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Wo bleibt die Bööggin?

Keine dummen Scherze mehr in geschlossenen Veranstaltungen.

Wer meint, er könne im engeren Freundeskreis angeheitert oder nüchtern sexistische, rassistische, exkludierende, postkolonialistische Vorurteile transportierende Scherze machen: aufgepasst. Trägt das jemand dem Qualitätskonzern Tamedia zu, dann steht nicht nur der Böögg im Feuer, sondern auch der Scherzkeks.

Es gehört zum Brauchtum, dass vor der Verbrennung des Winters die Zünfter sich in geschlossenen Veranstaltungen bespassen. Wenn man entre nous ist und der Alkohol nicht rationiert wird, kommt es zu gewissen Enthemmungen. Das ist völlig normal und erlaubt. Weder bei solchen Gelegenheiten noch im eigenen Schlafzimmer muss man damit rechnen, dass Geschehnisse an die Öffentlichkeit gezerrt werden.

Ausser, man engagiert den falschen Kameramann. Dann passiert Folgendes: «Der Vorfall wurde von dieser Redaktion publik gemacht.» Das liegt immerhin im Streubereich der Wahrheit; «diese Redaktion» veröffentlichte Material, das nicht für die Veröffentlichung bestimmt war und ihr zugespielt wurde. Und regte sich fürchterlich über den Inhalt auf:

«In der zweiten Hälfte des dreiviertelstündigen Showblocks betritt ein Mann die Bühne, dessen Gesicht schwarz angemalt ist. Er trägt eine schwarze Kraushaarperücke, einen Bastrock und hält einen grossen Knochen in den Händen.»

Falls jemandem die Widerwärtigkeit dieses Auftritts nicht klar sein sollte: «Das wird in der Fachsprache Blackfacing genannt. Die Kritik daran: Privilegierte Personen machen sich über eine Gruppe lustig, die in der Gesellschaft Diskriminierung erfahren hat.»

Gnadenlos fährt der Tagi in seiner Rekonstruktion fort: «Neben dem Geschminkten stehen ein als Frau verkleideter Mann mit blonder Perücke sowie eine Frau ganz in Schwarz und mit Federschmuck. Während des Gesprächs steckt sich der schwarz angemalte Mann den Knochen zwischen die Beine. Lacher im Publikum.»

ZACKBUM resümierte damals: Merke: wer Blackfacing macht, ist nicht wirklich lustig. Wer sich darüber erregt, ist wirklich lächerlich.

Die Tagi-Redaktoren David Sarasin, Jan Bolliger und Corsin Zander waren damals ausser sich und hofften auf einen Riesenskandal: «Das ist mehr als bloss ein misslungener Scherz. Damit schaden sie Zürich – das Sechseläuten hat noch immer eine Ausstrahlung weit über die Stadtgrenzen hinaus.» Aber ein paar Monate später mussten sie frustriert vermelden: «Skandal-Auftritt am Zunft-Ball: Blackfacing am Sechseläuten hat keine juristischen Konsequenzen».

Damit versanken die Herren erschöpft in tiefer Weinerlichkeit und Betroffenheit. Deshalb übernimmt nun Sascha Britsko: «Zürcher Zünfte wollen nicht mehr diskriminieren», titelt sie. Womit sie unterstellt: Früher wollten die das? Sonst schreibt sie Meldungen zusammen oder verbreitet harte Kritik an allen Diversanten, die doch der Ukraine tatsächlich Verhandlungen empfehlen, Titel «Sind Sie noch ganz bei Trost

Nun aber kehrt sie ins Lokale zurück. «Die Zünfte haben neu einen Leitfaden gegen Diskriminierung». Auch das hat sie nicht selbst rausgekriegt, sondern sie zitiert in guter Sitte und Tradition das «Regionaljournal» von SRF. Gut so: «Damit wolle man gegen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Sexismus vorgehen, sagt das ZZZ dem «Regionaljournal»», echot Britsko.

Damit folgen die Zürcher Zünfter den Basler Fasnächtlern, welch seltene Kollaboration. «So steht im Leitfaden beispielsweise, dass diskriminierendes Verhalten wie Beschimpfungen nicht zum Geist des Sechseläutens passe». Damit ist ZACKBUM vollumfänglich einverstanden. Beschimpfungen müssen nicht sein.

Allerdings will das Zentralkomitee der Zürcher Zünfte (ZZZ) seinen «Leitfaden» nur als Empfehlungen verstehen: «Wir können und wollen nicht befehlen, sondern einzig empfehlen, damit das Sechseläuten weiterhin ein fröhliches und von kommerziellen und politischen Einflüssen unabhängiges Fest bleibt», lässt sich der Mediensprecher des ZZZ zitieren.

Apropos Diskriminierungen. Dass lauter Männer auf Pferden, die nicht um ihr Einverständnis gefragt werden, um einen brennenden Holzstoss herumreiten, wobei auch mal einer auf den Latz fällt, dabei komische Fantasieuniformen tragen und furchtbar wichtig tun: ist das vielleicht nicht diskriminierend? Und wenn zuvor jemand so geschmacklos ist, sich ein Baströckchen anzuziehen und das Gesicht schwarz anzumalen, ist das wirklich diskriminierend?

Nehmen wir mal an, ein Tagi-Redaktor findet es lustig, seine Angetraute nach vielen Ehejahren damit zu überraschen, dass er im Schlafzimmer den wilden Schwarzen gibt, ist das diskriminierend? Das ist vor allem etwas, was die Öffentlichkeit schlichtweg einen feuchten Dreck angeht.

Denn peinlich in diesem ganzen Umzug ist ausschliesslich der Tagi, der diesem Pipifax eine ganze Reihe von Artikeln widmet – und sich nicht bewusst wird, wie er sich Mal um Mal damit lächerlich macht.

Dabei ist die wahre Diskriminierung gar nicht adressiert, wie man heutzutage so schön sagt. Da sollten sich alle Beteiligten spontan unwohl fühlen und in sich gehen, dass ihnen das nicht aufgefallen ist.

Wie heisst die Figur schon wieder, die Jahr für Jahr verbrannt wird? He? Böögg. Genau. Und welches eindeutig zugewiesene Geschlecht hat diese Figur? Genau, DER Böögg. Dass das auf Alemanisch auch noch Popel bedeutet, macht es auch nicht besser, denn es ist DER Popel.

Der wie männlich. Wie exkludierend. Mehr als die Hälfte der Menschheit fühlt sich hier nicht vertreten. Zudem trägt der Böögg noch eine Pfeife im Gesicht. Raucher. Und das wird Kindern gezeigt. Wer behandelt deren Schäden? Und wieso gibt es nicht ein Jahr einen Böögg, das nächste Jahr eine Bööggin? Oder überhaupt mal 100 Jahre nur Böögginnen, um all das Unrecht wiedergutzumachen?

Dann kommt aber ein Hypersensibler und sagt: ich fühle mich sehr unwohl. Die Bööggin erinnere ihn unselig an die Hexenverbrennungen des Mittelalters.

Und dann? Nun, lieber Zünfter, liebe Freunde des Sechseläutens: dann ist fertig mit diesem diskriminierenden, rassistischen, ungesunden Brauch. Das wäre wenigstens mal eine konsequente Forderung. Aber eben, auch beim Tagi arbeiten zu viele Weicheier.

Lachen mit «Blick»

Für diesen Unterhaltungswert muss man dem Blatt dankbar sein.

Es sind düstere Zeiten, das WEF ist auch schon vorbei, Ukraine, Gaza, Trump, Putin, China, Somalia, überhaupt die Medien.

Da ist man mehr als dankbar, mal wieder herzlich lachen zu dürfen:

Damit kommt man in die Medien, also in den «Blick», den «Tages-Anzeiger», «20 Minuten», Nau.ch und andere Qualitätsmedien.

Denn die SP Zürich hat im Gemeinderat ein Postulat eingereicht, das – sollte es angenommen und verwirklicht werden – den absoluten Durchbruch bei der Gleichberechtigung und der Inklusion aller gesellschaftlichen Gender und Gruppen bedeuten würde.

Wir müssen da den grossen Bogen ziehen. Genau am 9. Dezember 1868 blinkte in London die erste Ampel. Ihre Weiterentwicklung für Fussgänger schenkte der Welt das Ampelmännchen. Es überlebte sogar die DDR, und das will etwas heissen.

Allerdings, es ist eine Schande, dass die SP erst jetzt darauf kommt, es ist eben ein Männchen. Das geht natürlich nicht, finden Rahel Habegger, Leah Heuri und sogar der Mann Marco Denoth von der SP-Fraktion. Sie beweisen damit den Blick fürs Wesentliche.

Denn was ist verwerflich am Männchen, mit oder ohne Hut? Er signalisiere, dass der öffentliche Raum vor allem Männern gehöre. Geht nicht, die «Sichtbarkeit» aller Diskriminierten müsse erhöht werden. Daher natürlich auch Weibchen auf die Ampel, aber auch eine Schwangere, ein lesbisches Paar oder eine Seniorin. Wenn man das so sieht, müsste eigentlich jede Ampel in der Stadt Zürich ein anderes Sujet haben. Glücklicherweise gibt es rund 6000.

Aber, wie meistens bei der SP, ist die Forderung natürlich nicht zu Ende gedacht. Es gibt ja wichtigere Ampeln und solche, die fast unbeachtet irgendwo in der Agglo vor sich hinblinken. Wie soll man da Gerechtigkeit herstellen? Und soll dann bei einer Ampel bspw. eine Schwangere mit Krückstock, aber ohne Brille, dafür mit Afro, von Rot über Gelb bis Grün auftauchen? Ist das nicht farblich diskriminierend? Fühlt sich hier eine, wie sagen wir das, pigmentös herausgeforderte Person auch wiedergegeben? Wie ist es mit Kleinwüchsigen, Riesen, Einbeinigen, Rollstuhlfahrern, Glatzköpfigen? Müssen auch Blinde berücksichtig werden, obwohl die die Ampel gar nicht sehen können?

Muss die Ampel nicht auch kontextualisiert werden, muss nicht via Tafel oder mindestens QR-Code darauf hingewiesen werden, welche üble, postkoloniale, sexistische, toxische Rolle die Ampel bislang spielte? Wäre es nicht besser, auf jegliche Figurensymbolik zu verzichten und es einfach bei den Farben bewenden zu lassen? Aber: wie ist es eigentlich mit Blau, Violett (!), Grau und all den anderen Farben, die nicht vorkommen?

Wir sehen: ampeltechnisch gibt es noch viel zu tun: SP Zürich, über die Bücher!

Schon wieder …

Da ist Häme angebracht: das woke Theater am Neumarkt soll einen Juden diskriminieren.

Noch linker als das Schauspielhaus und noch mehr auf ein absolutes Minderheitenprogramm fixiert: das ist das Theater am Neumarkt in Zürich. Hier bekam der deutsche Primitiv-Provokateur Ruch Gelegenheit, gegen den Chefredaktor der «Weltwoche» zu rüpeln («Roger Köppel tötet. Tötet Roger Köppel.»).

Das Theater versteht sich als «barrierefreie Denkanstalt», als «Haus der Vielheit und Offenheit». Natürlich ist den Theatermachern jede Form von Diskriminierung, Ausgrenzung, gar Rassismus völlig fremd. Ausser vielleicht, es geht gegen rechtsnationale Hetzer.

Diese löbliche Haltung von Gutmenschen lassen sie sich jährlich mit 4,5 Millionen Steuerfranken versüssen. Und nun das. Ein Ensemblemitglied fühlt sich diskriminiert, weil es nur in der Hälfte aller Stücke eingesetzt werde. Grund: weil es Israeli sei. Tschakata.

Erschüttert maulte die Theaterleitung zurück: «Antiisraelisches und antijüdisches Gedankengut hat bei uns keinen Platz.» Nur: der jüdische Schauspieler wird tatsächlich selektiv eingesetzt. Warum? Nun wird’s einen Moment kompliziert. Weil es, Multikulti halt, auch eine libanesische Kollegin im Ensemble gibt. Na und? Es gibt da ein libanesisches Gesetz, das geschäftliche und auch persönliche Kontakte mit Israeli unter Strafe stellt. Denn der Libanon befindet sich seit 1948 und bis heute offiziell im Krieg mit Israel.

Schon mit Israeli zu sprechen, geschweige denn, mit ihnen aufzutreten, auch im Ausland, steht unter Strafe, es droht sogar Gefängnis. Und die religiösen Wahnsinnigen der Hetzbolla sind nicht dafür bekannt, sehr tolerant zu sein.

Also sagt die libanesische Schauspielerin, sie könne nicht zusammen mit einem Israeli auf der Bühne stehen, das gefährde ihre Sicherheit. Nun kann man leichthin sagen, dass es doch absurd sei, dass ein mit Steuergeldern subventioniertes Theater sich idiotischen libanesischen Gesetzen in der Schweiz beugt. Andererseits gibt es genügend Vorfälle – man denke nur an die Mohammed-Karikaturen –, die Angst vor Repressionen als nicht absurd erscheinen lassen.

Ein echtes Scheissproblem, vor allem für Gutmenschen. Wie lösen? Als man die Libanesin einstellte, habe man nichts von diesem Gesetz gewusst, sagt der Hausdramaturg. Davon erfuhr man, als man den jüdischen Schauspieler ins Ensemble aufnahm. Dann habe man das Problem tatsächlich so gelöst, dass beide halt nicht gleichzeitig auf der Bühne stehen. Dafür findet der Dramaturg, gelernt ist gelernt, eine hübsche Formulierung gegenüber der NZZ: «Natürlich war es ein imperfekter Entscheid in einer imperfekten Welt

Dazu gibt es allerdings noch einen bitteren Nachtrag. Denn anscheinend funktionierte diese Regelung während zwei Jahren problemlos und diskret. Nun läuft aber der Vertrag des jüdischen Schauspielers per Ende Spielzeit aus.

Die Entscheidung, den Vertrag nicht zu verlängern, habe nichts mit Staatsangehörigkeit oder Religion zu tun, über die Gründe könne er nicht sprechen, sagt der Dramaturg. Logisch, Persönlichkeitsschutz. Allerdings: erst nach diesem Entscheid wandte sich der jüdische Schauspieler mit einem Brief an die jüdische Gemeinschaft in Zürich – mit der sicheren Annahme, dass der sofort an die Öffentlichkeit gelangte und für entsprechende Reaktionen sorgte.

Viele Kommentatoren, ähnlich wie im Ofarim-Skandalfall, galoppierten sofort los. So poltert die dauererregte «Politikwissenschaftlerin» (Selbstlobhudelei: «Regula Stämpfli ist eine der wenigen Denkerinnen unserer Gegenwart, die Codes, Terror und die Deutungshoheit von Judith Butler zusammenbringen») los: «Seit wann gelten an subventionierten öffentlichen Bühnen Zürichs die Gesetze der Hisbollah im Libanon

1955 gab es die Hetzbolla noch gar nicht, sie entstand erst 1982. Aber was kümmern die «Historikerin» historische Fakten, was kümmert sie als «Wissenschaftlerin» eine differenzierte Analyse.

Wenn die Darstellung stimmt, dass diese merkwürdige Regelung im allseitigen Einverständnis getroffen und zwei Jahre lang klaglos akzeptiert wurde, das jüdische Ensemblemitglied erst nach seiner Kündigung auf die Idee kam, er könne seine «Identität» nicht ausleben, handelt es sich hier einwandfrei um einen zweiten Fall Ofarim. Mal schauen, wie hier alle «Antisemitismus»-Kreischen wieder zurückrudern werden. Oder, wie üblich, schlichtweg keinen Ton mehr dazu sagen.

Aneignung der Aneignung

Es gibt noch so viel zu denunzieren.

Das Ausgrenzen hat sich eingebürgert. Dabei wird angeeignet, was nicht niet- und nagelfest ist. Weisse tragen Rasta-Locken. Das ist pfui, sehr pfui.

Das hingegen ist Carola Rackete. Eine Lichtgestalt für alle Menschenfreunde und Befürworter offener Grenzen. Ein Held. Sogar eine Heldin. Nur: sie trägt Rasta. Und ist weiss. Ist halt kompliziert.

Es soll angeblich über 160 verschiedene Gender geben. Da hat’s der heutige Jugendliche nicht leicht, die zu ihm passende Orientierung zu finden. Aber schön, dass ein Gang aufs Einwohnermeldeamt genügt, und schon kann man mit einem neuen Geschlecht herumspazieren. Diskriminierend ist allerdings, dass die Wahlmöglichkeiten sehr beschränkt sind.

Allerdings: wenn ein Mann eine Frau sein will, ist das nicht auch übergriffig? Eine nicht nur kulturelle Aneignung? Dann wäre ja Cis gut, Trans schlecht. Dabei sollte es doch umgekehrt sein. Es ist kompliziert.

Selbstverständlich reichen gegenwärtige Diskriminierungen, Ausgrenzungen und Unterdrückungen nicht aus, um das Leidensbedürfnis verwöhnter weisser Kids zu befriedigen. Es gibt ja noch eine ganze Latte, einen Kübelwagen voll historischer Schuld. Alleine die Sklaverei bietet ein unerschöpfliches Reservoir für schuldbeladenes, niedergedrücktes Wehklagen. Auf die Knie und «Black lives matter» grölen.

Aber zählen dann weisse Leben nicht? Und sind Neger, pfuibäh, sind Schwarze, würg, sind Persons of Colour, nun ja, sind so gelesene Menschen (endlich, so stimmt’s) denn alle gleich? Schon rein farblich? Oder unterscheidet sich ein Schwarzer aus Afrika von einem in den USA? Und wie steht es mit den Asiaten? Zählen deren Leben auch weniger? Es ist kompliziert.

Der Modeausdruck der Stunde lautet: Ich fühle mich unwohl. Hört man diesen Satz, sollte man sofort diese Gesellschaft verlassen. Alles andere wäre von Übel.

Dann gibt es Frauen, die sich tatsächlich als Frauen lesen lassen. Einfach so. Ihnen eröffnen sich ganz neue, ungenannte Karrieremöglichkeiten. Beförderung nicht mehr nach Kompetenz, sondern nach Genital. Wer hätte gedacht, dass das Tragen eines Pimmels von Nachteil sein kann? Noch so kampffeministisches Geschrei, die konsequente Anwendung des Gender-Sterns, die kräftige Kritik an patriarchalen Strukturen und an Männerherrschaft – nutzt nix. Das Einzige, was hülfe, wäre umoperieren. Aber wäre das nicht wieder eine Aneignung? Es ist kompliziert.

Zum ganzen Elend kommt noch hinzu, dass die überwältigende Mehrheit der Gesellschaft ausgegrenzt wird. Diskriminiert, exkludiert, ignoriert. Was ein weiterer Skandal ist. Denn wer kümmert sich inzwischen noch um die Rechte der sogenannten Normalen? Wer kämpft für den heterosexuellen Mann mit Hang zu Familienleben und Biertrinken? Gibt es neben der diskriminierten Minderheit nicht sachlogisch auch eine diskriminierte Mehrheit? Die doch auch ihre Rechte hat?

Nehmen wir nur den Kampfplatz Redaktion. Hier der konservativ gekleidete Mann, der niemals auf die Idee käme, die Fingernägel zu lackieren. Nicht, weil er das als übergriffig empfände. Sondern schlichtweg peinlich. Er ist heterosexuell, leicht übergewichtig, höflich, betritt vor der Begleiterin das Lokal, hält ihr beim Abgang die Türe auf, vergisst nicht, ihr den Stuhl zurechtzurücken und deutet mindestens ein Aufstehen an, wenn sie mal wieder das Näschen pudern muss. Er ist pünktlich, zuverlässig, besucht fleissig Weiterbildungskurse, hat Bestnoten in den jährlichen Assessments, sagt immer Verständliches, wenn er gefragt wird, wo er sich in fünf Jahren sehe.

Dort die Frau. Sie ist sich nicht sicher, ob sie sich als non-binär definieren soll. Sie verweigert sich dem männlichen Schönheitsideal und der Körperpflege. Sie kümmert sich um die Gratis-Abgabe von Tampons und Binden, besteht auf Schonung während ihrer Tage, bricht auch schnell in Tränen aus, wenn männlicherseits ein schwachsinniger Themenvorschlag von ihr kritisiert wird. Sie entdeckt allerorten sprachlichen Sexismus und verfasst längliche kritische Schreiben dazu. Das schränkt ihre eigentliche Tätigkeit, das Verfassen von Artikeln, natürlich ein. Schafft sie es dennoch einmal, ist sie tödlich beleidigt, wenn ihre Schilderung des feministischen Kampfkollektivs «Zusammen Monden» als Schulaufsatzgekritzel ohne Relevanz kritisiert – und dennoch veröffentlicht wird.

Aber eigentlich weiss sie: das spielt alles keine Rolle. Auch nicht, dass sie wochenlang keine Zeile absondert, weil sie gerade im Kampf um die Errichtung eines «Safe Space» auf der Redaktion engagiert ist. Ihr Kampfruf «hier ist kein sicherer Ort für Frauen» erschallt durchs Grossraumbüro. Sie ist siegessicher, nachdem sie die Installation einer genderneutralen Toilette durchgesetzt hat und damit drohte, dass das erst der Anfang sei.

Geht es um die Beförderung auf die nächste Hierarchiestufe, ist völlig klar, wer gewinnt.

Das ist ein neues, weites Feld der Diskriminierung. Die Diskriminierung des Normalen. Die Diskriminierung der Kompetenz. Der Vernunft. Des gesunden Menschenverstands. Hier gilt es, sich neu zu engagieren. Klimakleben war gestern, heute ist Kampf fürs Überleben des Normalen. Mit allen Mitteln. Auch mit den Waffen einer Frau. Oder der Körperkraft des Mannes.

Die sexistische Seite des Tagi

Frauen an der Spitze bedeutet noch gar nichts.

Kein anderer Medienkonzern macht so ein Gewese um Inkludierung, Kampf gegen Sexismus, gendergerechte Sprache und ähnlichen Unfug wie Tamedia.

So kriegt sich Nora Zukker über ein Buch gar nicht ein, das sich mit der Frage beschäftigt, was Männlichkeit heute sei. Allerdings lässt schon der Titel Übles ahnen: «Oh Boy: Männlichkeit*en heute». Die Inhaltsangabe bestätigt den Verdacht:

«Ein Mann, der sich die eigene Übergriffigkeit eingesteht. Eine non-binäre Person, die ihr Genital nicht googeln kann. Ein Gefangener zwischen Krieger oder Loser. Diese Texte erzählen von männlichem Leistungsdruck, von Männerfreundschaften, Söhnen und ihren Vätern. Sie ergründen die Kapitalisierung von Männlichkeit, beschreiben Intimität und Verlust.»

Ach, und wem das noch nicht reicht: ein gewisser Kim Irgendwas schreibt auch einen Beitrag. Wir nehmen mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis: das Eierattentat scheint er ohne Schreibstau überstanden zu haben.

Dann wird der Tagi aber recht locker: «Ferien, das ist Sex mit Vorspiel». Aber hallo. Die Prostitution wird mal wieder entzaubert: «Kein anderer Job macht Menschen so kaputt». Dabei sehen viele Feministen «Sexarbeit» als Ausdruck weiblicher Selbstbestimmung.

Alexandra Bröhm will mit einem weiteren (männlichen) Vorurteil aufräumen. Der Unterteilung in jagende Männer und sammelnde Frauen in dunklen Vorzeiten. Stimmt gar nicht, sagt Bröhm. Beweis: in ein, zwei Gräbern seien die Überreste von Jagdwaffen gefunden worden. Bei weiblichen Skeletten. Wahnsinn. Die Geschichte des Neandertalers muss umgeschrieben werden. Denn: «Frauen sind Jägerinnen». Eigentlich hätte auch das generische Maskulin gereicht, aber «Frauen sind Jäger» käme einer Autorin natürlich nie in die Tastatur. Obwohl die feminine Verdoppelung etwas leicht Pleonastisches hat. Aber frau und schreiben …

Zurück in die Jetztzeit und zu einem ganz üblen, frauendiskriminierenden Ausrutscher. Ein weiterer Beitrag zum Thema: ein männlicher Politiker würde niemals so beschrieben werden. Wie? «Yolanda Díaz ist …» kompetent, charismatisch, durchsetzungsfähig, engagiert? Aber nein, ist zuallererst und zuvorderst «modebewusst».

Wahnsinn, und das im Tagi. Aber danach kommen nun sicherlich Beschreibungen ihrer politischen Fähigkeiten: Nun ja: sie ist «modebewusst, meist gut gelaunt …» Man stelle sich diese Beschreibung eines spanischen Politikers –männlich – vor. Noch nie gelesen? Eben. Aber aller schlechten Dinge sind drei, nun wird vielleicht noch die Intelligenz, die klare politische Linie der Politikerin erwähnt? Fast: sie «ist modebewusst, meistens gut gelaunt – und erfolgreich».

Aha. Erfolgreich, weil modebewusst und immer lächelnd? Kämpft sie etwa mit den Waffen einer Frau? Als Schlusspointe zitiert der Tagi sogar die Konkurrenz von rechts: «Rechten Medien wie der Zeitung «El Debate» gilt Yolanda Díaz schon als Sanchez’ Geheimwaffe, ihr Lächeln als ihre schärfste Munition.»

Dass das spanische Machos so sehen, mag ja noch angehen. Aber der sensible Tagi, mit seitenlangen Erklärungen über gendergerechte Sternchensprache immer zur Hand, sofort auf den Barrikaden, wenn es angeblich überkommene Frauenbilder und Geschlechterrollen zu kritisieren gilt? Und dann das?

Hat das Raphaela Birrer gesehen? Ist das für Kerstin Hasse feministisches digitales Storytelling? Entspricht das ihrer Forderung nach «kompletter, ehrlicher und offener Gleichstellung»? Wildes Gefuchtel ist einfach. Genaues Hinschauen im eigenen Laden, nun ja. Wahrscheinlich ist die (weibliche) Chefetage schon in den Familienferien, hoffentlich ohne Flugscham.

Ich, ich, ich

Unseren täglichen Rassismus gib uns heute.

Der Lieblingssong vieler Journalisten muss «I and I» von Bob Dylan sein. Allerdings sind die meisten nicht gebildet genug, um den zu kennen. Auf jeden Fall nimmt die Betrachtung des Bauchnabels einen immer wichtigeren Bestandteil der täglichen Arbeitsimitation ein.

Dabei werden täglich neue Rekordversuche aufgestellt. Während der Journalist gemeinhin seinen eigenen Bauchnabel betrachtet und über dessen Befindlichkeit, Zustand, Grösse, Farbe und Veränderung seit gestern Auskunft gibt, stellt Sandro Benini im «Tages-Anzeiger» eine neue Perspektive in den Raum.

Ein Journalist betrachtet einen anderen Journalisten beim Betrachten dessen Bauchnabels. Konkret geht das so, dass Benini über eine Kollegin von «Finanz und Wirtschaft» schreibt – «die wie diese Zeitung zu Tamedia gehört». Diese Journalistin hatte getwittert: «Welcome to my Alltagsrassismus». Dieses merkwürdige Kauderwelsch entging nicht dem geschulten Augen Beninis, der sofort eine Story witterte, die man der Weltöffentlichkeit nicht vorenthalten kann.

Also bastelte er einen «Kopf des Tages» daraus, mit dem anklagenden Titel: «Sie hört pro Woche einen rassistischen Spruch». Denn sie sieht nicht wie ein reinrassiger Schweizer aus, wobei noch zu klären wäre, wie der aussähe. Seine Kollegin ist hingegen «Tochter einer Amerikanerin mit koreanischen Wurzeln und eines Schweizers jüdischen Ursprungs».

Wir ersparen es Benini, diesen Satz einem Spezialisten für Diversity, Gendern und der Beurteilung von Inklusionen sowie Exklusionen und rassistischen Untertönen zur Beurteilung vorzulegen. Wir schliessen aber gerne Wetten ab, dass der (oder die oder es) einige Ansätze für Kritik sähe. Alleine «koreanische Wurzeln, jüdischer Ursprung», also wirklich.

Wie auch immer, ihr Aussehen provoziert offenbar Dumpfbacken dazu, anzügliche Bemerkungen zu machen. Behauptet sie. Wie sie sich wohl jede attraktive Frau (und auch viele nicht attraktive) immer wieder anhören muss. Nur haben die in ihrem Fall bedauerlicherweise gelegentlich auch rassistische Konnotationen. Behauptet sie.

Das ist ein sicherlich ärgerliches Begleitbrummen im Leben. Aber wirklich berichtenswert in allen Kopfblättern des Tagi? Muss nun wirklich jeder (und jede) jegliche Form von Diskriminierung, Alltagsrassismus, alle dummen Sprüche, zu denen leider minderbemittelte Mitbürger in der Lage sind, in den Schrumpfzeitungen ausbreiten, die eigentlich wichtigere Themen zu behandeln hätten?

Ist solcher Pipifax wirklich einen Artikel wert? Als René Zeyer im Appenzell lebte, schmiss ein Bekannter meines Nachbarn jeden Sonntagmorgen den Rasenmäher an und mähte nicht nur dessen Magerwiese nieder, sondern auch meine. Als ich mir das verbat und darum bat, auch beim Nachbarn den Lärm wenigstens nicht um 8 Uhr morgens zu veranstalten, bekam ich die Antwort: «Bei uns in der Schweiz macht man das so

Wenn ich genauer darüber nachdenke, bin ich also auch ein Rassismusopfer. Ganz zu schweigen davon, was ich mir in der Schule anhören musste, als ich der schweizerdeutschen Krachlaute noch nicht mächtig war. Allerdings: sollte es mir in den Sinn kommen, jemals einen Tweet mit dem Titel «Welcome to my Alltagsrassismus» abzusetzen, wäre ich sofort bereit, mich psychologisch beraten und behandeln zu lassen.

Es ist eine zunehmende gesellschaftliche Erkrankung, ansteckender als Covid, Vogelgrippe und Schweinepest, dass sich jeder (und jede) als Opfer von irgendwas inszenieren muss. Fällt einem dazu trotz grössten Bemühungen nichts ein, kann man wenigstens stellvertretend leiden. Für die Schwarzen. Die Transen. Die Queeren. Die Frauen. Die Kinder. Die Ausländer. Die Inländer. Die Hybriden, Schwulen, Asexuellen, die People of Color, die Nachfahren von Sklaven, die Nachfahren von Sklavenhaltern, die Rastaträger, die sich kulturell aneignenden Rastaträger.

Die Moslems, Juden, Adventisten, Katholiken, Reformierten, Scientologen. Überhaupt für jede Minderheit. Für SVP-Wähler, Covid-Leugner, Verschwörungstheoretiker, Befürworter der Behauptung, dass Donald Trump der Sieg bei den Präsidentschaftswahlen geklaut wurde. Mohrenkopf-Esser, Trinker von koffeinfreiem Kaffee, Träger von Brioni-Anzügen. Denn auch all die sind Minderheiten; diskriminiert, verlacht, von Ausschliessung bedroht.

Keiner zu klein, diskriminiert zu sein. Jeder ist ein Opfer von allem und allen. Wer multiple Diskriminierungen vorweisen kann, ist dem einfach Diskriminierten deutlich überlegen. Väter sind Täter, Frauen sind benachteiligt und unterdrückt. Durch Sprache, in der Medizin, am Arbeitsplatz, durchs Kinderkriegen. Die blosse Zugehörigkeit zu irgendwas legitimiert das Leiden unter Diskriminierung. Das blosse Zusehen, sogar die Einbildung eines Leidens anderer reicht schon.

Eine Frau ist diskriminiert und Opfer. Eine dunkelhäutige Frau ist mehrfach diskriminiert und Mehrfachopfer. Eine lesbische, dunkelhäutige Frau mit Migrationshintergrund und Endometriose ist multipel diskriminiert und Fünffachopfer.

Dass angeblich von fürchterlicher Diskriminierung Betroffene, in deren Namen kräftig gelitten wird, sich häufig wundern, was offensichtlich wohlstandsverwahrloste Menschen sich einbilden, um etwas Farbe ins langweilige Leben zu kriegen, hält hierzulande niemanden davon ab, auch stellvertretend zu leiden. Wie Patti Basler. Wie diese Redaktorin der FuW. Wie so viele, wie viel zu viele.

Was noch fehlt: das Leiden an der Diskriminierung durch sich selbst. Zum Beispiel, ein Schwarzer, Pardon, eine Person of color, sagt zu sich selbst: als Schwarzfahrer bist du immer der Neger. Damit hat er sich selbst diskriminiert, exkludiert und das Ganze erst noch mit einem rassistischen Unterton und unter Verwendung eines Pfui-Worts. Und jetzt? Muss er sich vor sich selbst fürchten? Einen Sensibilisierungskurs besuchen? Hundert mal in sein Smartphone tippen: ich darf nie mehr Neger sagen? Patti Basler, stellen Sie sich das vor und helfen Sie!

Es ist so ein Elend in der Schweiz, dass es jedes Bürgerkriegsopfer der Dritten Welt, jede Mutter mit einem verhungernden Kind auf dem Arm in Afrika mit tiefem Schmerz und Mitgefühl erfüllen muss.

Was geht in Hirnen unter Haaren vor?

Früher litten Langhaarige, heute Dreadlocks-Träger.

Ein Phantomschmerz geht um. Also genauer ein «Unwohlsein». Es äussert sich in anonymen Rülpsern, und es trifft ausserhalb der «Republik» auf einhellige Ablehnung. Dort wird um Differenzierung gebeten und um den Begriff «kulturelle Aneignung» herumgeeiert.

Aber bei Menschen, die im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sind, ist die Meinung einhellig: Wer etwas dagegen hat, dass Menschen welcher Hautfarbe, Rasse, Geschlechts, Alters oder Landeszugehörigkeit ihre Haare so tragen wie es ihnen passt, ist ein reaktionärer, rassistischer Idiot.

Ältere Leser erinnern sich noch, dass es eine Zeit gab, als «Langhaarige» in haarige Situationen gerieten. Sie wurden gerne in gewissen Kreisen aufgefordert, sich einen «anständigen» Haarschnitt verpassen zu lassen. Sie lösten damit gelegentlich auch hysterische Reaktionen aus, wurden aufgefordert, sich zu verpissen. Das waren die Zeiten, als man auch schnell Gefahr lief, «Moskau einfach» zugerufen zu bekommen.

Das mit «Moskau einfach» ist etwas aus der Mode gekommen, aber Kritik an Haartrachten feiert ihre Wiederauferstehung. Allerdings, sonst wäre es ja kein schlechter Witz, pflegten vor allem Konservative und Rechte das Tragen langer Haare zu kritisieren. Neuerdings sind es Alternative und Linke, die allergisch auf gewisse Arten, das Haupthaar zu tragen, reagieren.

Sie selbst haben unter ihren Haaren, so noch vorhanden, meistens einen Hohlraum, der mit wenigen Hirnzellen und vielen unverdauten Absichten, möglichst gut und gerecht zu sein, angefüllt ist. Dazu gehört natürlich, dass niemand auf dieser Welt diskriminiert werden darf. Nicht wegen seines Geschlechts, auch nicht wegen seiner Hautfarbe, keinesfalls wegen seiner körperlichen Befindlichkeit. Dick, dünn, gepflegt, ungepflegt, auch beispielsweise gefärbtes, zum Punk-Stachel gegeltes, teilweise rasiertes, zu kunstvollen Knoten verwobenes Haupthaar, auch getöntes, geföntes oder gelocktes, echtes oder falsches, muss toleriert werden.

Aber, so schaut’s aus, es gibt eine Ausnahme. Geboren aus dem Missverständnis, dass Dreadlocks der Ausdruck einer bestimmten Musikrichtung seien und eigentlich nur von Jamaikanern getragen werden dürfen, bürgert sich ein, dass weisse Träger dieser Haartracht diskriminiert werden. Immerhin unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihrer Nationalität.

In Bern traf es Schweizer, nun in Zürich einen Österreicher. Die Begründung für solche Diskriminierung von Künstlern ist immer die gleiche. Irgend welche anonyme Verpeilte hätten angeblich ihr «Unwohlsein» geäussert ob dieser angeblichen «kulturellen Aneignung». Es ist denkbar, dass diese anonymen Spassbremsen dabei einen Poncho tragen, sich mit einem japanischen Sonnenschirm beschatten, einen Mojito schlürfen, in eine Kartoffel beissen, den Kaffee aus einer Porzellantasse trinken. Also «kulturelle Aneignungen» im Multipack begehen.

So wie jeder von uns das ständig tut, ohne dass das jemanden stören würde. Ausser, in der verzweifelten Suche nach geliehenem Leiden in der eigenen, ärmlichen und langweiligen Existenz, kommt jemand auf die hanebüchene Idee, sich beim Anblick eines weissen Dreadlocks-Trägers plötzlich «unwohl» zu fühlen.

Der Betroffene (generisches Maskulinum, gell) könnte nun sich übergeben, mit einer angeeigneten Cola den Magentrakt durchspülen oder aber, solange die Teilnahme an einem Konzert noch freiwillig ist, das Weite und frische Luft suchen, um sein Unwohlsein auszukurieren.

Diejenigen, die er mit seinem Unwohlsein belästigt, könnten ihm eine Kotztüte zuhalten, ihres Mitgefühls versichern, ihm den Vogel zeigen oder sich fürsorglich erkundigen, ob es Probleme mit dem Medikamentennachschub gebe.

Stattdessen eiert nun der Veranstalter des nächsten Festivals, an dem Dreadlocks getragen werden könnten (von Musikern. Von weissen Musikern. Von weissen Musikern, die Reggae spielen. Pfuibäh), unsicher rum, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet:

««Wir haben uns als Organisationskomitee noch keine abschliessende Meinung zum Thema gebildet», sagt Co-Präsident Kevin Heutschi auf Anfrage, «und wir fühlen uns auch noch nicht in der Lage dazu. Zuerst wollen wir uns informieren.»»

Es gelte aber «im Zweifel für den Künstler», murmelt der SP-Veranstalter des Röntgenplatzfestes, aber er weiss, was er ein paar Fundamentalisten unter seinen Festivalbesuchern schuldig ist: «Eines ist für Heutschi und das OK hingegen klar: «Wir müssen inklusiver und diverser werden.»» Denn bislang stünden vor allem «weisse Menschen, die meisten von ihnen Männer, auf dem Programm. Das müsse sich ändern.»

Wir bei ZACKBUM haben’s einfach. Hier schreibt nur ein alter, weisser Mann. Plus gelegentlich ein paar andere weisse Männer. Wir sehen aber überhaupt nicht ein, wieso wir «inklusiver» oder gar «diverser» werden müssten. Denn wir sind der altmodischen Auffassung, dass es völlig egal ist, wie der Autor eines Textes aussieht, welches Geschlecht, welche Hautfarbe, welche Haarfarbe, wie viele Zähne, Finger oder Zehen er hat. Wenn der Text gut ist, ist das alles egal. Ist er schlecht, rettet mehr Inklusivität oder Diversität auch nichts.

Eine non-binäre Drag-Queen, die entweder asexuell werden will oder sich einer Geschlechtsumwandlung unterziehen, ist als Autor eines guten Textes jederzeit willkommen. Ist der Beitrag scheisse, dann wird er, nicht der Urheber, gnadenlos diskriminiert.

Oder anders formuliert: es gab mal Zeiten, da wurde ein Musiker nach der Qualität seiner Musik bewertet. Aber das waren noch Zeiten, bevor Vollidioten an die Macht kamen.

Wumms: Patricia Purtschert

Die Professorin für Geschlechterforschung ist nicht ganz dicht.

Bevor uns hier Machotum, männliche Arroganz, Diskriminierung und Schlimmeres vorgeworfen wird, bevor uns die bewegten Tamedia-Frauen in ihre Liste demotivierender Männersprüche aufnehmen: wir können’s beweisen.

Die nächste Fasnacht kommt bestimmt, und da gehört es zum guten Brauch, sich zu verkleiden. Wer das mag. Als Indianer, Pilot, Pirat, Mexikaner. Als Alien, Banker, Asiate oder, da wird’s aber schon heikel, Schwarzer.

Warenhäuser bieten entsprechende Kostüme an. Wie jedes Jahr, wenn nicht gerade Corona den Spass verdirbt. Dieses Jahr scheint Corona abzutreten, dafür tritt aber Frau Professor Purtschert an:

«Derartige Kostüme verbreiten rassistische und sexistische Vorstellungen. Eine Sortimentsbereinigung von Händlern wie Migros, Coop und Manor ist überfällig.»

Wollen wir uns kurz voller Abscheu einigen Beispielen zuwenden? Ein Sombrero, ein Indianerkopfschmuck, das ist «kulturelle Aneignung». Pfui. Ein «Herrenkostüm Asiate» besteht aus einem Kimono. Rassistisch. Bäh. Es geht aber noch schlimmer.

So ist bei einem Anbieter das Indianerkostum für Männer schlicht gehalten, das für Frauen wird mit dem Namen «Sexy Cheyenne» angepriesen. Mitsamt knappem Röckchen! Dabei gibt es doch keine sexy Cheyenne. Oder wenn, wieso dann keine sexy Indianer? In beiden Fällen ist’s aber kulturelle Aneignung. Rassistisch. Und sexistisch. Triple X, sozusagen.

Indianer kennen keinen Scherz.

Was ist die Lösung? Wie kann man sich als Geschlechterforscher*In* verkleiden? Soll man sich mit Gendersternchen behängen? Oder nein, warum nicht so: man geht als Nichts. Als geschlechtsloses, aussageloses, nicht-binäres, nichts diskriminierendes, nichts ausgerenzendes Wesen. Wie das aussieht?

Keine Ahnung, fragt doch Frau Professor.

Frauen, aufgepasst: Lebensgefahr!

Neben den Redaktionen von Tamedia, dunklen Nebenstrassen und selbst in der eigenen Wohnung gibt es eine neuentdeckte Gefahrenquelle.

Zungenverknotung beim richtigen Aussprechen des Wortes Opfer*In**? Nein, das Thema ist ernst, die Gefahr gross, bislang noch nicht richtig im Bewusstsein der Öffentlichkeit angekommen.

Aber, wer sonst, Tamedia benennt Ross und Reiter. Nun gut, vielleicht nicht das richtig passende Bild. Aber nachdem der interne, nach aussen getragene Protest offenbar verröchelt ist – sagt da jemand wankelmütige Frauen? –, kann man sich mit frischer Energie anderen potenziell tödlichen Formen des patriachalischen Sexismus widmen. Denn der tobt nicht nur im gläsernen Hauptquartier von Tamedia an der Werdstrasse.

Es gibt eine noch viel allgemeinere Form; bedauerlich, dass Tamedia dafür den Input einer Journalistin der «Süddeutschen Zeitung» braucht; wie konnte das den über 100 Frauen entgehen, die das Protestschreiben unterzeichneten – statt vielleicht mal ihrer Arbeit nachzugehen?

Lebensgefahr, titelt Tamedia, «Autos oder Klimaanlagen werden immer noch für Männer gebaut», weiss SZ-Journalistin Laura Weissmüller. Genauer gesagt, sie weiss es nicht, hat’s aber gelesen. Denn eine gewisse

«Rebekka Endler ist wütend. Sehr, sehr wütend. Kaum eine Seite in ihrem Buch kommt ohne Ausrufezeichen aus, gerne auch in der Variante eines Interrobangs, der Mischung zwischen Ausrufe- und Fragezeichen. Sie schreibt in Versalien, um ihren Erregungszustand zu verdeutlichen».

Ja was bringt die arme Frau denn so in Wallungen? Hormonelle Unausgeglichenheit? Aber nein: «Weil der Mann, schreibt sie, genauer der weisse Cis-Mann, das Mass aller Dinge sei: «Männlich ist die Norm, weiblich die Abweichung von der Norm.»»

Wir stellen vor: das Interrobang. Wird sich auch nicht durchsetzen.

Was kann man da tun, ausser richtig wütend werden? Auch da weiss Endler Abhilfe: «Wenn die Nasenscheidewand so schief ist, dass der Mensch nicht mehr atmen kann, muss die Nase erst gebrochen werden, bevor es besser wird.» Da sage ich doch als Mann mit gerader Nasenscheidewand: au weia. Wenn das ein Mann als Metapher bei einem Frauenthema verwenden würde… Mit etwas Pech müsste er sich um eine gebrochene Nase keine Gedanken mehr machen.

Männliche Dummys ignorieren die Hälfte der Menschheit

Denn die Auswirkungen, dass Auto-Dummys lange Jahre nur in männlich zu haben waren, sind leider nur in toten Frauen zu messen. Wussten sie: «Wenn eine Frau unter 50 einen Herzinfarkt erleidet, ist ihre Sterbewahrscheinlichkeit doppelt so hoch wie für einen Mann aus der gleichen Altersgruppe.» Warum denn das? «Weil bei ihr die Symptome anders seien», was aber häufig nicht richtig diagnostiziert werde.

Autofahren, Herzinfarkt haben, überhaupt die Medizin. Aber es ist natürlich noch schlimmer: «In den Städten fehlt es an Sitzgelegenheiten zum Ausruhen genauso wie an öffentlichen Toiletten – gerade für all diejenigen, die kein Pissoir benutzen können.» Sind denn Frauen wenigstens am Arbeitsplatz einigermassen geschützt, also ausserhalb von Tamedia? Ein klares Nein, denn so weiss frau,

«auch Raumtemperatur ist sexistisch».

Dabei ist sie doch gendermässig eindeutig weiblich. Aber in den USA sei die Standardbürotemperatur 21 Grad. Frauen haben’s aber, weiss man, lieber kuschelig wärmer. Bei 21 Grad gilt: «Kreative Arbeit, lernen, sprechen, alle intellektuellen Fähigkeiten sind quasi auf Eis gelegt, wenn Menschen frieren.» Wenn Frauen frieren.

Das ist nun wahrhaft diabolisch; was ergeben eigentlich Temperaturmessungen bei Tamedia? Etwa auch 21 Grad? Gut, das wäre eine Erklärung  für die auf Eis gelegten intellektuellen Fähigkeiten. Sind damit die Abgründe der zutiefst menschenverachtenden männlichen Perspektive im Design, in der Herstellung von Gebrauchsgegenständen, schon ausgeleuchtet? Fast. Denn nach schlimm kommt immer schlimmer.

 

«Es ist die klar feministische Perspektive auf das Design und all seine Verästelungen, die diese eklatante Fehlstellung, den blinden Fleck auf dem Skizzenblock der Gestalter zutage fördert. Wobei ja nicht nur Frauen ausser Acht gelassen werden, wenn nur ein gesunder, mittelalter weisser Mann als Ausgangspunkt für den Entwurf genommen wird. Alte und Kranke fallen nicht darunter, Menschen mit anderer Hautfarbe und Transgender auch nicht.»

Design nur für den mittelalten gesunden Mann

Genau. Meinen die männlichen Designer eigentlich, mit einer Schere für Linkshänder sei es getan? Wo bleibt der Schlagbohrer für einarmige uralte Transgender? Das Springseil für Rollstuhlfahrer? Trainingseinrichtungen für Bettlägerige?  Farbfernseher für Blinde? Autos, wo der Schminkspiegel nur hinter der linken Sonnenblende steckt? Tastaturen mit allen weiblichen Sonderzeichen?

Das fordere ich vehement. Als gesunder, mittelalter weisser Mann, der sich dafür schämt, so privilegiert zu sein. Ich bin gerade meine Gallenblase losgeworden, gilt das wenigstens als mildernder Umstand? Oder hätte ich mich beschweren müssen, dass es sicherlich keine Operationswerkzeuge speziell für Frauen gibt. Und der Chirurg war auch ein Mann. Die Krankenschwester hingegen entweder weiblich oder mindestens Transgender. Aber als Mann war ich wenigstens nicht in Lebensgefahr.

 

Ein Mann, ein Wort

In dieser mit allen Tricks und Untergriffen geführten Debatte braucht es eine klare Position.

Was 12 Prozent aller weiblichen Angestellten von Tamedia mit einem einzigen Schreiben hinkriegen: das Thema Frauendiskriminierung, Sexismus in den Medien ist mal wieder in aller Munde.

Worum geht es? Wohl jeder, ich auch, hat schon glaubhafte Beschwerden von weiblichen Angestellten gehört, dass ein Vorgesetzter unter Ausnützung seiner übergeordneten Stellung unsittliche Angebote gemacht hat. Das gemeinsame Abendessen zum «Kennenlernen». Bei Kerzenlicht. Der forsche körperliche Übergriff beim gemeinsamen Glotzen in den Bildschirm. Die anzügliche, nach Altherrenmief riechende Bemerkung.

Wir sind uns wohl einig, was widerlich und übergriffig ist

Oder noch übler: das Ankündigen einer Positionsverbesserung, vorausgesetzt, die Person im Abhängigkeitsverhältnis sei bereit, ihre Kenntnisse in Positionen vorzuführen, vielleicht in Nylons? Begleitet von anzüglichem Blick und schmierigem Lächeln. Wem es dabei nicht übel wird, ist wirklich ein Idiot.

Männerfantasie oder konsensuale Erotik.

Das alles ist widerlich, verachtenswürdig, muss sanktioniert, publiziert, denunziert werden. Dafür muss es entsprechende Strukturen geben, die allen Beteiligten die Möglichkeit zur Stellungnahme gibt, verifiziert oder falsifiziert und entsprechende Autorität zum Sanktionieren hat.

Handelt es sich möglicherweise um ein gröberes oder – wie man neudeutsch sagt – strukturelles Problem, dann hilft nur eine unabhängige Untersuchung von aussen. Wie zum Beispiel exemplarisch bei der deutschen «Bild», wo der Chefredaktor schwer in den Kugelhagel von diversen Vorwürfen geraten ist. Nun soll die renommierte Firma Freshfields Klärung bringen. Von aussen natürlich.

Das ist, ebenso wie bei Sexualdelikten in der Ehe oder allgemein mit nur zwei Teilnehmern, eine heikle und schwierige Angelegenheit. Genau wie das Opfer, meistens weiblich, aber nicht immer, die Opferrolle nur spielen kann, während der Täter in Wirklichkeit keiner ist, gibt es natürlich auch das Umgekehrte. Aber wie beiden Beteiligten gerecht werden?

Wer ist Täter, wer Opfer? Nicht das einzige Problem

Das ist ein Problem. Viel gravierender ist aber ein anderes. Sexuelle Belästigungen jeder Art, von wem auch immer, gegen wen auch immer, Diskriminierung aus welchen Gründen auch immer, das ist widerlich, ein Kampffeld, verdient Verachtung und Bestrafung.

Genauso aber auch, ein überhaupt nicht sinnvolles Kriterium anzuwenden, um Quotengleichheit, angebliche Gleichberechtigung und das Recht, jeden Zweifel an Anklagen als weiterer Ausdruck von Diskriminierung zu denunzieren, für sich in Anspruch zu nehmen.

Das ist schlichtweg Unsinn, negative Diskriminierung, eine Waffe im Kampf um bessere Positionen, mehr Geld, mehr Einfluss, mehr Macht.

Es ist das übliche rassistische Missverständnis, nur auf den Kopf gestellt.

Der da drüben ist blöd. Warum? Weil er dunkler Hautfarbe ist. Absolut bescheuerte Korrelation von zwei Eigenschaften, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Vor allem nicht im individuellen Fall.

Selbstverständlich gibt es auch Dunkelhäutige, die blöd sind. So wie es Blödis jeder Hautfarbe, in jeder gesellschaftlichen Stellung, in jedem Land, in jedem Alter – und bei jeder sexuellen Zuordnung oder Einordnung oder Selbstempfindung gibt.

Blöde gibt es überall, falsche Verknüpfungen aber auch

Es ist aber schlichtweg unlogisch, unhaltbar, eine contradictio in adjecto, ein Widerspruch in sich selbst, ein Junktim zu knüpfen nach dem Modell dunkelhäutig = dumm. Das Gleiche gilt für weiblich = diskriminiert. Das gilt noch mehr für weiblich = alleine berechtigt, sich als Opfer zu empfinden.

Das denaturiert und degeneriert zu diesen altbekannten Hilfskonstruktionen: hier wird nicht eine Tätigkeit oder ein Resultat kritisiert, sondern das Geschlecht der Tätigen ist ausschlaggebend. Der berühmte Satz zum männlichen Vorgesetzten: das kritisiert du nur, weil ich eine Frau bin. Oder der noch dümmere Satz: das kannst du als Mann gar nicht beurteilen.

Wenn nur gemeinsame, willkürlich gewählte Eigenschaften einen weitgehend herrschaftsfreien Diskurs zulassen würden, dann wäre Ende Gelände mit gesellschaftlicher Debatte zwecks Erkenntnisgewinn und Verbesserung der Welt.

Die Problematik der anonymen Beschwerde

Eine ganz üble Rolle spielt dabei die anonyme Anklage, die anonyme Beschreibung eines Übergriffs, einer Diskriminierung via Geschlecht. Greifen wir aus der jüngsten Auflistung ein Beispiel heraus: «Bis heute finden Kollegen es lustig, Sätze zu sagen wie:

«Da bei dir im Hintergrund schreit ein Kind, habe ich das mit dir gezeugt?»»

Gibt es solche Idioten wirklich bis heute? Im Plural? Wie heissen die? Gibt es mehr als eine Zeugin? Wieso wurde das nicht auf den vorhandenen Kanälen denunziert? Wurde das vielleicht nur deswegen aufgeführt, weil es das perfekte Titelquote abgibt, das dann auch prompt der «Spiegel» verwendete?

Wenn man diese Fragen stellt, wenn man das ganze Vorgehen für höchst problematisch hält, kann man dann auch guillotiniert werden, da man offenbar ein Sexist, Macho, Patriarch mit einem mittelalterlichen Frauenverständnis sei? Das kann ganz leicht passieren.

Gefangen im System

Und das ist dann die dritte und letzte Absurdität. No way out. Innerhalb dieses Systems kann man nur zustimmen. Oder schweigen. Aber Widerspruch welcher Art auch immer ist nicht möglich. Damit wären wir wieder völlig im Bereich des Glaubens, des Kanons, der unbezweifelbaren und nicht hinterfragbaren absoluten Wahrheiten angelangt.

Wohin das führt, wissen wir aus der Geschichte mehr als genügend. Hinzu kommen in diesem aktuellen Tamedia-Fall noch eine ganze Reihe von Ungereimtheiten, Merkwürdigkeiten, Gruppenzwängen, Wortführerinnen und Mitläuferinnen, die wir noch aufarbeiten werden.

Da hier der Besitz der einzig richtigen Wahrheit zu Hause ist? Aber nein. Im Gegenteil. Hier ist der Zweifel, das Hinterfragen, die Kritik an zu leicht Akzeptiertem zu Hause.