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Freitag oder Montag?

Was kommt heraus, wenn drei Tagi-Journis KKS interviewen?

Drei gegen eine, kann das gutgehen? Das geht butterweich supergut, wenn es drei Tamedia-Journalisten sind, die die Finanzministerin Karin Keller-Sutter interviewen. Die ist politisch für den überhasteten Verkauf der Credit Suisse an die UBS für ein Trinkgeld verantwortlich. Und hat mit ihrer Bemerkung, dass das kein Bail-out gewesen sei, also keine Staatsrettung, dem Steuerzahler möglicherweise die Zahlung von 17 Milliarden Franken aufs Auge gedrückt. Und die Reputation des Finanzplatzes Schweiz als Rechtsstaat schwer beschädigt.

Ihre Befähigung, über Finanzfragen entscheiden zu können, muss doch ernsthaft in Frage gestellt werden. Aber doch nicht von Tamedia. Da schleicht man sich liebedienerisch ins Interview:

«Was von diesem dramatischen Wochenende werden Sie nie vergessen?» – «Vor allem diese unglaubliche Spannung und Hektik. Den Druck, in kürzester Zeit eine Lösung finden zu müssen – denn am Montag wäre die CS in Konkurs gegangen, mit unabsehbaren Folgen für die Schweiz und das globale Finanzsystem

Alleine diese Antwort hätte mehrere Nachfragen verdient. Wieso diese Hektik, wieso wurden nicht sinnvolle Alternativen geprüft, woher will KKS wissen, dass die CS am Montag Konkurs gegangen wäre; hatte ihre Bankenaufsicht FINMA nicht noch wenige Tage zuvor deren Stabilität und Liquidität bestätigt?

Aber es könnte ja sein, dass KKS dann wieder ins Rudern gekommen wäre, und das wollten Markus Häfliger (Bundesshausredaktor, keine Ahnung von AT1-Bonds und so Sachen), Konrad Staehelin (Politologe, zuständig «für das Dossier Luftfahrt») und Delphine Gasche (frischgeschlüpfte «correspondante parlementaire à Berne») sicher nicht.

Stattdessen darf KKS sich und alle anderen Beteiligten loben: «Alle haben am gleichen Strick gezogen … wenn es sein muss, können wir sehr schnell sein. Die CS-Krise hat auch gezeigt: Unsere Institutionen funktionieren. Die Schweiz ist handlungsfähig.»

Sagt KKS nicht so Sachen, sagt sie so Sachen:

«Diese Frage kann ich nicht beantworten … Dazu kann ich nichts sagen … Diese Frage kommt zu früh … Nichts wird nicht geschehen … Das sind heikle Fragen, zu denen ich mich nicht äussern kann … Ich sehe das pragmatisch … Es ist immer schwierig, herauszufinden, warum eine Vorlage abgelehnt wurde … Es wird mir vorgeworfen, auf eine Frage nicht geantwortet zu haben, die mir gar nicht gestellt worden ist. Das ist irreführend.»

Das mag sein, aber auch auf Fragen, die ihr gestellt wurden, antwortet sie klimaschädlich: mit heisser Luft.

Es scheint zum neuen Qualitätskonzept von Tamedia (oder wie der Laden auch immer gerade heisst) zu gehören, dass man Interviewpartner ungestört das sagen (oder nicht sagen) lässt, was denen gerade in den Kram passt. Erkenntnisgewinn für den Leser: null. Allerdings sind die Auswirkungen auf den Blutdruck und den Adrenalinspiegel nicht zu unterschätzen.

ZACKBUM hat einen Vorschlag zur Güte und zur Vereinfachung. Anstatt drei Nasen aufzubieten, wieso schickt Tamedia (oder der «Tages-Anzeiger» oder wie diese Rumpfredaktion auch heisst) nicht ein kurzes Mail an den Medienverantwortlichen von KKS, den ehemaligen Lautsprecher von Jolanda Spiess-Hegglin, Pascal Hollenstein: Neben einem aussagelosen Riesenfoto von KKS haben Sie knapp 9000 Anschläge Platz. Füllen Sie den doch mit Fragen und Antworten nach Gutdünken und schicken Sie den Text bitte vor 18 Uhr zurück, damit wir alle in den ordentlichen Feierabend gehen können.

Das würde doch viel unnötigen Aufwand sparen.

Es darf gelacht werden

Raphaela Birrer und die «Qualität».

Normalerweise wartet man 100 Tage ab, um eine erste Bilanz des Wirkens zu ziehen. Bei Birrer reichten zehn Wochen, damit sie von persoenlich.com interviewt wurde. Wobei man sagen muss, dass sich Christian Beck am neuen Tagi-Stil ein Beispiel nahm. Was wollten Sie schon immer mal sagen, unbelästigt von kritischen Fragen?

Zuerst der Pflichtteil. Birrer sei zum ersten Mal am SwissMediaForum gewesen, wie war’s? «Es wird bei solchen Treffen stets klar, dass die grossen Schweizer Medienhäuser mit sehr ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind

Unglaublich, da könnte man meinen, die hätten alle völlig unterschiedliche Herausforderungen. Und wie geht’s denn intern so? Da bekommt Birrer Gelegenheit, sicherlich ungewollt gegen ihren Vorgänger zu keilen: «Spürbar dürfte auch die offene, transparente Kommunikation sein, mit der wir die Redaktion über all diese Schritte informieren.» Was ja heisst: vorher war das anders …

Nun aber in medias res, wie der Lateiner sagt, wichtigste Entscheidungen bislang? «Es gibt überall viel zu tun, wir können nicht alles gleichzeitig lösen.» Wie wahr, aber geht’s auch konkret? «Ich habe mich entschieden, zuerst in das redaktionelle Klima und in strukturelle Massnahmen zu investieren. Ich möchte, dass die Mitarbeitenden jeden Tag gerne und motiviert auf die Redaktion kommen

Das unterscheidet Birrer sicher auch von ihrem Vorgänger; der wollte bekanntlich, dass die Mitarbeitenden (oder vielleicht auf Deutsch die Mitarbeiter) ungern und demotiviert kamen. Etwas bedeckt hält sich Birrer, allerdings, was die neue CEO aus Deutschland betrifft: «ich kenne sie noch nicht. Ich freue mich, sie bald kennenzulernen, und auf die künftige Zusammenarbeit mit ihr

Und dann noch die ganz harten Fragen; Sexismus- und Mobbingvorwürfe beim «Magazin», «wie war das für Sie?» – «Die Tage im Februar waren für viele in unserem Haus ein anspruchsvoller Moment.» Das ist mal eine echt coole Antwort. Sozusagen eine tiefgefrorene Null-Antwort.

Diese Marotte pflegt Birrer auch bei der Frage, ob es in Bern oder Basel goutiert wird, dass die Mantelredaktion nicht mehr Tamedia heisst, sondern «Tages-Anzeiger»: «Wir bieten nach wie vor dasselbe Angebot für alle – der einzige Unterschied ist unser neuer alter Name. Insofern fallen die Reaktionen positiv aus.»

Klar, die Basler lieben die Zürcher, und die Berner kriegen sich vor Freude gar nicht ein.

Aber einen echten Knaller hat Birrer noch bis fast zum Schluss aufgespart:

«Wer mich kennt, weiss, dass der Qualitätsanspruch für mich die zentrale Richtschnur ist.»

Wunderbar, und wie soll das gehen, bei Kosteneinsparungen von 70 Millionen bis Ende 2023? Also mehr Qualität bei weniger Quantität? «Es ist kein Geheimnis, dass die finanzielle Bilanz für Tamedia zuletzt negativ ausgefallen ist. … Deshalb ist es nicht überraschend, dass Tamedia auch die Kostenseite im Blick behält.»

Nein, überraschend ist diese Antwort nicht, eher gähnlangweilig. Und was hat sich Birrer denn für ihre verbleibende Amtszeit vorgenommen? Da sind wir nun platt: «Ich möchte mehr Leserinnen und Leser erreichen, um unsere Marke zu stärken und zusätzliches Publikum an die Paywall zu bringen

Ob ihr das allerdings mit all diesen Schwachmaten und Leichtmatrosen gelingt, die seit ihrem Amtsantritt unablässig das Wort ergreifen dürfen und sich um woken Pipifax kümmern, der den Leser null interessiert?

Aber vielleicht will Birrer das zusätzliche Publikum eben nur «an die Paywall bringen», also gar nicht zum zahlenden Eintritt bewegen. Vielleicht will sie auch, dass das zusätzliche Publikum hier zuschaut, wie vergrätzte ehemalige Zahler die Paywall von der anderen Seite her durchbrechen …

 

 

Below zero

Man kann’s nur noch auf Englisch sagen, was mit Tamedia passiert.

Jacqueline Büchi interviewt die «Anti-Rassimus-Trainerin», Pardon, die «Vermittlerin für Rassismuskritik» Tupoka Ogette. Vermittlerin für? Oder von? Wäre es schon rassistisch, Ogette mangelhafte Beherrschung der deutschen Sprache vorzuwerfen?

Da haben sich zwei getroffen. Büchi ist schon mehrfach unangenehm aufgefallen, indem sie wie Philipp Loser ungefragt Zensuren erteilt: «Die Gesamtregierung muss Haltung zeigen und den Brandstifter in die Schranken weisen. Sonst riskiert sie ihre eigene Glaubwürdigkeit – und den Frieden im Land.» Glücklicherweise ist die Schweiz damals knapp an einem Bürgerkrieg entlanggeschrammt – obwohl der Bundesrat den angeblichen «Brandstifter» Maurer nicht in die Schranken wies.

In jeder anständigen Zeitung hätte das eine Abmahnung und ein längeres Sensibilisierungstraining abgesetzt. Aber doch nicht bei Tamedia. Da darf Büchi sogar auf unterstem Niveau dem Schwesterblatt «SonntagsZeitung» und ihrer Kollegin Michèle Binswanger eine reinwürgen, ohne dass sie daran gehindert wird.

Ogette ihrerseits ist eine sehr geschäftstüchtige Vermarkterin des Themas Rassismus. Mit Büchern, Kursen, Webseite und der Tupokademie. Ein weiteres Beispiel eines Interviews, indem die «Journalistin» einfach unkritische Stichwortgeberin ist, damit die Gesprächspartnerin unwidersprochen das sagen kann, was sie sagen will. Inklusive banale Flachheiten: «Wir sind alle in einer Welt gross geworden, in der Rassismus Teil der Gesellschaft ist. … Wir alle haben in diesem Rassismus gebadet, haben ihn internalisiert. Auch ich als negativ Betroffene.»

Selbst Slapstickeinlagen werden heutzutage nicht mehr aus Interviews gekippt: «Kennen Sie das Zürcher Sechseläuten? – Nein.»

Macht ja nix, also erzählt Büchi den Vorfall mit den Zünftern in Baströckchen und holt sich die überraschende Antwort ab: «Gibt es einen Kontext, in dem ein solcher Auftritt akzeptabel wäre? – (lacht ungläubig) Nein! Punkt.»

Pardon, natürlich ist ein solcher Auftritt im Kontext eines privaten Zusammenseins unter Ausschluss der Öffentlichkeit akzeptabel. Oder soll nun selbst in diesem Bereich Zensur herrschen, bei der Typen wie Büchi oder Ogette bestimmen, was erlaubt ist und was nicht?

Dann wärmt Büchi die längst abgehandelte Story um Sascha Ruefers Off-the-record-Satz über den Captain der Nationalmannschaft auf. Obwohl sich sogar der Tagi darin einig war, dass es sich hier um eine in keinem Kontext als rassistisch zu qualifizierende Aussage handelt, tritt Büchi nach und gibt Ogette die Möglichkeit, nachzubrettern: «Einer, der in der Schweizer Nationalmannschaft ist und für das Land spielt, ist also kein Schweizer. Wer denn dann? Das ist klassisches «Othering». Hier sind wir, da die anderen.»

Statt diesen Unsinn zu hinterfragen, legt Büchi nach: «Ruefer wehrte sich, er habe den Satz nicht diskriminierend gemeint. Im Kontext sei die Aussage wie folgt zu verstehen: Xhaka funktioniere als Führungsfigur nicht typisch schweizerisch-zurückhaltend. Er sei forsch und setze sich hohe Ziele.»

Stichwort für Ogette: «Diese Klischees! Ist ein weisser Firmenchef, der führungsstark auftritt, also auch kein typischer Schweizer? Der zentrale Punkt ist: Bei Rassismus geht es nicht um die Intention, sondern um den Effekt. Ich kann auch rassistisch sein, ohne es zu wollen.»

Alleine in diesen Gesprächsausschnitten gäbe es genügend Gelegenheit für einen kritischen Journalisten, nachzuhaken, nachzufragen, was das denn heissen soll, man könne auch rassistisch sein, ohne es zu wollen zum Beispiel. Woher nimmt Ogette die Autorität, das selbstherrlich entscheiden zu können? Weil sie selbst schwarz ist? Bedeutet das denn, dass sie weder willentlich noch unwillentlich rassistisch sein kann? Aber sogar unwillentlich die Entscheidungshoheit darüber hat, was rassistisch sei?

Stattdessen macht Büchi sogar noch einen unterwürfigen Kotau:

«Finden Sie es anmassend, wenn ich als weisse Journalistin diese Fragen stelle?»

Die Interviewte konzediert gnädig: «Hm. (überlegt) Ich nehme an, das ist Teil Ihres Jobs.»

Spätestens hier müsste jeder Interviewer mit etwas Ehre oder journalistischem Anstand im Leib nachfragen, was dieser Ogette eigentlich einfalle, so herablassend, präpotent und überheblich zu antworten. Aber doch nicht Büchi. Die lässt sogar Ogette unwidersprochen behaupten, dass die Bücher über Pippi Langstrumpf umgeschrieben werden müssten. Nur im Tagi ist dann ein solcher Satz möglich: «Nicht nur, dass der Südseekönig im Original N****-König hiess.»

Der hiess und heisst Neger-König, liebe Frau Büchi, das darf und muss heute weiterhin gesagt werden.

Ein Interview, das war einmal ein spannender, verdichtete Dialog auf Augenhöhe eines vorbereiteten, kritischen Journalisten mit einer Person, die etwas zu sagen hat. Bei Tamedia ist das inzwischen zum Stichwortgeben für mässig interessante Menschen geworden, die ohne einer einzigen kritischen Frage ausgesetzt zu sein, ihre Message multiplizieren dürfen.

Wir wiederholen die gleiche Frage: wer soll denn dafür etwas bezahlen wollen?

 

Tamedia: Countdown to zero

Oder unter Null. Schwer zu beurteilen.

Diesmal zeigt das Qualitätsmedium aus dem Hause Tx, dass es wirklich keinerlei Hintergrundrecherche mehr macht. Denn nur so ist diese Schlagzeile zu erklären:

Unglaublich, was für eine Frau. In ihrer Selbstdarstellung ist sie tatsächlich schwer schlagbar. Auf Twitter preist sie sich an als «bestselling author, Senior Research Fellow, DPhil, Former Counter Terrorism Adviser». Auf Facebook forscht sie zu «Extremismus und berät dazu u.a. die UN, NATO und die Weltbank».

Auch ihre akademische Karriere ist atemberaubend: die «österreichische Investigativ-Journalistin» so weiss Wikipedia, studierte an der Wirtschaftsuni Wien «Internationales Management». Dadurch nicht ganz ausgelastet, studierte sie parallel an der Uni Wien Philosophie und schloss beides mit Diplomen ab. Ein Gastsemester an einer Business School «bei Paris» lag da auch noch drin. Anschliessend zog es sie an die Uni Peking, wo sie in nur einem Jahr eine Masterarbeit vorlegte. Ohne jedes Anzeichen von Erschöpfung zog sie im gleichen Jahr 2014 dann an die London School of Economics and Political Science, wo sie, wenn schon, denn schon, gleich nochmal eine Masterarbeit ablieferte. Und so weiter.

Diese unglaubliche Karriere wäre mal eine vertiefte Recherche wert …

Fast nebenbei infiltrierte sie dann noch rechtsradikale Gruppen wie auch «radikale Islamisten». Daraus entstand ihr erstes Werk «Rage», auf Deutsch «Wut», dem «Radikalisierungsmaschinen» und neuerdings «Massenradikalisierung» folgten.

ZACKBUM hat «Radikalisierungsmaschinen» – für einmal Anpreisungen folgend – angelesen, und kann sich nur dem «Zeit»-Rezensenten anschliessen: kriminalistisch wenig spannend, unterkomplex, Ursachen und Ideologien interessierten die Autorin wenig bis nicht, ihre moralische Unerbittlichkeit spiele sich in der Liga Böhmermann ab. Oder in einem Wort: flach.

Also eine weibliche Marco Kovic, nur viel erfolgreicher und gern gesehener Gast in grossen Talkshows, was Kovic zu seinem Leidwesen bislang verwehrt blieb. Aber sie ist halt Frau und nicht unattraktiv.

Diese Modeerscheinung interviewt nun Tamedia ehrfürchtig anlässlich ihrer Buchpräsentation in Zürich. Das spart Reisekosten, auch an allem anderen wird natürlich gespart.

Ein René Laglstorfer und und ein einschlägig bekannter David Sarasin dürfen an ihren Lippen hängen. Wo sei sie denn überall ««undercover» eingetaucht», fragen sie die Wallraff-Nachahmerin: «radikale Nazis, IS-Gruppen, Jihad-Brautgruppen bis hin zu frauenfeindlichen Gruppierungen» (und das als Frau!) «und Verschwörungstheoretiker-Community».

Wahnsinn, aber da sie ja bienenfleissig ein Buch nach dem anderen raushaut, wird das nicht langsam ein bisschen schwierig, «verkleiden Sie sich?» Das macht die clevere Untercover-Agentin: «Zum Beispiel habe ich bei einem Telefoninterview einen anderen Akzent gesprochen, um nicht meinen Wiener Dialekt zu verraten.» Gigantisch, was noch? «Einmal habe ich eine Perücke aufgesetzt und Brillen getragen.»

Was wisse sie denn über die «Junge Tat», fragt dann Tamedia die Kennerin aller radikalen Gruppen: «Zunächst sind das nachgewiesene Faschisten», weiss Ebner, «aber sie verschleiern ihre Ideologie hinter einer geschickt angelegten Sprache, die subtiler und anschlussfähiger ist».

Das kapieren nun die beiden Tamedia-Journis zu recht nicht, also «Erklären Sie bitte». – «Diese neueren Gruppen wechselten von einem offenen Rassismus und Antisemitismus hin zu einem Narrativ, des Ethnopluralismus, wonach sich die unterschiedlichen ethnischen Gruppen nicht mehr vermischen sollten. … Ihr Ziel ist es, das Sagbare weiter nach rechts zu verschieben.»

Und so geht das geschlagene 13’535 Buchstaben hindurch. Hier hat erstaunlicherweise Tamedia versäumt, die Dame um ein klitzekleines Beispiel für ihre unbelegten Behauptungen zu bitten.

Also formuliert es ZACKBUM ganz einfach: Das Ziel von Ebner ist es, das Sagbare weiter in Richtung Nonsens, Inhaltsleere und aufgeblasene Schlagwörter zu verschieben. Was ihr beneidenswert gut gelingt.

Früher, ach früher, wäre es aber so gewesen, dass zwei Journalisten sich ein ganzes Interview hindurch nicht einfach als Stichwortgeber prostituiert hätten, sondern vielleicht eine, eine einzige kritische Frage an die Interviewte gerichtet hätten. Aber früher war halt vieles besser.

Womit wir bei Tamedia wirklich schon gefährlich nahe bei der Nulllinie angelangt werden. Es braucht eine zunehmende Unverfrorenheit, für einen solchen journalistischen Flachsinn auch noch ernsthaft Geld zu verlangen.

Hier spricht der Präsident

Best of des CS-Bashing von René Zeyer.

Dieser Artikel erschien am 24. Mai 2014 in der «Basler Zeitung».

Wenn unterwürfige Fragesteller am Werk sind, ist die Unfehlbarkeit des obersten Führers nicht in Gefahr. Sei es nun bei Kim Jong-un – oder bei CS-Verwaltungsratspräsident Urs Rohner.

Folgendes Interview wurde von der Parteizeitung Rodong Sinmun mit Präsident Kim Jong-un geführt. Er spricht über die Beilegung eines Konflikts, in den nordkoreanische Unternehmen mit den USA verwickelt waren. Seine Aussagen wurden aus unbekannten Gründen nicht publiziert und von einem Mitarbeiter der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA unter Lebensgefahr in den Westen geschmuggelt. Obwohl Kims Antworten weitgehend inhaltsleer sind, sei das Gespräch hier weltexklusiv veröffentlicht. Die unterwürfige Haltung der Fragesteller muss man im Kontext der fehlenden Meinungsfreiheit in Nordkorea sehen.

O grosser Führer, wie konnten Sie diese übermenschliche Anspannung ertragen?

«Für das Unternehmen, die Mitarbeiter und auch für mich war die Belastung sehr gross.»

Der konnte nur ein Übermensch wie Sie standhalten. Nachdem durch Ihre weise Führung das Problem gelöst wurde, wie ist Ihr wertes Befinden?

«Ich bin nicht entspannt, aber erleichtert, dass wir eine Lösung gefunden haben.»

Wann wurde Ihr Augenmerk, bei all Ihren anderen wichtigen Aufgaben, zum ersten Mal auf dieses Problem gelenkt?

«Wir wurden im Dezember 2010 informiert, dass ein Verfahren läuft. Daraufhin wurde eine interne Untersuchung eingeleitet und auch eine Weisung erlassen, alle relevanten Unterlagen aufzubewahren.»

Daraufhin haben aber die amerikanischen Teufel ihre letztlich zum Scheitern verurteilten Angriffe auf Sie und weitere verdiente Unterführer nicht eingestellt, sondern sogar eine Anhörung durch den US-Senat durchgeführt. Glauben Sie, grosser Führer, dass das einen Einfluss auf das Verhalten der Oberteufel in der amerikanischen Regierung hatte?

«Ich glaube nicht, dass die Anhörung eine massgebliche Verschärfung bewirkt hat, aber die Kritik des Senatsausschusses war wohl auch nicht ohne Einfluss.»

So weise kann nur ein wahrhaft grosser Führer sprechen. Nun behaupten die US-Imperialisten aber, in der unter Ihrer genialen Aufsicht arbeitenden Volksstaatsbank habe es anhaltende Verfehlungen gegeben.

«Es gibt interne Überprüfungen. Wenn es Hinweise auf Verfehlungen gegeben hätte, wäre man diesen nachgegangen.»

Natürlich, grosser Führer, damit entlarven Sie einmal mehr diese Propagandalügen der Imperialisten, ausgezeichnet. Aber haben Sie, o grosser Führer, nicht selbst eingeräumt, dass es nun doch zu klitzekleinen Verfehlungen gekommen sei?

«Richtig ist, dass eine kleine Gruppe von Beschäftigten Verstösse gegen interne Weisungen begangen hat. Die Nationale Verteidigungskommission stellt aber auch fest, dass die Mitglieder des obersten Managements keine Kenntnisse von diesen Verfehlungen hatten.»

Niemand, o grosser Führer, könnte verrückt genug sein, das auch nur zu denken. Die skrupel­losen Propagandisten aus Washington behaupten aber auch, sie hätten Beweise dafür, dass Mitar­beiter Ihrer exzellenten Staatsbank in den USA Besuche, die in Wirklichkeit der Stärkung der Völkerfreundschaft dienten, zu angeblich illegalen Zwecken ausgenützt hätten. Wäre es da nicht besser gewesen, auf diese Form des Wunschs des nordkoreanischen Volkes, sich mit dem US-Volk zu verbrüdern, zu verzichten?

«Rückblickend muss man sich diese Frage stellen, und wir haben später auch die Besuche zu gesellschaftlichen Zwecken nicht mehr erlaubt.»

Wir können erahnen, wie Sie, grosser Führer, das geschmerzt haben muss, dass Ihr vom ganzen Volk geteilter Wunsch nach Völkerfreundschaft so missverstanden werden konnte. Aber blicken wir mit Ihnen zusammen in die Zukunft, wohin werden Sie uns führen?

«Entscheidend ist, dass wir nun einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen können. Die Verantwortung des Topmanagements lag und liegt nun darin, das Unternehmen durch diese schwierige Zeit zu führen und es für die Zukunft richtig aufzustellen.»

Was täten wir nur, wenn Sie sich dieser Verantwortung nicht stellen würden, wir wären verloren. Können Sie uns an Ihrem Weitblick teilhaben lassen und beschreiben, welche wie immer richtige Massnahmen Sie da ergreifen werden, grosser Führer?

«Wir können sicher nicht zur Tagesordnung übergehen. Ich will der Frage zur Strategie hier nicht vorgreifen. Wir sind selbstkritische Leute. Wir haben wiederholt gezeigt, dass wir auf Veränderungen von aussen sehr schnell und entschieden reagieren.»

Das haben Sie immer und zweifellos unter Beweis gestellt, trotz aller Weisheit selbstkritisch, schnell, entschieden, das sind Sie. Natürlich können nur erbitterte und uninformierte Feinde überhaupt auf eine solche Idee kommen, die wir zutiefst verabscheuen, aber einige unserer Kritiker gehen in ihrer Umnachtung sogar so weit, die völlig absurde, ja kranke Überlegung anzustellen, ob Sie, o grosser Führer, an einen personellen Wechsel denken?

«Nein.»

Wir können uns also an der Hoffnung auf­richten, dass wir weiterhin im Glanz Ihrer Unfehlbarkeit aufblühen und gedeihen können?

«Ich bin nicht einer, der davonläuft, wenn es schwierig wird.»

Wir wissen gar nicht, wie wir unsere Dank­barkeit und Erleichterung ausdrücken können. Wir dürfen also sicher sein, dass Ihre Unfehlbarkeit makellos über uns strahlt.

«Persönlich haben Brady Dougan und ich eine weisse Weste.»

Hoppla, da ist doch einiges durcheinander­geraten, sehe ich gerade. Die Antworten stammen nicht von Nordkoreas Präsidenten, sondern sind Originalzitate aus einer Interviewserie, die der CS-Verwaltungsratspräsident Urs Rohner der NZZ, dem Blick, dem Tages-Anzeiger und dem Radio SRF gegeben hat. Nur das Wort Finma wurde durch Nationale Verteidigungskommission ersetzt.

Die Fragen sind nicht original, aber ihr unterwürfiger, unkritischer, geradezu kriecherischer Ton ist getroffen – so würde das die Korean Central News Agency formulieren. Aber die ist entschuldigt, denn dort gibt es ja keine freie Presse.

Wenn die NZZ schwächelt

Die deutsche Kriegstreiberin Marie-Agnes Strack-Zimmermann bekommt ein Streichelinterview.

Zwei Redakteure bietet die NZZ auf, um mit der deutschen Kriegspolitikerin mit den beiden Doppelnamen ein Interview zu führen. Benedict Neff, seines Zeichens Feuilletonchef der NZZ und vielleicht nicht der sattelfesteste Militärberichterstatter. Und Claudia Schwartz, lange Jahre für «Streaming/TV verantwortlich», dann 2020 der Wechsel ins Feuilleton. Gute Beziehungen nach ganz oben helfen immer, auch bei einer doppelseitigen Berichterstattung über ein österreichisches Wellness-Hotel, das sie zusammen mit dem Göttergatten besuchte.

Diese beiden ausgewiesenen Fachleute bieten nun Strack-Zimmermann die Gelegenheit, weitgehend unwidersprochen ihre Positionen auszubreiten. Begleitet von unverständlichen Lobhudeleien: «MarieAgnes StrackZimmermann ist eine unbestechliche Stimme, wenn es um den Krieg in der Ukraine geht.» Unbestechlich? Die Rüstungsindustrie-Lobbyistin sei unbestechlich, im Sinne von unvoreingenommen? Ein unglaublicher Schwächeanfall der NZZ.

Aber er setzt sich durchs ganze Interview hindurch fort: «Dieses Zögern und Abwarten (bei deutschen Waffenlieferungen, Red.) war ein grosser Fehler. Die Bundesrepublik hätte deutlich schneller reagieren müssen.» Sie hätte noch schneller – und im Gegensatz zur Schweiz – ihre Waffenausfuhrgesetze über Bord werfen sollen?

«Auf russischen Panzern steht «nach Berlin», … Das Nein der Schweiz hat in Deutschland die Frage aufgeworfen, wie zuverlässig die Lieferkette dringend benötigter Munition in Zukunft sein wird, wenn die Schweiz selbst bei der Verteidigung von Lebensmittelausfuhr nicht liefert, … Die Antwort liegt auf der Hand. In Zukunft sollte die Munition ausschliesslich in Nato-Staaten eingekauft beziehungsweise in Deutschland direkt hergestellt werden … Das Kanzleramt hat mir tatsächlich mal unterstellt, ich würde ein «Geschäftsmodell» daraus machen, den Kanzler zu kritisieren. Ich finde das offen gestanden geradezu zynisch … Umso unvorstellbarer ist es, dass gerade sie (Alice Schwarzer, Red.) das Leid der vergewaltigten Frauen in der Ukraine ausblendet und nicht einmal bei Demonstrationen thematisiert. Sie verrät ihre eigenen Werte … Wehrhaftigkeit ist das zentrale Thema der nächsten Generation.»

Jede Menge Stoff, um kritische Nachfragen zu stellen. Aber doch nicht die beiden Feuilletonisten der NZZ. Dann wäre ein ungeheuerliche Lügenmeldung von Strack-Zimmermann zu thematisieren gewesen:

«Nicht nur haben russische Raketen offenbar Polen und NATO-Gebiet getroffen, sondern auch zu Toten geführt. Das ist das Russland, mit dem hier einige offenkundig und absurderweise immer noch «verhandeln» wollen. Der Kreml und seine Insassen müssen sich umgehend erklären.»

Das sonderte sie direkt nach dem Einschlag einer Rakete in Polen ab. Sie ist immerhin die Vorsitzende des Deutschen Verteidigungsausschusses, und als solche müsste sie ihre Worte vorsichtig wählen. Mit dieser Behauptung betrieb sie eindeutig Kriegshetze. Was aber noch schlimmer war: als sich herausstellte, dass sie (und andere) auf ukrainische Propaganda reingefallen war, die Rakete in Wirklichkeit eine Abwehrrakete der ukrainischen Armee war, nahm Strack-Zimmermann ihre Behauptung nicht zurück, wies eine Entschuldigung dafür weit von sich.

Zudem ist sie Präsidiumsmitglied in der «Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik» (DWT). Sie ist Vizepräsidentin der «Deutschen Atlantischen Gesellschaft» (DAG), die sich trotz des allgemeinen Namens zum Ziel gesetzt hat, «das Verständnis für die Ziele des Atlantischen Bündnisses zu vertiefen und über die Politik der NATO zu informieren». Zudem ist sie Präsidiumsmitglied beim «Förderkreis Deutsches Heer» (FKH), neben der DWT die wichtigste Lobby-Gruppe der deutschen Rüstungsindustrie.

Aus all dem hätte sich vielleicht die eine oder andere kritische Frage ergeben können. Aber doch nicht vom Duo Neff/Schwartz. Und sollte jemand Kundiger in der NZZ die Nase gerümpft haben, tat er das still und leise. Denn wer will sich schon mit Schwartz anlegen? Niemand.

Was für ein Schwätzer

Tamedia-Leute, fürchtet Euch! Müller von Blumencron hat gesprochen.

Mathias Müller von Blumencron (wir gestatten uns, ihn der Einfachheit halber Müller zu nennen) hat eine durchwachsene Karriere hinter sich. 2008 war er in die für ihn viel zu grossen Fussstapfen des «Spiegel»-Chefredaktors Stefan Aust getreten. Zusammen mit Georg Mascolo, denn die Überlegung war soweit richtig, dass es mindestens zwei Leichtgewichte für das Schwergewicht Aust brauche.

2013 dann das Aus, beide wurden gefeuert. Seither irrlichtert er durch die deutsche Presselandschaft, mal als «Chefredakteur digitale Medien» der FAZ. Der Kurzzeitjob dauerte von 2013 bis 2018. Dann sollte er mal Co-Chefredakteur des «Tagesspiegel» werden. Dauerhafter ist sein Einsatz bei Tamedia. Seit 2013 ist er dort «Beirat für Digitalisierung», dann Verwaltungsrat. Und seit dem abrupten Abgang von Marco Boselli ist er nun «interimistisch» der Leiter «Publizistik und Produkt» der Tamedia-Bezahlzeitungen.

Das ist immerhin eine gute Nachricht für «20 Minuten». Trotz seiner zehnjährigen Tätigkeit als Digitalisierungs-Guru ist Tamedia digital schwach auf der Brust und verfehlt eins ums andere Mal die gesteckten Ziele deutlich. Das hat dann Boselli den Kopf und die Anstellung gekostet, aber doch nicht dem digitalen Beirat und Verwaltungsrat Müller.

Der hat nun dem ehemaligen «Medienwoche»-Chefredaktor Nick Lüthi in seiner neuen Funktion als persönlich.com-Redaktor ein Interview gegeben. Das hätte er vielleicht nicht tun sollen. Denn wenn Worte leichter als Bytes sind und der Inhalt des Gesagten weder Schall noch Rauch ist, dann muss sich der Tamedia-Mitarbeiter zu recht vor der digitalen Zukunft fürchten.

Ein harsches Urteil: Ja, aber wohlverdient. Wir zeigen mal einige Luftblasen im Schnelldurchlauf:

«Wir wollen schneller mehr digitale Abonnentinnen und Abonnenten gewinnen. … wir hoffen sowohl beim Tages-Anzeiger als auch in Bern, in Basel und im Zürcher Umland noch überzeugender für unser Publikum zu werden … wir können niemanden zwingen, ein Abo zu kaufen, wir können nur überzeugen. Die Nützlichkeit des Journalismus spielt deshalb heute eine viel stärkere Rolle als früher … wir wollen noch verlässlicher auf der schnellen Ebene sein, noch gründlicher in Analysen und Storys … für jede dieser Kompetenzen, also Newsmanagement, Storys und Nutzwert sowie Podcasts und digitale Innovationen, ist ein Mitglied der neuen Chefredaktion verantwortlich … wenn die Antwort dagegen Tages-Anzeiger lautet, sagen alle, klar, kenne ich … einmal geht es darum, im Kleinen das Grosse zu entdecken. Dann gibt es auch die Spielart, das Grosse herunterzubrechen auf die unmittelbare Umgebung … wir entwickeln etwa gerade mikrolokale Newsletter, die kleine Areale abbilden … wir müssen natürlich aufpassen, dass wir unsere Kolleginnen und Kollegen nicht überfordern … ich bin in vielen Punkten absolut begeistert, was für eine Power, was für eine publizistische Leidenschaft in Redaktionen und Verlag steckt … wir sind zu langsam vorangekommen in den letzten Jahren. Insofern wollen und müssen wir uns nun schneller bewegen … im Moment gucken weder Andreas Schaffner noch ich auf die Uhr, sondern überlegen ständig, wie wir gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen am besten vorankommen.»

Bevor der ZACKBUM-Leser um Gnade winselt: wir mussten uns von vorne bis hinten durch diese schlecht gebackene lauwarme Luft quälen, ohne dass ein Sauerstoffzelt zur Wiederbelebung zur Verfügung stand.

Wer alleine die x-te Umbenennung eines Titels, eines Konzernbestandteils damit begründet, dass niemand den Namen Tamedia kennen würde («Aber wenn jemand fragt, wo man arbeitet, und die Antwortet lautet dann Tamedia, sagen viele Leute: Das habe ich aber noch nie gehört»), während in Bern oder Basel die Sympathiewerte nach oben schnellen, wenn man sagt «ich arbeite beim «Tages-Anzeiger»», der hat sich bereits restlos disqualifiziert. Wer seit zehn Jahren für das Digitale mitverantwortlich ist und zugeben muss, dass die Vorgabe 200’000 Digitalabos mal wieder elend gerissen wurde, ist disqualifiziert.

Wer ein ganzes Interview lang keinen einzigen Satz von sich gibt, dem man eine gewisse inhaltliche Relevanz zubilligen könnte, ist dermassen disqualifiziert, dass ihm eigentlich nochmals widerfahren sollte, was er aus seiner Karriere sehr gut kennt. Eine Trennung «aufgrund unterschiedlicher Auffassungen». Aber leider ist es so: wenn der oberste Boss auch nicht wirklich weiss, was er will (oder kann), dann regiert er mit Bauernopfern (Boselli, Rutishauser), beruft Mediokres an entscheidende Positionen (Birrer, Hasse) und lässt Dampfplauderer um sich sein, die ihm wie Müller in keiner Art und Weise das Wasser abgraben könnten. Und man kann sich nicht wegen unterschiedlicher Auffassungen trennen, wenn einer gar keine hat …

Es ist richtig, dass auch in der Schweiz alle Medienkonzerne herumeiern, wie sie dem ja absolut neuen Phänomen des Internets und des Digitalen begegnen sollen. Wie sie sich nicht weiter von Google, Facebook, Amazon & Co. die Butter vom Online-Werbemarkt nehmen lassen wollen. Aber im Vergleich zu diesem hilflosen Gestammel sind NZZ, CH Media und Ringier sehr gut aufgestellt. Wer ihnen Übles will, könnte ihnen eine Mitarbeit von Müller ans Herz legen. Aber dafür dürften dort die Entscheidungsträger zu schlau sein.

Federlesen

Wie reagiert die Journaille auf das Canonica-Gespräch?

An ihren Reaktionen werdet ihr sie erkennen. Ziemlich genau ein Monat ist vergangen, seit Anuschka Roshani im «Spiegel» eine Breitseite abfeuerte. Seither fand im Wesentlichen eine Hatz auf Finn Canonica statt. Bis dann langsam der Wind drehte. Die NZZ begann, die Konkurrenz in die Pfanne zu hauen («Glaubwürdigkeit verspielt»).

Allerdings sparte das Blatt mit dringend nötiger Selbstkritik. Nun berichtet es «Roger Schawinski empfängt den ehemaligen «Magazin»-Chef Finn Canonica». Nicht ganz faktensicher («Anfang März hat das deutsche Magazin «Der Spiegel» einen Gastbeitrag von Canonicas ehemaliger Mitarbeiterin Anuschka Roshani veröffentlicht») fängt Lucien Scherrer an. Es war Anfang Februar, aber Scherrer hatte auch schon behauptet, die beiden hätten bis 2021 bei Tamedia gearbeitet (es war bis 2022) und Daniel Binswanger sei Canonicas Stellvertreter gewesen (war er nicht). Und es gäbe da anonyme Quellen, die …

Aber item, nun präsentiert sich der Fall plötzlich «komplizierter», nachdem auch die NZZ unkompliziert mitgekeilt hatte. Präsentiert Scherrer nun wenigstens dringend nötige Selbstkritik? Nicht wirklich, stattdessen: der «einst angesehene» Canonica habe es leicht, «sich vor allem als Opfer zu inszenieren». Zu inszenieren? «Viel mehr Selbstkritik» sei «im «Doppelpunkt» nicht zu hören», es blieben «einige Ungereimtheiten und Vorwürfe unausgesprochen oder unbeantwortet». Schliesslich: «Tatsächlich gibt es einiges zu klären.» Aber offensichtlich nichts vor der eigenen Haustür aufzuwischen. Und wieso hat denn die NZZ nicht schon längst einiges geklärt? Sackschwach, um ein Lieblingswort von Schawinski zu bemühen.

Etwas neutraler zitiert persönlich.com Auszüge aus dem Exklusiv-Interview auf Radio 1. Nau.ch übernimmt einfach die inzwischen gebastelte SDA-Meldung. Sie bemüht sich um Neutralität, abgesehen von einem kleinen Seitenhieb: «Roger Schawinski gab sich im Interview ungewohnt zahm.» Vielleicht wollte er, im Gegensatz zu fast allen anderen Medien, nicht auf einem am Boden Liegenden noch herumtrampeln …

Der «SonntagsBlick» durfte schon vorher in die Sendung reinhören und machte daraus einen Kommentar des stellvertretenden Chefredaktors, der sich auch um Objektivität bemüht, bis er den beiden eine «gewagte Verschwörungstheorie» unterstellt. Dabei ist es keine Verschwörung, dass der Ehemann von Roshani der Besitzer des Verlags «Kein & Aber» ist, in dem viele Magi-Mitarbeiter Bücher publizieren, was es ihnen eher schwer machen würde, sich öffentlich gegen die Frau ihres Verlegers zu stellen.

CH Media, bislang sehr unglücklich agierend in der Berichterstattung über die Roshani-Affäre, hält sich bedeckt und zitiert nur etwas den SoBli. Dort will man sich offenbar keine zweite erzwungene Entschuldigung für eine neuerliche Falschmeldung einhandeln.

«Tages-Anzeiger», Tamedia, alle «Magazin»-Mitarbeiter, die «Republik», alle Wäffler, die sofort mit einer Vorverurteilung zur Hand waren und ein weiteres Mal auf die Unschuldsvermutung schissen? Alle Krakeeler in den asozialen Medien, die sich mit Bekundungen des Abscheus über diesen neuerlichen Fall von widerlichen männlichen Übergriffen, von Sexismus, Mobbing, Opfer Frau, nicht einkriegten?

Alle Vorverurteiler, alle, die angebliche weitere, aber leider anonyme Quellen zitierten, die behaupteten, es sei alles noch viel schlimmer gewesen? Schweigen. Tiefes Schweigen.

Ein Hinweis auf die entlarvende Recherche im «Schweizer Journalist»? Nirgends. Wie wird dort ein «Magazin»-Redaktor zitiert? Nach dieser Berichterstattung, an der er fast verzweifelt sei, glaube er in den Medien nur noch Berichte, die er selbst recherchiert und geschrieben habe.

Wäre es nun nicht der Moment für etwas Selbstkritik? Für Eingeständnisse? Für eine Entschuldigung Richtung Canonica? Für eigene Recherchen, was denn nun wirklich zutrifft und was nicht? Wo und warum man ungeprüft üble Nachreden übernahm? Wäre es nicht der Moment für eine Sanktion all der journalistischen Stümper, die entweder angebliche Quellen selbst erfanden oder der wohl einzigen Quelle auf den Leim krochen? Angefangen bei Salome Müller?

Doch, das wäre der richtige Moment, verspielte Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, indem man genauso schonungslos über sich selber zu Gericht sitzt, wie man das gegenüber Canonica tat.

Aber das Elend der Medien ist so gross, dass sie auch diese Chance ungenutzt lassen. Verbohrt, arrogant, beratungsresistent, uneinsichtig, kindisch. Ein Vogel Strauss neben dem anderen, so weit das Auge reicht.

Sloterdijk in Hochform

ZACKBUM gesteht: wir halten ihn für aufgeblasen. Aber hier ist er in Bestform.

Peter Sloterdijk könnte über die Zubereitung eines Eis eine philosophische Abhandlung aus dem Ärmel schütteln, die gleichzeitig eine Zeitreise durch 2000 Jahre Geschichte des Nachdenkens wäre.

Sloterdijk weiss, wie man sich mit wehender Haartracht, sorgfältig auf der Nasenspitze platzierter Brille und edel geknitterten Anzügen (unsere Vermutung: Miyake) gut in Szene setzt. Wer ihn zum Gespräch bittet, weiss, dass er Worte wie Perlenketten aneinanderreihen kann und auf die blödeste Frage noch eine intellektuell-aufgeschäumte Antwort liefert.

Also in einem Wort: Selbstdarsteller. Eitel, sicher im Jargon, Dampfplauderer. Also näherten wir uns dem NZZ-Interview mit ihm vollbeladen mit Vorurteilen. Und wurden angenehm enttäuscht.

Der Mann ist in Hochform, man möchte am liebsten gar nicht aufhören zu zitieren. Aber wir beschränken uns auf ein paar Höhepunkte.

Auf die Frage, was seine Erklärung für die Lage der Welt sei:

«Philosophisch kompetent wäre die Bemerkung, dass die Lösungen nie schlimmer sein dürften als die Probleme

Zum Funktionieren von Verschwörungstheorien: «Ja, was die Erklärungsökonomie anbelangt, sind Verschwörungstheorien optimal gebaut. Sie fungieren als perfekte Gedankensparprogramme. Man erklärt einen Missstand durch den direkten Rückschluss auf einen verborgenen Verursacher, effektiver kann man es sich nicht machen. Wer so erklärt, gewinnt immer. Das wäre sehr schön, wenn nur die «Theorien» auch wahr wären.»

Geradezu genialisch ist diese Passage:

«Ihre Utopie ist ein Art Helvetisierung der Welt. Sehen Sie irgendeine Chance für ihre Verwirklichung?

Nein. Aber Utopien sind nicht dazu da, verwirklicht zu werden. Sie liefern Bilder, die den Menschen ihre gesunde Unzufriedenheit erhalten. Hände weg von der Verwirklichung, zumal was deutsche Ideen angeht. Deutschland ist, als Heimat von Karl Marx, die grösste Exportnation für Irrtümer, die die Welt bewegten. Das möchte man kein weiteres Mal riskieren. Deswegen wäre es mir nicht recht, wenn gesagt würde, ein deutscher Philosoph habe die Helvetisierung der Welt gefordert. Ideen, die aus Deutschland kommen, haben eine gefährliche Neigung zur Verwirklichung.»

Als Absackchen topf Sloterdijk dann noch die Journalisten ein. Anlass dafür gibt ihm die Frage, ob er vor der Vorstellung Angst habe, dass im kommenden Winter die Energie knapp werden könnte: «Ich neige in diesen Dingen zu einer robusten Tonart. Es gibt auch so etwas wie eine berechtigte Verachtung, und mir scheint klar, dass man auch Menschen verachten muss, die den Unterschied zwischen grossen und kleinen Sorgen nicht mehr verstehen. Leider gehören dazu auch viele Journalisten als berufsmässige Betreiber von Verwechslungen.»

Wer sich durch das unsäglich lange und streckenweise langweilige Interview mit einem anderen, etwas älteren Philosophen in der «Weltwoche» quälte, findet hier Labsal und Trost. Hätten wir von Sloterdijk nie erwartet, aber man täuscht sich gerne.

 

Die WeWo hat zwei Probleme

Das eine heisst Tom Kummer.

Wenn der Cédric Wermuth porträtiert, weiss man nie, was sich tatsächlich so abgespielt hat und was erfunden ist. Also überblättert man die drei Seiten lieber.

Das zweite Problem heisst Roger Köppel. Nein, so kann man das nicht formulieren. Denn es gibt ja viele Köppels in der «Weltwoche». Genau das ist das Problem. Es gibt den Editorial-Schreiber. Den Chefredaktor. Den Verleger. Den Besitzer. Den SVP-Nationalrat. Den Energiebolzen. Und den Interviewer.

Das ist vielleicht der schlimmste Köppel. Denn er findet kein Ende. Diesmal ist er beeindruckt vom deutschen Alt-Philosophen Hermann Lübbe. Dem muss man lassen, dass er für seine 95 Jahre noch ziemlich kregel ist. In dieser Ausgabe scheint es Köppel überhaupt die Philosophie angetan zu haben. In seinem Editorial schwärmt er für den Schwulstschwätzer aus dem Schwarzwald, über den Nazi-Anhänger Martin Heidegger, vor dessen Holzhütte sich Köppel ehrfurchtsvoll begeben hat. Heidegger sei nach dem Krieg «fast wieder rehabilitiert» gewesen, habe ganze Generationen von Denkern und Dichtern beeinflusst.

Das wüsste man aber, wenn das so gewesen wäre. Wer gerne über Krampfbegriffe wie «Gestell» nachsinnieren möchte, bitte.

Aber das ist (glücklicherweise) nur ein Teil seines einseitigen Editorials. Sagenhafte 12 Seiten, immerhin mit Bildanteil, verwendet Köppel aber auf sein Interview mit Lübbe. Auch der war, allerdings erst ab 1944, Mitglied der NSDAP. Später fiel er durch seine Polemik gegen die deutsche Studentenbewegung auf, seit vielen Jahren eigentlich durch nichts mehr.

Nun, wie soll man den Inhalt, den Gehalt von 12 Seiten zusammenfassen? Was soll man zu über 60’000 Anschlägen sagen? Nun, es gibt gewisse Längen. Und Peinlichkeiten:

«Man könnte Ihren Gedanken weiterspinnen und sagen: Je ausgeprägter der Zivilisationsprozess, diese Verflechtung ist, desto leichtfertiger leistet sich der Mensch Feindbilder, weil er weiss, dass er letzten Endes sicher ist. Man wird vielleicht etwas leichtsinniger, auch mit der Sprache. Das ist für den Aufmerksamkeitsgewinn gut, aber man macht es letztlich nur, weil man sich sicher ist, dass die Welt nicht einstürzt.
Lübbe: Ja, besser hätte ich es nicht sagen können. Das halte ich für richtig. Natürlich, die Intellektuellen-Rolle ist eine Rolle für sich.»

Häufig beschränkt sich Lübbe auch auf ein knappes «so ist es», nachdem Köppel seine Frage gestellt hat. Manchmal leistet er auch hinhaltenden Widerstand bei der Beantwortung:

«Wie gross ist die Gefahr, dass bei den sendungsbewussten Amerikanern das Gute ins Böse überschiesst – zum Beispiel jetzt, im Krieg gegen Russland?
Lübbe: Das ist eine sehr harte Frage, und ich zögere, sie ebenso sicher zu beantworten, wie sie von Ihnen gestellt worden ist.
Weltwoche: Es ist ja einfacher, eine Frage zu stellen, als sie zu beantworten.
Lübbe: Ja. Nichtsdestoweniger würde ich, in der Zuversicht, zu der ich nicht gefühlsmässig neige, sondern für die ich Gründe zu sehen glaube, sagen, auch die amerikanische Zivilisation neigt doch im Vergleich zur europäischen eher zum Realismus.»

Aber eigentlich begegnen sich hier zwei Denker auf Augenhöhe, wie Lübbe immer wieder feststellt: «Richtig. … Richtig … Ja, so sehe ich das auch … Exakt … Die Frage ist anspruchsvoll … Ich stimme zu … Genauso war es … Damit bin ich voll einverstanden

An nicht wenigen Stellen sehnt man sich einen Redaktor herbei, der den Mut gehabt hätte, diese und viele andere Stellen zu streichen:

«Weltwoche: Vereinigte Staaten von Europa. Das wird’s nicht geben.
Lübbe: Das wird es nicht geben. Das habe ich auch geschrieben.
Weltwoche: Genau. Den europäischen Superstaat wird es nicht geben.
Lübbe: Ja, das meine ich.»

Ein nicht mehr ganz junger Herr liefert einem ziemlich alten Herrn die Stichworte, damit der sich entweder auf ein knappes «Richtig» beschränken kann oder ohne kritisches Hinterfragen befürchten zu müssen diese oder jene Lebensweisheit von sich geben darf.

Man weiss es nicht, aber vielleicht wäre das Interview um 50 Prozent gekürzt interessant geworden. Vielleicht auch um 75 Prozent gekürzt. Oder aber, ein radikaler Seinsvorschlag im Heideggerschen Sinn: vielleicht wäre ein Kürzung um 100 Prozent sinnvoll gewesen, damit ein Ge-Stell daraus geworden wäre  …