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Blütenlese beim «Spiegel»

Wie tief das Blatt gesunken ist, kann man nur im Kaleidoskop darstellen.

Nehmen wir die Hompage des Sturmgeschützes der Demokratie, das nur schreiben will, was ist.

Zunächst mal ein Nasenstüber gegen einen eher dem Blatt nicht sehr sympathischen Kanzlerkandidaten:

Lustiger Titel, dazu passend ein Foto, auf dem Friedrich Merz so aussieht, als habe man ihn gerade dabei ertappt Scheinriese zu spielen.

Dann eine Psychostudie bei Donald Trump. Da ist allerdings schon vieles, allzu vieles psychologisiert worden, gibt es denn noch was? Ach, mit ein wenig Mühe geht da noch einer:

Trump, Kampfsport. «Nirgendwo wirkt der US-Präsident authentischer als in der Umgebung von Figuren aus diesem Milieu», behauptet Nadine Wolter per Ferndiagnose. Trump, Figuren, Milieu, sonst noch Fragen?

Und kann man so etwas einfach mal berichten?

 

Da labert Heuchler Friedman unwidersprochen, als würden auch beim «Spiegel» lauter Toblers und Beninis sitzen, die ihn in einem sagenhaft schlechten Tamedia-Interview mit Samthandschuhen anfassten. Er behauptet, es gäbe nur ein kurzes Zeitfenster, «in dem wir die aufgeklärte Moderne, die der Menschlichkeit verpflichtete Demokratie, noch schützen können. Ich glaube, dass wir eine Zerbröselung von demokratischen Staaten erleben, wo Rechtsstaatsprinzipien und Minderheitenrechte zunehmend in Gefahr sind. Menschliches Leben, jüdisches Leben ist nur möglich, wenn die Menschlichkeit a priori gilt.»

Menschlichkeit a priori, sagt ein Mensch ohne rot zu werden, der mit Koks beim Sex mit minderjährigen osteuropäischen Zwangsprostituierten ertappt wurde.

Dann die scharfe Frage zur «Lage am Morgen»: «Wird der Kanzler zum Populisten?» Tja, wenn man das wüsste, wo man doch nicht mal genau weiss, was ein Populist eigentlich – ausser ein schlechter Mensch – überhaupt ist.

Dann hätten wir noch diesen hier:

«Der Sprachwissenschaftler Thomas Niehr analysiert Auftreten und Rhetorik von Deutschlands bekanntesten Populistinnen.» Was ist hier falsch? So ziemlich alles. Wenn etwas den Namen Sexismus verdient, dann diese Schlagzeile, diese Idee. Käme jemand, der noch alle Tassen im Schrank hat, auf die Idee, einen «Stilcheck» bei Olaf Scholz und Friedrich Merz zu machen, Deutschlands bekanntesten Kanzlerkandidaten?

Dann kassieren die Grünen, so gerecht ist der «Spiegel» wieder, kräftig Prügel:

«Die Partei verheddert sich in Widersprüchen», wird gebeckmessert. Und dazu noch: «Die Grünen wären gerne beides, eine feministische und und eine Bürgerrechtspartei. Im Fall Gelbhaar haben sie doppelt versagt.» Geht es hier wirklich um Feminismus? Oder gar um Bürgerrechte? Den falschen Baum angebellt, sagt man auf Englisch; hier sind es die falschen Bäume.

Ach, und dann gibt es doch noch die Abteilung Tratsch und Klatsch:

Holy cow; das erweiterte englische Königshaus ist doch immer für ein Gerücht gut. Kommt noch hinzu: «Nun droht auch Ungemach durch Donald Trump: Er könnte die Einreisepapiere des Prinzen veröffentlichen.» Der Mann hat’s wirklich nicht leicht, und Trump kümmert sich offenbar liebevoll um jedes Detail. Wird der Prinz gar wie die illegalen Immigranten ausgeschafft? Fortsetzung folgt.

Und als Absackerchen noch die News von vorgestern:

Liebe Leute, dieses bahnbrechende Heisse-Luft-Interview als Gratis-PR für Merkels Autobiographie ist am 22. November, immerhin 2024, erschienen – und ziert immer noch zuoberst die Rubrik «Das Beste von Spiegel+». Da möchte man ja nicht wisssen, was das Schlechteste wäre.

Andreas Tobler: eine Karriere

Statt wegen ständigen Fehlleistungen entlassen zu werden, wird der Mann befördert.

«Seit 2025 leitet er das Gesellschafts- und Debattenteam im Ressort Leben», verkündet Tamedia eine Trauerbotschaft. Tobler gehört zur Riege der ideologisch Verblendeten, die mit korrektem Gendersprech und lachhaften Anweisungen zur obligatorischen Verwendung von Sprachvergewaltigungen die Leser in Scharen vertreiben.

Er interviewt in Kammerdienerperspektive gerne ihm genehme Flachdenker wie Lukas Bärfuss, den Klaus J. Stöhlker korrekt als «in der Nemo-Klasse spielend» niedermacht. Der Holter-Polter-Poet, der schon längst einsitzen würde, wenn Sprachverbrechen bestraft würden, darf vermeintlich freche Sachen wie «Die UBS muss zerschlagen werden» sagen. Passt zum grimmigen Gesichtsausdruck des Dichterdarstellers, ist aber realitätsferner Radikalismus und Blödsinn.

Auch die Umweltaktivistin Luisa Neubauer (Spitzname «Langstrecken-Luise» wegen ihrer Vorliebe für weite Flugreisen) gehört zu seinen ständigen Gesprächspartnern, denen er den Teppich für Selbstdarstellung ausrollt: «Wie weiter mit dem Klimaktivismus?» Ganz kritisch, polemisch und demagogisch wird er hingegen bei seinen Feindbildern («Roger Köppel, Markus Somm und die internationale Weisswasch-Publizistik»).

In Bücklingshaltung gerät er hingegen, wenn er den deutschen Publizisten Michel Friedman Unsinn über die Schweiz palavern lässt – ohne mit einem Wort auf dessen Karriereknick einzugehen, als Saubermann Friedman mit jugendlichen Zwangsprostituierten und Koks in einem Hotelzimmer überrascht wurde.

Natürlich gehört auch der Krawall-Rabauke Jan Böhmermann zu Toblers Lieblingen. Dem eiferte Tobler schon nach, als er so unkundig wie nassforsch über die Bührle-Sammlung im Kunsthaus herzog.

In jedem Medium, das noch gewisse journalistische Standards hochhält, wäre Tobler nach all diesen Fehlleistungen spätestens dann entlassen worden, als der Gesinnungsjournalist inquisitorisch forderte: «Die Rammstein-Konzerte sollten abgesagt werden». Seine Begründung: «Nein, eine Absage der Rammstein-Konzerte in Bern hätte nichts mit Cancel-Culture zu tun. Aber nun braucht es eine Pause, um die schwersten Vorwürfe noch vertieft abklären zu können.»

Dabei eierte er: «Selbstverständlich gilt für Till Lindemann die Unschuldsvermutung, solange kein Verfahren eingeleitet und er nicht rechtskräftig verurteilt ist.» Andererseits solle man dennoch dem Sänger Berufsverbot erteilen, den Veranstalter der Konzerte in den Ruin treiben und Zehntausende von Zuschauern um das Konzerterlebnis prellen.

Als dann sämtliche Vorwürfe gegen den Sänger der deutschen Band in sich zusammenfielen, alle Strafuntersuchungen eingestellt wurden und dessen Anwälte diverse Organe (hier den «Blick») zu Entschuldigungsgestammel zwangen, was tat Tobler? Er schwieg feige.

Dabei schlaumeierte er noch: Ob man solche «Kunst, die gar keine Kunst mehr ist … noch irritationsfrei konsumieren» könne, fragte sich Tobler mit ungewohnter Sensibilität. Denn wenn es die Kunst gebietet, «Tötet Roger Köppel! Köppel Roger tötet!» zu texten, sah darin Tobler bloss eine «Künstleraktion».

Niemals wäre es Tobler in den Sinn gekommen, das Verbot der Aufführung des dazugehörigen Stücks im Zürcher Neumarkt zu fordern. Keinen Ton hörte man von ihm, als man seiner Logik folgend doch die weitere Herausgabe des «Magazins» unbedingt hätte unterbrechen müssen, bis die Vorwürfe gegen den ehemaligen Chefredaktor geklärt wären.

Damals schrieb ZACKBUM völlig richtig:

Tobler kann man nicht mehr ernst nehmen. Tobler ist weder behaftbar für sein Geseier, noch ist er bereit, Verantwortung dafür zu übernehmen. Er haut einfach was raus und hofft (nicht zu Unrecht), dass sich doch heute niemand mehr an sein dummes Gequatsche von gestern erinnert.

ZACKBUM forderte:

Wer solchen Unsinn verzapft, wer die Unschuldsvermutung mit Füssen tritt, wer künstlerische und wirtschaftliche Existenzen rücksichtslos vernichten möchte, ist eigentlich für ein sogenanntes Qualitätsmedium nicht mehr tragbar.

Aber Tamedia weiss eben, wie man den Journalismus auch 2025 weiter ins Elend treibt: fördern statt feuern, mehr Verantwortung für einen Verantwortungslosen. So einer soll das «Debattenteam» leiten können? Was für ein Team? Was für Debatten?

Wie stöhnt der ehemalige Tagi-Kulturjournalist Hans Jürg Zinsli schmerzvoll auf: «rasch das neue Tagi-Impressum angeschaut und wünschte, hätte es nicht getan. good night and … good night». Dort sollen inskünftig sieben Journalisten unter Tobler leiden. Wetten, dass es sehr bald einige weniger sind? Und wetten, dass das genau die Absicht des Qualitätsmeuchlers Simon Bärtschi ist, der publizistischen Leiter nach unten?

Hier wächst zusammen, was zusammen gehört. Ein Nichts leitet ein Nichts, ein demagogischer Polemiker ohne Verantwortung oder wenigstens Einsicht im Nachhinein soll das völlige Fehlen von Debatten im angeblichen Podiumsorgan konsequent weiterführen. Bis zum bitteren und absehbaren Ende.

Das Wort Realsatire ist viel zu schwach für eine solche Redaktions- und Leserverarsche.

Heuchler Friedman

Ein neuer Tiefpunkt im Qualitätsjournalismus des Hauses Tamedia.

Andreas Tobler und Sandro Benini sind immer schnell zur Hand, wenn es um bissige und scharfe Kritik geht. Aber beim «deutschen Publizisten» Michel Friedman werden sie ganz handzahm und lassen den ungehemmt Flachheiten über die Schweiz, die Welt und vor allem über Moral verbreiten.

So stellen sie ihn vor: «Michel Friedman, zeitweiliger Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses, gilt als ebenso streitbarer wie brillanter Publizist.»

Er war auch mal Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, hatte seine eigen Talkshow und fiel schon immer damit auf, aggressiv und gnadenlos mit seinen Gesprächspartnern umzugehen. Bis er im Skandal versank.

Wird er hier interviewt, dann sind Tobler und Benini watteweich und anschmiegsam, auch wenn Friedman mehrfach unter Beweis stellt, dass er von der Schweiz keine grosse Ahnung, aber eine sehr abschätzige Meinung hat: «… wenn ich noch etwas hinzufügen darf: Ihr Schweizer habt es euch da zu einfach gemacht mit eurem Saisonnier-Statut.» Darauf hingewiesen, dass es das schon lange nicht mehr gibt, fährt Friedman unbeeindruckt fort: «Lange ist relativ. In der Schweiz dürfen nur die Nützlichen kommen, und selbst die nützlichen deutschen Ärzte erfahren rassistischen Gegenwind. Die Schweiz ist mit Sicherheit nicht das Vorbild einer weltoffenen Gesellschaft für Menschen.»

Es wurde 2002 abgeschafft. Deutsche Ärzte erfahren keineswegs «rassistischen Gegenwind», und im Vergleich zu Deutschland ist die Schweiz mit einem doppelt so hohen Ausländeranteil und ohne brennende Asylantenheime allerdings eine weltoffene Gesellschaft.

Dann salbadert Friedman weiter über Schweizer «Doppelzüngigkeit» bezüglich Vermummung von Frauen in der Öffentlichkeit, Darauf hingewiesen, dass es in der Schweiz verboten ist, eine Burka zu tragen, windet er sich: «Ich habe nicht von der klassischen Burka gesprochen. Mir geht es um die Doppelmoral und die Heuchelei. Mir geht es darum, dass man nicht einerseits für die Frauenrechte im Iran oder in Saudiarabien kämpfen kann und andererseits, in unserer modernen Gesellschaft, wenn es ums Geld geht, die Augen zumachen darf.»

Schliesslich greift Friedman zu seinem Allheilmittel, wenn in der Defensive: der polternde Angriff: «Eine kurze Frage an Sie: Sie haben doch auch Menschenhasser, Extremisten, Islamophobe, Antisemiten in der Schweiz, oder? Was machen Sie dagegen

Richtig widerlich wird Friedman aber gleich am Anfang: «Mit der Aufklärung ist neben der Freiheit eine unglaubliche und zugleich wunderbare Idee, die in der Philosophie schon lange im Gespräch war, gedacht worden: die Gleichheit der Menschen. Daraus entwickelten sich Humanismus, Menschenrechte und Demokratie.»

Welch wohlklingende Worte. Welch hohl klingende Worte, wenn sie aus dem Mund von jemandem purzeln, der ein verurteilter Straftäter ist. Ein Kokser mit einem unseligen Hang zu osteuropäischen Zwangsprostituierten.

2003 musste Friedman deswegen von all seinen öffentlichen Ämter zurücktreten, seine damalige Partnerin trennte sich angewidert von ihm.

Nun könnte man darüber den Schleier der Verjährung senken, wenn Friedman nicht – nach längerer Schweigepause – wieder genauso unerträglich moralisiert und rechhabert wir vor diesem Skandal. Da er das tut, hätten ihn die beiden Cracks vom Qualitätsorgan «SonntagsZeitung» unbedingt fragen müssen, woher er eigentlich die Chuzpe nimmt, die Dreistigkeit, dermassen ungeniert Betragensnoten zu verteilen und sich selbst als Bauchnabel der moralischen Superiorität aufzuspielen.

In diesem Interview verbindet Friedman Wissenslücken mit unqualifizierten Angriffen, redet von einem längst nicht mehr existierenden Saisonnier-Status, behauptet rassistischen Gegenwind und spricht der Schweiz ab, eine weltoffene Gesellschaft zu sein.

Aber den Höhepunkt erreicht er, wenn er über «Doppelmoral und Heuchelei» herzieht. Ausgerechnet er, dessen Doppelmoral und Heuchelei gerichtsnotorisch ist.

Aber statt ihm jede Berechtigung zu solch unqualifizierten Moralurteilen abzusprechen, haben die beiden Tagi-Journalisten den Weichzeichner eingeschaltet und weisen lediglich sanft auf grobe Falschbehauptungen hin. Lassen gleichzeitig Friedman eine Aufführung hinlegen, bei der Tartuffe vor Neid erbleichte.

Anlass für das Gesülze ist eine Buchtournee, bei der Friedman auch am Schauspielhaus Zürich auftritt. Moderiert wird er dabei von Roger de Weck. Wetten, dass auch dieser Qualitätsjournalist die grossen dunklen Flecken auf der Weste des Autors geflissentlich übersehen wird und stattdessen mit ihm über «Fremdheit, Gemeinschaft und Ausgrenzung» palavert.

Mit einem Menschen, der schlichtweg jedes Recht auf Moralurteile verwirkt hat.

 

Der ARD-Skandal

Wirft in der Schweiz kaum Wellen, ist aber unglaublich.

Der deutsche Staatssender ARD lässt in einer Publikumssendung einen Komparsen auftreten, der das gewünschte Schlusswort hält. Unvorstellbar.

Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rundfunkanstalten (ARD) verfügt über ein Jahresbudget von rund 6,3 Milliarden Euro und ist damit der grösste nicht-kommerzielle Programmanbieter der Welt.

Nicht zuletzt wegen der braunen Vergangenheit Deutschlands ist dieser gebührenfinanzierte Staatsfunk zu äusserster Ausgewogenheit und Neutralität verpflichtet Daran hält er sich immer weniger. Die Griechenland-Krise, der Ukrainekrieg, das Framing-Manual von Elisabeth Wehling, Spesenreitereien und exorbitante Gehälter. Die Liste der ARD-Skandale ist lang.

Der kantige Springer-Boss Matthias Döpfner verglich die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten schon mal mit Nordkorea. Vielleicht leicht übertrieben.

Aber nach Corona kam die AfD. Die Partei wurde vom in die bräunliche Ecke gestellten Schmuddelkind zur wichtigsten politischen Kraft in einigen Bundesländern. Und schon steht der nächste Wahltermin in Brandenburg an. AfD-Kandidaten oder Vertreter werden in allen Sendungen von ARD und ZDF nach allen Regeln der TV-Kunst niedergemacht, mit Vorwürfen überschüttet. Ihnen wird ins Wort gefallen, jedes zweite Wort ist rechtsradikal, der Faschist Höcke, der braune Sumpf, Fremdenfeinde, Rassisten, Unmenschen.

An Gegenargumenten mangelt es hingegen sehr. Den Vogel schoss nun die Sendung «Die 100» ab. Die preist sich so an: «In jeder Folge von „Die 100“ geht es um eine kontroverse Frage. Einhundert Menschen auf dem Spielfeld stimmen ab: sind sie eher dafür oder dagegen?» Also ein Platz für Volkes Stimme, da wird der Puls der Bevölkerung gefühlt, authentisch, original, ungefiltert.

Oder doch nicht. Die jüngste Sendung, passend zur Landtagswahl, widmete sich der Frage «Ist die AfD eigentlich ein Problem?» Der Moderator behauptete einleitend: «Wir jubeln Ihnen keine Meinung unter.» Das Sendungsdekor (siehe Aufmacherfoto) ist natürlich keine Meinung, nur Dekoration. Das versuchte auch nicht der Publizist Michel Friedman, der in einem Einspieler nahelegte, dass es mit der AfD zurück in die braune Vergangenheit gehen könnte. Ausgerechnet Friedman, der längere Zeit pausieren musste, nachdem er mit ausgebeuteten osteuropäischen Nutten beim Koksen in einem Hotelzimmer erwischt worden war. Aber mit genügend Chuzpe gelingt jedem ein Comeback.

Das war aber nicht einmal der Höhepunkt der Sendung. Die sich in AfD-Bashing überbot: «Viele in der AfD wollen Hunderttausende, vielleicht Millionen Menschen aus unserem Land entfernen», behauptete einer der Moderatoren. Wie reagiert denn nun das Publikum im Studio, was sagt Volkes Stimme?

Auftritt 54-jähriger Bürokaufmann aus Göttingen, also repräsentativer geht es kaum. Der war zu Beginn der Sendung Sympathisant der AfD, einsichtig hat er das Lager gewechselt, er habe eingesehen, dass die Partei «ein Wolf im Schafspelz» sei. Das war dann der grossartige Schlusspunkt dieser Sendung.

Bloss: schnell stellte sich heraus, dass es sich bei dieser Stimme aus dem Volk um einen Laienschauspieler handelt, einen Komparsen, der regelmässig im TV auftritt. Natürlich beteuert er, dass er hier keine Rolle gespielt habe, nicht gekauft worden sei, alles reiner Zufall, dass er mit seinem Meinungsumschwung das Schlusswort erhielt.

Damit schafft sich die Glaubwürdigkeit von angeblich neutralen Staatssendern selbst ab. Aber wozu in die Ferne schweifen. Wenn der Medienkritiker Kurt W. Zimmermann Meteo Schweiz kritisiert, die im TV-Wetterbericht regelmässig viel zu hohe Temperaturen angibt, dann macht SRF prompt eine Diskussionsrunde dazu. Im «Club» darf dann der angeschossene Wetterfrosch Thomas Bucheli zur Selbstverteidigung ausholen, unterstützt von Claqueuren. Aber der Kritiker wird vorsichtshalber nicht eingeladen, damit er ungestört kritisiert werden kann.

Dass die Moderatorin des «Club», die die Einschaltquote mit Anlauf in den Keller fährt, mit einem TV-Boss liiert ist, wie ZACKBUM enthüllte, das kann dabei sicher nicht schaden.

Wenn in Deutschland die erzwungene Herausgabe von Protokollen des Robert-Koch-Instituts zu einem Skandal führen, weil sie belegen, dass während der Pandemie die Regierung auf die Meinung der Wissenschaft massiv Einfluss nahm, dekretiert das Schweizer Staats-TV, dass das hierzulande keine News sei. Und überhaupt, Aufarbeitung der eigenen Rolle während der Corona-Hysterie? Völlig unnötig.

Vertrauen erwerben, das ist ein langwieriger und mühsamer Prozess. Vertrauen verspielen, das macht man schnell und mit leichter Hand.

Darf man das?

Der «Stern» wird hemmungslos und haltlos.

Es ist Ausdruck der deutschen Gemütslage, dass sich der «Stern»-Chefredaktor (wie heisst der schon wieder, und muss man sich seinen Namen merken) im Editorial darüber verbreitern muss, dass man es gewagt habe, die AfD-Politikerin Alice Weidel zu interviewen – statt sie einfach zu ignorieren.

Nicht nur das, wenn schon, denn schon. Die Dame kommt aufs Cover. Unvorteilhaft fotografiert, aber immerhin. Der Hintergrund ist ein stählernes Grüngrau, vor dem eigentlich jeder Mensch unsympathisch wirkt. Indem der Kopf leicht nach oben aus dem Bild ragt, während Hals, Hemd und Schultern dadurch verstärkt werden, bekommt die Frau zudem etwas Herrisch-Arrogantes. Indem die Augen weit oben stehen, wohl ein leichtes Weitwinkel zum Einsatz kam, wirkt das Gesicht zudem unproportioniert. Bild-Demagogie vom Feinsten.

Aber das reicht natürlich nicht. Dazu muss noch eine provokative Frage: «Was können Sie eigentlich ausser Hass, Frau Weidel?» Aber damit noch nicht genug. Das Wort Hass ist in Fraktur gesetzt. Nun hat man eine Schrift gewählt, in der das H eher nach Kleinbuchstaben aussieht. Wohl eine Walfra-Variante.

Mit dem Fraktur-H hat der «Stern» allerdings so seine Probleme:

Das war der grösste Flop aller Zeiten, sozusagen der Gröfaz des «Stern». Damals gab es vor allem ein Problem mit dem Buchstaben vornedran. Denn das H könnte tatsächlich für Hitler stehen, aber das F? Für Fritzli Hitler? Der Fälscher hatte gerade kein Fraktur-A zur Hand …

Aber wie auch immer, was will uns der «Stern» damit sagen, das Wort «Hass» in Fraktur zu setzen? Er will damit wohl eine Assoziationslinie zum Nationalsozialismus schaffen, der Fraktur verwendete. Allerdings nur eine Zeitlang, anschliessend wurde sie ersetzt und die Schwabacher beispielsweise als «Judenschrift» beschimpft. Also alles etwas komplizierter, als es der einfältige «Stern» weiss.

Aber immerhin, im Gegensatz zum «SonntagsBlick» ist es dem «Stern» gelungen, ein Interview im gegenseitigen Einverständnis über die Ziellinie zu schaukeln.

Damit kein Zweifel an der Position des Blatts bleibt, kann es noch diesen Herrn bieten:

Der darf hier sülzen: «Ich genieße die Meinungs-, Presse- und Kulturfreiheit. Sie auch? Meine Augen glänzen, und ich empfinde Glück, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Sie auch

Über den ehemaligen Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland hatte der gleiche «Stern» 2003 unter dem Titel «Kokain und Prostituierte: Der Fall Friedman» berichtet. Es war herausgekommen, dass der Medienstar Koks konsumiert und sich mit ukrainischen Prostituierten in Hotels verlustiert hatte. Da war ihm die Würde des Menschen – die Frauen wurden von einem osteuropäischen Zuhälterring ihren Kunden zugeführt – herzlich egal. Und seine Augen glänzten damals eher im Drogenrausch.

Das alles ist doch recht unappetitlich vom «Stern». Vielleicht hilft zur Einordnung eine Entwicklung. 1995 betrug die verkaufte Auflage des «Stern» 1’250’000 Exemplare. 2008 war sie auf 960’000 abgesackt. 2015 fiel sie unter 750’000. Im Jahre 2019 waren es noch 462’000. Und im letzten Jahr betrug sie noch 336’000.

Einen vergleichbaren Sinkflug hat in der Schweiz eigentlich nur der «SonntagsBlick» hingelegt. Verkaufte er 2008 noch 261’000 Exemplare, waren es zehn Jahre später noch 148’000. Inzwischen dümpelt er um die 100’000 herum.

Es wäre interessant, den Parallelen in diesen Niedergängen nachzuspüren. Zunehmender Analphabetismus ist daran sicherlich nicht schuld …