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NZZ – Tagi: 3 : 0

Brutaler Niveauunterschied bei der Berichterstattung über das Kinderspital.

Das finanzielle Fiasko um den Neubau des Zürcher Kinderspitals ist Anlass für ambitionierten Lokaljournalismus. Im Gegensatz zum Gejammer der «Republik» funktioniert der bestens, wenn man sich auch Mühe gibt.

Gerade hier tun sich aber mal wieder Abgründe zwischen den beiden Zürcher Lokalmatadoren auf. Um es auf den Punkt zu bringen: der Tagi macht das, was man halt im Billig-Schnellschnell-Journalismus so tut. Er macht ein Interview mit dem Stiftungsratspräsidenten Martin Vollenwyder. Dafür bietet er gleich zwei Redaktorinnen auf. Aber Sabrina Bundi und Susanne Anderegg sind – sicherlich aus Zeitmangel – nur oberflächlich vorbereitet.

Das kann auch daran liegen, dass Bundi erst 2023 zum «Tages-Anzeiger» wechselte; zuvor war sie im Bündernland tätig. Aber Anderegg, seit 1995 beim Tagi, ist eine Veteranin im Themenbereich Gesundheitswesen.

So darf Vollenwyder zum Beispiel ungeniert flunkern: «Es gab damals in den Jahren 2011 und 2012 einen anonymen Wettbewerb unter 19 Architekturbüros. Das Spital sagte, was es braucht, und die Büros machten Vorschläge. Die Jury hat sich für ein Projekt entschieden, und als am Schluss das Couvert aufgemacht wurde, entpuppte sich das Büro Herzog & de Meuron als Gewinner.»

Wer die NZZ liest, weiss mehr, aber dazu später. In diesem Interview passiert das, was immer passiert, wenn ein Kenner der Sachlage von Journalisten befragt wird, die nur oberflächliche Kenntnisse der Hintergründe und Fakten haben. Vielleicht hätten sie besser zuvor die NZZ gelesen.

Da hätten sie sich bei der Gestaltung auch ein paar Scheibchen abschneiden können, schon formal heisst es 1 : 0 für die NZZ. Tagi ist gähnlangweilig:

Riesenfoto eines älteren Herrn in dunklem Anzug, darunter noch ein Minifoto des neuen Forschungszentrums.

Dagegen inszeniert die NZZ ihren Hintergrundartikel so, dass Leselust entsteht:

Hier geht es nicht einfach um die Wiederholung von Altbekanntem, nämlich dass das Kispi mit einem kantonalen Darlehen und Betriebskredit vor dem Kollaps gerettet werden muss. Es geht auch nicht darum, den verantwortlichen Gelegenheit zu bieten, wie üblich alle Schuld von sich zu weisen. Sondern der NZZ geht es darum, «die Geschichte hinter der Rettungsaktion für das grösste Kinderspital des Landes» zu erzählen.

Denn: «Wenn Monumente wanken, werden Menschen wütend. Das war bei der Swissair so, bei der Credit Suisse – und nun auch beim Kinderspital

Also blättern Jan Hudec und Marius Huber didaktisch geschickt die verschiedenen Aspekte durch, die zur finanziellen Katastrophe führten. Zuerst nehmen sie sich den lautstark erhobenen Vorwurf vor, dass das Kispi halt nicht zwei Stararchitekten hätte beauftragen sollen. Bei genauerer Betrachtung fällt diese Kritik in sich zusammen. Auch unterlegene Konkurrenten bestätigen, dass Herzog & de Meuron mit ihrem Vorschlag in einer anderen Liga spielten als die übrigen Teilnehmer am Wettbewerb: «Einleuchtende Betriebsabläufe, eine heimelige, kindgerechte Atmosphäre mit viel Holz und Pflanzen, eine unverwechselbare Erscheinung – Sieger in allen Kategorien. Und weil ihr Entwurf obendrein kompakter ist als alle anderen, sollte er laut der Kostenschätzung eines Experten auch der günstigste sein.»

Das bestätigt auch der damalige Stadtbaumeister, der die Jury präsidierte: «Es war, als ob Real Madrid in der Schweizer Super League angetreten wäre.» Allerdings, dass der Wettbewerb anonym durchgeführt wurde und am Schluss bei der Öffnung des Couverts der Name Herzog & de Meuron heraushopste, wie Vollenwyder im Tagi erzählt, stimmt so nicht: «Tatsächlich trifft dies aber nur für die erste Phase des Wettbewerbs zu, in der entscheidenden zweiten Phase wird die Anonymisierung aufgehoben – und kein Mitbewerber hat annähernd das Renommee von Herzog & de Meuron», weiss die NZZ. 2 : 0.

Erstes Fazit der NZZ: «Unter jenen, die mit der Materie vertraut sind, herrscht Konsens: Stararchitektur ist nicht der Grund, weshalb die Kosten für den Neubau des Kinderspitals zum Problem wurden. Die Wurzeln des Problems reichen tiefer

Zum Beispiel in die Zeitenwende, dass früher die Zürcher Spitäler davon ausgehen konnten, dass ihnen der Kanton ihre Bauten zahlt: Das Kinderspital bestellt, der Kanton übernimmt die Rechnung. «So wird dies 2009 in einer Vereinbarung festgehalten. Und davon geht die Eleonorenstiftung, die private Betreiberin des Spitals, aus, als sie die Kosten für den Neubau ermittelt

Die neuen Spielregeln lauten dann: «Grund dafür ist das neue Spitalfinanzierungsgesetz. Dieses sieht vor, dass die Spitäler ihre Infrastruktur aus den Fallpauschalen selbst finanzieren müssen

2015, so komplex ist die Vorgeschichte, geht dann Vollenwyder ins Risiko: «Er bewegt den Stiftungsrat dazu, den Neubau trotz komplett veränderten Spielregeln wie geplant zu realisieren und das Geld dafür selbst aufzutreiben.»

Wäre eine Alternative gewesen, das ganze Projekt zu stoppen? «Der Businessplan sei aufgegangen», behauptet er, alle Alternativen wären noch teurer geworden, und: «Was später kam – die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg –, habe niemand ahnen können

Dann steigen die Kosten, von 625 auf 680 Millionen Franken, dann auf 761 Millionen. Damit ist Ende Fahnenstange, denn in seiner Laufzeit könnte der Neubau höchstens 500 Millionen Franken refinanzieren. 100 Millionen waren von Anfang an als Spenden eingeplant, die wurden dann auf 150 Millionen angehoben. Aber selbst mit der Investition des Eigenkapitals der Stiftung reichte es nicht mehr, um 761 Millionen zu stemmen. 3 : 0 für die NZZ.

Daher der Hilferuf an den Kanton. Womit die Krise noch nicht ausgestanden ist, denn der Betrieb muss rentieren und auch in vier Jahren eine erste Anleihe von 200 Millionen refinanzieren.

Ein ambitioniertes Ziel, wie der Wirtschaftsprüfer vorsichtig sagt. Auf Deutsch: starker Harakiri-Verdacht.

Das alles weiss, wer den gründlich recherchierten, fundierten und im besten Sinne des Wortes Entscheidungsgrundlagen zur Beurteilung liefernden Artikel in der NZZ liest.

Wer den Tagi liest, hat nur die Verwertung von Altpapier verzögert. Was wieder einmal beweist: die Krise des Journalismus ist in weiten Teilen hausgemacht. Prinzip NZZ/Gujer gegen Prinzip Tamedia/Supino. Resultat: 3 : 0 für die NZZ. Real Madrid gegen FCZ eben.

 

 

Frischling trifft auf alten Fuchs

Schlachtross Ossi Grübel vernascht die Fragen einer Jungredaktorin.

Die Idee ist nicht schlecht: was meint eigentlich Oswald Grübel, der einzige Mensch, der Chef bei der UBS und bei der CS war, zu dem UBS-Krisenplan unserer Finanzministerin Karin Keller-Sutter? Das könnte interessant werden – wenn nicht jemand die Fragen stellte, der von Finanzen, Banking und so Zeugs so viel Ahnung hat wie Keller-Sutter.

Bei CH Media darf da Ann-Kathrin Amstutz dilettieren. Die schreibt über sich selbst: «Schon immer hat mich eine grosse Neugier angetrieben. Dies brachte mich 2016 zum Journalismus. Ein Praktikum bei der Aargauer Zeitung war mein Einstiegsticket.» Jö. Noch mehr jö: «Ab und zu versuche ich mich an kreativen Texten.»

Jemand mit einem so wohlgefüllten Rucksack darf nun Grübel interviewen. Dem dürften dabei die Augenlider noch schwerer geworden sein als sonst. Denn er muss nicht mal aus dem Halbschlaf erwachen, um so harmlose Fragen zu beantworten wie die, ob man die UBS eigentlich überhaupt abwickeln könne: «Das wird sehr schwierig sein. Die UBS ist eine global systemrelevante Bank und im internationalen Netz eingebettet – das kann die Schweiz gar nicht alleine bestimmen.» Das ist im Prinzip richtig, aber genau dafür gibt es Plattformen wie die CMG. Hä, würde da Amstutz sagen, daher: das ist die Abkürzung für «Crisis Management Group»,  eine Behörde, mit der sich international Bankenaufsichten austauschen und koordinieren.

Was sie im Fall der CS übrigens auch taten – und was Grübel sehr wohl weiss. Aber wenn es die Interviewerin nicht weiss …

Dann behauptet Grübel: «Wenn die Schweiz keine Grossbank mehr hätte, wäre das sehr nachteilig für die Wirtschaft und das ganze Land.» Blühender Unsinn. Gäbe es keine UBS mehr und bestünde Nachfrage nach ihrem Angebot, würden das problemlos andere internationale Banken mit Handkuss übernehmen. Und ein Zusammenbruch der UBS wäre mehr als nur bloss «nachteilig» für das Land, das wäre eine helle Katastrophe bei einem solchen Dinosaurier.

Dann wird es ganz abstrus, denn Grübel darf unwidersprochen behaupten: «Dass die Regulatoren wie im Falle der CS schon über ein Jahr im Voraus wussten, dass die Bank vor dem Abgrund steht, aber dann bis zu einem Tag warten, wo ein Krisenentscheid gefällt wird.»

Dabei hat Grübel den FINMA-Bericht über ihr Handling der CS-Katastrophe sicherlich gelesen, aber eben auch im Gegensatz zu Amstutz. Hätte sie sich etwas kreativer und neugieriger vorbereitet, dann wäre ihr aufgefallen, dass die FINMA selbst klarstellt, dass ihr am Vorabend des katastrophalen Entscheids der Finanzministerin die Zusicherung der wichtigsten Bankenaufsichtsbehörden weltweit vorlagen, dass die bei einer von der FINMA vorgeschlagenen Sanierung keine Probleme in ihren jeweiligen Jurisdiktionen sahen.

Diese Sanierung hätte vorgesehen, die CS-Aktionäre und Wandel-Obligationäre, wie es in einem solchen Fall Brauch ist, auf null zu setzen, die Bail-in-Obligationäre zu den neuen Besitzern zu machen und die Operation mit einem Kapital (Total Loss-Absorbing Capacity, aber das würde für Amstutz zu weit gehen) von über 111 Milliarden Franken zu unterfüttern. Das wäre doppelt so hoch gewesen wie das Eigenkapital der UBS und wäre zudem mit Liquidität von der SNB gestützt worden.

Also wären die wirklich interessanten Fragen an Grübel gewesen, wieso um Himmels willen die Finanzministerin nicht diese Lösung wählte und stattdessen die CS zum Schnäppchenpreis von 3 Milliarden an die UBS wegschenkte. Und noch dem Steuerzahler mit ihrer ungeschickten Äusserung («this is not a bail-out») ein 16-Milliardenproblem aufs Auge drückte. Aber dafür müsste Amstutz wissen, was AT-1-Bonds sind, und nein, dass hat nicht mit James Bond zu tun.

Deren Nominalwert belief sich auf 16 Milliarden Franken, die nun weltweit eingeklagt werden, weil die FINMA auf Anordnung des Bundesrats diese Wandelanleihen auf null setzte. Dadurch verschluckte sich die UBS fast an einem Sondergewinn von 29 Milliarden Franken – durch die halb geschenkte Credit Suisse.

Dann sagt Grübel noch das Übliche zur Frage, ob nicht wenigstens Boni wieder zurückgefordert werden könnten, wenn es der Bank schlecht läuft. Die CS brachte bekanntlich das Kunststück fertig, 32 Milliarden Boni auszuzahlen – für einen kumulierten Verlust von 3 Milliarden Franken. Aber auch da darf Grübel unwidersprochen behaupten, «so eine Bestrafungsmentalität» bringe nichts. Es sollten halt «die falschen Leute von den mächtigen Positionen ferngehalten» werden.

Wie dieses Kunststück funktionieren sollte? Sagt Grübel nicht, fragt Amstutz nicht.

Es ist einer Jungredaktorin ohne Fachkenntnisse unbenommen, naive und uninformierte Fragen zu stellen. Wieso aber auch bei CH Media sämtliche Qualitätskontrollen versagen und ein solcher Müll dem zahlenden Leser als geldwerte Leistung aufs Auge gedrückt wird?

Das ist so, wie wenn der Kochlehrling ein 5-Gänge-Menü auf den Teller zaubern sollte. Während der Chefkoch gemütlich zuschaut und auch das Gemurmel überhört, wenn er dann die Rechnung präsentiert.

Es wird immer deutlicher. Nicht die Umstände schaffen die klassischen Newsmedien ab, sondern die Unfähigkeit auf der Chefetage der grossen Medienhäuser.

 

Hoch lebe Meyer

Hätte ZACKBUM auch nicht gedacht. Aber wir sind fair und objektiv.

Eigentlich gehört Frank A. Meyer, das Hausgespenst des Ringier Verlags, zu den Unkommentierbaren bei ZACKBUM. Aber wer sein Interview liest, das er Michèle Binswanger gegeben hat, kommt nicht umhin, den Hut vor dem 80-Jährigen zu ziehen. Da formuliert er konzis, schlagend und mit messerscharfem Intellekt wie zu seinen besten Zeiten.

Daher ein kleines Best of:

«An einer Bauerndemonstration in Berlin wandte sich jüngst ein Landwirt gegen Leute, «die noch nie gearbeitet und noch nie geschwitzt haben». Er meinte damit jene linksgrüne, elitäre Akademikerschicht, die sich der Sozialdemokratie bemächtigt hat. In der Schweiz geben Cédric Wermuth und Mattea Meyer den Ton an, sozial beflissene Funktionäre, aber eben keine Genossen aus der Arbeiterschaft, weder Pfleger, Maurer noch Schreiner. Das ist das Problem: Erst wenn die Arbeiterbewegung wieder die Bewegung der Arbeiter ist, verschwindet der Rechtspopulismus, der von der Vortäuschung lebt, den Willen des einfachen Volkes zu vertreten.»

«Die linksgrüne Akademikerkaste schafft einflussreiche und einträgliche Positionen für sich und ihre Klientel. In Deutschland gibt es zum Beispiel über 170 Gender-Professuren, überall wimmelt es von NGOs, die heute ja weitgehend subventionierte Regierungsorganisationen sind. Der Aufstieg des Rechtspopulismus ist eine Reaktion auf diese veränderten Herrschaftsverhältnisse bei der Linken.»

«Das aktuelle Beispiel ist der Antikolonialismus der Wokeness-Ideologen: Sie gliedern den Holocaust ein in die Verbrechen des Kolonialismus – und bestreiten damit die Einzigartigkeit des millionenfachen Judenmordes durch die Nazis. Die Gaskammern werden zu einem Ereignis der Kolonialgeschichte – zu einer Untat untervielen. Gleichzeitig wird die Anschuldigung erhoben, auch Israel sei eine weisse, westliche Kolonialmacht und begehe Genozid an den Palästinensern. Der antisemitische Reflex gehört zur Wokenessbewegung wie die reaktionäre Cancel-Culture, die heute durch die Universitäten geistert, von Basel über Berlin bis Princeton und Harvard. Es ist der Versuch der kulturellen Machtergreifung durch ein Akademikermilieu, das sich links nennt, aber rechtsautoritären Aktivismus betreibt.»

«Der Streit ist doch unser Lebenselement – das müsste man meinen. Wenn das zutrifft, dann ist das auch unsere historische Stunde: die Stunde der Streitfreude – das Gegenteil von Anpassung und Korrektheit.»

Auch da, wo er irrt, tut er es mit Verve:

«In dieser Situation können wir nur eines tun: der Ukraine Waffen liefern. Sie muss die Russen so lange bekämpfen, bis sie aufgeben. Dieses Land kämpft um seine Freiheit – und diese Freiheit ist auch unsere Freiheit, denn sie ist unteilbar. Die Ukrainer haben den Westen besser begriffen als der Westen sich selbst.»

Aber wie er seine Rolle bei Ringier beschreibt, das hat dann wieder etwas fast Genialisches:

«Natürlich hatte ich Einfluss. Nicht Macht. Macht hat ein Pflichtenheft. Einfluss ist fliessend, wie es das Wort ja schon zum Ausdruck bringt. Sobald man über Einfluss spricht, schwindet er. Deshalb habe ich nie darüber gesprochen. Und natürlich bestimmte ich nichts, was mir nicht zukam. Ich mischte mich auch nicht ungebührlich ein. Ich war einfach da.»

ZACKBUM hätte auch nie gedacht, dass wir einmal schreiben: schön, dass er noch da ist.

Interview mit dem Teufel

Wenn die Qualitätsmedien demagogisch berichten.

Die Parallelität liegt auf der Hand. Da hat der autokratisch, ohne Opposition und mit Pressezensur in einem korrupten Staat regierende Wolodimir Selenskyj seinen Oberbefehlshaber gefeuert. Mit der dünnen Begründung, dass er einer «notwendigen Erneuerung» der Streitkräfte im Wege stünde. In Wirklichkeit wohl, weil er ihm zu drohend in der Sonne stand. Denn irgendwann sollte ja mal wieder gewählt werden.

Waleri Saluschi machte den Fehler, seinem Chef zu oft und zu öffentlich zu widersprechen. Wenn der zum Beispiel die letzte Offensive der Ukraine als Triumph feiern wollte, obwohl sie eine bittere Niederlage war. Nun ja, schreiben die Massenmedien, Machtkampf halt. Und loben den neuen Armeechef Alexander Sirski über den grünen Klee.

Fast gleichzeitig veröffentlicht der US-Moderator Tucker Carlson ein Exklusivinterview mit dem russischen Präsidenten Putin. Gelegenheit für den US-Korrespondenten (!) Peter Burghardt, Häme aus den Zeilen tropfen zu lassen. Burghardt fiel zuvor durch schrilles Pfeifen im Wald auf; also durch eine vom Prinzip Hoffnung durchtränkte Berichterstattung über die Präsidentschaftsnomination der Republikaner, bei der für Burghardt nur etwas unumstösslich war: Donald Trump soll hoffentlich, bitte, bitte, nicht gewinnen.

Ähnlich realitätsnah berichtet nun der Russland-Kenner aus dem fernen Washington über ein Interview in Moskau. Mangels vertiefter Kenntnisse über Hintergründe und Zusammenhänge beschreibt er liebevoll Oberflächliches.

Zuerst weiss er weltexklusiv: «Carlson, falls das jemand nicht weiss, war mal der oberste Scharfmacher bei Fox News. Bis ihn der rechtskonservative Kanal feuerte, weil auch den Murdochs seine Propaganda für Donald Trumps Absurditäten zu weit ging.» Für alle anderen ausser Burghardt wurde beiderseitig Stillschweigen über die Gründe für Carlson Abgang vereinbart – und eingehalten. Dass Carlson zuvor mit einem schrägen Interview mit Donald Trump Einschaltquote bolzte, daran will sich Burghardt lieber nicht erinnern. ZACKBUM hat keinen Zweifel daran gelassen, was davon zu halten ist.

Nun aber zum Wesentlichen, der Sitzordnung: zwischen beiden sei nur «ein kleiner, eckiger Tisch» gestanden, beobachtet Burghardt – wie das jeder Zuschauer auch kann. Dann fährt er fort: «Kein Tisch von der Länge der Transsibirischen Eisenbahn wie während mancher Politikerbesuche in dieser Burg. Auf dem kleinen Tisch ein Wasserglas für Carlson und ein Becher für Putin, daneben bei Putin ein Handy und ein Stift, wenn der Anblick nicht täuscht. Und bald auch Putins Uhr.»

Ist das vielleicht komisch und erhellend; Putin hat seine Uhr ausgezogen. Was will er der Welt damit sagen? Hat er einen Werbevertrag? Man weiss es nicht, Burghardt weiss selber nicht, wieso er solchen Mumpitz erwähnt. Aber damit hat es sich noch nicht mit seiner Berichterstatterpflicht: «Die Uhr schnallt er in den ersten Minuten vom rechten Handgelenk ab und legt sie mit leichtem Klirren auf die Platte. Sicher ein Hinweis, dass er Zeit hat, es werden am Ende um die 120 Minuten. Der Fragesteller aus Amerika trägt eine Krawatte mit goldgelben Streifen und einem zu dunklen Blau, um als ukrainisches Banner durchzugehen.» Ist es wirklich nötig, den Bericht mit so einem unwichtigen Nonsens zu verwässern?

Carlson steigt direkt ein, das muss ihm Burghardt zubilligen, und Putin fetzt gleich zurück: «Ist das hier eine Talkshow oder ein ernsthaftes Gespräch?» Natürlich willkommener Anlass für Burghardt, nachzutreten: «Das bleibt zwei Stunden lang unklar.» In Wirklichkeit wollte Puntin damit sagen, dass er etwas weiter ausholen möchte und dafür um Geduld und Nachsicht bitte. Aber wieso sich damit eine billige Pointe kaputtmachen.

Ach, und der Inhalt? «Es folgen ausufernde Ausführungen und Rechtfertigungen, die ins 9. Jahrhundert zurückgehen. Putins Geschichtsstunden, hat man schon mal irgendwo gehört.»

Wozu auch sie dann wiedergeben, nicht wahr? Als Carlson fragt, ob sich Putin vorstellen könne, dass US-Soldaten auf Seiten der Ukraine mitkämpfen, zeigt sich Putin schlagfertig: ««Haben Sie nichts Besseres zu tun? Sie haben Probleme an der Grenze, Probleme mit der Migration, Probleme mit der Staatsverschuldung. 33 Billionen Dollar», hat er parat, die Zahl. «Wäre es nicht besser, mit Russland zu verhandeln?»»

Könnte also eigentlich interessant sein, den Inhalt des Gespräch zusammengefasst zu bekommen. Einen kleinen Schnipsel gibt es dann: «Joe Biden mache mit der Unterstützung der Ukraine einen historischen Fehler, erzählt Putin. Man habe kein Interesse, in Polen, Lettland oder sonst wo anzugreifen und wolle auch keine Atomwaffen einsetzen. Mit solchen Szenarien solle Steuerzahlern in Europa und den USA Geld aus der Tasche gezogen werden. Ein globaler Krieg würde die Menschheit doch nur an den Rand der Vernichtung bringen.»

Hört sich nicht ganz unvernünftig an, obwohl es aus dem Mund des Gottseibeiuns in der Kremlburg stammt. Aber das erscheint auch Burghardt als viel zu positiv, also muss er wieder draufhauen:

«Am Ende seiner Monologe ist noch mal Putins Welt mit Historie angesagt, Nato, 1991, 2008, 2014, Ukraine. Russland sei auf dem Schlachtfeld nicht zu besiegen, das Übliche. Von so etwas würden sich die Amerikaner nicht beeinflussen lassen, hatte schon vorher ein Sprecher aus dem Weissen Haus gesagt. «Denken Sie daran, Sie hören Wladimir Putin zu», empfahl er vorher. «Sie sollten nichts für bare Münze nehmen, was er zu sagen hat.»»

Reicht das? Das reicht noch nicht: «Nachher steht Tucker Carlson im sanften Schneefall und moderiert sein folgendes Interview an, hinter ihm die Zwiebeltürme. Bilderbuchmoskau. Man weiss nicht, ob man anschliessend erleichtert oder beunruhigt sein oder einfach nur schlafen soll.»

Man sollte beunruhigt sein. Wenn das Qualitätsjournalismus sein soll, für den die Leser der «Süddeutschen Zeitung» und ihres Abklatsches Tamedia etwas bezahlten sollen – statt Schmerzensgeld zu verlangen, dann sind die dort Verantwortlichen wohl noch weiter von der Wirklichkeit entfernt als Putin.

Ob es diesen Demagogen passt oder nicht, die «Weltwoche» macht mal wieder das, was den Basics des Journalismus entspricht: sie dokumentiert kommentarlos das Interview mit deutschen Untertiteln. Daneben und darüber und darunter kommentiert das Blatt, auch die peinliche Berichterstattung in den deutschsprachigen Medien …

Auch Carlson selbst kommentiert den einleitenden, sehr langen Ausflug Putins in die russische Geschichte, der nun nicht jeden interessieren muss. Ausser diejenigen, die sich dafür interessieren, welche Motive den zweit- oder drittmächtigsten Mann der Welt antreiben. Was doch immer eine sinnvolle Sache ist, oder?

Natürlich fehlen Fragen, wie die, warum Putin dann vor dem Ukrainekrieg unverhohlen mit seinem Atomwaffenarsenal gedroht habe. Oder wieso er sämtliche Staatsverträge gebrochen hat, die die territoriale Unversehrtheit der Ukraine russischerseits garantieren. Aber ein paar Zugeständnisse musste Carlson sicherlich für dieses Exklusivinterview machen.

Eigentlich ist es mal wieder ein Armutszeugnis für die Mainstreammedien, dass ausgerechnet einem Aussenseiter wie Carlson etwas gelingt, worauf alle Medien scharf sind: ein ausführliches Interview mit Putin. Da sind da aber die Trauben sehr, sehr sauer für die anderen.

By the way: glaubt jemand ernsthaft, dass Joe Biden oder gar Donald Trump in der Lage wären, einen solchen Abriss über die amerikanische Geschichte zu geben? Ohne ihn vom Teleprompter abzulesen, of course.

Jonas Lüscher langweilt

Jonas who? Na, der «bedeutende Intellektuelle», einer «der bedeutendsten Schweizer Intellektuellen».

Wer allerdings noch nie etwas von ihm gehört hat, muss sich nicht schämen deswegen. Man kann seine verquasten Romane lesen – oder es auch seinlassen. ZACKBUM ist für seinlassen.

Das hindert allerdings den «Kulturredaktor» Andreas Tobler von Tamedia nicht daran, mit dem Intellektuellen ein Interview zu führen, das den Leser auf  17’500 A kräftig langweilt.

Schon der Einstieg vertreibt den kundigen Konsumenten: «Die Linke steht gemäss Lukas Bärfuss vor einem Scherbenhaufen, weil viele zum Terror der Hamas schweigen. Autor Jonas Lüscher tritt dem differenziert entgegen – und plädiert für den Klassenkampf.»

Echt jetzt? Der andere bedeutende Intellektuelle und Autor Bärfuss sagt etwas ohne Hand und Fuss, und dagegen plädiert der differenzierte Lüscher für Klassenkampf? Nun, wirres Zeugs erzählen, das eint die beiden. Tobler spielt hierbei, wie bei Tamedia inzwischen üblich, man denke an das Gauck-Liebediener-Interview, den Stichwortgeber und liegt sich ideologisch mit Lüscher in den Armen. Was immer eine tolle Voraussetzung für ein spannendes Interview ist, in dem der eine ungestört von kritischen Nachfragen alles palavern darf, was ihm so in den Sinn kommt.

Dass Interview mal eine eigene Kunstform war, ein herausforderndes Gefäss im Journalismus, dieses Wissen ist offenbar bei Tamedia (oder zumindest bei Tobler) völlig verlorengegangen.

Heutzutage kommt ein Interview so daher:

«Das ist alles grauenhaft.
Ja, das ist unbegreiflich. Aber der linke Antisemitismus ist kein neues Problem. Es ist vielmehr so, dass es eben nie eine einheitliche Linke gab
Ein gemurmeltes Selbstgespräch, wo man zwischen Frage und Antwort nicht unterscheiden kann. Und die Antwort enthält lediglich Banalitäten, die früher bei der Verdichtung eines Interviews gestrichen worden wären.
Aber wenn schon die Frage banal ist, was kann man dann von der Antwort erwarten; vor allem, wenn sie von einem Flachdenker wie Lüscher kommt:
«Und das ist heute noch so?
Ja, auch heute ist die Bandbreite linken Denkens und linker Ideologien, gerade in der Nahostfrage, sehr breit.»
Hier erhebt sich wieder einmal gebieterisch die Frage, ob nicht vielmehr Tamedia dem Leser Schmerzensgeld zahlen müsste, als von ihm für einen solchen Schrott auch noch Geld zu verlangen.
Einordnung, Analyse, Denkstoff, Anregendes? Im Gegenteil, man arbeitet gemeinsam an Richtigstellungen. Nachdem Tobler einiges zum linken Antisemitismus abgefragt hat, der vor allem an Bildungsstätten sein Unwesen treibt, darf Lüscher endlich das erlösende Fehlurteil abgeben: «Antisemitismus ist, das zeigen die Zahlen sehr deutlich, massgeblich ein rechtes Problem
Dann macht Lüscher eine Denksalto, bei dem jeder Interviewer, verdiente er diesen Namen, ungläubig nachfragen würde: « …. die Art und Weise, wie die gegenwärtige Lage zur Stimmungsmache gegen Muslime und zur Durchsetzung noch härterer Asylregeln von rechts benutzt wird, widert mich an». Stimmungsmache gegen Muslime, die unter perverser Ausnützung der Meinungsfreiheit in Gesellschaften, die nicht von ihnen beherrscht werden, mit Pro-Hamas- und Pro-IS-Slogans grölend durch die Strassen ziehen? Ohne dass es von massgeblichen islamischen Organisationen lautstarken Protest dagegen gäbe? Wie kann man in einem Interview nur unwidersprochen einen solchen Humbug behaupten? Nun, dann, wenn der Interviewer jede kritische Distanz vermissen lässt.
Auch ein solches Geschwurbel dürfte eigentlich nicht ohne Widerworte durchgelassen werden: «Wenn auf die Frage, ob der Aufruf zum Völkermord an den Juden gegen die Universitätsregeln verstosse, die mittlerweile zurückgetretene Penn-State-Präsidentin antwortet, das sei eine kontextbezogene Entscheidung, wundere ich mich natürlich.» Wunder mich? Das ist alles? Das wundert den Leser nicht, das widert ihn an.
Dann noch das grosse Finale. Was tun, «was müsste die Linke Ihrer Meinung nach tun?» Da ballt Lüscher die Faust und skandiert: « …. es herrscht Klassenkampf. Es kämpft ihn gegenwärtig allerdings, und zwar mit allen Waffen und aller Gewalt, nur eine Seite: die der Vermögenden. Wir sollten diesen Kampf aufnehmen.»
ZACKBUM empfiehlt, vor diesem Kampf den Kampf um ein journalistischen Grundbedingungen genügendes Interview aufzunehmen. Kritisches Hinterfragen statt Abknutschen, Qualitätskontrolle, Verzicht auf Leserquälen, da gäbe es so viel zu kämpfen …

Die «Republik» ist verloren

Denn wenn der VR-Präsident so ein Interview gibt, dann gilt: rette sich, wer kann.

Michel Huissoud arbeitete in seinem vorherigen Leben in der Eidgenössischen Finanzkontrolle. Man muss sagen: trotz ihm sind die Finanzen einigermassen im Lot. Denn der Mann hat ein seltsames Verhältnis zur Realität.

Der Mann verkündet ernsthaft, dass er gerne 100’000 Abonnenten für die «Republik» gewinnen möchte. ZACKBUM möchte das auch haben, was der geraucht hat. Denn die Realität sieht so aus:

Und die Entwicklung so:

Wie man angesichts dieser Zahlen von 100’000 Abonnenten auch nur fantasieren kann, ist schlichtweg unbegreiflich. Aber nicht nur das. Der Fall des wegen angeblichen sexuellen Übergriffen fristlos gefeuerten Mitarbeiters ist für Huissoud abgeschlossen. Dabei hat er nicht mal richtig angefangen. Bis heute sind nicht alle Denunziantinnen namentlich bekannt, bis heute hatte der Beschuldigte keine Gelegenheit, sich dagegen zu wehren oder auch nur zu erklären, obwohl ihm das von ebendiesem Huissod zugesichert worden war.

Offenbar auch einer, der nach der Devise lebt: was geht mich mein dummes Geschwätz von gestern an. Aber auch bei anderen Zahlen zeigt der Zahlenmensch viel Fantasie. Der Tagi traut sich die Feststellung: «Nicht beigelegt sind die Finanzprobleme der «Republik», denn in dieser Hinsicht sieht es ganz und gar nicht gut aus.»

Antwort: «Doch, es ist alles gut.»

Tagi, leicht fassungslos: «Alles gut? Im heute erscheinenden Geschäftsbericht meldet die «Republik» ein Defizit von 1,6 Millionen Franken – statt der budgetierten 1 Million. Auch die Abozahlen waren im letzten Geschäftsjahr rückläufig

Darauf Huissoud flapsig: «Wir zahlen den Preis unseres Irrtums.» Was sagt er dazu, dass sein Organ eigentlich Ende dieses Jahres 33’000 Abos verkauft haben wollte? «Das müssen wir jetzt anschauen.» Was fällt ihm sonst noch dazu ein, dass die «Republik» bei etwas über 28’000 Abos rumkrebst, Anfang nächstes Jahr wie immer rund 12’000 Zahler ihr Abo erneuern müssen? Wie will er diese Zahlen wenigstens stabilisieren? «Indem wir die Erneuerungsrate steigern und wachsen.»

Da stösst der Tagi ein spitzes «Wie?» aus. Na, einfach: «Mit Überzeugung – und indem wir zeigen, dass die «Republik» notwendig ist.» So macht man das, ihr Pfeifen von den übrigen Medien, kann doch nicht so schwer sein.

Dazu gebe es ja das «Klimalabor», das vielleicht vor der Klimakatastrophe, wenn die Sonne explodiert, noch in die Gänge kommen wird. Und man werde alle Kandidaten bei den letzten Wahlen anschreiben. Womit? «Wie die Politik machen wollten – ohne die «Republik» zu lesen.» Auch da muss der Tagi prusten: «Warum sollte es für einen SVP-Nationalrat relevant sein, was ein linkes Nischenprodukt wie die «Republik» über ihn schreibt

Anschliessend dürfen sich auch die Leser den Bauch halten vor lachen: «Weil es Parallelen zwischen der «Republik» und der Eidgenössischen Finanzkontrolle gibt, was die Unabhängigkeit und die Kritik der Macht anbelangt.»

Aber dann gefrieren die Lachtränen, denn immerhin der VRP des Magazins wird gefragt, wie er das politische Profil beschreiben würde: «Das weiss ich nicht.» Steuerprobleme? Ach ja, da laufen noch die Untersuchungen. Die Prüfgesellschaft bezweifelt Mal für Mal die Chancen der Fortführung des Unternehmens? «Das ist noch nicht gravierend. Es ist ein Hinweis, keine Einschränkung, da wir Massnahmen aufgezeigt haben, mit denen wir die Wende schaffen können

So nach der Devise: Arzt zum Patienten: bist dann mal tot. Patient: Ach, das sehe ich nicht so eng.

Und wie soll er nun überleben? Ach, mit 100’000 Abonnenten. Und wo sollen die herkommen? «Es gibt ja auch noch andere Kantone als Zürich. Und Süddeutschland könnte auch noch ein Markt für die «Republik» sein.»

Also Expansion dorthin, fragt der Tagi. «Das wäre denkbar. Ich habe noch keine Zeit gehabt, eine Strategie auszuarbeiten.» Was für ein Traumtänzer. Der Zahlenmensch, der es auch mit einfachen Zahlen nicht so hat, wie ein Korrigendum am Schluss des Interviews beweist:

«In einer ersten Fassung dieses Interviews hiess es in einer Antwort von Michel Huissoud, die Republik habe im Frühling zehn Kündigung ausgesprochen. Diese Aussage, die autorisiert wurde, ist gemäss Geschäftsführung der Republik nicht korrekt: Im Frühjahr 2023 seien acht Kündigungen ausgesprochen, von denen zwei kurze Zeit später aufgrund anderer Personalverschiebungen zurückgenommen werden konnten, schreibt die Republik-Geschäftsführung. Die Antwort von Michel Huissoud wurde deshalb nachträglich korrigiert.»

Der Mann weiss nicht, wie viele Mitarbeiter rausgeschmissen wurden. Er hat keine Ahnung, wie die «Republik» positioniert ist. Er will 100’000 Abonnenten, weiss aber nicht, wo die herkommen sollen. Vielleicht aus Deutschland, ist doch alles viel grösser dort als in der Schweiz. Der Sexismus-Skandal ist für ihn abgeschlossen, obwohl sich der VR mit jeder neuen Mitteilung tiefer in den Sumpf ritt und reitet.

Bei dieser Affäre sind mehr Fragen offen als beantwortet. Wer hat die Geschäftsleitung mit «See only» zur Untätigkeit verdammt? Von wem wurde sie nach eigner Aussage fehlberaten? Wieso sind die Denunziantinnen bis heute weder der «Republik», noch dem Angeschuldigten bekannt? Wieso wurde der ohne die versprochenen Anhörung fristlos gefeuert? Wer muss für all die Fehler und die toxische Betriebskultur Verantwortung übernehmen?

Nur so als kleine Auswahl.

Aber die wichtigste Frage ist: wenn der VR die Strategie eines Unternehmens bestimmen soll, wer hat angesichts solcher Traumtänzereien noch Hoffnung, dass die «Republik» mit diesem VR überlebt?

 

 

Trump ist gaga

Dank der «Weltwoche» wissen wir das nun definitiv.

Das Blatt hat verdienstvollerweise das unendliche Gelaber des republikanischen Präsidentschaftskandidaten aufgezeichnet und auf Deutsch übersetzt. Donald Trump geruhte, auf dem von ihm sonst boykottierten Kanal Twitter (oder X) dem gefeuerten Tucker Carlson ein «Interview» zu geben. Es war mehr ein mäandernder Monolog eines alten Mannes, der nur noch mühsam den Faden wiederfindet, den er gerade spinnt.

Statt vieler Worte darüber ein paar Höhepunkte von Trumps Einlassungen:

«Da ist auch Sanctimonius (Trumps Übername für Ron DeSantis) im Rennen, verrückt. Und jetzt haben sie ihn aufgegeben. Ich meine, er ist ein hoffnungsloser Fall. Und es hat mich sehr an 2016 erinnert. Wissen Sie, 2016 habe ich dasselbe durchgemacht und musste den ganzen Weg gegen sie kämpfen.

Es sind, wie ich schon sagte, Fake News. Ich glaube, ich habe diesen Begriff erfunden. Ich hoffe, das habe ich, denn es ist ein guter Begriff. Es ist nicht mehr hart genug. Es sind korrupte Nachrichten.

Er war der Gouverneur von Arkansas. Ich habe ihn nicht besonders gemocht. Ich weiss nicht, warum dieser Staat so ein grossartiger Staat ist. Die Menschen sind so unglaublich in diesem Staat, und sie lieben mich und ich liebe sie.

Ich verstehe es. Aber ich habe ihm nie, Sie wissen schon, er wollte Verschiedenes sein. Er hat sich verschiedene Elemente der Verwaltung angeschaut. Und wir haben, ich habe entschieden, dass ich es nicht tun wollte, ich wollte es nicht tun. Und jetzt bin ich froh, dass ich es getan habe. Denn Sie wissen, wir hatten einige grossartige Leute. Ich hatte grossartige Leute und werde noch bessere Leute haben, wenn wir das tun, denn jetzt kenne ich Washington, bevor ich Washington nicht kannte, aber Typen wie Bill Barr (Justizminister unter Trump) waren schrecklich.

Das sind wilde Tiere. Das sind Leute, die krank sind, wirklich krank. Sie haben grossartige Leute in der Demokratischen Partei. Die meisten Menschen in unserem Land sind fantastisch. Und ich vertrete alle. Ich vertrete nicht nur die Republikaner, sondern ich vertrete alle. Ich bin der Präsident von allen.

Und der Grund dafür ist, dass ich glaube, dass sie mich mögen, und ich weiss, dass sie meine Politik lieben. Ich hoffe, sie mögen mich auch. Wissen Sie, viele Leute sagen, sie mögen mich nicht, aber sie mögen meine Politik, ich glaube, sie mögen mich. Aber ich habe noch nie so eine Stimmung erlebt wie jetzt. Und der Grund dafür ist, dass der korrupte Joe Biden so schlecht ist.

Nun, er (Präsident Biden, Red.) kann nicht durch den Sand laufen. Weisst du, Sand ist nicht so einfach zu durchlaufen. Aber wo geht man denn hin, wenn man nicht durch den Sand laufen kann?

Wenn ich Präsident wäre, hätte er (der Krieg) nie angefangen.

(Wir) haben mit Nordkorea grossartige Arbeit geleistet. Es hat uns vor einem Atomkrieg bewahrt. Wir hätten jetzt 40.000 tote Soldaten. Sie werfen eine Atombombe direkt über der Militärbasis ab. Aber wir haben 40.000 Soldaten dort drüben. Und ich habe mich gut geschlagen. Ich bin gut mit ihnen ausgekommen. Sehr gut. Das ist also etwas Positives.

Südkorea gab Milliarden für die Olympischen Spiele aus. Niemand wollte hingehen. Sie wollten nicht in die Luft gesprengt werden. Sie riefen mich an und sagten, wir würden die Olympischen Spiele stattfinden lassen. Da ist Nordkorea. Ich sagte, ihr solltet an den Olympischen Spielen teilnehmen und eure Athleten teilnehmen lassen. Wie ist das so? Wissen Sie, sie waren wegen der Hungersnot sehr auf Athleten bedacht, aber sie gingen hin und nahmen tatsächlich teil.

Und innerhalb von zwei Tagen war das ganze Ding ausverkauft. Und wenn ich nicht gewesen wäre, wäre das nie passiert.

… Ich wurde viermal angeklagt, alles Lappalien, unsinniger Blödsinn. Das ist alles Blödsinn. Es ist furchtbar, wenn man sich ansieht, was die machen. Der «Kistenschwindel». Ich falle unter den Presidential Records Act. Es ist mir erlaubt, genau das zu tun.

Also bauten wir ein Ding namens Panamakanal. Wir haben 35.000 Menschen durch die Moskitos verloren. Sie wissen schon, Malaria. Ja, wir verloren 35.000 Menschen beim Bau. Wir verloren 35.000 Menschen wegen der Moskitos. Bösartig. Sie mussten auf ihren Netzen bauen.

China kontrolliert ihn jetzt. Sie kontrollieren sogar den Panamakanal. Sie leiten ihn. Sie kontrollieren ihn. Und das sollten wir nicht zulassen. Und wir können nicht zulassen, dass China in Kuba ist. Und sie werden rauskommen. Wenn ich Präsident bin, werden sie abziehen, denn ich hatte eine sehr gute Beziehung zu Präsident Xi.

Eines der Dinge, die sie mit der EPA gemacht haben, ist, dass es Staaten gibt, viele, viele Staaten, die meisten Staaten haben so viel Wasser, dass es aus dem Himmel kommt, richtig?

Das Wasser strömt herab und du hast es. Es ist Luft. Es wird dorthin gelangen, wo es hingeht, in die Ozeane, was auch immer. Das ist kein grosses Problem. In einigen Staaten haben sie ein Problem. Es gibt einige Wüstengebiete und all das ist in Ordnung. Aber dort gibt es Waschbecken, aus denen kein Wasser herauskommt. Wenn man es anstellt, kommt kein Wasser heraus, kein Wasser kommt aus der Dusche, kein Wasser darf in die Waschmaschine für das Geschirr oder für die Kleidung oder was auch immer fliessen.

Und ich habe das alles für ungültig erklärt.

Sie haben eine Drossel. Das ist ein Drosselventil, das verhindert, dass das Wasser herauskommt. Also habe ich das alles beendet und man muss sehen, dass sie das Wasser herauslassen. Wisst ihr, was die Leute machen? Sie waschen ihre Hände fünfmal länger oder in der Waschmaschine.

Sie drücken auf den, sagen wir mal, Geschirrspüler, sie drücken auf ihn. Dann pressen sie etwa sieben oder acht Mal. Ja, am Ende verbrauchen sie mehr Wasser und es ist trotzdem nicht sehr gut. Ich habe mich mit dem Chef von Whirlpool getroffen. Das Unternehmen stand während meiner Amtszeit praktisch vor dem Aus, und er sagte zu mir: «Ohio ist ein unglaublicher, grossartiger Staat. Ich liebe Ohio.»

Wenn Sie sich bei den Behörden an der Grenze erkundigen, haben wir fast 500 Meilen Mauer gebaut, und ich hatte noch weitere 200 Meilen vor, die ich bauen wollte … Es war alles bereit. Alles, was sie tun mussten, war sie zu installieren.

Es hätte drei Wochen gedauert. Und da habe ich es herausgefunden. Ich sagte: Ich glaube, diese Leute wollen tatsächlich offene Grenzen. Das Erste, was ich tun würde, wäre, die Grenze dichtzumachen, ausser für Leute, die legal einreisen wollen.

Carlson: Donald Trump, ich danke Ihnen.

Trump: Ich danke Ihnen sehr, sehr herzlich.»

Und ZACKBUM dankt Trump, Carlson und der «Weltwoche». Welch eine Welt. Ein seniler Präsident und ein seniler Herausforderer. Was für eine Wahl.

Interview als Abfallhaufen

Tamedia gründelt und gründelt.

Unten, wo der journalistische Bodensatz ist, der Schlamm des Gesinnungsjournalismus, wo Interviews geführt werden, in denen sich zwei Gleichgesinnte in den Armen liegen – genau da ist Tamedia zu Hause.

Bei Tamedia ist ein «Essay» ein selbstverliebtes Gestammel. Ein «Kommentar» eine sprachlich holprige Realitätsfehldeutung. Eine «Reportage» das Gespräch mit drei Meinungsträgern vom Lehnsessel aus. Und ein «Interview» immer wieder die Begegnung zwischen einem Stichwortgeber und einem Schwafeli, der unkritisiert und ungehemmt all das sagen kann, was er schon immer mal sagen wollte.

Marc Brupbacher ist eigentlich «Co-Leiter des Ressorts Daten & Interaktiv». In dieser Eigenschaft wurde er schon während der Pandemie extrem verhaltensauffällig (der Bundesrat sei «völlig übergeschnappt», mit dem damaligen Gesundheitsminister sei er «fertig»). Bis heute mopst Brupbacher gelegentlich mit Schreckenszahlen zur x-ten Corona-Variante nach, was aber – ausser ihn – wirklich keinen mehr interessiert.

Nun – es ist Sommerpause, da darf jeder alles – outet er sich als Politkenner und interviewt einen Geschichtsprofessor, der bislang noch nie öffentlich auffiel:

Damir Skenderovic forsche «seit über 20 Jahren zum Thema Rechtspopulismus und Rechtsextremismus». Das ist erstaunlich, denn erst 2004 doktorierte er, erst seit 2011 ist er Professor für Allgemeine und Schweizerische Zeitgeschichte an der Uni Freiburg. Aber Datenspezialist Brupbacher muss es doch nicht immer mit Daten so genau nehmen.

Nun hat Brupbacher eine tablettengrosse These, die er im Gespräch, also im Stichwortgeben über 10’000 A breitwalzt. Wer den Vorspann gelesen hat, kann sich eigentlich das sogenannte Interview sparen: «In Deutschland legt die AfD deutlich zu. Geschichtsprofessor Damir Skenderovic sagt, wie ähnlich die Partei der SVP ist – und warum diese als Vorbild für Rechtspopulisten in Europa gilt.»

Schon mit seiner ersten Antwort disqualifiziert sich Skenderovic als ernstzunehmender Historiker. Brupbacher fragt ihn, wieso man in Deutschland angeblich über den «hohen Wähleranteil der rechtspopulistischen AfD in Umfragen schockiert» sei, in der Schweiz aber auf die «wählerstärkste SVP gelassener» reagiere.

Da müsste ein Historiker, der die Ehre der Geschichtswissenschaft hochhalten wollte, zunächst einmal problematisieren, was der Begriff «rechtspopulistisch» eigentlich bedeuten soll, dann müsste er gegen die hier schon implizierte Ähnlichkeit zwischen AfD und SVP protestieren. Aber da es sich um zwei Gleichgesinnte handelt, kuschelt sich der Professor in der Antwort gleich an:

«Das hat historische Gründe. Deutschland hat eine andere Erinnerungskultur. Man hat verinnerlicht, was der Nationalsozialismus und seine rassistische Politik angerichtet haben, und reagiert deshalb sehr empfindlich auf den Aufstieg der AfD

Während Brupbacher unwidersprochen AfD und SVP in den gleichen Topf wirft, insinuiert der Professor nun, dass die AfD ihre Wurzeln im Nationalsozialismus und dessen rassistischer Politik, sprich Judenvernichtung, habe. Aber damit nicht genug, Skenderovic fährt fort:

«In der Schweiz ist das Geschichtsbewusstsein zu diesen Themen weniger ausgeprägt, dabei gab es auch einen helvetischen Faschismus. Jungfreisinnige, Katholisch-Konservative und andere politische Milieus zeigten zudem damals Sympathien für autoritäre Regimes, und der Antisemitismus war vor 80 Jahren auch in der Schweiz verbreitet. Das wird gerne vergessen

Das ist nun auch von hübscher Perfidie. Also in der Schweiz wird die SVP nicht so postfaschistisch wie die AfD in Deutschland wahrgenommen, weil das Geschichtsbewusstsein weniger ausgeprägt sei.

Nun stellt Brupbacher eine weitere rhetorische Frage: «Ist denn die SVP überhaupt mit der AfD vergleichbar

Die zunächst ausweichende Antwort: «In der Geschichtswissenschaft sprechen wir von den klassischen Parteifamilien. Es gibt konservative, liberale, kommunistische und sozialdemokratische Gruppen. Seit über 30 Jahren wird nun die Landschaft um die Rechtspopulisten erweitert, die je nach Land ihre Besonderheiten haben.»

Nun spricht allerdings kaum einer von den «klassischen Parteienfamilien». Dafür zieht der Professor im Anschluss eine Linie von Schwarzenbachs Überfremdungsinitiative von 1970 zur SVP von heute, was an Demagogie kaum zu überbieten ist.

Brupbacher arbeitet seine Stichwortliste weiter ab: «Die SVP oder auch die AfD werden manchmal als «Gefahr für die Demokratie» beschrieben. Ist das nicht übertrieben

Die Demokratien seien heutzutage gefestigter als in den 20er- oder 30er-Jahren, leitet der Professor seine nächste Perfidie ein: «Aber es stellt sich die Frage, was heisst Demokratie? Freie Wahlen und freie Meinungsäusserung, das institutionelle System der Demokratie sind wohl nicht bedroht. Aber was ist mit den Menschenrechten, mit dem Schutz der Schwächsten in der Gesellschaft? Es geht bei der Demokratie nicht nur um das politische System, sondern auch um demokratische Grundwerte.»

Also AfD und SVP bedrohen nicht direkt die Demokratie, aber die Menschenrechte und die Schwächsten in der Gesellschaft. So belegfrei wie unverschämt.

Nächste Frage auf der Liste; wie stehe es denn mit der Zusammenarbeit mit solchen Parteien? «Es geht darum, sich von Rechtspopulisten klar abzugrenzen. Es geht um die Frage der Zusammenarbeit. Wenn man mit ihnen kooperiert und Allianzen und Koalitionen eingeht, legitimiert man ihre Anliegen.»

Allein in diesen Ausschnitten gäbe es Anlass für unzählige nötige Nachfragen, um nicht zuletzt auf Widersprüchlichkeiten und baren Unsinn in den Aussagen des Professors hinzuweisen. Darauf könnte er sich vielleicht erklären, der Leser bekäme vielleicht ein anregendes Streitgespräch serviert, das vielleicht keine bedeutende Erkenntnissteigerung beinhaltet, aber wenigstens unterhaltsam wäre.

So aber kriegt er die Bankrotterklärung eines Interviews hingeworfen, wo ein unbekannter Professor auf die dümmlichen Stichworte eines voreingenommenen Redaktors, der offenkundig mangelnde Kompetenz durch überreichlich Gesinnung kompensieren will, das Gewünschte antworten darf.

Und das soll dann eine «Forumszeitung» sein, die sich bewusst ist, dass sie durch das Duopol im Tageszeitungsmarkt dermassen meinungsmächtig ist, dass sie angeblich verschiedene Positionen zulassen will?

Es ist doch an Perfidie schwer zu überbieten, dass im aufkommenden Wahlkampf mit allen Mitteln versucht wird, die SVP in die Nähe der AfD zu rücken. Die zahlreichen und unübersehbaren Unterschiede werden plattgequatscht, durch unwidersprochen bleibende perfide Unterstellungen und Insinuieren werden beide Parteien auf ihre angeblich vorhandenen Wurzeln im Nationalsozialismus, im Faschismus, im Rassismus, in der Judenvernichtung gar zurückfantasiert.

Auch hier muss man sich wieder – vergeblich natürlich – fragen, wo denn die Qualitätskontrolle bei Tamedia bleibt. Wieso hat Brupbacher bei Abgabe dieses Interviews niemand gefragt, ob er nun «völlig übergeschnappt» sei? Ob er ernsthaft meine, dieses Gefälligkeitsgespräch genüge den primitivsten Ansprüchen an ein journalistisch geführtes Interview? Woher er sich die Kompetenz anmasse, als Datenjournalist politisch-historische Vergleiche zwischen einer deutschen und einer Schweizer Partei anzustellen? Wieso er sich einen Gesprächspartner ausgesucht habe, der einzig durch das Bedienen aller gewünschten Klischees auffällt und sich dabei keinen Deut darum schert, dass er damit seinen nicht vorhandenen Ruf ruiniert?

Das sind keine singulären Ereignisse mehr bei Tamedia. Das ist, wie man so schön sagt, ein strukturelles Problem geworden. Es sollte doch in einem meinungsbildenden Medienkonzern zumindest das Bestreben erkennbar sein, ein gewisses Niveau nicht zu unterschreiten. Aber wie sagte man früher so richtig: Tamedia, quo vadis?

Es gibt einen grossartigen Roman von Franz Jung: «Der Weg nach unten». Dieser Titel fällt ZACKBUM immer wieder spontan ein, wenn wir an Tamedia denken. Was für ein Mann, was für ein Leben, was für ein Werk. Sein erstes Buch in seiner expressionistischen Phase trug den Titel «Das Trottelbuch». Passt auch. Nun müsste man allerdings nicht nur Nora Zukker so viel erklären, dass wir es lassen.

Darf man das?

Der «Stern» wird hemmungslos und haltlos.

Es ist Ausdruck der deutschen Gemütslage, dass sich der «Stern»-Chefredaktor (wie heisst der schon wieder, und muss man sich seinen Namen merken) im Editorial darüber verbreitern muss, dass man es gewagt habe, die AfD-Politikerin Alice Weidel zu interviewen – statt sie einfach zu ignorieren.

Nicht nur das, wenn schon, denn schon. Die Dame kommt aufs Cover. Unvorteilhaft fotografiert, aber immerhin. Der Hintergrund ist ein stählernes Grüngrau, vor dem eigentlich jeder Mensch unsympathisch wirkt. Indem der Kopf leicht nach oben aus dem Bild ragt, während Hals, Hemd und Schultern dadurch verstärkt werden, bekommt die Frau zudem etwas Herrisch-Arrogantes. Indem die Augen weit oben stehen, wohl ein leichtes Weitwinkel zum Einsatz kam, wirkt das Gesicht zudem unproportioniert. Bild-Demagogie vom Feinsten.

Aber das reicht natürlich nicht. Dazu muss noch eine provokative Frage: «Was können Sie eigentlich ausser Hass, Frau Weidel?» Aber damit noch nicht genug. Das Wort Hass ist in Fraktur gesetzt. Nun hat man eine Schrift gewählt, in der das H eher nach Kleinbuchstaben aussieht. Wohl eine Walfra-Variante.

Mit dem Fraktur-H hat der «Stern» allerdings so seine Probleme:

Das war der grösste Flop aller Zeiten, sozusagen der Gröfaz des «Stern». Damals gab es vor allem ein Problem mit dem Buchstaben vornedran. Denn das H könnte tatsächlich für Hitler stehen, aber das F? Für Fritzli Hitler? Der Fälscher hatte gerade kein Fraktur-A zur Hand …

Aber wie auch immer, was will uns der «Stern» damit sagen, das Wort «Hass» in Fraktur zu setzen? Er will damit wohl eine Assoziationslinie zum Nationalsozialismus schaffen, der Fraktur verwendete. Allerdings nur eine Zeitlang, anschliessend wurde sie ersetzt und die Schwabacher beispielsweise als «Judenschrift» beschimpft. Also alles etwas komplizierter, als es der einfältige «Stern» weiss.

Aber immerhin, im Gegensatz zum «SonntagsBlick» ist es dem «Stern» gelungen, ein Interview im gegenseitigen Einverständnis über die Ziellinie zu schaukeln.

Damit kein Zweifel an der Position des Blatts bleibt, kann es noch diesen Herrn bieten:

Der darf hier sülzen: «Ich genieße die Meinungs-, Presse- und Kulturfreiheit. Sie auch? Meine Augen glänzen, und ich empfinde Glück, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Sie auch

Über den ehemaligen Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland hatte der gleiche «Stern» 2003 unter dem Titel «Kokain und Prostituierte: Der Fall Friedman» berichtet. Es war herausgekommen, dass der Medienstar Koks konsumiert und sich mit ukrainischen Prostituierten in Hotels verlustiert hatte. Da war ihm die Würde des Menschen – die Frauen wurden von einem osteuropäischen Zuhälterring ihren Kunden zugeführt – herzlich egal. Und seine Augen glänzten damals eher im Drogenrausch.

Das alles ist doch recht unappetitlich vom «Stern». Vielleicht hilft zur Einordnung eine Entwicklung. 1995 betrug die verkaufte Auflage des «Stern» 1’250’000 Exemplare. 2008 war sie auf 960’000 abgesackt. 2015 fiel sie unter 750’000. Im Jahre 2019 waren es noch 462’000. Und im letzten Jahr betrug sie noch 336’000.

Einen vergleichbaren Sinkflug hat in der Schweiz eigentlich nur der «SonntagsBlick» hingelegt. Verkaufte er 2008 noch 261’000 Exemplare, waren es zehn Jahre später noch 148’000. Inzwischen dümpelt er um die 100’000 herum.

Es wäre interessant, den Parallelen in diesen Niedergängen nachzuspüren. Zunehmender Analphabetismus ist daran sicherlich nicht schuld …

 

Reza Reinfall

Sprecht nicht mit diesem Mann!

Wer mit dem frischgebackenen Chefredaktor des «SonntagsBlick» ein paar Worte wechselt, tut das auf eigene Gefahr. Während seine Oberchefin Ladina Heimgartner gerade Loblieder auf die neue Bezahlschranke beim «Blick» singt, weil die angeblich Qualität garantieren würde, benimmt sich Reza Rafi – im Duett mit seiner interimistischen Chefin Steffi Buchli – qualitätslos unanständig.

Marco Rima machte den Fehler, mit Buchli und Rafi mehr als ein paar Worte zu wechseln, genauer, ein Interview zu führen. Rima ist nicht nur einer der erfolgreichsten Komiker der Schweiz, sondern wurde als Kritiker der Corona-Massnahmen vom «Blick» kräftig gebasht. Denn bekanntlich sorgte die Standleitung zwischen Ringier-CEO Marc Walder und dem damaligen Gesundheitsminister Alain Berset dafür, dass all dessen Fehlentscheide angehimmelt wurden, dagegen wurde Rima als angeblicher «Corona-Leugner», Verschwörungstheoretiker und auf Abwege geratener Irrwisch beschimpft.

Also dachte sich Rima, der leider an das Gute im Menschen glaubt, dass Ringier ihm hier eine Gelegenheit geben wollte, ein paar Dinge klarzustellen, schliesslich wurde ihm zugesichert, dass er frei reden dürfe und nicht zensiert werde.

Bei der Orthografie helfen Korrekturprogramme. Gedankenleere ist allerdings nicht korrigierbar. Zum banalen Anfängerwissen gehört, wie man ein mündlich auf Schweizerdeutsch geführtes Interview verschriftlicht. Das ist keine Kunst, sondern biederes Handwerk.

Manche Interviewpartner sprechen druckreif, andere mäandern, umkreisen eine Antwort, brechen ab, setzen neu an. Wie es halt in einem Gespräch üblich ist. Die Aufgabe des Journalisten ist dann, daraus eine schriftliche, lesenswerte Fassung zu destillieren, die den Wesensgehalt der Antwort möglichst nahe am Sprachgebrauch des Interviewten wiedergibt.

Das lernt der Journalist in Anfängerkursen. Falls er keine besucht hat, bringt es ihm ein erfahrener Kollege, ein Textchef, ein Produzent bei.

Wenn gleich zwei Chefs den Ständeratskandidaten Rima interviewen, sollte das Resultat chefwürdig sein. Insbesondere, da die Ausgangslage komplex ist. Hier Ringier mit seinem direkten Draht zum damaligen Gesundheitsminister Berset, mit seiner beflissenen und lobhudelnden Unterstützung aller staatlicher Massnahmen während der Pandemie.

Dort Rima, der sich vom Comedian zum besorgten Kritiker dieser Massnahmen wandelte. Dafür vom «Blick» mit Anlauf in die Pfanne gehauen und gebasht wurde. Als angeblicher Heuchler, der Corona-Entschädigungen bezog, aber die Regierung kritisiere. Dass es sich lediglich um eine ungenügende Ausfallsumme handelte, die allen Zuger Künstlern ausbezahlt wurde und mit der lediglich 80 Prozent des durch die Massnahmen entstandenen Schadens gedeckt wurde, verschwieg «Blick».

Bei dieser Vorgeschichte hätte man besondere Sorgfalt bei der Verschriftlichung erwarten dürfen. Schon alleine deswegen, weil Buchli und Rafi wussten, dass Rima ihre Fassung zum Autorisieren bekommt.

ZACKBUM konnte Einblick in die SoBli-Fassung nehmen. Es ist erschütternd. Es ist eine Verschriftlichung auf einem Niveau, die jedem Praktikanten um die Ohren geschlagen würde, begleitet von der Frage, ob er sich nicht vielleicht einen anderen Beruf suchen möchte.

Man will den beiden «Blick»-Heros fast zubilligen, dass sie absichtlich und bösartig mit dieser Holper-Stolper-Fassung Rima als Depp darstellen wollten. Es ist aber wohl noch schlimmer: sie können es nicht besser.

Ein Chefredaktor muss nicht schreiben können. Aber wenn er es tut, dann sollte er ein gewisses Vorbild sein. Ein Chefredaktor muss nicht interviewen können. Sollte er es tun, muss das Resultat Minimalansprüchen an Niveau und handwerklicher Beherrschung genügen.

Kostprobe? Bitte sehr. Die Eingangsfrage lautete, ob Rima wirklich Lust habe, sich als Ständerat in komplizierte Dossiers einzuarbeiten. Seine Antwort in der «Blick»-Version:

«Erstens müsste ich mich in gewisse Themen einlesen. Zweitens reagiere ich auf gewisse Entscheide, die gerade eben im Ständerat gefällt wurden. Windkraft in den Bergen, zu Null Stimmen! Aber ich komme von woanders her, ich bin nicht der klassische Politiker. Ich komme von einem Ort her, an dem die Familie zuvorderst steht. Die Familie ist der Anfang der Politik. Die Familie ist die Kinderstube, in der die Auseinandersetzung, der Umgang miteinander gelehrt wird.»

So ging’s dann holterdipolter weiter. Kein Wunder, dass dem Komiker hier der Hut hoch und der Humor verloren ging. Also redigierte er kräftig, was erlaubt ist. Zudem strich er Passagen und ersetzte sie durch ihm wichtigere Anliegen. Was grenzwertig ist.

Im professionellen Journalismus, das räumt sogar der SoBli ein, ist das durchaus üblich. Oder anders gesagt: wäre der Interviewtext so vom Kommunikationsfuzzi von Berset zurückgekommen, hätte der «SoBli» ihn ehrfürchtig unverändert abgedruckt.

Normalerweise greift sonst der Interviewer zum Telefonhörer und rauft sich mit dem Interviewten in einem manchmal länglichen und strapaziösen Gespräch zusammen. Ein Geben und Nehmen. Nur ganz, ganz selten gelingt das nicht.

Hier aber bekam Rima die trockene Antwort: «Nein, wir wollen dieses Interview nicht veröffentlichen.» Mit der freundlichen Bitte um Verständnis. Okay, dachte sich Rima, dann halt nicht. Wir haben’s probiert, hat nicht funktioniert. Shit happens. Deckel drauf.

Das dachte er solange, bis er am Sonntag das Schmierenblatt aufschlug und dort auf zwei Seiten eine Hinrichtung lesen musste. Er habe wild herumgefuhrwerkt im Text, verändert, so gehe das nicht. Auf einer Seite wurde nochmals mit ihm abgerechnet, was ein Leichtes ist, wenn das Opfer nicht widersprechen kann. Rima sei vom «Sonnenkönig zum Nachtschattengewächs» geworden, wird er angepflaumt.

Das ist schon mal unanständig. Widerwärtig wird’s, wenn das ausgelassen wird, was in den ganz seltenen Fällen sonst passiert, wenn eine Redaktion den Nicht-Abdruck eines Gesprächs publik macht und begründet. Dann wird das mit Beispielen untermauert, wieso solche massiven Veränderungen nicht akzeptiert werden konnten und auch keine Einigung über eine gemeinsame Fassung möglich war.

Rafi und Buchli verzichteten aber konsequent auf Beispiele. Wer die Originalversion gesehen hat, versteht, warum. Rafi und Buchli verzichteten auch darauf, mit Rima in den Clinch zu gehen, welche Veränderungen akzeptabel seien und welche nicht. Sie baten um Verständnis für ihren Entscheid – und hatten zeitgleich bereits die öffentliche Hinrichtung Rimas auf dem Schirm.

Das ist kein Beitrag zur Qualitätssteigerung. Das ist handwerklich ein Pfusch. Das ist zudem hinterfotzig und bösartig. Rima zitiert in diesem Zusammenhang einen grossartigen Gedanken des amerikanischen Verlegers Joseph Pulitzer, dessen Preis niemals in diesem Leben und im nächsten ein «Blick»-Schreiberling bekommen wird:

«Eine zynische, käufliche, demagogische Presse wird mit der Zeit ein Volk erzeugen, das genauso niederträchtig ist wie sie selbst

Daran arbeitet der Ringier-Verlag unermüdlich. Angeführt von Figuren wie Rafi und Buchli, denen man jegliche Kenntnis journalistischer Ehre absprechen muss. Dass sie Meinungsbüttel sind, ist nicht ihre schlimmste Eigenschaft. Sie beherrschen nicht einmal ihr Handwerk, sollten als Chefredaktor aber Vorbild sein.

Eigentlich müssten beide nach einer gewissen Schamfrist entlassen werden. Das wäre endlich mal ein Entscheid von Ladina Heimgartner, Marc Walder oder Michael Ringier, dem man aus vollem Herzen applaudieren könnte.