Darf man das?

Der «Stern» wird hemmungslos und haltlos.

Es ist Ausdruck der deutschen Gemütslage, dass sich der «Stern»-Chefredaktor (wie heisst der schon wieder, und muss man sich seinen Namen merken) im Editorial darüber verbreitern muss, dass man es gewagt habe, die AfD-Politikerin Alice Weidel zu interviewen – statt sie einfach zu ignorieren.

Nicht nur das, wenn schon, denn schon. Die Dame kommt aufs Cover. Unvorteilhaft fotografiert, aber immerhin. Der Hintergrund ist ein stählernes Grüngrau, vor dem eigentlich jeder Mensch unsympathisch wirkt. Indem der Kopf leicht nach oben aus dem Bild ragt, während Hals, Hemd und Schultern dadurch verstärkt werden, bekommt die Frau zudem etwas Herrisch-Arrogantes. Indem die Augen weit oben stehen, wohl ein leichtes Weitwinkel zum Einsatz kam, wirkt das Gesicht zudem unproportioniert. Bild-Demagogie vom Feinsten.

Aber das reicht natürlich nicht. Dazu muss noch eine provokative Frage: «Was können Sie eigentlich ausser Hass, Frau Weidel?» Aber damit noch nicht genug. Das Wort Hass ist in Fraktur gesetzt. Nun hat man eine Schrift gewählt, in der das H eher nach Kleinbuchstaben aussieht. Wohl eine Walfra-Variante.

Mit dem Fraktur-H hat der «Stern» allerdings so seine Probleme:

Das war der grösste Flop aller Zeiten, sozusagen der Gröfaz des «Stern». Damals gab es vor allem ein Problem mit dem Buchstaben vornedran. Denn das H könnte tatsächlich für Hitler stehen, aber das F? Für Fritzli Hitler? Der Fälscher hatte gerade kein Fraktur-A zur Hand …

Aber wie auch immer, was will uns der «Stern» damit sagen, das Wort «Hass» in Fraktur zu setzen? Er will damit wohl eine Assoziationslinie zum Nationalsozialismus schaffen, der Fraktur verwendete. Allerdings nur eine Zeitlang, anschliessend wurde sie ersetzt und die Schwabacher beispielsweise als «Judenschrift» beschimpft. Also alles etwas komplizierter, als es der einfältige «Stern» weiss.

Aber immerhin, im Gegensatz zum «SonntagsBlick» ist es dem «Stern» gelungen, ein Interview im gegenseitigen Einverständnis über die Ziellinie zu schaukeln.

Damit kein Zweifel an der Position des Blatts bleibt, kann es noch diesen Herrn bieten:

Der darf hier sülzen: «Ich genieße die Meinungs-, Presse- und Kulturfreiheit. Sie auch? Meine Augen glänzen, und ich empfinde Glück, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Sie auch

Über den ehemaligen Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland hatte der gleiche «Stern» 2003 unter dem Titel «Kokain und Prostituierte: Der Fall Friedman» berichtet. Es war herausgekommen, dass der Medienstar Koks konsumiert und sich mit ukrainischen Prostituierten in Hotels verlustiert hatte. Da war ihm die Würde des Menschen – die Frauen wurden von einem osteuropäischen Zuhälterring ihren Kunden zugeführt – herzlich egal. Und seine Augen glänzten damals eher im Drogenrausch.

Das alles ist doch recht unappetitlich vom «Stern». Vielleicht hilft zur Einordnung eine Entwicklung. 1995 betrug die verkaufte Auflage des «Stern» 1’250’000 Exemplare. 2008 war sie auf 960’000 abgesackt. 2015 fiel sie unter 750’000. Im Jahre 2019 waren es noch 462’000. Und im letzten Jahr betrug sie noch 336’000.

Einen vergleichbaren Sinkflug hat in der Schweiz eigentlich nur der «SonntagsBlick» hingelegt. Verkaufte er 2008 noch 261’000 Exemplare, waren es zehn Jahre später noch 148’000. Inzwischen dümpelt er um die 100’000 herum.

Es wäre interessant, den Parallelen in diesen Niedergängen nachzuspüren. Zunehmender Analphabetismus ist daran sicherlich nicht schuld …

 

12 Kommentare
  1. Frederic Davide
    Frederic Davide sagte:

    «Was können Sie eigentlich ausser Hass, Frau Weidel?»
    Im Vergleich zu Olaf S. aus H. könnte sie Kanzler. Das wäre doch schon mal was.

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  2. René Küng
    René Küng sagte:

    Danke, wie (fast) immer auf die Richtigen den Scheinwerfer gerichtet, es gibt ja leider MEHR als genug Widerwärtiges. Das Interview vielleicht gegengelesen und freigegeben, aber selbst die toughe Seidel hat wohl nicht damit gerechnet, dass sie über die Titelseite SO verarbeitet wird.

    ‹Meine Augen glänzen, und ich empfinde Glück, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Sie auch?› ist nur eine der Zumutungen zur Zeit (Gesülze ist da schon Verharmlosung, aber das ist ja auch verboten).
    Die ukrainischen Damen von 2003 fliessen da locker in den kurzen Text ein, als Randnotiz über die westlichen Freiheiten und Wohlstand an denen das befreite Land partizipieren durfte…

    Die Verlockung wär gross, die Auflagenschmelze der Eiszeit-Medien als Hoffnungsschimmer zu lesen. Aber die Riesen-Investitionen der Digitalen Inquisitoren, die dem Fallbeil noch den Feinschliff geben, was in Zukunft noch an die physisch oder mental Gechipten durchdringen darf, machen nicht grad optimistisch.
    Unsere Viola hinter dem Zensur-Herd ist ja auch eifrig dran, Steuergelder zu verbraten, um die Steuerzahler vor fake news zu schützen.
    Freude herrscht, wenn Sie&Co bestimmt, was uns als ‹Wahrheit› ins Hirn gestriemt wird.
    Ohne Gegenrede.

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  3. H.R. Füglistaler
    H.R. Füglistaler sagte:

    Alice Weidel ist und bleibt die absolute Klassefrau.
    Gefolgt von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer.

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  4. Jürg Casanova
    Jürg Casanova sagte:

    Ein Blatt, das gefakte Hitler-Tagebücher dem saturierten Bürger zum Frass vorwirft, wird nicht, sondern ist hemmungs- und haltlos. Das neuste Cover ist an Perfidie kaum zu überbieten. Da wird die Chefin einer demokratischen Partei, die über ein Programm verfügt, das in weiten Teilen jenem der CDU von vor zwei Dezennien entspricht, als Nazi hingestellt. Frau Weidels Gesicht, verbunden mit dem Wort Hass in einer Schrift, die an den Nationalsozialismus erinnern soll, will die Leser belehren, dass Frau Weidel Hass verbreite und rechtsextrem, also ein Nazi sei. Im trostlosen deutschen Bundestag werden unsinnige und wirtschaftsfeindliche Gesetze einfach durchgewunken, einzig die AfD wehrt sich vergeblich gegen den Bürokratie-Tsunami, wobei Frau Weidel in ihren Reden jeweils beweist, dass sie den grün-linken Parteisoldaten turmhoch überlegen ist. Darum versucht man sie und ihre Partei mit übelsten Methoden fertigzumachen und offenbart nebenbei, dass die eigene Gesinnung eben genau jene ist, die man dem Gegenüber unterstellt. Möglicherweise hat man Frau Weidel das Interview ja zum Gegenlesen vorgelegt, aber vermutlich verschwiegen, wie das Titelblatt gestaltet wird. Da in Deutschland auch die Justiz bis ins Mark korrupt ist, würde eine Klage nichts bringen, doch die stümperhafte Propaganda des Sterns dürfte der AfD ein paar Prozentpunkte mehr bringen.

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  5. Noah Fetter
    Noah Fetter sagte:

    Hitler hat nicht nur die Schwabacher abgeschafft, sondern auch die Fraktur. Wie alle Diktatoren wollte auch er «modernisieren». Als der Völkische Beobachter, das Zentralblatt der NSDAP, nicht mehr mit einem Fraktur-Titel erschien, galt das weitherum als Aufbruch in eine neue Zeit. In Zürich erschien nun auch der TagesAnzeiger-Titel plötzlich in einer Serifen-Schrift; sie wurde aber spätestens nach Stalingrad in eine Fraktura zurückgewandelt. Die NZZ hingegen blieb klar bei der Fraktura.
    Dass der «stern» die Fraktura mit dem Nationalsozialismus gleichsetzt, ist ein Hinweis darauf, dass er aus dem Tagebuch-Skandal nichts gelernt hat. Schon damals, als der Skandal aufflog, war darauf hingewiesen worden, dass Hitler seine Tagebücher wohl kaum mit einem Fraktura-Monogramm versehen hätte.
    Des stern’s läppischer Versuch, die AfD in Richtung Nationalsozialismus zu rücken, ist ein weiterer Schritt in des stern’s Bedeutungslosigkeit – und eine Verharmlosung des Nazionalsozialismus.

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  6. Sam Thaier
    Sam Thaier sagte:

    Bereits mit der Aufnahme selber sollte Frau Weidel abqualifiziert werden. Vermute gar, dass das unvorteilhafte Portrait mit dem Photoshop-Tool «Perspektivische Verformung» nachbearbeitet wurde?

    Die RAW-Daten dieser Bilder müssten umgehend ausgeliefert werden, damit man diese gerichtlich überprüfen kann. Wer Bilder ohne Deklaration in dieser offensichtlichen Art manipuliert, muss zur Rechenschaft gezogen werden.

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  7. Beth Sager
    Beth Sager sagte:

    Diese Voreingenommenheit dieses «Stern»-Chefredaktors ein echter Skandal. Schon die Umsetzung des Titels soll Nazi-Attitude suggerieren. Auch die Bildaufnahme selber ist eine boshafte Bild-Demagogie.

    Die Auslieferung dieser Zeitschrift müsste eigentlich sofort verboten werden. Wenn Jolanda Spiess ein Buch über lange Zeit verbieten kann, so müsste auch Weidel gegen diese unvorteilhafte, demagogische Darstellung ihrer Person juristisch vorgehen.

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  8. Jürg Streuli
    Jürg Streuli sagte:

    In Deutschland ist der «Journalismus» noch weit tiefer gesunken als in der Schweiz und das will etwas heissen. Nach dem Siegeszug der AfD als Folge der verheerenden Politik der Ampel herrscht bei den linken deutschen Gutmenschen der absolute Ausnahmezustand. Die Wählerbeschimpfung hat gerade Hochkonjunktur. Das gilt verschärft für die Bürger der ehemaligen DDR, die für ihre Freiheit hart gekämpft haben. Die arroganten Westdeutschen verstehen die Demokratie bis heute nicht. Ach ja, Henri Nannen der langjährige Herausgeber und Chefredaktor des Stern, war Mitglied der Waffen-SS und verfasste antisemitische und rassistische Hetzschriften. Es kommt in Deutschland eben sehr darauf an, wer als «Braun» zu gelten hat.

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    • Victor Brunner
      Victor Brunner sagte:

      Es ist gut wenn die AfD Leute politische Verantwortung übernehmen, dann stellt sich heraus das sie ausser hetzerischen, rassisitischen und dummen Tönen nichts zu bieten haben. Weidel ist Beispiel dafür. Hetzt in Deutschland und zieht sich zur Entspannung an den Sihlsee zurück! AfD: Allianz für Demagogen!

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      • Slavica Bernhard
        Slavica Bernhard sagte:

        Ach Victor
        Machen Sie jetzt auch noch auf Hetze?
        Ein Land ohne Opposition im Parlament ist eine Diktatur. Und genau das wollen Sie doch nicht. Oder vielleicht doch?

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