Interview mit dem Teufel

Wenn die Qualitätsmedien demagogisch berichten.

Die Parallelität liegt auf der Hand. Da hat der autokratisch, ohne Opposition und mit Pressezensur in einem korrupten Staat regierende Wolodimir Selenskyj seinen Oberbefehlshaber gefeuert. Mit der dünnen Begründung, dass er einer «notwendigen Erneuerung» der Streitkräfte im Wege stünde. In Wirklichkeit wohl, weil er ihm zu drohend in der Sonne stand. Denn irgendwann sollte ja mal wieder gewählt werden.

Waleri Saluschi machte den Fehler, seinem Chef zu oft und zu öffentlich zu widersprechen. Wenn der zum Beispiel die letzte Offensive der Ukraine als Triumph feiern wollte, obwohl sie eine bittere Niederlage war. Nun ja, schreiben die Massenmedien, Machtkampf halt. Und loben den neuen Armeechef Alexander Sirski über den grünen Klee.

Fast gleichzeitig veröffentlicht der US-Moderator Tucker Carlson ein Exklusivinterview mit dem russischen Präsidenten Putin. Gelegenheit für den US-Korrespondenten (!) Peter Burghardt, Häme aus den Zeilen tropfen zu lassen. Burghardt fiel zuvor durch schrilles Pfeifen im Wald auf; also durch eine vom Prinzip Hoffnung durchtränkte Berichterstattung über die Präsidentschaftsnomination der Republikaner, bei der für Burghardt nur etwas unumstösslich war: Donald Trump soll hoffentlich, bitte, bitte, nicht gewinnen.

Ähnlich realitätsnah berichtet nun der Russland-Kenner aus dem fernen Washington über ein Interview in Moskau. Mangels vertiefter Kenntnisse über Hintergründe und Zusammenhänge beschreibt er liebevoll Oberflächliches.

Zuerst weiss er weltexklusiv: «Carlson, falls das jemand nicht weiss, war mal der oberste Scharfmacher bei Fox News. Bis ihn der rechtskonservative Kanal feuerte, weil auch den Murdochs seine Propaganda für Donald Trumps Absurditäten zu weit ging.» Für alle anderen ausser Burghardt wurde beiderseitig Stillschweigen über die Gründe für Carlson Abgang vereinbart – und eingehalten. Dass Carlson zuvor mit einem schrägen Interview mit Donald Trump Einschaltquote bolzte, daran will sich Burghardt lieber nicht erinnern. ZACKBUM hat keinen Zweifel daran gelassen, was davon zu halten ist.

Nun aber zum Wesentlichen, der Sitzordnung: zwischen beiden sei nur «ein kleiner, eckiger Tisch» gestanden, beobachtet Burghardt – wie das jeder Zuschauer auch kann. Dann fährt er fort: «Kein Tisch von der Länge der Transsibirischen Eisenbahn wie während mancher Politikerbesuche in dieser Burg. Auf dem kleinen Tisch ein Wasserglas für Carlson und ein Becher für Putin, daneben bei Putin ein Handy und ein Stift, wenn der Anblick nicht täuscht. Und bald auch Putins Uhr.»

Ist das vielleicht komisch und erhellend; Putin hat seine Uhr ausgezogen. Was will er der Welt damit sagen? Hat er einen Werbevertrag? Man weiss es nicht, Burghardt weiss selber nicht, wieso er solchen Mumpitz erwähnt. Aber damit hat es sich noch nicht mit seiner Berichterstatterpflicht: «Die Uhr schnallt er in den ersten Minuten vom rechten Handgelenk ab und legt sie mit leichtem Klirren auf die Platte. Sicher ein Hinweis, dass er Zeit hat, es werden am Ende um die 120 Minuten. Der Fragesteller aus Amerika trägt eine Krawatte mit goldgelben Streifen und einem zu dunklen Blau, um als ukrainisches Banner durchzugehen.» Ist es wirklich nötig, den Bericht mit so einem unwichtigen Nonsens zu verwässern?

Carlson steigt direkt ein, das muss ihm Burghardt zubilligen, und Putin fetzt gleich zurück: «Ist das hier eine Talkshow oder ein ernsthaftes Gespräch?» Natürlich willkommener Anlass für Burghardt, nachzutreten: «Das bleibt zwei Stunden lang unklar.» In Wirklichkeit wollte Puntin damit sagen, dass er etwas weiter ausholen möchte und dafür um Geduld und Nachsicht bitte. Aber wieso sich damit eine billige Pointe kaputtmachen.

Ach, und der Inhalt? «Es folgen ausufernde Ausführungen und Rechtfertigungen, die ins 9. Jahrhundert zurückgehen. Putins Geschichtsstunden, hat man schon mal irgendwo gehört.»

Wozu auch sie dann wiedergeben, nicht wahr? Als Carlson fragt, ob sich Putin vorstellen könne, dass US-Soldaten auf Seiten der Ukraine mitkämpfen, zeigt sich Putin schlagfertig: ««Haben Sie nichts Besseres zu tun? Sie haben Probleme an der Grenze, Probleme mit der Migration, Probleme mit der Staatsverschuldung. 33 Billionen Dollar», hat er parat, die Zahl. «Wäre es nicht besser, mit Russland zu verhandeln?»»

Könnte also eigentlich interessant sein, den Inhalt des Gespräch zusammengefasst zu bekommen. Einen kleinen Schnipsel gibt es dann: «Joe Biden mache mit der Unterstützung der Ukraine einen historischen Fehler, erzählt Putin. Man habe kein Interesse, in Polen, Lettland oder sonst wo anzugreifen und wolle auch keine Atomwaffen einsetzen. Mit solchen Szenarien solle Steuerzahlern in Europa und den USA Geld aus der Tasche gezogen werden. Ein globaler Krieg würde die Menschheit doch nur an den Rand der Vernichtung bringen.»

Hört sich nicht ganz unvernünftig an, obwohl es aus dem Mund des Gottseibeiuns in der Kremlburg stammt. Aber das erscheint auch Burghardt als viel zu positiv, also muss er wieder draufhauen:

«Am Ende seiner Monologe ist noch mal Putins Welt mit Historie angesagt, Nato, 1991, 2008, 2014, Ukraine. Russland sei auf dem Schlachtfeld nicht zu besiegen, das Übliche. Von so etwas würden sich die Amerikaner nicht beeinflussen lassen, hatte schon vorher ein Sprecher aus dem Weissen Haus gesagt. «Denken Sie daran, Sie hören Wladimir Putin zu», empfahl er vorher. «Sie sollten nichts für bare Münze nehmen, was er zu sagen hat.»»

Reicht das? Das reicht noch nicht: «Nachher steht Tucker Carlson im sanften Schneefall und moderiert sein folgendes Interview an, hinter ihm die Zwiebeltürme. Bilderbuchmoskau. Man weiss nicht, ob man anschliessend erleichtert oder beunruhigt sein oder einfach nur schlafen soll.»

Man sollte beunruhigt sein. Wenn das Qualitätsjournalismus sein soll, für den die Leser der «Süddeutschen Zeitung» und ihres Abklatsches Tamedia etwas bezahlten sollen – statt Schmerzensgeld zu verlangen, dann sind die dort Verantwortlichen wohl noch weiter von der Wirklichkeit entfernt als Putin.

Ob es diesen Demagogen passt oder nicht, die «Weltwoche» macht mal wieder das, was den Basics des Journalismus entspricht: sie dokumentiert kommentarlos das Interview mit deutschen Untertiteln. Daneben und darüber und darunter kommentiert das Blatt, auch die peinliche Berichterstattung in den deutschsprachigen Medien …

Auch Carlson selbst kommentiert den einleitenden, sehr langen Ausflug Putins in die russische Geschichte, der nun nicht jeden interessieren muss. Ausser diejenigen, die sich dafür interessieren, welche Motive den zweit- oder drittmächtigsten Mann der Welt antreiben. Was doch immer eine sinnvolle Sache ist, oder?

Natürlich fehlen Fragen, wie die, warum Putin dann vor dem Ukrainekrieg unverhohlen mit seinem Atomwaffenarsenal gedroht habe. Oder wieso er sämtliche Staatsverträge gebrochen hat, die die territoriale Unversehrtheit der Ukraine russischerseits garantieren. Aber ein paar Zugeständnisse musste Carlson sicherlich für dieses Exklusivinterview machen.

Eigentlich ist es mal wieder ein Armutszeugnis für die Mainstreammedien, dass ausgerechnet einem Aussenseiter wie Carlson etwas gelingt, worauf alle Medien scharf sind: ein ausführliches Interview mit Putin. Da sind da aber die Trauben sehr, sehr sauer für die anderen.

By the way: glaubt jemand ernsthaft, dass Joe Biden oder gar Donald Trump in der Lage wären, einen solchen Abriss über die amerikanische Geschichte zu geben? Ohne ihn vom Teleprompter abzulesen, of course.

7 Kommentare
  1. Ruedi Rudolf
    Ruedi Rudolf sagte:

    Putin ist weise, intelligent und ein Realist, der seine Geschichte, Kultur, Herkunft schätzt, kennt, schützt und daraus gelernt hat. Attribute die unseren Parteien Politik und Medien Clowns fehlen. Weit und breit keiner in Sicht, die einem Putin das Wasser reichen können.

    Ein Präsident der zuerst die Interessen seines Landes und seiner Bürger vertritt, und nicht ein unterwürfiges Schosshündchen ist, fremd gesteuert vom Imperialisten in Washington, oder EU-Brüssel, oder von anderen Organisationen, wie der NATO, WHO, UNO, WEF usw.

    Die Politiker im Werte-Westen haben sich auch dem Geld (Dollar) ergeben und unterworfen – Black Rock (USA) und Vanguard (USA). Statt eigenstaatliche Politik zu machen, für das Land und die Bürger welche sie finanzieren, lassen sie sich fremd steuern. Was sind solche Politiker noch Wert, denen fremde Interessen wichtiger sind, als die des eigenen Landes?

    Milliarden Steuervermögen ins Ausland, sogenannte Entwicklungshilfe für NGO’s oder an illegale Einwanderer verteilen, transferieren. Aber wenn es um eine “dringend notwendige“ 13nte AHV Rente, oder um eine überhaupt, die Existenz absichernde AHV/IV Rente ohne Ergänzungsleistungen erbetteln zu müssen geht, auch ohne das diese ohnehin viel zu kleine Rente (Gnadenbrot) auch noch versteuert werden muss – kriegen unsere Politik-Kasperlis einen dicken Hals.

    Aber selber lassen sich diese angeblichen Volksvertreter, großzügig aus den Honigtöpfen der Steuerzahler bezahlen, nach dem Motto: “Wasser predigen und selber Wein saufen.“

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  2. C. Wallens
    C. Wallens sagte:

    Es geht bei all den Kritiken einzig und allein um wer das Interview mit wem gemacht hat und nicht um dessen Inhalt. Gerade in deutschen Medien war offensichtlich, dass der Verriss schon vor Veröffentlichung geschrieben wurde. Da wundern sich die Zeitungen noch, warum ihre Glaubwürdigkeit im Keller ist.

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  3. Jürg Streuli
    Jürg Streuli sagte:

    Respekt für Tucker Carlson den US-Journalisten. Die schäbigen Polemiken des westlichen Mainstreams kamen unverzüglich. Im Vergleich mit Wladimir Putin sind einfältige Leute wie Joe Biden, Olaf Scholz und Ignazio Cassis geistige Amöben. Von den fürchterlichen Krankheiten, welche unsere Schmuddel Presse von Bild bis Blick dem Kreml-Chef andichtet, war nichts zu bemerken. Wer der Lügenpresse inklusive der Heiligenverehrung der korrupten Wolodymyr Selenskyj noch etwas glaubt, ist wahrhaftig selber schuld.

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  4. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Der Souffleur und der Präsident, tatsächlich war da kein Mainstreamjournalist am Werk, sondern ein hündisch ergebener Mann der zu Putins Monologen kein Fragezeichen setzen konnte. Wie auch, Putin fängt 862 an da ist Tucker überfordert. Eine grundsätzliche Frage warum sich immer mehr Staaten von der Sowjetunion abgewandt haben und Kontakte zu dem Westen gesucht haben stellt Tucker nicht. Dabei hätte der ehemalige Offizier des Geheimdienstes Bescheid gewusst. Tucker hätte auch die Rede Putins vor dem Deutschen Bundestag vom 25.09.2001 lesen sollen, dazu fragen. Oder warum Putin Angst hat vor Gegenkandidiaten bei den bevorstehenden Wahlen hat?
    Tatsächlich ein Masterpiece der WeWO das Interview zu publizieren. Es zeigt einen Mann der immer noch von einer grossen Sowjetunion träumt die mit Hilfe von Vasallen Satellitenländer beherrscht, an der Spitze Zar Putin der Erste!

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    • Martin Arnold
      Martin Arnold sagte:

      Putin hat einige blinde Flecken. Aber:

      -Was haben die USA in Osteuropa verloren?

      -Warum veranstaltet die NATO seit vielen Jahren aggressive Manöver an der russischen Grenze anstatt zu deeskalieren?

      -Russland fordert spätestens seit 2008 unmissverständlich die Neutralität der Ukraine.
      Warum sollte das ein Problem sein?

      -Warum haben die USA mehrere Abkommen über die Begrenzung der atomaren Aufrüstung einseitig aufgekündigt?

      -Eine amerikanische! Universität hat kürzlich errechnet dass die militärischen Interventionen der USA seit dem 11.Sept.2001 über 4 Millionen Tote gefordert haben.
      Warum werden im Mainstream nur Russland und China als aggressive Mächte bezeichnet?

      -Warum haben Nelson Mandela und Martin Luther King unabhängig voneinander die USA als gewalttätigste Nation der Erde bezeichnet?

      -Was könnte passieren mit uns wenn Russland und China militärisch und wirtschaftlich Bündnisse schliessen a la NATO/EU?

      Und ist die Politik, die der Westen zur Zeit betreibt:
      Wahnsinnig?
      Idiotisch?
      Verlogen?
      Selbstmörderisch?
      Dämlich?
      Hinterhältig?
      Grenzdebil?
      oder alles zusammen?

      Fragen über Fragen. Könnte es sein dass Sie da den einen oder anderen blinden Fleck haben?

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      • Simon Ronner
        Simon Ronner sagte:

        Auch von mir: Danke, Herr Arnold. Aber leider perlt so etwas an den plumpen, narzisstischen Selbstüberschätzern ab als wären sie Teflonummantelt. Und die Nachplapperis der immer guten und richtigen Mainstreammeinung interessiert das ebenfalls keinen feuchten Scheissdreck.

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