Die sexistische Seite des Tagi

Frauen an der Spitze bedeutet noch gar nichts.

Kein anderer Medienkonzern macht so ein Gewese um Inkludierung, Kampf gegen Sexismus, gendergerechte Sprache und ähnlichen Unfug wie Tamedia.

So kriegt sich Nora Zukker über ein Buch gar nicht ein, das sich mit der Frage beschäftigt, was Männlichkeit heute sei. Allerdings lässt schon der Titel Übles ahnen: «Oh Boy: Männlichkeit*en heute». Die Inhaltsangabe bestätigt den Verdacht:

«Ein Mann, der sich die eigene Übergriffigkeit eingesteht. Eine non-binäre Person, die ihr Genital nicht googeln kann. Ein Gefangener zwischen Krieger oder Loser. Diese Texte erzählen von männlichem Leistungsdruck, von Männerfreundschaften, Söhnen und ihren Vätern. Sie ergründen die Kapitalisierung von Männlichkeit, beschreiben Intimität und Verlust.»

Ach, und wem das noch nicht reicht: ein gewisser Kim Irgendwas schreibt auch einen Beitrag. Wir nehmen mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis: das Eierattentat scheint er ohne Schreibstau überstanden zu haben.

Dann wird der Tagi aber recht locker: «Ferien, das ist Sex mit Vorspiel». Aber hallo. Die Prostitution wird mal wieder entzaubert: «Kein anderer Job macht Menschen so kaputt». Dabei sehen viele Feministen «Sexarbeit» als Ausdruck weiblicher Selbstbestimmung.

Alexandra Bröhm will mit einem weiteren (männlichen) Vorurteil aufräumen. Der Unterteilung in jagende Männer und sammelnde Frauen in dunklen Vorzeiten. Stimmt gar nicht, sagt Bröhm. Beweis: in ein, zwei Gräbern seien die Überreste von Jagdwaffen gefunden worden. Bei weiblichen Skeletten. Wahnsinn. Die Geschichte des Neandertalers muss umgeschrieben werden. Denn: «Frauen sind Jägerinnen». Eigentlich hätte auch das generische Maskulin gereicht, aber «Frauen sind Jäger» käme einer Autorin natürlich nie in die Tastatur. Obwohl die feminine Verdoppelung etwas leicht Pleonastisches hat. Aber frau und schreiben …

Zurück in die Jetztzeit und zu einem ganz üblen, frauendiskriminierenden Ausrutscher. Ein weiterer Beitrag zum Thema: ein männlicher Politiker würde niemals so beschrieben werden. Wie? «Yolanda Díaz ist …» kompetent, charismatisch, durchsetzungsfähig, engagiert? Aber nein, ist zuallererst und zuvorderst «modebewusst».

Wahnsinn, und das im Tagi. Aber danach kommen nun sicherlich Beschreibungen ihrer politischen Fähigkeiten: Nun ja: sie ist «modebewusst, meist gut gelaunt …» Man stelle sich diese Beschreibung eines spanischen Politikers –männlich – vor. Noch nie gelesen? Eben. Aber aller schlechten Dinge sind drei, nun wird vielleicht noch die Intelligenz, die klare politische Linie der Politikerin erwähnt? Fast: sie «ist modebewusst, meistens gut gelaunt – und erfolgreich».

Aha. Erfolgreich, weil modebewusst und immer lächelnd? Kämpft sie etwa mit den Waffen einer Frau? Als Schlusspointe zitiert der Tagi sogar die Konkurrenz von rechts: «Rechten Medien wie der Zeitung «El Debate» gilt Yolanda Díaz schon als Sanchez’ Geheimwaffe, ihr Lächeln als ihre schärfste Munition.»

Dass das spanische Machos so sehen, mag ja noch angehen. Aber der sensible Tagi, mit seitenlangen Erklärungen über gendergerechte Sternchensprache immer zur Hand, sofort auf den Barrikaden, wenn es angeblich überkommene Frauenbilder und Geschlechterrollen zu kritisieren gilt? Und dann das?

Hat das Raphaela Birrer gesehen? Ist das für Kerstin Hasse feministisches digitales Storytelling? Entspricht das ihrer Forderung nach «kompletter, ehrlicher und offener Gleichstellung»? Wildes Gefuchtel ist einfach. Genaues Hinschauen im eigenen Laden, nun ja. Wahrscheinlich ist die (weibliche) Chefetage schon in den Familienferien, hoffentlich ohne Flugscham.

8 Kommentare
    • Sam Thaier
      Sam Thaier sagte:

      Ihre «LeserInnen» sind doch schlichtwegs Leser. Auch Leserschaft geht durch Victor Brunner.

      Ansonsten gebe ich ihnen Recht. Diese mühsamen, widersprüchlichen und zänkischen Indoktrinationen wird die jetzige reingeputschte Chefetage schlussendlich wieder wegspülen.

      Wer diese pluralistische Gesellschaft derart unbeholfen und kindisch umdeuten will, hat nichts anderes verdient. Der Tagesanzeiger wähnt sich oft im Besitz einer höheren Moral zu sein. Diese Anmassung treibt die Spaltung der Gesellschaft voran. René Zeyer hat dies an verschiedenen Beispielen in dieser Zeitung wunderbar entlarvt.

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  1. René Küng
    René Küng sagte:

    Zum Glück gibt’s bei zackbum immer mal wieder auch was zum lachen, oder zumindest schmunzeln.
    Wenn der Nachgoût weg gelassen wird.
    Alte wache Männer sezieren woke alte Köpfinnen.
    Und ob’s wieder mal Freud oder sonst was war, Loser ist überall, auch als Krieger in Mänlike*eitlen Büchern – gibt’s looser auch mit Sternchen?

    Hat mir grad den Morgen gerettet, anstatt Rotwein vor Mittagessen, gab’s Spass nach dem Saftladen.

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  2. H. C.
    H. C. sagte:

    Das tut weh im Kopf. Beim Lesen hier auf Zackbum nicht geglaubt, auf TA nachgesehen und kann nur den Kopf schütteln über dieses unreflektierte Geschreibe, übernommen von der SZ.

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  3. Slavica Bernhard
    Slavica Bernhard sagte:

    «Aber frau und schreiben…» sagt eigentlich alles!

    Sie würden gerne, aber getrauen sich immer noch nicht!

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  4. Rolf Karrer
    Rolf Karrer sagte:

    Grossartig offengelegt diese publizistischen Defizite dieser schulmeisterlichen Postille.

    Im Artikel über Yolanda Diaz steht anfangs: «Wie oft bekommen Frauen gesagt, sie sollen nicht so viel lächeln, wenn sie ernst genommen werden wollen».

    Wie töricht muss frau denn sein, wenn das grosse Bild dieser Kommunistin nun verankert wird mit: «Yolanda Díaz ist modebewusst, meist gut gelaunt – und erfolgreich». Tönt so Intelligenz und Kompetenz Frau Chef Birrer???

    Zeyer deutet messerscharf richtig: «Man stelle sich diese Beschreibung eines spanischen Politikers –männlich – vor».

    Die fortwährenden Fehlleistungen des Duos Birrer/Hasse werden zu einer unüberbrückbaren Hypothek.

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