Und die Hetzer in den Medien?

Wegducken und so tun, als war da nix. Denn es ist ein Medienskandal.

Shelby Lynn hat ihre 15 Minuten Ruhm bekommen. Das schaffte sie mit einem Video, in dem sie ein paar blaue Flecken zeigte. Und erklärte, dass sie sich an deren Entstehen nicht erinnern könne, aber an einer After-Show-Party von Rammstein teilgenommen habe. Sie insinuierte zudem, dass man sie möglicherweise unter Drogen gesetzt habe. Dummerweise ergaben aber alle Drogentests im Nachhinein nichts.

Schliesslich reichte sie noch bei der Staatsanwaltschaft Vilnius eine Strafanzeige ein. Wie in solchen Fällen üblich, meldeten sich einige weitere Frauen, die unter dem Schutz der Anonymität Reportern weitere Geschichten von unerwünschter Anmache erzählten.

Besonders hervor tat sich die Youtuberin «Kayla Shyx», die aufgeregt wilde Storys verbreitete, die ihr angeblich zugetragen wurden oder die sie selbst erlebt haben wollte. Damit erhöhte sie ihre Einschaltquote gigantisch. Ihr wurde dann aber schnell der Stecker gezogen.

Das war die übliche verantwortungslose Keiferei auf den asozialen Medien. Das wurde ergänzt durch die inzwischen ebenfalls übliche verantwortungslose Hetzerei auch in seriösen Medien. Die NZZ sprach sogar von einem «Täter», löschte den Begriff dann aber schleunigst. «Blick» war nicht schnell genug und musste einen ganzen Artikel löschen, zu Kreuze kriechen und sogar ein liebedienerisches Interview mit dem Anwalt des Rammstein-Sängers veröffentlichen, wofür sich Mikrophonständer Reza Rafi hergab.

Das ehemalige Nachrichtenmagazin «Spiegel» widmete der Hysterie sogar eine Titelgeschichte. Sie kochte dann nochmal hoch, als vermeldet werden konnte, dass bei der Staatsanwaltschaft Berlin mehrere Anzeigen eingegangen seien. Endlich, denn alle anonymen und die wenigen angeblichen Opfer, die mit Namen hinstanden, hatten es allesamt unterlassen, zur Polizei zu gehen.

Es endete, wie es auch nicht allzu selten endet: keine Staatsanwaltschaft sah einen Anfangsverdacht, um Ermittlungen aufzunehmen.

Nun dreht Sänger Till Lindemann offenbar den Spiess um. Die Staatsanwaltschaft in Vilnius, weiss die deutsche «Bild», ermittelt gegen diese Shelley Lynn wegen des Verdachts auf Verleumdung.

Das wird wohl auch mit einer Einstellung enden. Denn die Dame hatte wohlweislich darauf verzichtet, Lindemann irgendwelcher Straftaten zu bezichtigen. Da sie behauptet, eigentlich pleite zu sein, ist zu hoffen, dass es keine zivilrechtlichen Ansprüche gegen sie geben wird.

Das gilt aber leider auch für alle Hetzer in den Medien, die sich wieder mal mit Vorverurteilungen überschlagen haben. Ein Amok im «Tages-Anzeiger» forderte sogar, dass die Berner Konzerte abgesagt werden müssten.

Es ist unerträglich, welchen Reputations- und Rufschaden verantwortungslose Journalisten verschulden können – haftungsfrei, uneinsichtig und unbelehrbar. Sogar heute noch schwurbeln Feinde des Rechtsstaats wie Marc Brupbacher herum: «Viele feiern Lindemann nun als unschuldig. Dabei hat keine einzige Frau Anklage erhoben. Warum nicht? Weil sie wissen, was sie erwartet hätte.»

Das ist zwar ziemlich wirr, soll aber wohl heissen, dass er in Wirklichkeit gar nicht so unschuldig sei, aber geschützt durch Macht und Geld. Das entscheiden inzwischen selbsternannte Scharfrichter in den Medien und scheuen auch so früh wie möglich nicht vor einer Namensnennung zurück. Denn erst das gibt ihrer schlaffen Story den gewünschten Pep.

Ganz anders sieht das aber aus, wenn es einen der Ihren erwischt. Obwohl ja inzwischen wohl jeder weiss, um wen es sich handelt, verschweigt die Journaille eisern den Namen eines Freigestellten, dem sexuelle Übergriffe vorgeworfen werden.

Das ist zwar im Prinzip richtig, denn auch hier gilt – selten so gelacht – die Unschuldsvermutung. Was aber nicht gilt, ist die Vermutung, dass die Medienschaffenden wenigstens öffentlich bereuen könnten, wie sie sich wieder einmal vergaloppiert haben, auf effekthascherische Erzählungen anonymer Trittbrettfahrerinnen hereinfielen, das dem Leser als brandheisse, tiefenrecherchierte News verkauften.

In einem anderen Fall wurde der Name sowohl des Beschuldigten wie auch der Beschuldigerin von ihr selbst in die Öffentlichkeit gebracht. Dumm nur, dass sich fast alle Anschuldigungen nicht erhärten liessen. Dumm nur, dass Augen- und Ohrenzeugen ein Schweigeglübde abgelegt hatten, darunter der Chefredaktor der Gutmenschenpostille «Republik». Dumm nur, dass unfähige Journalistinnen immer wieder anonyme Zeugenaussagen heraustrompeten, dass alles noch viel schlimmer gewesen sein sollte.

Die Untersuchung gegen diese Lynn wird wohl eingestellt werden. Auch die ist durch die Art, mit der sie sich ihre 15 Minuten Ruhm abholte, stigmatisiert.

Was aber unerträglich wird, ist die Haftungsfreiheit all der Journalisten, die losgebelfert haben, heulend wie Jagdhunde Fährten erschnupperten und verbellten. Um dann kurz zu vermelden, dass da wohl doch nix dran war. Aber je nun, Musik und Groupies, Männerdominanz, Abhängigkeiten, man wisse es ja.

Dann ein paar verlogene Krokodilstränen verdrückt («sind wir vielleicht ein wenig zu weit gegangen? Antwort: nö»), und das war’s. Keine Entschuldigung, kein Gelöbnis der Besserung, keine neu eigenbauten Sicherungen.

Wetten, dass der nächste Fall Lindemann schon um die Ecke lauert, wenn die Missbräuche der katholischen Kirche abgefrühstückt sind?

 

5 Kommentare
  1. Karl Warth
    Karl Warth sagte:

    Es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel. Anonyme Anschuldigung müssen zwingend übergangen werden. Wer als Opfer gelten will, kann das tun und mit seinem Namen hinstehen. Ist er oder sie erwiesenermassen Opfer, wird ihnen mit Sicherheit Mitgefühl zuteil. Aber, wie im Falle der Republik, gar Opfer und Täter zu anonymisieren ist absurd. Woher soll der Leser wissen, dass es diese Leute wirklich gibt? Das es wirklich zu Taten gekommen ist? Einfach glauben, dass da etwas ganz schlimmes ist, ohne Namen und Gesicht? Genau so gut kann alles frei erfunden sein – glaube allerdings ich nicht im Falle der Republik. Dasselbe mit den mutmasslichen Opfer und Täter innerhalb der katholischen Kirche, die in den seltensten Fällen Name oder Gesicht zeigen, aber die reisserische Zahl 1000 mitkriegen. An der Basis sind diese Fälle weder sicht- noch spürbar und so langsam fehlt mir der Glaube daran. Genauso wie Täter und Opfer ein Recht auf Schutz haben, hat die Öffentlichkeit ein Recht auf Schutz vor anonym erfundenen Geschichten. Dieses ist im Zuge der Flut an nicht belegbaren Anschuldigungen der vergangenen Jahre nun höher zu gewichten. Tragisch, wurde das nicht bei der Revision des Sexualstrafrechts mitberücksichtigt und auch die Journalisten und Jounalistinnen in die Mitverantwortung genommen. Was diese betrifft, auch hier eine Parallele zur Bibel: Sie waschen ihre Hände demonstrativ in Unschuld, nachdem sie sich vom schrillen Pöbel und ein paar Schriftgelehrten vor sich her treiben liessen.

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  2. H.v.Atzigen
    H.v.Atzigen sagte:

    Danke für den Klartext.
    Die „Kleinen” Hetzen zumeist grob und offen primitiv. So gewisse Medien machen das in der Form einfach gepflegter, darum erkennen, etwas einfacher gestrickt zu vieles nicht als Hetze.

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  3. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Die Hetze gegen Lindemann hat gezeigt das JournalistenInnen nicht mehr recherchieren sondern abschreiben, nachplappern. Sie lernen nie, sie sind wie Hamster im Hamsterrad, sie bewegen sich permanent aber kommen nicht vorwärts!

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    • Frederic Davide
      Frederic Davide sagte:

      «In einem über orf.at verbreiteten Artikel vom 24.07.2023 mit der Überschrift «Nun auch schwere Vorwürfe aus Österreich» hatte der Österreichische Rundfunk ORF unmittelbar vor den Rammstein-Konzerten in Wien über Vorwürfe einer anonymen Frau berichtet, die unseren Mandanten beschuldigt, sie anlässlich eines Rammstein-Konzerts in einem Hotelzimmer mehrfach geschlagen zu haben.»

      Wenn ich das lese, frage ich mich als naiver Leser und durchschnitter Bürger, wie und mit welcher Intention gehen diese Damen eigentlich mit in Lindenmanns Hotelzimmer? Da erwartet man/frau wohl auch mehr, als dass man nur Lindenmanns Briefmarkensammlung anguckt …

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