf der Suche nach weiteren Exportmärkten. Ich sagte dem fließend Englisch und Chinesisch sprechenden Geschäftsmann, dass die Financial Times sicher Leser hat, die sich für sein Unternehmen und seine Produkte interessieren könnten. Selbst wenn das Produkt und der Preis stimmen, gibt es in den ostasiatischen Ländern noch eine weitere Bedingung, um Geschäfte zu machen oder die Türen zu öffnen: Vertrauen. Wenn der Nordkoreaner mir nicht vertraut hätte, wäre das Treffen mit der Journalistin nicht zustande gekommen. Und wenn die Journalistin ihn in die Pfanne gehauen hätte, wäre das als Vertrauensbruch meinerseits gewertet worden mit den entsprechenden Konsequenzen für mich. Was für Asiaten gilt, gilt auch für Westler in diesem Teil der Welt: Man lässt nicht jeden an seine wertvollen Kontakte heran.

Zusammen mit dem Chef des nordkoreanischen Industriekonglomerats, das nach seinen Worten auch «coole Motorräder» herstellt. Ausnahmsweise sprach er mit der Financial Times.

Fortsetzung folgt.

Mehr Nordkorea für die «Republik»

Lasst das doch einfach mit den Wahlen.

Nordkorea kann auch mal Vorbild sein. Denn dort beträgt die Wahlbeteiligung gerne mal 100 Prozent, genauer 99,99 Prozent bei den letzten «Parlamentswahlen». Und es herrscht auch (fast) Einstimmigkeit bei den Resultaten.

So viel Wahlbeteiligung wird die «Republik» wohl nicht schaffen. Dafür ist die Urabstimmung etwas zu hektisch angesetzt. Per Newsletter vom 10. Juli ab dem 10. bis zum 20. Juli. In aller Eile muss ein neuer Vorstand der Genossenschaft gewählt werden. Denn seit dem Rücktritt von Roger de Weck – plötzlich und aus unbekannten Gründen – sassen da nur noch zwei Vorständler auf der Stange – die aber auch bekannt gegeben haben, dass sie so schnell wie möglich abtreten wollen.

Obwohl in Zürich beheimatet, ging die «Republik» das Problem dann sehr, sehr gemächlich, geradezu bernerisch an. Obwohl sie für über 100’000 Franken im Jahr «beraten» wird, fiel niemandem dabei auf, dass der Vorstand einer Genossenschaft aus mindestens drei Mitgliedern bestehen muss. Und nicht aus nur zwei. So was wäre Kim nie passiert.

Aber auch beim kleinen Steuerproblem in der Höhe von fast einer Million war es keinem der teuren «Berater» aufgefallen, dass da ein kleines Damaskus droht.

Also wurden Gremien gebildet, wichtig getan, viel gequatscht – und nichts geleistet. Business as usual bei der «Republik». Im gegenseitigen Bauchtreten, Intrigieren und Koalieren ging dann vergessen, dass es das Handelsregister schon ernst meint mit solchen Organisationsmängeln. Also mussten die «Republik»-Koryphäen, statt friedlich in den Sommerschlaf zu verfallen, urplötzlich eine Urabstimmung aus dem Ärmel schütteln. «Was keinen kleinen Aufwand bedeutet», vermelden sie stöhnend.

Es braucht nun aber gleichzeitig einen Genossenschaftsvorstand und einen Verwaltungsrat, denn eine AG hat die «Republik» ja auch noch, so als schnittige Holding. Himmels willen, alles auf einmal. Was tun? Nun, wenigstens einen fixen und festen Kandidaten hat die «Republik» aus dem Hut gezaubert. Und dazu noch drei weitere. Der Einfachheit halber gleich für die Genossenschaft und die AG. Das nennt man Good Governance at its best …

Der Einfachheit halber alles Pensionäre. Der Einfachheit halber kandidieren drei der vier mal nur bis zu den ordentlichen Wahlen im November. Sozusagen als Übergangslösung, um nicht zu sagen als Feigenblatt in der Not. Einschlägige Fachkenntnisse bezüglich Strategie und Einkommensgenerierung für ein notleidendes Medienorgan – bringt keiner mit.

Auch das wäre Kim niemals passiert. Nur einer habe bereits das «reguläre Bewerbungsverfahren durchlaufen», tut die «Republik» wichtig. «Die drei anderen stellen sich zur Verfügung, bis wir den Rekrutierungsprozess zu Ende geführt haben, mindestens bis zur nächsten Urabstimmung diesen Herbst», erzählt Co-Geschäftsführerin Katharina Hemmer auf Anfrage persoenlich.com.

Das Pipifax-Magazin tut so, als wäre die Besetzung dieser Positionen ungefähr so bedeutend wie die Wahlen in die «Kommission für Staatsangelegenheiten», wo in Nordkorea die Entscheidungen getroffen werden. Das wird aber dort jeweils sorgfältig vorbereitet und erfolgt keinesfalls im Galopp.

Also könnte die «Republik» von Kim und Nordkorea eigentlich noch einiges lernen. Abstimmungstechnisch weniger; da nur eine relative Mehrheit der Abstimmenden genügt, ohne dass Enthaltungen gezählt werden, kann man die Prognose wagen, dass alle vier Kandidaten gewählt werden. Also doch eine Ähnlichkeit mit Nordkorea. Immerhin.

Ähnlichkeit mit einer Witzzeichnung hat allerdings dieses Organigramm; ZACKBUM legt Wert auf die Feststellung, dass wir das nicht erfunden haben:

Wer’s nicht fassen kann: hier kann man sich mit dem Original vergnügen.

«TagesWoche», «bajour», «Kosmos», «Republik». All diese Projekte haben gemeinsam, dass sie absurd viel Geld verrösten – für absurd wenig Leistung. Bauchnabelschau, Selbstbestätigung im luftdichten Raum der Gesinnungsblase, «Expeditionen in die Wirklichkeit» sind in Wirklichkeit die Bestätigung vorgefasster Ansichten. Neues, Überraschendes, Anregendes, intellektuell Hochstehendes hat die «Republik» nicht zu bieten.

Inzwischen stolpert man bei banalsten organisatorischen Fragen über die eigenen Füsse. Der «Genossenschaftsrat» (man suche ihn oben im Wimmel-Organigramm) behauptet doch tatsächlich, ohne sich der völligen Lächerlichkeit seiner selbst oder dieser Aussage bewusst zu sein:

«Mit vereinten Kräften setzten wir uns innerhalb der Findungs­kommission dafür ein, für die gewünschten Profile passende Kandidatinnen zu finden. In der ersten Juniwoche stand dann aber fest, dass wir, trotz sehr qualifizierter Interessenten, mehr Zeit für eine sorgfältige Rekrutierung benötigen würden

Im nächsten Jahr, so ist die finster verkündete Absicht, sollen wieder 6,6 Millionen Franken ausgegeben werden. Verröstet, zum Fenster rausgeschmissen, zur Finanzierung der Selbstbespassung und -bespiegelung missbraucht werden.

Ein Steuerpuff, ein Organisationspuff wie bei Gosplan in den letzten Zügen, man sitzt in Gremien und schaut wichtig, man kriegt nicht mal eine stabile Chefredaktion hin, und vor allem: das Wichtigste, die Produktion von einen Kaufanreiz bietenden Leistungen – ist inexistent.

Oder Hand aufs Herz, wer kann sich an den letzten «Republik»-Artikel erinnern, der bereichernd war? Nicht ärgerlich, lächerlich, langfädig?

Will man die «Republik» mit einem Symbolbild darstellen, muss es das hier sein:

Das ist Ri Chun Hee, die über dreissig Jahre lang die Nachrichten im nordkoreanischen Staats-TV verlas. Kürzlich wurde sie, weil 75, in Pension geschickt. So alt wird die «Republik» nie werden. Sie existiert seit Januar 2018. In den fünfeinhalb Jahren ihrer Existenz hat sie geschätzte 35 Millionen Franken verpulvert. Sonderzuwendungen, Nothilfen, die Abwendung von Selbstmorddrohungen nicht mitgezählt.

Dafür gibt es nur ein Wort: Desaster. Oder: nach dem «Kosmos» ist vor der «Republik» …

Nordkorea: Wie geht es weiter?

Was ist los, steckt Nordkorea in der Vergangenheit fest?

 Von Felix Abt

Und wie stehen die Chancen für eine friedliche Entwicklung im isoliertesten Land der Welt? Antworten von einem ausländischen Geschäftsmann, der sieben Jahre lang in Nordkorea gelebt und gearbeitet hat.

Freundliche Geste: Felix Abt und seine Frau (am Boden sitzend) werden an einem Feiertag von Nordkoreanern in einem Park spontan zu Bier und Snacks eingeladen. [Bild: Felix Abt]

Im Vorfeld eines Webinars der kanadischen Sektion der Universal Peace Federation (UPF), die sich selbst als globales Netzwerk von Friedensstiftern bezeichnet, zu dem ich im Februar 2023 als Redner eingeladen war, wurden mir vier wichtige Fragen gestellt. Die Mainstream-Medien würden mir solche Fragen nicht stellen. Stimmt etwas mit meinen Antworten oder mit diesen Medien nicht? Ich teile meine Antworten mit Ihnen und überlasse es Ihnen zu urteilen.

  1. UPF: Wie haben sich die laufenden Veränderungen in den Beziehungen zwischen der DVRK («Demokratische Volksrepublik Korea» oder «Nordkorea») und dem Westen auf Ihre Fähigkeit, dort Geschäfte zu machen?

FA: Als ich mich in Nordkorea niederliess, herrschte dort eine Aufbruchstimmung, bei einigen sogar eine leichte Euphorie, die auch auf der anderen Seite der entmilitarisierte Zone, in Südkorea, zu spüren war. Man konnte eine Art leichte Brise von Reformbegeisterung spüren. Obwohl Rason, an der chinesischen Grenze gelegen, seit den 1990er Jahren Schauplatz eines interessanten Experiments war, bei dem chinesische Industriezonen nachgeahmt wurden und sogar südkoreanischen Unternehmen die Ansiedlung von Fabriken erlaubt wurde, sollte dieser neue Anstoss zu einer landesweiten Bewegung führen.

Fabriken und andere Gebäude in der Sonderwirtschaftszone Rason. [Quelle: reddit.com]

Von links nach rechts: der Leiter der Sonderwirtschaftszone Rason sowie Susan Kim, koreanisch-amerikanische Professorin, die in Rason Business-Trainingskurse für nordkoreanische Führungskräfte durchführte, und Felix Abt. [Bild: Felix Abt]

Die ersten Jahre erforderten also viel Überzeugungsarbeit, gegenseitiges Lernen und das Experimentieren mit neuen Geschäftsansätzen. Auch wenn es schwierig war, so war es doch letztlich lohnend für meine Kunden und Lieferanten, aber auch für die Behörden, meine Mitarbeiter und mich selbst, da wir einige fruchtbare Ergebnisse erzielen konnten.

Ich nenne hier zwei Beispiele: Im Namen europäischer Bergbauausrüstungshersteller konnte ich den Bergwerken Ausrüstungen verkaufen, die die Produktivität steigerten und gleichzeitig die Sicherheit der Arbeiter verbesserte und die Wahrscheinlichkeit von Unfällen stark verringerte. Oder in einer Arzneimittelfabrik, die ich leitete, erreichten meine Mitarbeiter und ich als erstes pharmazeutisches Unternehmen in Nordkorea den WHO-zertifizierten internationalen Standard der «Guten Herstellungspraxis». Dadurch konnten wir uns an internationalen Ausschreibungen beteiligen und ausländische Konkurrenten bei der Auftragsvergabe ausstechen. Die Herstellung eines breiten Spektrums von Qualitätsarzneimitteln zu erschwinglichen Preisen machte uns alle happy, da das Leben vieler Patienten gerettet werden konnte.

  1. UPF: Wie wirken sich die bestehenden Sanktionen auf die Wirtschaftstätigkeit in der DVRK aus?

FA: Um die Wirkung zu verdeutlichen, möchte ich mit dem vorherigen Beispiel fortfahren: Das
Pharmaunternehmen benötigt gelegentlich Ersatzteile und sogar neue Maschinen.

Beides kann nur im Ausland mit harter Währung gekauft werden, die das Land durch den Export von Waren wie Kleidung, Fisch, Kohle, Metalle und Mineralien erwirtschaften muss.

Da der Export dieser Waren jedoch aufgrund der Sanktionen illegal ist, ist es nicht mehr möglich, harte Währung zu verdienen, zumindest nicht auf legalem Wege. Darüber hinaus benötigt die Fabrik wie alle pharmazeutischen und lebensmittelverarbeitenden Betriebe in Nordkorea, ein funktionierendes mikrobiologisches Labor, um Rohstoffe und Fertigwaren auf Verunreinigungen prüfen zu können. Die Sanktionen verbieten die Einfuhr solcher Geräte und Verbrauchsmaterialien, wie z. B. Reagenzien. Infolgedessen ist Nordkorea das einzige Land der Welt, in dem Arzneimittel- und Lebensmittelhersteller nicht in der Lage sind, die Sicherheit ihrer Produkte für die Verbraucher zu garantieren.

  1. UPF: Wie wirkt sich die aktuelle Situation auf die persönliche Sicherheit aus?

FA: Als ich dort lebte oder das Land später besuchte, fühlte ich mich immer sicher. Natürlich macht sich jeder strafbar, der James Bond spielt und versucht, Spione anzuwerben, oder versucht, eine politische Trophäe zu erringen, indem er ein Regierungsplakat von einem Hotelflur stiehlt, der für die Öffentlichkeit nicht zugänglich ist, Politiker beleidigt oder versucht, Nordkoreaner zu «befreien». Allerdings sind nicht viele Menschen so dumm, dies zu tun, und wenn sie es doch tun, werden sie normalerweise mit dem nächsten Flug aus dem Land geschickt.

  1. UPF: Wenn Sie der politischen Führung des Westens einen Rat geben müssten, wie sie mit der DVRK umgehen soll, was wäre Ihrer Meinung der wichtigste Punkt, den Sie ihnen erklären müssten?

FA: Ich würde versuchen, sie davon zu überzeugen, dass zunehmender Druck das Land nicht dazu bringen wird, seine Atomraketen aufzugeben; im Gegenteil, es hält sie für überlebenswichtig.

Ausserdem hat das Land eine bemerkenswerte Autarkie erreicht, so dass Druck sinnlos ist.

Stellen Sie sich vor, mein Heimatland, die Schweiz, ist so gebirgig wie Nordkorea und verfügt über so wenig Ackerland (17 %) wie Nordkorea, und muss daher den Großteil seiner Nahrungsmittel importieren. Nordkorea hatte bereits in den 1990er Jahren mit einer massiven Landgewinnungskampagne begonnen, um seine landwirtschaftliche Produktion zu steigern. In Asien, wo Reis das Grundnahrungsmittel ist, ist es zudem das einzige Land, das eine unglaubliche «Kartoffelrevolution» durchgeführt hat und nun riesige Mengen an Kartoffeln produziert, die im Gegensatz zu Reis in bergigen Gebieten gedeihen, und Millionen von Ziegen gezüchtet hat, die im Gegensatz zu Kühen in schwer zugänglichen Bergregionen leben können. Diese Ziegen produzieren heute eine große Menge an Fleisch, Milch, Joghurt und Käse.

Nordkoreanische Ziegenbauern in den Bergen stellen Ziegenmilchjoghurt her. [Bild: Felix Abt]

Nordkoreanische Bauern bei der Kartoffelernte in der Provinz Yanggang. [Quelle: Rodong Sinmun]

Innerhalb von nur zehn Jahren nach Beginn der Anbaukampagne wuchs die Anbaufläche auf 200.000 Hektar, und der Kartoffelverbrauch stieg auf 60 kg pro Kopf. Eine verbesserte Qualität des Kartoffelsaatguts und der Saatguterzeugung sowie Anbaumethoden wie Schädlingsbekämpfung und angemessener Einsatz von Düngemitteln und neue Lagerungsmethoden trugen zu diesem Erfolg bei. Selbst die Nudeln in Nordkoreas berühmter kalter Nudelsuppe werden aus heimischer Kartoffelstärke hergestellt. Und nordkoreanische Restaurants haben mehrere neue Kartoffelgerichte in ihre Speisekarten aufgenommen, wie dieses Plakat eines Restaurants in Pjöngjang zeigt. [Bild: Felix Abt]

Wie wir bereits gesehen haben, ist Engagement wirksam, und ich würde die politischen Entscheidungsträger auffordern, einen Kompromiss zu finden, der den Sicherheitsbedürfnissen Nordkoreas gerecht wird. Ich bin zuversichtlich, dass dies zu einem Abbau der Spannungen, einem Friedensabkommen und einer Normalisierung der Beziehungen zwischen den Konfliktparteien führen würde. Darüber hinaus ist dies eine notwendige Voraussetzung für die Wiedervereinigung der beiden Koreas.

Ein paar Eindrücke

Kein Sweatshop: Das von Felix Abt geleitete Pharmaunternehmen in Nordkorea bot grosszügige Arbeitsplätze, wenn möglich mit Tageslicht, Kantine, Personalbus, Sportplatz, Duschen und interner Tischtennisanlage sowie existenzsichernde Löhne und zusätzliche Leistungen. [Bild: Felix Abt]

Kunden in einer Apotheke, die dem ersten ausländisch-nordkoreanischen Pharma-Joint-Venture gehörte. Sie war eine der ersten Apotheken des Landes, in der man mit Zahlungskarten bezahlen konnte.
[Bild: Felix Abt]

Bei einem Betriebsausflug mit nordkoreanischen Mitarbeitern. [Bild: Felix Abt]

Sport mit nordkoreanischen Mitarbeitern.  [Bild: Felix Abt]

Zusammen mit nordkoreanischen Führungskräften des von Felix Abt geleiteten Unternehmens bei einem Geschäftsbesuch in Shanghai. [Bild: Felix Abt] 

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Felix Abt lebte und arbeitete von 2002 bis 2009 in Nordkorea und war mehr als ein Jahrzehnt lang mit dem Land geschäftlich verbunden. Er ist der Autor der Bücher A Capitalist in North Korea: My Seven Years in the Hermit Kingdom und A Land of Prison Camps, Starving Slaves and Nuclear Bombs?

Sein Profil finden Sie hier.