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Die «Republik» ist verloren

Denn wenn der VR-Präsident so ein Interview gibt, dann gilt: rette sich, wer kann.

Michel Huissoud arbeitete in seinem vorherigen Leben in der Eidgenössischen Finanzkontrolle. Man muss sagen: trotz ihm sind die Finanzen einigermassen im Lot. Denn der Mann hat ein seltsames Verhältnis zur Realität.

Der Mann verkündet ernsthaft, dass er gerne 100’000 Abonnenten für die «Republik» gewinnen möchte. ZACKBUM möchte das auch haben, was der geraucht hat. Denn die Realität sieht so aus:

Und die Entwicklung so:

Wie man angesichts dieser Zahlen von 100’000 Abonnenten auch nur fantasieren kann, ist schlichtweg unbegreiflich. Aber nicht nur das. Der Fall des wegen angeblichen sexuellen Übergriffen fristlos gefeuerten Mitarbeiters ist für Huissoud abgeschlossen. Dabei hat er nicht mal richtig angefangen. Bis heute sind nicht alle Denunziantinnen namentlich bekannt, bis heute hatte der Beschuldigte keine Gelegenheit, sich dagegen zu wehren oder auch nur zu erklären, obwohl ihm das von ebendiesem Huissod zugesichert worden war.

Offenbar auch einer, der nach der Devise lebt: was geht mich mein dummes Geschwätz von gestern an. Aber auch bei anderen Zahlen zeigt der Zahlenmensch viel Fantasie. Der Tagi traut sich die Feststellung: «Nicht beigelegt sind die Finanzprobleme der «Republik», denn in dieser Hinsicht sieht es ganz und gar nicht gut aus.»

Antwort: «Doch, es ist alles gut.»

Tagi, leicht fassungslos: «Alles gut? Im heute erscheinenden Geschäftsbericht meldet die «Republik» ein Defizit von 1,6 Millionen Franken – statt der budgetierten 1 Million. Auch die Abozahlen waren im letzten Geschäftsjahr rückläufig

Darauf Huissoud flapsig: «Wir zahlen den Preis unseres Irrtums.» Was sagt er dazu, dass sein Organ eigentlich Ende dieses Jahres 33’000 Abos verkauft haben wollte? «Das müssen wir jetzt anschauen.» Was fällt ihm sonst noch dazu ein, dass die «Republik» bei etwas über 28’000 Abos rumkrebst, Anfang nächstes Jahr wie immer rund 12’000 Zahler ihr Abo erneuern müssen? Wie will er diese Zahlen wenigstens stabilisieren? «Indem wir die Erneuerungsrate steigern und wachsen.»

Da stösst der Tagi ein spitzes «Wie?» aus. Na, einfach: «Mit Überzeugung – und indem wir zeigen, dass die «Republik» notwendig ist.» So macht man das, ihr Pfeifen von den übrigen Medien, kann doch nicht so schwer sein.

Dazu gebe es ja das «Klimalabor», das vielleicht vor der Klimakatastrophe, wenn die Sonne explodiert, noch in die Gänge kommen wird. Und man werde alle Kandidaten bei den letzten Wahlen anschreiben. Womit? «Wie die Politik machen wollten – ohne die «Republik» zu lesen.» Auch da muss der Tagi prusten: «Warum sollte es für einen SVP-Nationalrat relevant sein, was ein linkes Nischenprodukt wie die «Republik» über ihn schreibt

Anschliessend dürfen sich auch die Leser den Bauch halten vor lachen: «Weil es Parallelen zwischen der «Republik» und der Eidgenössischen Finanzkontrolle gibt, was die Unabhängigkeit und die Kritik der Macht anbelangt.»

Aber dann gefrieren die Lachtränen, denn immerhin der VRP des Magazins wird gefragt, wie er das politische Profil beschreiben würde: «Das weiss ich nicht.» Steuerprobleme? Ach ja, da laufen noch die Untersuchungen. Die Prüfgesellschaft bezweifelt Mal für Mal die Chancen der Fortführung des Unternehmens? «Das ist noch nicht gravierend. Es ist ein Hinweis, keine Einschränkung, da wir Massnahmen aufgezeigt haben, mit denen wir die Wende schaffen können

So nach der Devise: Arzt zum Patienten: bist dann mal tot. Patient: Ach, das sehe ich nicht so eng.

Und wie soll er nun überleben? Ach, mit 100’000 Abonnenten. Und wo sollen die herkommen? «Es gibt ja auch noch andere Kantone als Zürich. Und Süddeutschland könnte auch noch ein Markt für die «Republik» sein.»

Also Expansion dorthin, fragt der Tagi. «Das wäre denkbar. Ich habe noch keine Zeit gehabt, eine Strategie auszuarbeiten.» Was für ein Traumtänzer. Der Zahlenmensch, der es auch mit einfachen Zahlen nicht so hat, wie ein Korrigendum am Schluss des Interviews beweist:

«In einer ersten Fassung dieses Interviews hiess es in einer Antwort von Michel Huissoud, die Republik habe im Frühling zehn Kündigung ausgesprochen. Diese Aussage, die autorisiert wurde, ist gemäss Geschäftsführung der Republik nicht korrekt: Im Frühjahr 2023 seien acht Kündigungen ausgesprochen, von denen zwei kurze Zeit später aufgrund anderer Personalverschiebungen zurückgenommen werden konnten, schreibt die Republik-Geschäftsführung. Die Antwort von Michel Huissoud wurde deshalb nachträglich korrigiert.»

Der Mann weiss nicht, wie viele Mitarbeiter rausgeschmissen wurden. Er hat keine Ahnung, wie die «Republik» positioniert ist. Er will 100’000 Abonnenten, weiss aber nicht, wo die herkommen sollen. Vielleicht aus Deutschland, ist doch alles viel grösser dort als in der Schweiz. Der Sexismus-Skandal ist für ihn abgeschlossen, obwohl sich der VR mit jeder neuen Mitteilung tiefer in den Sumpf ritt und reitet.

Bei dieser Affäre sind mehr Fragen offen als beantwortet. Wer hat die Geschäftsleitung mit «See only» zur Untätigkeit verdammt? Von wem wurde sie nach eigner Aussage fehlberaten? Wieso sind die Denunziantinnen bis heute weder der «Republik», noch dem Angeschuldigten bekannt? Wieso wurde der ohne die versprochenen Anhörung fristlos gefeuert? Wer muss für all die Fehler und die toxische Betriebskultur Verantwortung übernehmen?

Nur so als kleine Auswahl.

Aber die wichtigste Frage ist: wenn der VR die Strategie eines Unternehmens bestimmen soll, wer hat angesichts solcher Traumtänzereien noch Hoffnung, dass die «Republik» mit diesem VR überlebt?

 

 

Trump ist gaga

Dank der «Weltwoche» wissen wir das nun definitiv.

Das Blatt hat verdienstvollerweise das unendliche Gelaber des republikanischen Präsidentschaftskandidaten aufgezeichnet und auf Deutsch übersetzt. Donald Trump geruhte, auf dem von ihm sonst boykottierten Kanal Twitter (oder X) dem gefeuerten Tucker Carlson ein «Interview» zu geben. Es war mehr ein mäandernder Monolog eines alten Mannes, der nur noch mühsam den Faden wiederfindet, den er gerade spinnt.

Statt vieler Worte darüber ein paar Höhepunkte von Trumps Einlassungen:

«Da ist auch Sanctimonius (Trumps Übername für Ron DeSantis) im Rennen, verrückt. Und jetzt haben sie ihn aufgegeben. Ich meine, er ist ein hoffnungsloser Fall. Und es hat mich sehr an 2016 erinnert. Wissen Sie, 2016 habe ich dasselbe durchgemacht und musste den ganzen Weg gegen sie kämpfen.

Es sind, wie ich schon sagte, Fake News. Ich glaube, ich habe diesen Begriff erfunden. Ich hoffe, das habe ich, denn es ist ein guter Begriff. Es ist nicht mehr hart genug. Es sind korrupte Nachrichten.

Er war der Gouverneur von Arkansas. Ich habe ihn nicht besonders gemocht. Ich weiss nicht, warum dieser Staat so ein grossartiger Staat ist. Die Menschen sind so unglaublich in diesem Staat, und sie lieben mich und ich liebe sie.

Ich verstehe es. Aber ich habe ihm nie, Sie wissen schon, er wollte Verschiedenes sein. Er hat sich verschiedene Elemente der Verwaltung angeschaut. Und wir haben, ich habe entschieden, dass ich es nicht tun wollte, ich wollte es nicht tun. Und jetzt bin ich froh, dass ich es getan habe. Denn Sie wissen, wir hatten einige grossartige Leute. Ich hatte grossartige Leute und werde noch bessere Leute haben, wenn wir das tun, denn jetzt kenne ich Washington, bevor ich Washington nicht kannte, aber Typen wie Bill Barr (Justizminister unter Trump) waren schrecklich.

Das sind wilde Tiere. Das sind Leute, die krank sind, wirklich krank. Sie haben grossartige Leute in der Demokratischen Partei. Die meisten Menschen in unserem Land sind fantastisch. Und ich vertrete alle. Ich vertrete nicht nur die Republikaner, sondern ich vertrete alle. Ich bin der Präsident von allen.

Und der Grund dafür ist, dass ich glaube, dass sie mich mögen, und ich weiss, dass sie meine Politik lieben. Ich hoffe, sie mögen mich auch. Wissen Sie, viele Leute sagen, sie mögen mich nicht, aber sie mögen meine Politik, ich glaube, sie mögen mich. Aber ich habe noch nie so eine Stimmung erlebt wie jetzt. Und der Grund dafür ist, dass der korrupte Joe Biden so schlecht ist.

Nun, er (Präsident Biden, Red.) kann nicht durch den Sand laufen. Weisst du, Sand ist nicht so einfach zu durchlaufen. Aber wo geht man denn hin, wenn man nicht durch den Sand laufen kann?

Wenn ich Präsident wäre, hätte er (der Krieg) nie angefangen.

(Wir) haben mit Nordkorea grossartige Arbeit geleistet. Es hat uns vor einem Atomkrieg bewahrt. Wir hätten jetzt 40.000 tote Soldaten. Sie werfen eine Atombombe direkt über der Militärbasis ab. Aber wir haben 40.000 Soldaten dort drüben. Und ich habe mich gut geschlagen. Ich bin gut mit ihnen ausgekommen. Sehr gut. Das ist also etwas Positives.

Südkorea gab Milliarden für die Olympischen Spiele aus. Niemand wollte hingehen. Sie wollten nicht in die Luft gesprengt werden. Sie riefen mich an und sagten, wir würden die Olympischen Spiele stattfinden lassen. Da ist Nordkorea. Ich sagte, ihr solltet an den Olympischen Spielen teilnehmen und eure Athleten teilnehmen lassen. Wie ist das so? Wissen Sie, sie waren wegen der Hungersnot sehr auf Athleten bedacht, aber sie gingen hin und nahmen tatsächlich teil.

Und innerhalb von zwei Tagen war das ganze Ding ausverkauft. Und wenn ich nicht gewesen wäre, wäre das nie passiert.

… Ich wurde viermal angeklagt, alles Lappalien, unsinniger Blödsinn. Das ist alles Blödsinn. Es ist furchtbar, wenn man sich ansieht, was die machen. Der «Kistenschwindel». Ich falle unter den Presidential Records Act. Es ist mir erlaubt, genau das zu tun.

Also bauten wir ein Ding namens Panamakanal. Wir haben 35.000 Menschen durch die Moskitos verloren. Sie wissen schon, Malaria. Ja, wir verloren 35.000 Menschen beim Bau. Wir verloren 35.000 Menschen wegen der Moskitos. Bösartig. Sie mussten auf ihren Netzen bauen.

China kontrolliert ihn jetzt. Sie kontrollieren sogar den Panamakanal. Sie leiten ihn. Sie kontrollieren ihn. Und das sollten wir nicht zulassen. Und wir können nicht zulassen, dass China in Kuba ist. Und sie werden rauskommen. Wenn ich Präsident bin, werden sie abziehen, denn ich hatte eine sehr gute Beziehung zu Präsident Xi.

Eines der Dinge, die sie mit der EPA gemacht haben, ist, dass es Staaten gibt, viele, viele Staaten, die meisten Staaten haben so viel Wasser, dass es aus dem Himmel kommt, richtig?

Das Wasser strömt herab und du hast es. Es ist Luft. Es wird dorthin gelangen, wo es hingeht, in die Ozeane, was auch immer. Das ist kein grosses Problem. In einigen Staaten haben sie ein Problem. Es gibt einige Wüstengebiete und all das ist in Ordnung. Aber dort gibt es Waschbecken, aus denen kein Wasser herauskommt. Wenn man es anstellt, kommt kein Wasser heraus, kein Wasser kommt aus der Dusche, kein Wasser darf in die Waschmaschine für das Geschirr oder für die Kleidung oder was auch immer fliessen.

Und ich habe das alles für ungültig erklärt.

Sie haben eine Drossel. Das ist ein Drosselventil, das verhindert, dass das Wasser herauskommt. Also habe ich das alles beendet und man muss sehen, dass sie das Wasser herauslassen. Wisst ihr, was die Leute machen? Sie waschen ihre Hände fünfmal länger oder in der Waschmaschine.

Sie drücken auf den, sagen wir mal, Geschirrspüler, sie drücken auf ihn. Dann pressen sie etwa sieben oder acht Mal. Ja, am Ende verbrauchen sie mehr Wasser und es ist trotzdem nicht sehr gut. Ich habe mich mit dem Chef von Whirlpool getroffen. Das Unternehmen stand während meiner Amtszeit praktisch vor dem Aus, und er sagte zu mir: «Ohio ist ein unglaublicher, grossartiger Staat. Ich liebe Ohio.»

Wenn Sie sich bei den Behörden an der Grenze erkundigen, haben wir fast 500 Meilen Mauer gebaut, und ich hatte noch weitere 200 Meilen vor, die ich bauen wollte … Es war alles bereit. Alles, was sie tun mussten, war sie zu installieren.

Es hätte drei Wochen gedauert. Und da habe ich es herausgefunden. Ich sagte: Ich glaube, diese Leute wollen tatsächlich offene Grenzen. Das Erste, was ich tun würde, wäre, die Grenze dichtzumachen, ausser für Leute, die legal einreisen wollen.

Carlson: Donald Trump, ich danke Ihnen.

Trump: Ich danke Ihnen sehr, sehr herzlich.»

Und ZACKBUM dankt Trump, Carlson und der «Weltwoche». Welch eine Welt. Ein seniler Präsident und ein seniler Herausforderer. Was für eine Wahl.

Interview als Abfallhaufen

Tamedia gründelt und gründelt.

Unten, wo der journalistische Bodensatz ist, der Schlamm des Gesinnungsjournalismus, wo Interviews geführt werden, in denen sich zwei Gleichgesinnte in den Armen liegen – genau da ist Tamedia zu Hause.

Bei Tamedia ist ein «Essay» ein selbstverliebtes Gestammel. Ein «Kommentar» eine sprachlich holprige Realitätsfehldeutung. Eine «Reportage» das Gespräch mit drei Meinungsträgern vom Lehnsessel aus. Und ein «Interview» immer wieder die Begegnung zwischen einem Stichwortgeber und einem Schwafeli, der unkritisiert und ungehemmt all das sagen kann, was er schon immer mal sagen wollte.

Marc Brupbacher ist eigentlich «Co-Leiter des Ressorts Daten & Interaktiv». In dieser Eigenschaft wurde er schon während der Pandemie extrem verhaltensauffällig (der Bundesrat sei «völlig übergeschnappt», mit dem damaligen Gesundheitsminister sei er «fertig»). Bis heute mopst Brupbacher gelegentlich mit Schreckenszahlen zur x-ten Corona-Variante nach, was aber – ausser ihn – wirklich keinen mehr interessiert.

Nun – es ist Sommerpause, da darf jeder alles – outet er sich als Politkenner und interviewt einen Geschichtsprofessor, der bislang noch nie öffentlich auffiel:

Damir Skenderovic forsche «seit über 20 Jahren zum Thema Rechtspopulismus und Rechtsextremismus». Das ist erstaunlich, denn erst 2004 doktorierte er, erst seit 2011 ist er Professor für Allgemeine und Schweizerische Zeitgeschichte an der Uni Freiburg. Aber Datenspezialist Brupbacher muss es doch nicht immer mit Daten so genau nehmen.

Nun hat Brupbacher eine tablettengrosse These, die er im Gespräch, also im Stichwortgeben über 10’000 A breitwalzt. Wer den Vorspann gelesen hat, kann sich eigentlich das sogenannte Interview sparen: «In Deutschland legt die AfD deutlich zu. Geschichtsprofessor Damir Skenderovic sagt, wie ähnlich die Partei der SVP ist – und warum diese als Vorbild für Rechtspopulisten in Europa gilt.»

Schon mit seiner ersten Antwort disqualifiziert sich Skenderovic als ernstzunehmender Historiker. Brupbacher fragt ihn, wieso man in Deutschland angeblich über den «hohen Wähleranteil der rechtspopulistischen AfD in Umfragen schockiert» sei, in der Schweiz aber auf die «wählerstärkste SVP gelassener» reagiere.

Da müsste ein Historiker, der die Ehre der Geschichtswissenschaft hochhalten wollte, zunächst einmal problematisieren, was der Begriff «rechtspopulistisch» eigentlich bedeuten soll, dann müsste er gegen die hier schon implizierte Ähnlichkeit zwischen AfD und SVP protestieren. Aber da es sich um zwei Gleichgesinnte handelt, kuschelt sich der Professor in der Antwort gleich an:

«Das hat historische Gründe. Deutschland hat eine andere Erinnerungskultur. Man hat verinnerlicht, was der Nationalsozialismus und seine rassistische Politik angerichtet haben, und reagiert deshalb sehr empfindlich auf den Aufstieg der AfD

Während Brupbacher unwidersprochen AfD und SVP in den gleichen Topf wirft, insinuiert der Professor nun, dass die AfD ihre Wurzeln im Nationalsozialismus und dessen rassistischer Politik, sprich Judenvernichtung, habe. Aber damit nicht genug, Skenderovic fährt fort:

«In der Schweiz ist das Geschichtsbewusstsein zu diesen Themen weniger ausgeprägt, dabei gab es auch einen helvetischen Faschismus. Jungfreisinnige, Katholisch-Konservative und andere politische Milieus zeigten zudem damals Sympathien für autoritäre Regimes, und der Antisemitismus war vor 80 Jahren auch in der Schweiz verbreitet. Das wird gerne vergessen

Das ist nun auch von hübscher Perfidie. Also in der Schweiz wird die SVP nicht so postfaschistisch wie die AfD in Deutschland wahrgenommen, weil das Geschichtsbewusstsein weniger ausgeprägt sei.

Nun stellt Brupbacher eine weitere rhetorische Frage: «Ist denn die SVP überhaupt mit der AfD vergleichbar

Die zunächst ausweichende Antwort: «In der Geschichtswissenschaft sprechen wir von den klassischen Parteifamilien. Es gibt konservative, liberale, kommunistische und sozialdemokratische Gruppen. Seit über 30 Jahren wird nun die Landschaft um die Rechtspopulisten erweitert, die je nach Land ihre Besonderheiten haben.»

Nun spricht allerdings kaum einer von den «klassischen Parteienfamilien». Dafür zieht der Professor im Anschluss eine Linie von Schwarzenbachs Überfremdungsinitiative von 1970 zur SVP von heute, was an Demagogie kaum zu überbieten ist.

Brupbacher arbeitet seine Stichwortliste weiter ab: «Die SVP oder auch die AfD werden manchmal als «Gefahr für die Demokratie» beschrieben. Ist das nicht übertrieben

Die Demokratien seien heutzutage gefestigter als in den 20er- oder 30er-Jahren, leitet der Professor seine nächste Perfidie ein: «Aber es stellt sich die Frage, was heisst Demokratie? Freie Wahlen und freie Meinungsäusserung, das institutionelle System der Demokratie sind wohl nicht bedroht. Aber was ist mit den Menschenrechten, mit dem Schutz der Schwächsten in der Gesellschaft? Es geht bei der Demokratie nicht nur um das politische System, sondern auch um demokratische Grundwerte.»

Also AfD und SVP bedrohen nicht direkt die Demokratie, aber die Menschenrechte und die Schwächsten in der Gesellschaft. So belegfrei wie unverschämt.

Nächste Frage auf der Liste; wie stehe es denn mit der Zusammenarbeit mit solchen Parteien? «Es geht darum, sich von Rechtspopulisten klar abzugrenzen. Es geht um die Frage der Zusammenarbeit. Wenn man mit ihnen kooperiert und Allianzen und Koalitionen eingeht, legitimiert man ihre Anliegen.»

Allein in diesen Ausschnitten gäbe es Anlass für unzählige nötige Nachfragen, um nicht zuletzt auf Widersprüchlichkeiten und baren Unsinn in den Aussagen des Professors hinzuweisen. Darauf könnte er sich vielleicht erklären, der Leser bekäme vielleicht ein anregendes Streitgespräch serviert, das vielleicht keine bedeutende Erkenntnissteigerung beinhaltet, aber wenigstens unterhaltsam wäre.

So aber kriegt er die Bankrotterklärung eines Interviews hingeworfen, wo ein unbekannter Professor auf die dümmlichen Stichworte eines voreingenommenen Redaktors, der offenkundig mangelnde Kompetenz durch überreichlich Gesinnung kompensieren will, das Gewünschte antworten darf.

Und das soll dann eine «Forumszeitung» sein, die sich bewusst ist, dass sie durch das Duopol im Tageszeitungsmarkt dermassen meinungsmächtig ist, dass sie angeblich verschiedene Positionen zulassen will?

Es ist doch an Perfidie schwer zu überbieten, dass im aufkommenden Wahlkampf mit allen Mitteln versucht wird, die SVP in die Nähe der AfD zu rücken. Die zahlreichen und unübersehbaren Unterschiede werden plattgequatscht, durch unwidersprochen bleibende perfide Unterstellungen und Insinuieren werden beide Parteien auf ihre angeblich vorhandenen Wurzeln im Nationalsozialismus, im Faschismus, im Rassismus, in der Judenvernichtung gar zurückfantasiert.

Auch hier muss man sich wieder – vergeblich natürlich – fragen, wo denn die Qualitätskontrolle bei Tamedia bleibt. Wieso hat Brupbacher bei Abgabe dieses Interviews niemand gefragt, ob er nun «völlig übergeschnappt» sei? Ob er ernsthaft meine, dieses Gefälligkeitsgespräch genüge den primitivsten Ansprüchen an ein journalistisch geführtes Interview? Woher er sich die Kompetenz anmasse, als Datenjournalist politisch-historische Vergleiche zwischen einer deutschen und einer Schweizer Partei anzustellen? Wieso er sich einen Gesprächspartner ausgesucht habe, der einzig durch das Bedienen aller gewünschten Klischees auffällt und sich dabei keinen Deut darum schert, dass er damit seinen nicht vorhandenen Ruf ruiniert?

Das sind keine singulären Ereignisse mehr bei Tamedia. Das ist, wie man so schön sagt, ein strukturelles Problem geworden. Es sollte doch in einem meinungsbildenden Medienkonzern zumindest das Bestreben erkennbar sein, ein gewisses Niveau nicht zu unterschreiten. Aber wie sagte man früher so richtig: Tamedia, quo vadis?

Es gibt einen grossartigen Roman von Franz Jung: «Der Weg nach unten». Dieser Titel fällt ZACKBUM immer wieder spontan ein, wenn wir an Tamedia denken. Was für ein Mann, was für ein Leben, was für ein Werk. Sein erstes Buch in seiner expressionistischen Phase trug den Titel «Das Trottelbuch». Passt auch. Nun müsste man allerdings nicht nur Nora Zukker so viel erklären, dass wir es lassen.

Darf man das?

Der «Stern» wird hemmungslos und haltlos.

Es ist Ausdruck der deutschen Gemütslage, dass sich der «Stern»-Chefredaktor (wie heisst der schon wieder, und muss man sich seinen Namen merken) im Editorial darüber verbreitern muss, dass man es gewagt habe, die AfD-Politikerin Alice Weidel zu interviewen – statt sie einfach zu ignorieren.

Nicht nur das, wenn schon, denn schon. Die Dame kommt aufs Cover. Unvorteilhaft fotografiert, aber immerhin. Der Hintergrund ist ein stählernes Grüngrau, vor dem eigentlich jeder Mensch unsympathisch wirkt. Indem der Kopf leicht nach oben aus dem Bild ragt, während Hals, Hemd und Schultern dadurch verstärkt werden, bekommt die Frau zudem etwas Herrisch-Arrogantes. Indem die Augen weit oben stehen, wohl ein leichtes Weitwinkel zum Einsatz kam, wirkt das Gesicht zudem unproportioniert. Bild-Demagogie vom Feinsten.

Aber das reicht natürlich nicht. Dazu muss noch eine provokative Frage: «Was können Sie eigentlich ausser Hass, Frau Weidel?» Aber damit noch nicht genug. Das Wort Hass ist in Fraktur gesetzt. Nun hat man eine Schrift gewählt, in der das H eher nach Kleinbuchstaben aussieht. Wohl eine Walfra-Variante.

Mit dem Fraktur-H hat der «Stern» allerdings so seine Probleme:

Das war der grösste Flop aller Zeiten, sozusagen der Gröfaz des «Stern». Damals gab es vor allem ein Problem mit dem Buchstaben vornedran. Denn das H könnte tatsächlich für Hitler stehen, aber das F? Für Fritzli Hitler? Der Fälscher hatte gerade kein Fraktur-A zur Hand …

Aber wie auch immer, was will uns der «Stern» damit sagen, das Wort «Hass» in Fraktur zu setzen? Er will damit wohl eine Assoziationslinie zum Nationalsozialismus schaffen, der Fraktur verwendete. Allerdings nur eine Zeitlang, anschliessend wurde sie ersetzt und die Schwabacher beispielsweise als «Judenschrift» beschimpft. Also alles etwas komplizierter, als es der einfältige «Stern» weiss.

Aber immerhin, im Gegensatz zum «SonntagsBlick» ist es dem «Stern» gelungen, ein Interview im gegenseitigen Einverständnis über die Ziellinie zu schaukeln.

Damit kein Zweifel an der Position des Blatts bleibt, kann es noch diesen Herrn bieten:

Der darf hier sülzen: «Ich genieße die Meinungs-, Presse- und Kulturfreiheit. Sie auch? Meine Augen glänzen, und ich empfinde Glück, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Sie auch

Über den ehemaligen Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland hatte der gleiche «Stern» 2003 unter dem Titel «Kokain und Prostituierte: Der Fall Friedman» berichtet. Es war herausgekommen, dass der Medienstar Koks konsumiert und sich mit ukrainischen Prostituierten in Hotels verlustiert hatte. Da war ihm die Würde des Menschen – die Frauen wurden von einem osteuropäischen Zuhälterring ihren Kunden zugeführt – herzlich egal. Und seine Augen glänzten damals eher im Drogenrausch.

Das alles ist doch recht unappetitlich vom «Stern». Vielleicht hilft zur Einordnung eine Entwicklung. 1995 betrug die verkaufte Auflage des «Stern» 1’250’000 Exemplare. 2008 war sie auf 960’000 abgesackt. 2015 fiel sie unter 750’000. Im Jahre 2019 waren es noch 462’000. Und im letzten Jahr betrug sie noch 336’000.

Einen vergleichbaren Sinkflug hat in der Schweiz eigentlich nur der «SonntagsBlick» hingelegt. Verkaufte er 2008 noch 261’000 Exemplare, waren es zehn Jahre später noch 148’000. Inzwischen dümpelt er um die 100’000 herum.

Es wäre interessant, den Parallelen in diesen Niedergängen nachzuspüren. Zunehmender Analphabetismus ist daran sicherlich nicht schuld …

 

Reza Reinfall

Sprecht nicht mit diesem Mann!

Wer mit dem frischgebackenen Chefredaktor des «SonntagsBlick» ein paar Worte wechselt, tut das auf eigene Gefahr. Während seine Oberchefin Ladina Heimgartner gerade Loblieder auf die neue Bezahlschranke beim «Blick» singt, weil die angeblich Qualität garantieren würde, benimmt sich Reza Rafi – im Duett mit seiner interimistischen Chefin Steffi Buchli – qualitätslos unanständig.

Marco Rima machte den Fehler, mit Buchli und Rafi mehr als ein paar Worte zu wechseln, genauer, ein Interview zu führen. Rima ist nicht nur einer der erfolgreichsten Komiker der Schweiz, sondern wurde als Kritiker der Corona-Massnahmen vom «Blick» kräftig gebasht. Denn bekanntlich sorgte die Standleitung zwischen Ringier-CEO Marc Walder und dem damaligen Gesundheitsminister Alain Berset dafür, dass all dessen Fehlentscheide angehimmelt wurden, dagegen wurde Rima als angeblicher «Corona-Leugner», Verschwörungstheoretiker und auf Abwege geratener Irrwisch beschimpft.

Also dachte sich Rima, der leider an das Gute im Menschen glaubt, dass Ringier ihm hier eine Gelegenheit geben wollte, ein paar Dinge klarzustellen, schliesslich wurde ihm zugesichert, dass er frei reden dürfe und nicht zensiert werde.

Bei der Orthografie helfen Korrekturprogramme. Gedankenleere ist allerdings nicht korrigierbar. Zum banalen Anfängerwissen gehört, wie man ein mündlich auf Schweizerdeutsch geführtes Interview verschriftlicht. Das ist keine Kunst, sondern biederes Handwerk.

Manche Interviewpartner sprechen druckreif, andere mäandern, umkreisen eine Antwort, brechen ab, setzen neu an. Wie es halt in einem Gespräch üblich ist. Die Aufgabe des Journalisten ist dann, daraus eine schriftliche, lesenswerte Fassung zu destillieren, die den Wesensgehalt der Antwort möglichst nahe am Sprachgebrauch des Interviewten wiedergibt.

Das lernt der Journalist in Anfängerkursen. Falls er keine besucht hat, bringt es ihm ein erfahrener Kollege, ein Textchef, ein Produzent bei.

Wenn gleich zwei Chefs den Ständeratskandidaten Rima interviewen, sollte das Resultat chefwürdig sein. Insbesondere, da die Ausgangslage komplex ist. Hier Ringier mit seinem direkten Draht zum damaligen Gesundheitsminister Berset, mit seiner beflissenen und lobhudelnden Unterstützung aller staatlicher Massnahmen während der Pandemie.

Dort Rima, der sich vom Comedian zum besorgten Kritiker dieser Massnahmen wandelte. Dafür vom «Blick» mit Anlauf in die Pfanne gehauen und gebasht wurde. Als angeblicher Heuchler, der Corona-Entschädigungen bezog, aber die Regierung kritisiere. Dass es sich lediglich um eine ungenügende Ausfallsumme handelte, die allen Zuger Künstlern ausbezahlt wurde und mit der lediglich 80 Prozent des durch die Massnahmen entstandenen Schadens gedeckt wurde, verschwieg «Blick».

Bei dieser Vorgeschichte hätte man besondere Sorgfalt bei der Verschriftlichung erwarten dürfen. Schon alleine deswegen, weil Buchli und Rafi wussten, dass Rima ihre Fassung zum Autorisieren bekommt.

ZACKBUM konnte Einblick in die SoBli-Fassung nehmen. Es ist erschütternd. Es ist eine Verschriftlichung auf einem Niveau, die jedem Praktikanten um die Ohren geschlagen würde, begleitet von der Frage, ob er sich nicht vielleicht einen anderen Beruf suchen möchte.

Man will den beiden «Blick»-Heros fast zubilligen, dass sie absichtlich und bösartig mit dieser Holper-Stolper-Fassung Rima als Depp darstellen wollten. Es ist aber wohl noch schlimmer: sie können es nicht besser.

Ein Chefredaktor muss nicht schreiben können. Aber wenn er es tut, dann sollte er ein gewisses Vorbild sein. Ein Chefredaktor muss nicht interviewen können. Sollte er es tun, muss das Resultat Minimalansprüchen an Niveau und handwerklicher Beherrschung genügen.

Kostprobe? Bitte sehr. Die Eingangsfrage lautete, ob Rima wirklich Lust habe, sich als Ständerat in komplizierte Dossiers einzuarbeiten. Seine Antwort in der «Blick»-Version:

«Erstens müsste ich mich in gewisse Themen einlesen. Zweitens reagiere ich auf gewisse Entscheide, die gerade eben im Ständerat gefällt wurden. Windkraft in den Bergen, zu Null Stimmen! Aber ich komme von woanders her, ich bin nicht der klassische Politiker. Ich komme von einem Ort her, an dem die Familie zuvorderst steht. Die Familie ist der Anfang der Politik. Die Familie ist die Kinderstube, in der die Auseinandersetzung, der Umgang miteinander gelehrt wird.»

So ging’s dann holterdipolter weiter. Kein Wunder, dass dem Komiker hier der Hut hoch und der Humor verloren ging. Also redigierte er kräftig, was erlaubt ist. Zudem strich er Passagen und ersetzte sie durch ihm wichtigere Anliegen. Was grenzwertig ist.

Im professionellen Journalismus, das räumt sogar der SoBli ein, ist das durchaus üblich. Oder anders gesagt: wäre der Interviewtext so vom Kommunikationsfuzzi von Berset zurückgekommen, hätte der «SoBli» ihn ehrfürchtig unverändert abgedruckt.

Normalerweise greift sonst der Interviewer zum Telefonhörer und rauft sich mit dem Interviewten in einem manchmal länglichen und strapaziösen Gespräch zusammen. Ein Geben und Nehmen. Nur ganz, ganz selten gelingt das nicht.

Hier aber bekam Rima die trockene Antwort: «Nein, wir wollen dieses Interview nicht veröffentlichen.» Mit der freundlichen Bitte um Verständnis. Okay, dachte sich Rima, dann halt nicht. Wir haben’s probiert, hat nicht funktioniert. Shit happens. Deckel drauf.

Das dachte er solange, bis er am Sonntag das Schmierenblatt aufschlug und dort auf zwei Seiten eine Hinrichtung lesen musste. Er habe wild herumgefuhrwerkt im Text, verändert, so gehe das nicht. Auf einer Seite wurde nochmals mit ihm abgerechnet, was ein Leichtes ist, wenn das Opfer nicht widersprechen kann. Rima sei vom «Sonnenkönig zum Nachtschattengewächs» geworden, wird er angepflaumt.

Das ist schon mal unanständig. Widerwärtig wird’s, wenn das ausgelassen wird, was in den ganz seltenen Fällen sonst passiert, wenn eine Redaktion den Nicht-Abdruck eines Gesprächs publik macht und begründet. Dann wird das mit Beispielen untermauert, wieso solche massiven Veränderungen nicht akzeptiert werden konnten und auch keine Einigung über eine gemeinsame Fassung möglich war.

Rafi und Buchli verzichteten aber konsequent auf Beispiele. Wer die Originalversion gesehen hat, versteht, warum. Rafi und Buchli verzichteten auch darauf, mit Rima in den Clinch zu gehen, welche Veränderungen akzeptabel seien und welche nicht. Sie baten um Verständnis für ihren Entscheid – und hatten zeitgleich bereits die öffentliche Hinrichtung Rimas auf dem Schirm.

Das ist kein Beitrag zur Qualitätssteigerung. Das ist handwerklich ein Pfusch. Das ist zudem hinterfotzig und bösartig. Rima zitiert in diesem Zusammenhang einen grossartigen Gedanken des amerikanischen Verlegers Joseph Pulitzer, dessen Preis niemals in diesem Leben und im nächsten ein «Blick»-Schreiberling bekommen wird:

«Eine zynische, käufliche, demagogische Presse wird mit der Zeit ein Volk erzeugen, das genauso niederträchtig ist wie sie selbst

Daran arbeitet der Ringier-Verlag unermüdlich. Angeführt von Figuren wie Rafi und Buchli, denen man jegliche Kenntnis journalistischer Ehre absprechen muss. Dass sie Meinungsbüttel sind, ist nicht ihre schlimmste Eigenschaft. Sie beherrschen nicht einmal ihr Handwerk, sollten als Chefredaktor aber Vorbild sein.

Eigentlich müssten beide nach einer gewissen Schamfrist entlassen werden. Das wäre endlich mal ein Entscheid von Ladina Heimgartner, Marc Walder oder Michael Ringier, dem man aus vollem Herzen applaudieren könnte.

Geballte Kompetenz

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Eigentlich sollte man meinen, dass der Kauf der CS zum Schnäppchenpreis und seine Umstände für die Wirtschaftsredaktion des zweitgrössten Medienkonzerns der Schweiz Anlass zu ausführlicher Berichterstattung, eigener Recherche und Analyse seien sollte. Plus kritische Fragen an die Beteiligten, wenn die einem Interview zustimmen.

Immerhin führt das Impressum 11 Fachkräfte auf, darunter viele Häuptlinge, stellvertretende Häuptlinge und sogar einen Chefökonom. Gut, dieser Titel sollte Armin Müller den Rausschmiss aus der Chefredaktion versüssen. Dann hätten wir noch ein vierköpfiges «Hauptstadtbüro Bern» und einen «Ausland-Korrespondenten» im fernen San Francisco. Nicht zu vergessen das Bauernofper Arthur Rutishauser mit mehr Zeit zum Schreiben als Chefredaktor «SonntagsZeitung».

Und was machen diese Koryphäen? Sie lesen fleissig Zeitungen, bei denen noch recherchiert wird. Zum Stehsatz der Berichterstattung gehört seit Längerem: «Wie die britische «Financial Times» berichtet ..

Diesmal wird der Satz ergänzt mit «…soll die UBS den CS-Bankern nach der Übernahme strenge Regeln auferlegen». Hat sich die hochwohllöbliche Wirtschaftsredaktion wenigstens zu einer eigenen Recherchehandlung aufgerafft? Wozu denn, wenn das andere erledigen: «Gegenüber der Nachrichtenagentur AWP wollte die UBS die Liste nicht kommentieren.»

Leichte Unsicherheiten zeigt das vielköpfige Wirtschaftsressort bei der Anwendung des Konjunktivs. Beim fleissigen Zitieren aus der FT heisst es einmal «So ist es etwa verboten». Indikativ (Wirklichkeitsform, für Tamedia-Mitarbeiter). Dann aber «Gesperrt würden zudem …», Konjunktiv oder Würde-Form. Ja was denn nun?

Dann lässt sich Tamedia vom offiziellen Wording der Umstände des Schnäppchenkaufs einseifen. Denn erst vergangenen Freitag wurde der definitive Garantievertrag über 9 Milliarden Risikoübernahme durch den Bund unterzeichnet. Vorher gab es noch jede Menge Fingerhakeln. Wieso muss der Bund eigentlich zusätzlich zum 16-Milliarden AT1-Geschenk und Liquiditätszusagen von 250 Milliarden noch weitere 9 Milliarden drauflegen?

«Der Grund, warum der Bund dafür eine Verlustgarantie aussprechen musste, ist, dass die UBS vor der Übernahme nur kurz in die Bücher der CS schauen konnte

Dabei muss man nicht mal «Inside Paradeplatz» lesen (und abschreiben), um zu wissen, dass die UBS bereits seit letztem Herbst alle Vorbereitungen für eine Übernahme der CS angeleiert hatte. Und da das Führungspersonal der CS in der Endphase fast ausschliesslich aus Ex-UBS-Männern bestand, die niemals nicht interne Informationen an ihren alten (und hoffnungsfroh wieder neuen) Arbeitgeber durchstechen würden …

Nun hatten «Chefökonom» Müller und Bauernopfer Rutishauser Gelegenheit, SNB-Boss Thomas Jordan zu interviewen. Allerdings folgten auch sie dem Tamedia-Prinzip: ja keine unangenehmen Fragen stellen, ja nicht nachhaken.

Lukas Hässig von IP (who else?) zeigt auf eine der vielen Schwachstellen des Interviews:

«Auf die Frage der Journalisten, ob es im letzten Herbst „schon Gespräche mit der UBS über eine Übernahme“ gegeben habe, meinte der SNB-Chef:
„Gespräche mit der Credit Suisse haben stattgefunden. Die Bank musste sich vorbereiten für den Fall, dass der Turnaround nicht gelingt.“
Ein klassisches Ausweichmanöver. Die Frage nach der UBS wird mit Kontakten zur CS beantwortet.»

Wetten, dass FT das nicht so hätte durchgehen lassen? Wetten, dass in einem seriösen Interview hier eine Nachfrage gestellt worden wäre? Und wenn Jordan (oder sein Kommunikationsfuzzi) bei der Autorisierung des Interviews diese Passage dann gestrichen hätte?

Dann hätte Tamedia vielleicht nicht so eine Peinlichkeit wie der SoBli mit seinem misslungenen Rima-Interview aufführen müssen. Aber deutlich darauf hinweisen, dass hier eine wichtige Frage schlichtweg nicht beantwortet wurde.

Das gilt auch für die Behauptung Jordans, dass die SNB nicht «einfach eine Bank übernehmen könne». Natürlich könnte sie das, aber dafür müssten die Interviewer das SNB-Reglement kennen. Was zu viel verlangt ist, offensichtlich. Denn unter dem Gummibegriff «Stabilität des Finanzsystems» hat die SNB schon ganz andere Dinger gedreht, zum Beispiel die Festlegung einer Untergrenze zum Euro.

Aber doch nicht im weichspüler-wohlfühl-genderneutralen Tamedia-Journalismus. Wenn’s um viele Milliarden Steuergelder geht, ist man hier ganz entspannt. Geht es um das Verhalten eines deutschen Rockstars, wird gleich das Canceln seiner Konzerte gefordert. Lächerlich oder jämmerlich? Leider beides.

Freitag oder Montag?

Was kommt heraus, wenn drei Tagi-Journis KKS interviewen?

Drei gegen eine, kann das gutgehen? Das geht butterweich supergut, wenn es drei Tamedia-Journalisten sind, die die Finanzministerin Karin Keller-Sutter interviewen. Die ist politisch für den überhasteten Verkauf der Credit Suisse an die UBS für ein Trinkgeld verantwortlich. Und hat mit ihrer Bemerkung, dass das kein Bail-out gewesen sei, also keine Staatsrettung, dem Steuerzahler möglicherweise die Zahlung von 17 Milliarden Franken aufs Auge gedrückt. Und die Reputation des Finanzplatzes Schweiz als Rechtsstaat schwer beschädigt.

Ihre Befähigung, über Finanzfragen entscheiden zu können, muss doch ernsthaft in Frage gestellt werden. Aber doch nicht von Tamedia. Da schleicht man sich liebedienerisch ins Interview:

«Was von diesem dramatischen Wochenende werden Sie nie vergessen?» – «Vor allem diese unglaubliche Spannung und Hektik. Den Druck, in kürzester Zeit eine Lösung finden zu müssen – denn am Montag wäre die CS in Konkurs gegangen, mit unabsehbaren Folgen für die Schweiz und das globale Finanzsystem

Alleine diese Antwort hätte mehrere Nachfragen verdient. Wieso diese Hektik, wieso wurden nicht sinnvolle Alternativen geprüft, woher will KKS wissen, dass die CS am Montag Konkurs gegangen wäre; hatte ihre Bankenaufsicht FINMA nicht noch wenige Tage zuvor deren Stabilität und Liquidität bestätigt?

Aber es könnte ja sein, dass KKS dann wieder ins Rudern gekommen wäre, und das wollten Markus Häfliger (Bundesshausredaktor, keine Ahnung von AT1-Bonds und so Sachen), Konrad Staehelin (Politologe, zuständig «für das Dossier Luftfahrt») und Delphine Gasche (frischgeschlüpfte «correspondante parlementaire à Berne») sicher nicht.

Stattdessen darf KKS sich und alle anderen Beteiligten loben: «Alle haben am gleichen Strick gezogen … wenn es sein muss, können wir sehr schnell sein. Die CS-Krise hat auch gezeigt: Unsere Institutionen funktionieren. Die Schweiz ist handlungsfähig.»

Sagt KKS nicht so Sachen, sagt sie so Sachen:

«Diese Frage kann ich nicht beantworten … Dazu kann ich nichts sagen … Diese Frage kommt zu früh … Nichts wird nicht geschehen … Das sind heikle Fragen, zu denen ich mich nicht äussern kann … Ich sehe das pragmatisch … Es ist immer schwierig, herauszufinden, warum eine Vorlage abgelehnt wurde … Es wird mir vorgeworfen, auf eine Frage nicht geantwortet zu haben, die mir gar nicht gestellt worden ist. Das ist irreführend.»

Das mag sein, aber auch auf Fragen, die ihr gestellt wurden, antwortet sie klimaschädlich: mit heisser Luft.

Es scheint zum neuen Qualitätskonzept von Tamedia (oder wie der Laden auch immer gerade heisst) zu gehören, dass man Interviewpartner ungestört das sagen (oder nicht sagen) lässt, was denen gerade in den Kram passt. Erkenntnisgewinn für den Leser: null. Allerdings sind die Auswirkungen auf den Blutdruck und den Adrenalinspiegel nicht zu unterschätzen.

ZACKBUM hat einen Vorschlag zur Güte und zur Vereinfachung. Anstatt drei Nasen aufzubieten, wieso schickt Tamedia (oder der «Tages-Anzeiger» oder wie diese Rumpfredaktion auch heisst) nicht ein kurzes Mail an den Medienverantwortlichen von KKS, den ehemaligen Lautsprecher von Jolanda Spiess-Hegglin, Pascal Hollenstein: Neben einem aussagelosen Riesenfoto von KKS haben Sie knapp 9000 Anschläge Platz. Füllen Sie den doch mit Fragen und Antworten nach Gutdünken und schicken Sie den Text bitte vor 18 Uhr zurück, damit wir alle in den ordentlichen Feierabend gehen können.

Das würde doch viel unnötigen Aufwand sparen.

Es darf gelacht werden

Raphaela Birrer und die «Qualität».

Normalerweise wartet man 100 Tage ab, um eine erste Bilanz des Wirkens zu ziehen. Bei Birrer reichten zehn Wochen, damit sie von persoenlich.com interviewt wurde. Wobei man sagen muss, dass sich Christian Beck am neuen Tagi-Stil ein Beispiel nahm. Was wollten Sie schon immer mal sagen, unbelästigt von kritischen Fragen?

Zuerst der Pflichtteil. Birrer sei zum ersten Mal am SwissMediaForum gewesen, wie war’s? «Es wird bei solchen Treffen stets klar, dass die grossen Schweizer Medienhäuser mit sehr ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind

Unglaublich, da könnte man meinen, die hätten alle völlig unterschiedliche Herausforderungen. Und wie geht’s denn intern so? Da bekommt Birrer Gelegenheit, sicherlich ungewollt gegen ihren Vorgänger zu keilen: «Spürbar dürfte auch die offene, transparente Kommunikation sein, mit der wir die Redaktion über all diese Schritte informieren.» Was ja heisst: vorher war das anders …

Nun aber in medias res, wie der Lateiner sagt, wichtigste Entscheidungen bislang? «Es gibt überall viel zu tun, wir können nicht alles gleichzeitig lösen.» Wie wahr, aber geht’s auch konkret? «Ich habe mich entschieden, zuerst in das redaktionelle Klima und in strukturelle Massnahmen zu investieren. Ich möchte, dass die Mitarbeitenden jeden Tag gerne und motiviert auf die Redaktion kommen

Das unterscheidet Birrer sicher auch von ihrem Vorgänger; der wollte bekanntlich, dass die Mitarbeitenden (oder vielleicht auf Deutsch die Mitarbeiter) ungern und demotiviert kamen. Etwas bedeckt hält sich Birrer, allerdings, was die neue CEO aus Deutschland betrifft: «ich kenne sie noch nicht. Ich freue mich, sie bald kennenzulernen, und auf die künftige Zusammenarbeit mit ihr

Und dann noch die ganz harten Fragen; Sexismus- und Mobbingvorwürfe beim «Magazin», «wie war das für Sie?» – «Die Tage im Februar waren für viele in unserem Haus ein anspruchsvoller Moment.» Das ist mal eine echt coole Antwort. Sozusagen eine tiefgefrorene Null-Antwort.

Diese Marotte pflegt Birrer auch bei der Frage, ob es in Bern oder Basel goutiert wird, dass die Mantelredaktion nicht mehr Tamedia heisst, sondern «Tages-Anzeiger»: «Wir bieten nach wie vor dasselbe Angebot für alle – der einzige Unterschied ist unser neuer alter Name. Insofern fallen die Reaktionen positiv aus.»

Klar, die Basler lieben die Zürcher, und die Berner kriegen sich vor Freude gar nicht ein.

Aber einen echten Knaller hat Birrer noch bis fast zum Schluss aufgespart:

«Wer mich kennt, weiss, dass der Qualitätsanspruch für mich die zentrale Richtschnur ist.»

Wunderbar, und wie soll das gehen, bei Kosteneinsparungen von 70 Millionen bis Ende 2023? Also mehr Qualität bei weniger Quantität? «Es ist kein Geheimnis, dass die finanzielle Bilanz für Tamedia zuletzt negativ ausgefallen ist. … Deshalb ist es nicht überraschend, dass Tamedia auch die Kostenseite im Blick behält.»

Nein, überraschend ist diese Antwort nicht, eher gähnlangweilig. Und was hat sich Birrer denn für ihre verbleibende Amtszeit vorgenommen? Da sind wir nun platt: «Ich möchte mehr Leserinnen und Leser erreichen, um unsere Marke zu stärken und zusätzliches Publikum an die Paywall zu bringen

Ob ihr das allerdings mit all diesen Schwachmaten und Leichtmatrosen gelingt, die seit ihrem Amtsantritt unablässig das Wort ergreifen dürfen und sich um woken Pipifax kümmern, der den Leser null interessiert?

Aber vielleicht will Birrer das zusätzliche Publikum eben nur «an die Paywall bringen», also gar nicht zum zahlenden Eintritt bewegen. Vielleicht will sie auch, dass das zusätzliche Publikum hier zuschaut, wie vergrätzte ehemalige Zahler die Paywall von der anderen Seite her durchbrechen …

 

 

Below zero

Man kann’s nur noch auf Englisch sagen, was mit Tamedia passiert.

Jacqueline Büchi interviewt die «Anti-Rassimus-Trainerin», Pardon, die «Vermittlerin für Rassismuskritik» Tupoka Ogette. Vermittlerin für? Oder von? Wäre es schon rassistisch, Ogette mangelhafte Beherrschung der deutschen Sprache vorzuwerfen?

Da haben sich zwei getroffen. Büchi ist schon mehrfach unangenehm aufgefallen, indem sie wie Philipp Loser ungefragt Zensuren erteilt: «Die Gesamtregierung muss Haltung zeigen und den Brandstifter in die Schranken weisen. Sonst riskiert sie ihre eigene Glaubwürdigkeit – und den Frieden im Land.» Glücklicherweise ist die Schweiz damals knapp an einem Bürgerkrieg entlanggeschrammt – obwohl der Bundesrat den angeblichen «Brandstifter» Maurer nicht in die Schranken wies.

In jeder anständigen Zeitung hätte das eine Abmahnung und ein längeres Sensibilisierungstraining abgesetzt. Aber doch nicht bei Tamedia. Da darf Büchi sogar auf unterstem Niveau dem Schwesterblatt «SonntagsZeitung» und ihrer Kollegin Michèle Binswanger eine reinwürgen, ohne dass sie daran gehindert wird.

Ogette ihrerseits ist eine sehr geschäftstüchtige Vermarkterin des Themas Rassismus. Mit Büchern, Kursen, Webseite und der Tupokademie. Ein weiteres Beispiel eines Interviews, indem die «Journalistin» einfach unkritische Stichwortgeberin ist, damit die Gesprächspartnerin unwidersprochen das sagen kann, was sie sagen will. Inklusive banale Flachheiten: «Wir sind alle in einer Welt gross geworden, in der Rassismus Teil der Gesellschaft ist. … Wir alle haben in diesem Rassismus gebadet, haben ihn internalisiert. Auch ich als negativ Betroffene.»

Selbst Slapstickeinlagen werden heutzutage nicht mehr aus Interviews gekippt: «Kennen Sie das Zürcher Sechseläuten? – Nein.»

Macht ja nix, also erzählt Büchi den Vorfall mit den Zünftern in Baströckchen und holt sich die überraschende Antwort ab: «Gibt es einen Kontext, in dem ein solcher Auftritt akzeptabel wäre? – (lacht ungläubig) Nein! Punkt.»

Pardon, natürlich ist ein solcher Auftritt im Kontext eines privaten Zusammenseins unter Ausschluss der Öffentlichkeit akzeptabel. Oder soll nun selbst in diesem Bereich Zensur herrschen, bei der Typen wie Büchi oder Ogette bestimmen, was erlaubt ist und was nicht?

Dann wärmt Büchi die längst abgehandelte Story um Sascha Ruefers Off-the-record-Satz über den Captain der Nationalmannschaft auf. Obwohl sich sogar der Tagi darin einig war, dass es sich hier um eine in keinem Kontext als rassistisch zu qualifizierende Aussage handelt, tritt Büchi nach und gibt Ogette die Möglichkeit, nachzubrettern: «Einer, der in der Schweizer Nationalmannschaft ist und für das Land spielt, ist also kein Schweizer. Wer denn dann? Das ist klassisches «Othering». Hier sind wir, da die anderen.»

Statt diesen Unsinn zu hinterfragen, legt Büchi nach: «Ruefer wehrte sich, er habe den Satz nicht diskriminierend gemeint. Im Kontext sei die Aussage wie folgt zu verstehen: Xhaka funktioniere als Führungsfigur nicht typisch schweizerisch-zurückhaltend. Er sei forsch und setze sich hohe Ziele.»

Stichwort für Ogette: «Diese Klischees! Ist ein weisser Firmenchef, der führungsstark auftritt, also auch kein typischer Schweizer? Der zentrale Punkt ist: Bei Rassismus geht es nicht um die Intention, sondern um den Effekt. Ich kann auch rassistisch sein, ohne es zu wollen.»

Alleine in diesen Gesprächsausschnitten gäbe es genügend Gelegenheit für einen kritischen Journalisten, nachzuhaken, nachzufragen, was das denn heissen soll, man könne auch rassistisch sein, ohne es zu wollen zum Beispiel. Woher nimmt Ogette die Autorität, das selbstherrlich entscheiden zu können? Weil sie selbst schwarz ist? Bedeutet das denn, dass sie weder willentlich noch unwillentlich rassistisch sein kann? Aber sogar unwillentlich die Entscheidungshoheit darüber hat, was rassistisch sei?

Stattdessen macht Büchi sogar noch einen unterwürfigen Kotau:

«Finden Sie es anmassend, wenn ich als weisse Journalistin diese Fragen stelle?»

Die Interviewte konzediert gnädig: «Hm. (überlegt) Ich nehme an, das ist Teil Ihres Jobs.»

Spätestens hier müsste jeder Interviewer mit etwas Ehre oder journalistischem Anstand im Leib nachfragen, was dieser Ogette eigentlich einfalle, so herablassend, präpotent und überheblich zu antworten. Aber doch nicht Büchi. Die lässt sogar Ogette unwidersprochen behaupten, dass die Bücher über Pippi Langstrumpf umgeschrieben werden müssten. Nur im Tagi ist dann ein solcher Satz möglich: «Nicht nur, dass der Südseekönig im Original N****-König hiess.»

Der hiess und heisst Neger-König, liebe Frau Büchi, das darf und muss heute weiterhin gesagt werden.

Ein Interview, das war einmal ein spannender, verdichtete Dialog auf Augenhöhe eines vorbereiteten, kritischen Journalisten mit einer Person, die etwas zu sagen hat. Bei Tamedia ist das inzwischen zum Stichwortgeben für mässig interessante Menschen geworden, die ohne einer einzigen kritischen Frage ausgesetzt zu sein, ihre Message multiplizieren dürfen.

Wir wiederholen die gleiche Frage: wer soll denn dafür etwas bezahlen wollen?

 

Tamedia: Countdown to zero

Oder unter Null. Schwer zu beurteilen.

Diesmal zeigt das Qualitätsmedium aus dem Hause Tx, dass es wirklich keinerlei Hintergrundrecherche mehr macht. Denn nur so ist diese Schlagzeile zu erklären:

Unglaublich, was für eine Frau. In ihrer Selbstdarstellung ist sie tatsächlich schwer schlagbar. Auf Twitter preist sie sich an als «bestselling author, Senior Research Fellow, DPhil, Former Counter Terrorism Adviser». Auf Facebook forscht sie zu «Extremismus und berät dazu u.a. die UN, NATO und die Weltbank».

Auch ihre akademische Karriere ist atemberaubend: die «österreichische Investigativ-Journalistin» so weiss Wikipedia, studierte an der Wirtschaftsuni Wien «Internationales Management». Dadurch nicht ganz ausgelastet, studierte sie parallel an der Uni Wien Philosophie und schloss beides mit Diplomen ab. Ein Gastsemester an einer Business School «bei Paris» lag da auch noch drin. Anschliessend zog es sie an die Uni Peking, wo sie in nur einem Jahr eine Masterarbeit vorlegte. Ohne jedes Anzeichen von Erschöpfung zog sie im gleichen Jahr 2014 dann an die London School of Economics and Political Science, wo sie, wenn schon, denn schon, gleich nochmal eine Masterarbeit ablieferte. Und so weiter.

Diese unglaubliche Karriere wäre mal eine vertiefte Recherche wert …

Fast nebenbei infiltrierte sie dann noch rechtsradikale Gruppen wie auch «radikale Islamisten». Daraus entstand ihr erstes Werk «Rage», auf Deutsch «Wut», dem «Radikalisierungsmaschinen» und neuerdings «Massenradikalisierung» folgten.

ZACKBUM hat «Radikalisierungsmaschinen» – für einmal Anpreisungen folgend – angelesen, und kann sich nur dem «Zeit»-Rezensenten anschliessen: kriminalistisch wenig spannend, unterkomplex, Ursachen und Ideologien interessierten die Autorin wenig bis nicht, ihre moralische Unerbittlichkeit spiele sich in der Liga Böhmermann ab. Oder in einem Wort: flach.

Also eine weibliche Marco Kovic, nur viel erfolgreicher und gern gesehener Gast in grossen Talkshows, was Kovic zu seinem Leidwesen bislang verwehrt blieb. Aber sie ist halt Frau und nicht unattraktiv.

Diese Modeerscheinung interviewt nun Tamedia ehrfürchtig anlässlich ihrer Buchpräsentation in Zürich. Das spart Reisekosten, auch an allem anderen wird natürlich gespart.

Ein René Laglstorfer und und ein einschlägig bekannter David Sarasin dürfen an ihren Lippen hängen. Wo sei sie denn überall ««undercover» eingetaucht», fragen sie die Wallraff-Nachahmerin: «radikale Nazis, IS-Gruppen, Jihad-Brautgruppen bis hin zu frauenfeindlichen Gruppierungen» (und das als Frau!) «und Verschwörungstheoretiker-Community».

Wahnsinn, aber da sie ja bienenfleissig ein Buch nach dem anderen raushaut, wird das nicht langsam ein bisschen schwierig, «verkleiden Sie sich?» Das macht die clevere Untercover-Agentin: «Zum Beispiel habe ich bei einem Telefoninterview einen anderen Akzent gesprochen, um nicht meinen Wiener Dialekt zu verraten.» Gigantisch, was noch? «Einmal habe ich eine Perücke aufgesetzt und Brillen getragen.»

Was wisse sie denn über die «Junge Tat», fragt dann Tamedia die Kennerin aller radikalen Gruppen: «Zunächst sind das nachgewiesene Faschisten», weiss Ebner, «aber sie verschleiern ihre Ideologie hinter einer geschickt angelegten Sprache, die subtiler und anschlussfähiger ist».

Das kapieren nun die beiden Tamedia-Journis zu recht nicht, also «Erklären Sie bitte». – «Diese neueren Gruppen wechselten von einem offenen Rassismus und Antisemitismus hin zu einem Narrativ, des Ethnopluralismus, wonach sich die unterschiedlichen ethnischen Gruppen nicht mehr vermischen sollten. … Ihr Ziel ist es, das Sagbare weiter nach rechts zu verschieben.»

Und so geht das geschlagene 13’535 Buchstaben hindurch. Hier hat erstaunlicherweise Tamedia versäumt, die Dame um ein klitzekleines Beispiel für ihre unbelegten Behauptungen zu bitten.

Also formuliert es ZACKBUM ganz einfach: Das Ziel von Ebner ist es, das Sagbare weiter in Richtung Nonsens, Inhaltsleere und aufgeblasene Schlagwörter zu verschieben. Was ihr beneidenswert gut gelingt.

Früher, ach früher, wäre es aber so gewesen, dass zwei Journalisten sich ein ganzes Interview hindurch nicht einfach als Stichwortgeber prostituiert hätten, sondern vielleicht eine, eine einzige kritische Frage an die Interviewte gerichtet hätten. Aber früher war halt vieles besser.

Womit wir bei Tamedia wirklich schon gefährlich nahe bei der Nulllinie angelangt werden. Es braucht eine zunehmende Unverfrorenheit, für einen solchen journalistischen Flachsinn auch noch ernsthaft Geld zu verlangen.