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Wumms: Reza Rafi

Der Chefredaktor des «SonntagsBlick» lässt ungeahnte Bildung aufblitzen.

Ob ihm da alle seine Leser folgen können? Schon mit dem Titel seines Editorials begibt sich Rafi ins weite Gelände der nicht allen geläufigen Fremdwörter: «Sehnsucht nach der Disruption». Das versucht er immerhin, im Lead einzufangen: «Donald Trump und Elon Musk bewirtschaften geschickt das Bedürfnis nach einer Neuordnung der Gesellschaft.»

Allerdings ist Neuordnung nicht ganz das Gleiche wie Disruption. Aber item. Dann erinnert er sich gleich am Anfang an einen Film von Mel Gibson aus dem Jahr 2006. In «Apocalyptico», der zu Zeiten der Mayas vor 500 Jahren spielt und in der Originalsprache mit Untertiteln gedreht wurde, unglaublich brutale Szenen enthält und damit endet, dass während einer Verfolgungsjagd am Strand die Eingeborenen die ersten spanischen Schiffe am Horizont auftauchen sehen, erblickt Rafi ein Beispiel für Disruption:

«Das Auftauchen der Eroberer kündigt die brutale Umwälzung des herrschenden Gleichgewichts an – und steht sinnbildlich für einen Begriff, der besonders seit der erneuten Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten als Modewort um den Globus geht: Disruption.»

Wow, das ist mal eine Flughöhe. Aber Rafi hat noch mehr Bildungsgut in seinem Rucksack: «Woher aber kommt dieser Wunsch nach abruptem Wandel, der in der Begeisterung für Trump mitschwingt? Aus einem Gefühl der Schwäche … derselben Sehnsucht, mit der die geknechtete Seeräuber-Jenny in Bertolt Brechts Dreigroschenoper davon singt, dass demnächst ein «Schiff mit acht Segeln und mit fünfzig Kanonen» ihre Unterdrücker vernichten wird.»

Im Gegensatz zur sogenannten «Kulturredaktion» des Tagi schreibt er auch den Namen des Stückeschreibers richtig.

Geknechtet? Nun, es sind die Fantasien einer Dienstmagd, aber nicht ganz daneben von Rafi. So spielt er gross auf, sozusagen mit vollem Orchester und Bezügen quer durch die Kunst-, Kultur- und sonstigen Geschichte. Mayas von Gibson, Dreigroschenoper von Brecht, und dann auch noch Trump und Musk, was für ein Bogen.

Da erwartet man als Schlusspointe nichts weniger als ein Feuerwerk, das Klopfen des Schicksals an die Tür wie bei Beethovens Fünfter. Aber leider, leider, nach dem Höhenflug folgt die unsanfte Landung:

«Möglicherweise gibt es lediglich ein Disruptiönchen – weit weg vom weltgeschichtlichen Einschlag durch die spanischen Konquistadoren.»

«Weltgeschichtlicher Einschlag»? Nur ein «Disruptiönchen»? Da fliegt dann doch der Bildungsrucksack ins Lüftchen. Und wieso erwähnt Rafi nicht, dass Disruption eigentlich die Abspaltung der schottischen Freikirche von der schottischen Kirche im Jahr 1843 bezeichnet? Wenn man schon beim Geistreicheln und Bildungversprühen ist, fehlt doch dieser Hinweis schmerzlich.

Also ist Rafi vielleicht doch kein Bildungsbürger, sondern ein Bildungsbürgerchen.

Hoch die Flaschen

Colm Kelleher, UBS-Boss, macht die Bankenaufsicht FINMA zur Schnecke.

Der Ire ist ein mutiger Mann. Denn schliesslich könnte ihm die FINMA die Gewähr entziehen, die Lizenz zum Banking. Täte sie das, wäre er seine Stelle los. Aber das tut sie natürlich nicht, denn die Bankenaufsicht ist wohl die erbärmlichste staatliche Behörde, die die Schweiz hat. Unfähig, devot, zahnlos, gelähmt, ein Master of Desaster.

Dass die FINMA als Aufsichtsorgan über den Schweizer Finanzplatz versagt, ist längst erstellt. Dass sie ein Reihenversager ist, auch. Aber dass der mächtigste Banker der Schweiz in einem Interview im «SonntagsBlick» so über die herzieht, das hat historischen Wert.

Kelleher nimmt – auf Englisch – kein Blatt vor den Mund, was für einen Spitzenbanker erfrischend originell ist. Das war schon bei einem off-the-record-Treffen im kleinen Kreis so, wo er Sachen sagte, die man liebend gerne zitiert hätte.

Aber nun sagt er’s auch offiziell. Zunächst sieht er den Ankauf der Credit Suisse zum Schnäppchenpreis ganz anders: «Im Grunde genommen wickeln wir die CS für die Schweizer Regierung ab.»

Worauf er sich da eingelassen hat, das beschreibt der Boss mit offenen Worten: «In Teilen der Investmentbank der Credit Suisse gab es Cowboys, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht waren. Wir sahen, dass einige der Geschäfte, die sie tätigten, für die Bank keinen Sinn ergaben.»

Aber das war noch nichts gegen das völlige Versagen der CS-Führung, die Kelleher schonungslos geisselt:

«Am 12. Juni 2023, als UBS erstmals die volle Kontrolle über die CS hatte, habe ich mir die Briefe der Finma an den CS-Verwaltungsrat angesehen. Ich war – diplomatisch gesagt – sehr erstaunt. … Die Tatsache, dass die Credit Suisse diese Briefe erhielt und nichts oder zu wenig unternommen hat, ist unfassbar.»

Und die FINMA tat nichts dagegen – ausser Briefe schreiben.

Und wann fing das Elend der CS an? «Seit 2015 war es für mich offensichtlich, dass die Credit Suisse als eigenständiges Unternehmen nicht mehr überlebensfähig sein wird. Ihre Zukunft lag damals in meinen Augen in der Fusion mit einer anderen Bank. Ab Oktober 2022 bestand ihre Zukunft aus meiner Sicht nur noch in einer Notrettung. Ich verstehe also nicht, warum man acht Jahre gewartet hat, wenn ab 2015 die Warnzeichen da waren

Er sagt’s noch klarer: «Ich kam im März 2022 zu UBS. Wir waren wirklich besorgt, dass etwas passieren könnte. Wenn also wir uns Sorgen gemacht haben, warum dann nicht auch andere

Schon nach einer persönlichen Begegnung sagte ZACKBUM-Autor René Zeyer zu Kelleher, dass er sich nun viel beruhigter fühle. Das war nicht nur ironisch gemeint. Natürlich outet sich Kelleher auch in diesem Interview als strikter Gegner von starken Kapitalerhöhungen, was für einen Banker normal ist. Echtes Eigenkapital liegt bloss rum und kriegt keine Junge, eine Horrorvorstellung für jeden Finanzmenschen.

Aber seine Kritik an den haltlosen Zuständen innerhalb der CS, die offensichtlich die ganze Amtszeit des Oberversagerrats Urs Rohner andauerten, ist von entlarvender Brutalität. Und sogar mit der Bankenaufsicht, die eigentlich Herrin über ihn ist, legt sich Kelleher mit offenen Worten an.

Natürlich besteht er darauf, dass die Fehlentscheidungen im VR und in der GL der CS gefällt wurden, wo hochbezahlte Nieten gebannt auf ihren Bonus starrten – und eine Fehlentscheidung nach der anderen trafen.

Sie frisierten die Bücher dermassen, dass die US-Aufsichtsbehörden die Verschiebung eines Quartalsberichts erzwangen. Sie kassierten Milliarden-Boni für Milliardenverluste. Unter ihrer Verantwortung wurde das korrupte Entwicklungsland Mozambique in den Staatsbankrott getrieben. Die CS wusch Drogengeld der bulgarischen Mafia. Einem vorbestraften Finanzjongleur warfen sie Milliarden hinterher, ebenso einem flott schwätzenden Errichter eines Schneeballsystems namens Greensill. Dabei ruinierte die CS noch ihren Ruf bei vermögenden Anlegern, denen sie dieses windige Konstrukt schmackhaft machte.

Wenn laut Kelleher seit 2015 alle Alarmzeichen sichtbar waren, wieso taten dann Bankenaufsicht und Politik nichts? Wenn er sich schwere Sorgen machte und als erste Amtshandlung bei der UBS eine Arbeitsgruppe ins Leben rief, die sich mit dem möglichen Grounding der CS befasste, wieso tat das sonst niemand? Wieso tat das die FINMA nicht?

Worauf in den Interview gar nicht eingegangen wird: nach dieser Kette von Versagen setzte die FINMA noch ein letztes Glanzlicht, indem sie auf Geheiss des Bundesrats 17 Milliarden Dollar Wandelanleihen, sogenannte Tier 1 Bonds, auf null abschrieb. Damit lädierte die FINMA den Ruf des Finanzplatzes Schweiz zusätzlich und löste eine Prozesslawine aus, unter der der Schweizer Steuerzahler dereinst begraben wird.

Die Flaschen bei der CS sind wenigstens aussortiert und können ihre unverdienten Millionen geniessen. Aber bei der Bankenaufsicht FINMA sind immer noch die gleichen Personen an der Spitze. Es wäre fahrlässig, sie dort zu belassen.

Das Schweigen der Belämmerten

Israel ist ein heikles Thema. Zu heikel für viele Medien.

Es gibt Dumpfbacken, für die sind die Israelis schlichtweg «die Guten». Die dürfen dann auch alles Böse machen. Für andere ist jeder, der die Kriegsverbrechen Israels im Gazastreifen kritisiert, ein Antisemit. Die denunzieren sogar ein Model mit palästinensischen Wurzeln so massiv, dass ein Sportschuhhersteller es aus seiner Kampagne entfernt.

Wer Israel kritisiert, dem wird unterstellt, er legitimiere damit den barbarischen Überfall fundamentalistischer Wahnsinniger auf die Zivilbevölkerung und Besucher eines Musikfestivals.

Aber neben der Schlachterei im Gazastreifen gibt es noch ein weiteres Thema, um das viele nur auf Zehenspitzen herumtänzeln. Die israelische Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten. Erschwerend kommt gerade hinzu, dass der Rücktritt von Joe Biden von der Präsidentschaftskandidatur so ziemlich alle Ressourcen bindet.

Da kann ein klares Urteil des Internationalen Gerichtshofs (IGH) doch glatt untergehen. Das höchste Gericht der UNO hat mit klaren Worten die Besetzung und Besiedelung palästinensischer Gebiete scharf verurteilt.

Lediglich der «SonntagsBlick» zitiert die Worte des «Gerichtspräsidenten Nawaf Salam (70): «Der Staat Israel steht in der Pflicht, seine unrechtmässige Anwesenheit in den besetzten palästinensischen Gebieten so schnell wie möglich zu beenden.» Insbesondere die Siedlungspolitik wird als klar rechtswidrig verurteilt, Israel müsse die rund 700’000 Siedler in den besetzten Gebieten zur Rückkehr auffordern.

Die Zerstückelung dieser Gebiete, die ungesühnten Verbrechen israelischer Siedler, die sich mit Mord und Totschlag unliebsamer Mitbewohner entledigen, all das ist ein trübes Kapitel israelischer Politik. Wie üblich verblendet reagierte der israelische Ministerpräsident Netanyahu, den bekanntlich nur die Immunität seines Amtes vor einem Knastaufenthalt bewahrt:

«Das jüdische Volk ist kein Besatzer in seinem eigenen Land. Keine Fehlentscheidung in Den Haag wird die historische Wahrheit verfälschen, sowie die Rechtmässigkeit der israelischen Siedlungen auf dem gesamten Gebiet unserer Heimat nicht angefochten werden kann.»

Der SoBli weist auch mutig auf die Frage hin, wie sich denn die offizielle Schweiz verhalten soll, deren Position eigentlich genau diesem Gutachten des IGH entspricht. Er zitiert einen «erfahrenden Diplomaten», natürlich anonym: «Cassis steht für Doppelmoral. Gegenüber Russland hält er das Völkerrecht hoch und ergreift sogar Sanktionen. Gegenüber Israel unterstützt er bislang das Gutachten des IGH nicht mit Nachdruck».

Überlebenskampf, Existenzkampf, die einzige Demokratie im Nahen Osten, umgeben und bedroht von Diktaturen oder von islamischen Wahnsinnigen. Neben Antisemitismus sind das die Totschlagargumente, mit denen jede Debatte über Selbstverschulden oder über mögliche Auswege niedergemacht werden.

Dabei ist es völlig klar, dass nur eine wie auch immer geartete Zweistaatenlösung die Chance auf Frieden verspricht. Dass Israel von Amokläufern umgeben ist, darf doch keine Entschuldigung dafür sein, selbst auch Amok zu laufen. Israel kann die Hamas nicht vernichten, und das ist nur der kleine Bruder der Hetzbolla, und die wiederum sind nur die Zöglinge Irans.

Dass islamische Fundamentalisten keine tragfähige Lösung für die Zukunft haben, ist eine Sache. Dass Israel auch keine hat, ist die andere, viel schlimmere. Dass ein Land, das Atomwaffen besitzt, nicht völlig besiegt werden kann, ist eine triviale Erkenntnis, die sowohl auf Russland wie auf Israel zutrifft. Darum herum zu eiern, bringt überhaupt nichts. Wobei die Gefahr im Nahen Osten viel grösser ist als in der Ukraine.

Da sich Israel mit seiner Invasion des Gazastreifens – ohne die formulierten Kriegsziele auch nur ansatzweise zu erreichen – immer mehr ins Eck manövriert und an internationaler Unterstützung verliert, ist hier die Gefahr des Einsatzes von Atomwaffen ungleich höher als in der Ukraine. Und offenbar müssen die von der Gegenseite bald nicht mehr aus Pakistan importiert werden, sondern der Iran ist selbst zur Herstellung in der Lage.

Damit wäre dann Israel nicht mehr der Hegemon als alleiniger Besitzer; der Nahe Osten wird vom Pulverfass zum atomaren Pulverfass.

 

Was macht der SoBli ohne Attentat?

Dass Printprodukte gedruckt und distribuiert werden müssen, ist manchmal schon blöd.

Daher wirkt das Cover (wie natürlich bei der NZZaS und der Sonntagszeitung auch) ziemlich aus der Zeit gefallen:

Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Idee einer «Reise durch das Hinterland der USA» nun so einen Bart hat. Daran versuchte sich schon Claas Relotius mit zweifelhaftem Erfolg. Fast noch schlimmer war die Start-Reportage der «Republik», als zwei Jungjournalistinnen fast so viel über ihre eigenen Bauchnabel wie über ihre Reise schrieben. Und vieles davon ebenfalls nicht korrekt war.

Nun also Peter Hossli. Der lässt sich unerschrocken in einem Coiffeursalon für Schwarze abbilden. Ob noch jemanden seine Haarspaltereien interessieren? Unfreiwillig komisch ist auch das Editorial von Reza Rafi: «In Wirklichkeit betrachten wir in den USA das Wirken einer freien Demokratie: Spitzenpolitiker werben um die Gunst des Souveräns». Na ja.

Bildung ist beim SoBli so eine Sache. Da kommentiert der «Bundeshausredaktor» Raphael Rauch mit dem Holzhammer: «Die Fälle Schauspiel und Bührle machen deutlich: Zürichs Kulturpolitik ist gaga». Aber schon mit seinem ersten Satz wird’s dada: «Für Bertolt Brecht war das Theater eine moralische Anstalt.» Das ist nun ziemlich gaga, denn vielleicht meint Rauch die Rede von Friedrich Schiller: «Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet». Die stammt allerdings von 1784, während Brecht doch ein wenig später lebte.

Und mehr so an ein episches Theater dachte, aber das zu erklären, das würde hier zu weit und Rauch sicherlich in Wallungen treiben. Aber es ist eine der vielen kulturbanausischen Peinlichkeiten des modernen Journalismus.

Gut hingegen die Abrechnung mit den Gaga-, Pardon, Baba News. Die fielen durch ruppige Meinungen über den Nahen Osten auf. Das ist erlaubt. Dass sie sich dann lautstark beschwerten, dass man das nicht mit Steuerfranken subventioniere, war dann etwas kindisch.

Nun zeigt aber eine weitere Stornierung von Steuergeldern das ganze Elend dieser Plattform, einstmals ein bejubeltes Vorzeigeprojekt für linke Gutmeinende.

Das ist nun nassforsch, aber der Reihe nach. «Content-Stopp» nennen die Macherinnen, was auf Deutsch heisst: Ende Gelände, in wenigen Tagen ist Schluss. Weil keine Kohle mehr da ist. Das wiederum liegt daran, dass es nicht genügend zahlungswillige Leser gibt. Der Grund ist aber auch, dass die «Fachstelle für Rassismusbekämpfung» entschieden hat, Baba News nicht 40’000 Franken für ein «Online Seminar» reinzuschieben.

Damit wollte Baba News Lehrer und Schulen für Hassrede und Rassismus sensibilisieren. Aber offensichtlich war das Gesuch dermassen schludrig abgefasst, dass keine pädagogische Expertise zu erkennen war. Wobei interessant bleibt, dass Baba News auf diese Weise schon in der Vergangenheit massig Kohle kassierte; insgesamt 68’500 Franken.

Noch toller ist aber, dass die Macherinnen behaupten, «politischer Druck» sei ausschlaggebend für den negativen Entscheid gewesen. Das habe man ihnen telefonisch mitgeteilt. Über mangelnde fachliche Qualifikation schweigen die Baba News.

Fabian Eberhard vom SoBli hat bei der Chefredaktorin Albina Muharti nachgefragt, wieso diese Begründung verschwiegen werde. Saukomische Antwort: Da Baba News die staatliche Stelle nicht namentlich genannt habe, die den «Finanzierungsantrag ablehnte, könne man nicht auf die Fragen vom SonntagsBlick eingehen».

Das ist nun wirklich zum Totlachen. Journalistinnen, die sich dermassen kindisch und unprofessionell verhalten, wenn man sie dabei ertappt, ein sehr selektives Verhältnis zur Wahrheit zu haben, haben wirklich und definitiv keine Steuerfranken verdient. Dass es nicht einmal genügend zahlungswillige Konsumenten gibt, bedeutet dann schlichtweg das Aus.

Das ist nicht schade. Das ist fort  mit Schaden.

Kafka hätte was draus gemacht

Aber er ist vor hundert Jahren gestorben, und seither ist die Welt ärmer.

Zunächst werfen wir einen Blick in den Zuschauerraum des «SonntagsBlick»:

Wer das als buntes Bilderblatt aufs Cover setzt, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen. Pst, wir schleichen uns auch ganz leise raus und werfen einen Blick auf die NZZamSonntag. Was labt da das Auge?

Nun ja. Zunächst: Weiss auf Hellgrau und Orange, das kann vor allem der ältere Mitbürger auch ohne Sonnenbrille schwer lesen. «So werden Sie am sorglosesten Silver-Ager», das soll wirklich eine Aufmacherstory für die NZZaS sein?

Dann verschwendet Die NZZaS fast zwei Seiten auf die Frage «Warum machen wir nicht einfach mehr Schulden»? Vielleicht, weil’s blöd wäre? Weil man sie zurückzahlen muss? Weil es bei steigenden Zinsen mehr Schuldendienst gibt?

Dann aber wirft Andreas Mink, New York, einen ganz neuen Aspekt in die Wahldebatte: «Die Hoffnung der Demokraten, von Trumps Verurteilung zu profitieren, trügt. Viel wichtiger ist für Joe Biden der Preis eines Big Mac.» Das organisierte Erbrechen entscheidet die Präsidentschaftswahl, so weit sind wir gekommen.

Aber immerhin, ««Milei ist nicht verrückt» – sagen Schweizer in Argentinien». Das ist beruhigend, und wenn es erst noch Schweizer sagen, dann muss es doch wahr sein.

«Das Kauen des Krieges», das ist eine etwas gewagte Titel-Alliteration. Des Rätsels Lösung: Sudan ist einer der grössten Exporteure des Safts des Akazienbaums, mit dem Kaugummi hergestellt werden – und womit der grausame Bürgerkrieg dort finanziert wird.

Endlich mal Lebenshilfe at its best; zum Ausschneiden und Aufbewahren:

«Nichtbinär, trans, queer . . . Wie bitte?
Lexikon
Queer: Ist ein Überbegriff für Menschen, deren Geschlechtsidentität und Begehren nicht der Norm entsprechen. Der Begriff wird als positive Selbstbezeichnung verwendet.
LGBTQ: Steht für lesbisch, gay (schwul), bisexuell, trans und queer.
Nichtbinär: Sind Menschen, die sich weder ausschliesslich als Frau noch ausschliesslich als Mann identifizieren. Bekannte nichtbinäre Personen sind ESC-Star Nemo und die Autorenperson Kim de l’Horizon.
Trans: Bezeichnet Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde.
Intergeschlechtlich: Steht für Menschen, deren Körper bei der Geburt nicht eindeutig den Kategorien «Mann» und «Frau» zugeordnet werden kann.
Agender: Bezeichnet Menschen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen.
Flinta: Steht für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans und agender Personen.
Tina: Ist die Abkürzung für Transmenschen, intergeschlechtliche, nichtbinäre und agender Personen.»

Hier bekommt der Begriff Idiotikon eine ganz neue Bedeutung.

Für einen seltenen kulturellen Tiefpunkt in der NZZaS sorgt der deutsche Autor Björn Hayer. Er nimmt sich als Zeitgeistsurfer der Frage an: «War der gefeierte Franz Kafka womöglich ein Frauenfeind?» Dafür zitiert er die naheliegenden und einschlägigen Stellen aus dessen Romanfragmenten, alleine der Name «Fräulein Bürstner», also wirklich.

Und dann dreht er aus der Erwähnung Kafkas, dass in der Einleitungszene vom «Prozess» auf dem Waschtisch der Hauptfigur ein Apfel liegt, eine veritable Locke auf der Glatze:

«Zum einen lässt sich die gesamte Szenerie – die Anspielung auf das Rotlichtetablissement, der Apfel als Symbol für den Sündenfall, die vermeintliche Promiskuität der Frau – als Reinszenierung einer durch weibliche Verführungskraft ausgelösten Verbannung aus dem Paradies lesen; zum anderen kommt Kafkas besonderes Sexualitätsverständnis zum Tragen, das sich in dieser Szene mehrfach bildlich verdichtet und in einem Hygienefetisch zum Ausdruck kommt

Und auch aus dem «Schloss» extrahiert Hayer: «Hinein in dieses Metaversum, das für Gott oder Werte wie Gerechtigkeit stehen könnte, gelangt man offenbar nur durch den Sex mit den Frauen.» Tja, wenn man «Vor dem Gesetz» nicht gelesen hat oder um der These willen einfach weglässt …

Nun ist über Kafka, das macht den Autor so unsterblich, bereits so ziemlich alles und auch dessen Gegenteil gesagt worden, ohne dass man die hermetisch geschlossenen Räume seiner Dichtkunst gänzlich erforschen konnte.

Da gibt es ein Meer von intelligenten Interpretationen, von Klaus Wagenbach aufwärts und abwärts. Aber so etwas Dümmliches gibt es eher selten. Um zu seinen flachen Thesen zu gelangen, muss Hayer zudem den riesigen Briefwechsel auslassen, den Kafka mit seinen Geliebten Milena und Felice unterhielt, und in denen erschöpfend und ausführlich sein Verhältnis zu Frauen von ihm selbst dargestellt und interpretiert wird. Ebenso in seinen «Tagebüchern».

Am Schluss rudert Hayer dann noch von seiner Fragethese zurück: «Ist der regelmässige Bordellbesucher Kafka also ein Frauenfeind? Obwohl die Etikette naheliegt, wäre dieser Schluss voreilig.» Was denn nun? Eine genderdebattenkompatible Frage, längst abgelutschte Textbeispiele, und am Schluss Rückzug auf ganzer Linie.

Man kann selbst über den faszinierenden, bannenden, nie zu Ende lesbaren Kafka Brunzlangweiliges absondern. Wenn man’s darf. Wieso das allerdings die NZZaS zulässt? Ein geradezu kafkaeskes Rätsel.

Wenn eine Liebe zerbricht

Die «Blick»-Familie mag DJ Bobo nicht mehr. Warum bloss?

Vor zehn Jahren hing der Himmel noch voller Geigen:

«Die «magischen Momente vor der Show», sülzte der «Blick». Damals war die Welt zwischen dem klebrigen Zuckerbäcker und dem Boulevard noch in Ordnung. Damals gab es ja auch noch eine Sex-Kolumne.

Auch beim «SonntagsBlick» war zwei Jahre später keine Beziehungskrise erkennbar:

Ohne Rücksicht auf die Gefühle der Leser servierte das Blatt einen wiederauferstandenen Bobo, was sicher nicht alle eine gute Nachricht fanden. Aber genügend viele, denn Bobo (Spanisch für Trottel) ist einer der erfolgreichsten Schweizer, nun ja, Musiker. Nicht zuletzt, weil er das Image des bescheidenen, aufrechten, anständigen Normalo pflegt und hätschelt, des vielleicht etwas bünzligen, aber senkrechten Eidgenossen, der niemals für niemanden ein böses Wort hat. Von Taten ganz zu schweigen.

Und jetzt das:

Und das:

Eine Hinrichtung des «Systems Bobo». Zuerst das Lob: «So anständig. So normal. So harmlos. Mit diesen helvetischen Tugenden ist der Sänger so beliebt wie kaum ein anderer.» Dann die Zerlegung in Scheibchen: «Wie sehr sein Saubermann-Image täuscht, wird den Schweizern mit dem Musical «Last Night a DJ Took My Life» gerade öffentlich vorgeführt.» Die Sängerin Lori Gloris über den Tisch gezogen. Ihre Stimme wird von René Baumanns Frau Nancy bei den Shows lippensynchronisiert. Nicht nur bei ihr, auch bei anderen habe sich Bobo unziemlich bedient, Weggefährten übel rausgedrängt, überhaupt sei er ein knallharter Geschäftsmann, ein mieser Musiker:

«Künstlerisch anspruchslos trifft es auch: Bobo kann weder Noten lesen, noch beherrscht er ein Instrument.»

Anständig auch nur in Grenzen: «Bobo war der Erfolg mehr als einmal wichtiger als Integrität. Der Refrain seines ersten Hits ist geklaut. Nach einem Vergleich muss er für jede Platte Tantiemen in die USA zahlen. Später gab es Vorwürfe, sein Berater habe für einen Preis bei den Verkaufszahlen geschummelt.»

Der Artikel enthält eine ganze Liste von Personen, die Bobo auf die eine oder andere Art übervorteilt haben soll. Und das Bild vom einfachen Mitmenschen stimme auch schon lange nicht mehr:

«Der Superstar gibt sich in den Medien als «Bünzli», Familienmensch, Normalo. Dabei hat sein Leben schon lange nur noch wenig damit zu tun: Seit 2008 lebt er mit seiner Frau und den beiden Kindern in einer Villa im luzernischen Kastanienbaum – samt Indoor-Schwimmbad und privater Badewiese am See. Die Winter verbringen sie im Zweitwohnsitz in Miami, Florida.»

Was ist da in Ringier gefahren, dass Lisa Aeschlimann und Katja Richard eine solche Hinrichtung durchführen dürfen? Sie wurde schon angewärmt mit einer tränenreichen Story über die Sängerin Lori Gloris, die meinte, eine Quittung zu unterschreiben, dabei aber alle Rechte abtrat.

Nun aber, wenn schon, denn schon. Das Ein-Mann-Investigativteam Fabian Eberhard darf dem DJ in einem Editorial noch den Todesstoss versetzen. Er sei ein Fan gewesen, «dafür schämen muss man sich ja eigentlich nicht», behauptet Eberhard wahrheitswidrig.

«Den Refrain seines grössten Hits «Somebody Dance with Me» hat er schamlos abgekupfert, einige seiner Sängerinnen kämpften jahrelang um Anerkennung und Geld», meckert dann auch er, «René Baumann war stets vor allem eines: ein knallharter Geschäftsmann». Nun werfe der SoBli «einen lesenswerten Blick hinter die Kulissen des Phänomens DJ Bobo– kritisch, aber fair». Das dürfte zumindest Baumann etwas anders sehen.

Und was sagt der? Nichts, kein Kommentar, keine Stellungnahme. Das wird nun interessant: hat die «Blick»-Familie noch die Kraft, das klassische Boulevard-Ding durchzuziehen? Hochjubeln, nah begleiten – niederschreiben, ausbuhen. Der knallharte Geschäftsmann Baumann traut es dem «Blick» nicht mehr zu und will die Kampagne einfach aussitzen. ZACKBUM ist gespannt.

Verregneter Sonntag

Die Sonntagszeitungen rufen: bleibt im Bett!

Ein mögliches Ende der Welt sieht so aus, dass alles gleichförmig zu Staub wird. Zuvor müssen sich aber viele Dinge konvergent entwickeln. Die Sonntagszeitungen machen da grosse Schritte in diese Richtung.

Denn die aktuellen Ausgaben von NZZamSonntag und SonntagsZeitung haben so vieles gemeinsam. Sie sind langweilig, uninspiriert und gleiten einem wie Staub durch die Finger.

Oder will jemand ernsthaft behaupten, das hier löse einen Kaufrausch aus?

Man könnte höchstens anführen, dass die Redaktion ihre Antwort auf die Titelfrage geliefert hat: so wenig wie möglich.

Da will die SonntagsZeitung nicht hintanstehen:

Noch zu gut, möchte man der Redaktion der SonntagsZeitung zurufen. Sonst würde sie nicht wagen, dafür auch noch Geld zu verlangen. Denn nach dem Kauf  fühlt sich der Leser ärmer.

Und mit Sauglattismus bedrängt:

Ist so ein Shutterstock-Foto wirklich gefühlt den halben Platz einer Doppelseite wert?

Dafür arbeitet die NZZamSonntag mit Uralt-Fotos, die wir schon längst vergessen haben – und nicht unbedingt riesengross nochmals sehen wollen:

Ach, das sind Äusserlichkeiten? Auf die inneren Werte komme es an? Ja, aber wo sind sie? Ein wenig englisches Königshaus und der Krebs, ein wenig SVP-Bashing, dann spürt man förmlich, wie dankbar die Redaktion für den Anschlag bei Moskau ist, und schon wandert der erste Bund ins Altpapier.

Auf der Debattenseite dann immerhin ein kleiner Aufreger. Die bereits mehrfach verhaltensauffällig gewordene Silke Mertins aus Berlin drischt im Nachgang auf Rolf Mützenich, den Chef der SPD-Fraktion, ein. Der hatte einen klugen Satz gesagt, beziehungsweise eine vernünftige Frage in den Raum gestellt: «Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann

Das nimmt Mertins nun sehr übel: «Die Bemühungen der Partei, kein Verein von Putin-Verstehern zu sein, hat er auf einen Schlag pulverisiert.» Als Kronzeugin zitiert sie ausgerechnet die Waffenindustrie-Lobbyistin und Kriegsgurgel Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die am liebsten höchstpersönlich den Dritten Weltkrieg auslösen möchte. Die findet diese Idee eines Kriegsendes «skandalös». Für sie sei Mützenich «ein Sinnbild aller Verfehlungen deutscher Aussenpolitik». Dieses Flintenweib spielt Opposition gegen die eigene Regierung.

Aber Mützenich hatte laut Mertens schon immer ein völlig verpeiltes Weltbild; er gehöre «zu jenen in der SPD, die mit fast religiöser Inbrunst an die Ostpolitik der sozialdemokratischen Ikone Willy Brandt glauben». Sie meint damit wohl die Aussöhnung mit Polen und der Sowjetunion, die der Friedensnobelpreisträger vorantrieb und die BRD damit auf den Weg zur Wiedervereinigung brachte.

Nicht nur, dass Mützenich laut Mertens ein Ober-Putinversteher sei, er wird auch noch von allen falschen Leuten unterstützt: «Der Applaus, den Mützenich nun von der Rechtsaussenpartei AfD, von der Linken, dem Bündnis Sahra Wagenknecht und dann auch noch von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder bekam, sind dabei auch nicht gerade hilfreich.»

Sagen wir so: dass Mertens gegen ihn keift, hilft dabei, seine Position als richtig zu beurteilen.

Und sonst? Es ist nicht sehr übertrieben, wenn man die Fortsetzung der «Verlagsserie» – also eine bezahlte Inseratekampagne von Rolex, die wie redaktioneller Inhalt daherkommt – als ein herausragend interessantes Stück bezeichnet. Bei dem Umfeld …

Ist man auf Seite 60, «Leserbriefe», angekommen, fällt der frühe Abschied nicht schwer.

Nicht viel anders geht’s einem bei der SonntagsZeitung. Ein kurzes Verweilen beim Artikel «Streit um Baba News eskaliert», wo Rico Bandle verdienstvollerweise bei den Hatern der Migranten-Plattform dranbleibt, die absurderweise Workshops gegen «Hate-Speech» anbieten. Dabei aber den Zugang streng reglementieren und islamische Judenfeindlichkeit in ihrem Feldzug für Palästina konsequent ausblenden.

Die NZZ hingegen halten die beiden Macherinnen für «gefährlich», weil sie von ihr kritisiert wurden, auch der sich um Integration verdient gemachte GLP-Grossrat Alain Pichard gerät in ihr Schussfeld, ihm unterstellt Baba News «offensichtliche Muslimfeindlichkeit». Da nie mit ihm geredet wurde, beschuldigt Pichard die Baba-News-Macherinnen, «eine gezielte Rufschädigung» begangen zu haben.

Ds ist wenigstens etwas Eigenständiges. Aber sonst? Was der NZZaS ihre Rolex ist, das scheint der SoZ der Verein Agentur C zu sein, der ein etwas schräges ganzseitiges Inserat geschaltet hat:

Irgendwie erinnert dieses Inserat an diese redaktionelle Horrorseite:

Da ZACKBUM weder religiöse, noch niedrige Gefühle verletzen möchte, verzichten wir zweimal auf einen Kommentar.

Und sonst? Was sonst? Gibt es denn keinen Trost? Doch:

Auch schleimen will gelernt sein: «Prinzessin, Mutter, Ehefrau – ein Mensch». Reza Rafi, Chefredaktor, Schmachtlockenträger, Ehemann – ein Schreiberling». Aber mit Ratgeber:

Gut, wir sind getröstet. Schlimmer geht immer.

 

Schön, dass es Montag ist

Denn der Sonntag war mal wieder grauenvoll.

Die Berichterstatterpflicht ist manchmal eine Bürde, für die es einen ganzen Kerl braucht. Glücklicherweise besteht ZACKBUM nur aus ganzen Kerlen.

Denn was soll man hierzu sagen?

Pet, Winterhotels, ein aktuell gehypter Schauspieler, alte News aus Kiew, und die «armen Alten». Wieso traut sich die «SonntagsZeitung» nicht, auf ein leeres Papier die Worte zu drucken: Es war nix los, uns ist auch nix eingefallen. Also lassen Sie das und gehen Sie besser spazieren. Oder lesen ein gutes Buch. Zum Beispiel «Weltenbrand» von Richard Overy. 1520 Seiten, da haben Sie eine Weile zu tun.

Aber nein, geht nicht. Seufz. Ist denn die «NZZamSonntag» wenigstens besser?

Ein kolorierter Kafka mit roten Lippen, dem Mann bleibt auch keine Verwandlung erspart. Dann Lifestyle-Gugus («Männer, die befehlen dürfen, leben gesünder», so à la «Katzen, die miauen dürfen, haben acht Leben»), ein Astronaut auf dem Mars, Keller-Sutter warnt, die Kokspreise im Keller.

Wieso traut sich die NZZaS nicht zu schreiben: Es war nix los, uns ist auch nix eingefallen. Also lassen Sie das und gehen Sie besser spazieren. Oder lesen ein gutes Buch. «Prozess», «Das Schloss» oder «Briefe an Milena». Denken Sie über das Gleichnis «Vor dem Gesetz» nach. Da haben Sie eine Weile zu tun.

Aber nein, geht nicht. Sagt da jemand in letzter Verzweiflung «SonntagsBlick»? Echt:

Zweiter Sieger Odermatt, uralter Kuss und die Bananenaffäre. Wieso traut sich …, aber das kennen Sie schon. Ach, Buchempfehlungen vom SoBli? «Buchstabieren für Dummys», der neuste Asterix oder «Ringen um Ringier». Da geht man dann lieber spazieren.

Aber immerhin eine Schmunzelstory ist im SoBli:

Der Leiter der Ringier-Journalistenschule zeigt seinen Eleven, was herauskommt, wenn sich ein Journalist anfüttern lässt. So nennt man den Vorgang, dass ein an einem Rechtsstreit Beteiligter nach einem Multiplikator sucht, um medialen Rückenwind zu bekommen. Also stellt er exklusiv seine Unterlagen und Rechtsschriften zur Verfügung. Natürlich gibt der Journalist dann auch der Gegenseite Gelegenheit zur Stellungnahme. Und schon ist die Kacke am Dampfen. Vor allem, wenn es sich um einen Prominenten wie Urs E. Schwarzenbach handelt.

Schon im Titel macht Peter Hossli recht Dampf; «Die Schöne und das Biest», hier «Der Milliardär und seine Kommunistin». Der erste Titel stammt von einer Disney-Verfilmung eines alten Volksmärchens, der zweite Titel ist auch erfunden. Denn weder ist Schwarzenbach Milliardär, noch hatte er «seine» Vorzeige-Kommunistin.

Die Sachlage scheint klar und einfach zu sein. Eine junge Kunsthistorikern heuerte 1998 beim Kunstsammler Schwarzenbach an. Schnell stieg sie in leitende Funktionen auf und wurde von ihm mit Geschenken überschüttet. Möglicherweise im Liebesrausch, der aber nicht erwidert worden sei, bekam sie ein Haus in Basel. Kostenpunkt samt Renovation 2,5 Millionen Franken. Zwei Millionen Franken auf die Hand. Aktien, Bargeld, Schmuckstücke, antike Möbel, eine für private und geschäftliche Zwecke verwendbare Kreditkarte. Dazu die Teilnahme an seinem Luxusleben; Reisen im Privatjet, Feste, Poloturniere.

Darunter waren auch neckische Geschenke wie eine Erstausgabe des Kommunistischen Manifests; als die Dame unpässlich war, weil ihre Mutter starb, bekam sie monatelang frei –bezahlt. Also ein idyllisches Arbeitsverhältnis. Dann trübte sich der Himmel, Schwarzenbach geriet in den Clinch mit den Steuerbehörden und sah sich mit Millionennachforderungen konfrontiert. Der Lack war ab, also kündigte sie und arbeitete auf Mandatsbasis weiter.

Ach, und dann gab es noch ungefähr 30 Kunstwerke, die sie geschenkt erhalten will. Pablo Picasso, Julian Schnabel, Sophie Täuber-Arp, Alberto Giacometti oder Auguste Rodin. Vom Feinsten halt.

2018 sei das Arbeitsverhältnis aufgelöst worden, weiss Hossli. Die von ihm nur unter Pseudonym beschriebene Dame (im Gegensatz zu Schwarzenbach) habe noch eine kleine Schlussrechnung von 130’000 Franken eingereicht. Eigentlich Peanuts im vergleich zu den Multimillionen, die sie zuvor erhielt. Aber Schwarzenbach zahlte nicht. Sie betrieb ihn, er antwortete mit Gegenklagen, unter anderem, dass sie ihm Kunstwerke gestohlen habe. Denn das seien keine Geschenke, sondern höchstens Leihgaben gewesen, und die Gelder Darlehen.

Nun hat die Dame das Problem, dass sie die grosszügigen Geldgaben nicht bestreiten kann, da dokumentiert. Die angeblichen Schenkungen kann sie hingegen nicht belegen, da es laut ihr aus steuerlichen Gründen keine schriftlichen Spuren davon gegeben habe. Aus diesem Grund hat sie die enormen Wertbeträge auch nicht in ihrer Steuererklärung angegeben.

Also ein klassischer Fall einer unerwiderten Liebe, die am Schluss in hässlichem Streit endet, weil der Verschmähte sich rächen will? Nach über 20 Jahren einer «von grosser Intensität und tiefem Vertrauen» geprägter Beziehung, wie sie gegenüber Hossli bestätigt?

Inzwischen überzieht man sich gegenseitig mit diversen Straf- und Zivilverfahren. Urteile liegen noch nicht vor. Also ein typischer Fall von «she said, he said». Wobei angesichts solch jahrelanger generöser Grosszügigkeit eine Betreibung über 130’000 Franken doch ziemlich popelig erscheint. «Edle Kunst, rauschende Partys, Häuser in der Toskana», sabbert Hossli, um boulevardesk den Sozialneid des Lesers zu steigern. «Wie Superreiche sich streiten» setzt er als Oberzeile. Nur: wenn überhaupt gibt es hier einen einzigen Superreichen und eine überreichlich beschenkte Mitarbeiterin, die viele Jahre lang ein Luxusleben führen durfte und von Bord ging, als der Geldstrom zu versiegen drohte.

Nun gibt ihr Hossli die Gelegenheit, anonym gegen ihren ehemaligen Gönner und Arbeitgeber zu schiessen. Nehmen wir an, statt von ihr wäre er von Schwarzenbach angefüttert worden. Dem werde von einer grantelnden ehemaligen Angestellten übel mitgespielt, nachdem er ihr ein Luxusleben, ein blendendes Einkommen über viele Jahre hinweg ermöglicht habe, dazu grosszügig Millionendarlehen gewährte und erst im Nachhinein feststellen musste, dass sie ihm zudem bedeutende Kunstwerke entwendet habe. Hätte Hossli dann nicht die Story mit dem entgegengesetzten Spin geschrieben? Ist das nicht ein Beispiel für die Beliebigkeit, die der 80-jährige Vordenker des Hauses immer so scharf kritisiert?

Ziemlich übler Boulevard in einem Organ, das gar nicht mehr boulevardesk sein will. Aber was macht denn die vornehme NZZaS mit Franz Kafka? Das überlässt sie dem «Magazin», was schon Schlimmes ahnen lässt. Dort schreibt Martin Helg im schlechtesten Woke-Groove: «Wir sind alle Käfer», und so originell geht es weiter. Der Autor hat sich mit einer neuen, 2000-seitigen Kafka-Biographie bewaffnet, aus der «viele Details in diesem Text stammen». Schöne Formulierung. Sobald er sich aber selbst um Interpretationen der enigmatischen Texte Kafkas bemüht, wird es eher flach. Gibt er Reiseanekdoten zum Besten, wird es gar peinlich.

So beendet er seinen Text in «Republik»-Länge (21’000 A), der eine «Spurensuche» sein soll, mit der Besichtigung eines Hauses, in dem Kafka eine Zeitlang wohnte. Natürlich führt die «Reise durch den Schnee, wie jene des Helden K. im «Schloss»-Roman». Natürlich heisst der Fahrer Josef, wie Josef K. im «Prozess». Was gibt es sonst noch von diesem Besuch zu berichten: «Ein Ost-West-Graben öffnet sich im Wohnzimmer des Ottla-Hauses. Vergebens bitte ich meine tschechischen Tischgenossen, mir kauend Gesellschaft zu leisten.»

Das ist nun von einer banalen Blödheit, über die Kafka sicherlich schallend gelacht hätte.

 

Wir wollen lustig

Richtig, wir  schauen in den «Blick».

Medienkritik ist eine ernste Arbeit. Frustrierend, deprimierend, ein Waten im Sumpf des Unausgegorenen, Kurzgedachten, der Welt der Menschen, deren Selbstwertgefühl und die Überzeugung der eigenen Wichtigkeit umgekehrt proportional zur Bedeutung dessen ist, womit sie die Konsumenten langweilen und vertreiben.

Aber es gibt seltene Lichtblicke. So wie die Homepage des «Blick» am Sonntag. Ein Schenkelklopfer nach dem anderen. Zuerst das reine Wunschdenken:

Der «Leiter der Journalistenschule» Peter Hossli gibt seinen Schülern ein Beispiel, wie man es nicht machen sollte.

Ein «Porträt«. Mehr als das: ein Wunschdenken. Allerdings mit Unsicherheitsfaktor «B+». Denn zunächst lautete der Titel: «Vor Nikki Haley fürchtet sich Trump am meisten». Aber das war Hossli offenbar zu direkt, also liess er abschwächen. Auch sonst wurde am Anriss noch kräftig gebastelt:

Dann lobhudelt er sie im Text als «Hoffnungsträgerin der moderaten Republikaner. Sie ist klug und besonnen, legt in den Umfragen mächtig zu und hat Chancen, die erste US-Präsidentin zu werden – aber nur, falls Donald Trump einbricht». Ein alter Hase, ein «falls» darf eben nie fehlen. Denn am Schluss muss Hossli einräumen, dass ihr Rückstand auf Trump «laut Umfragen 50 Prozent» betrage.

Erster Schenkelklopfer.

Dann der Ratgeber für «Blick»-Leser, die zu blöd sind, den Fahrplan zu lesen:

Eigentlich muss man zum neuen SBB-Fahrplan nur wissen, wie man im Internet oder auf der Anzeigetafel seine Verbindung findet.

Zweiter Schenkelklopfer.

Dann der Ratgeber, auf den alle Lüsterne gewartet haben:

Hübscher Titel, daher nicht vom «Blick», sondern vom Werbetreibenden, der hinter diesem bezahlten Inserat steckt, das zum Verwechseln ähnlich wie ein redaktioneller Beitrag daherkommt.

Dritter Schenkelklopfer.

Dann ein Dreierschlag, damit die Oberschenkel brennen:

Interessiert noch jemand, an welchen Schuldgefühlen der abgehalfterte «Mr. Corona» leidet, was er über seine «neue Ehefrau» zu sagen hat? Lachhaft. Kündigung wegen Eigenbedarf, der dann nicht vorhanden war. Lachhaft unwichtig. Aber Frank A. Meyer, der Grossdenker im Taschenformat, ruft den «Klassenkampf» aus. Als überzeugter Jaguar-Fahrer sieht er den bei all den Grünen ausgebrochen, die nicht nur Zürich in «eine wahrhaft linksgrüne, weil autobefreite Stadt» verwandeln wollen.

Richtig erheiternd dann seine Lobeshymne auf das Auto: «Das Auto ist mehr als das Auto! Es ist Freiheit! Weil Mittel der Fortbewegung, wann immer ich will, wohin ich will. Ja, das Auto ist, was sein Name sagt: das Selbst. Das Ich

Wahnsinn, dafür müsste er einen Jaguar ehrenhalber bekommen, dieser kleine Platon. Wenn er noch geradeaus fahren kann. Wenn man ihn das noch tun lässt.

Nächster Schenkelklopfer.

Dann schon der nächste Ratgeber:

Aber leider, leider: «Jede Woche stellen wir im SonntagsBlick eine wichtige Frage. Dieses Mal wollen wir wissen, wie du Familienstreit während der Feiertage vermeidest. Die besten Rückmeldungen werden im SonntagsBlick Magazin vom 17. Dezember 2023 gedruckt.» Alles muss der Leser selber erledigen, unglaublich.

Schon wieder ein Schenkelklopfer.

Das hier ist unschlagbare Realsatire:

Die armen Schenkel.

Chefredaktor-Imitator Reza Rafi hat hingegen, vielleicht animiert vom eigenen Namen, einen Stabreim gefunden:

Hammer. Kellnern mit Keller-Suter. Kassieren mit Cassis. Animieren mit Amherd. Panaschieren mit Parmelin. Röhren mit Rösti. Beenden mit Berset. Bohren mit Baume-Schneider. Die nächsten Titel sind gesetzt.

Ach du Schenkel.

Diese People-Meldung ist dem «Blick» offenbar so wichtig, dass sie seit gefühlt einem Monat zuoberst steht.

Der Arm erlahmt.

Geht noch ein letzter Heuler? Natürlich, Auftritt des Mannes mit dem eingewachsenen finsteren Gesichtsausdruck. ZACKBUM weiss inzwischen, wieso der so grimmig schaut: Lukas Bärfuss muss ja seine eigenen Texte lesen! Das tut weh.

Anlass zum letzten Schenkelklopfer: die Bezahlschranke schützt den Leser davor.

Bliblüblö

ZACKBUM fragt verzagt: wer soll das denn kaufen?

Eigentlich könnte man es mit der Ankündigung bewenden lassen: ohne Worte.

Sicher, wenn man für ein Blatt arbeiten müsste, dass ein Regenrohr im Logo hat, neben dem ein komischer Strich steht, und in einem irgendwie nicht dazu passenden Kasten obendrüber steht «Sonntags», dann käme wohl nur bei Masochisten Stimmung auf.

Denn irgendwann ist in einem Skandalthema der Titel «Neue Vorwürfe gegen …» abgenudelt. «Jetzt rede ich», albgenudelt, auch wenn es die Tierschutzpräsidentin ist, die zuerst mal vom SoBli angerempelt wurde. So schafft man sich Storys.

«Alle Vögel sind wieder da», echt jetzt? Plus ein Interview mit einer «Nati-Legende». Das ist so wie ein Interview mit der Politik-Legende Dölf Ogi. Nur hat der im Gegensatz zu Alex Frei auch etwas zu sagen.

Wollen wir umblättern? Ungern, aber was muss, das muss. Die Sonntagspredigt hält wie meist Reza Rafi. Zunächst findet er salbungsvolle Worte: «Gott ist noch lange nicht tot.» Oh, aber irgendwann stirbt er mal? Nicht grübeln, wie lebt er denn heute? «In einer Phase weltweit zunehmender Unfreiheit, apokalyptischer Umweltnachrichten und radikalen Islams gibt die Institution Kirche vielen Zeitgenossen Halt. Die Predigten spenden Trost im Weihrauchduft.»

Huch, hat Rafi einen kleinen Lyriker gefrühstückt? Trost im Weihrauchduft? Prost im Notdurftduft?

Aber jetzt das, aus heiterem Himmel die Missbrauchsvorwürfe. Gott, o Gott: «Diese Wunden werden nur langsam heilen, das zerstörte Vertrauen wird nicht über Nacht zurückkehren.» Nein, aber wenn man stark im Glauben ist, Herr Rafi, vielleicht geht’s dann.

Das ist aber nur die Einleitung zu einer seiner Eskapaden ins Nebensächliche. Hier: Mitte-Präsident Gerhard Pfister sage, obwohl da ja die katholische CVP drinsteckt, nix. Aus wahltaktischen Gründen. Aber, donnert Rafi von der Kanzel: «Die Parteispitze verspielt damit eine historische Chance.» Welche Chance das wäre, das verrät er allerdings nicht. Aus einem ganz weltlichen Grund: Ende Gelände, Platz im Editorial alle.

Genau da dachte ZACKBUM: richtig, das ist der ideale Ort für einen unheimlich starken Abgang.