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Geld wert? WoZ

Nach den Tages- die Wochenzeitschriften. Zuerst die WoZ.

Eines muss man der wohl ältesten linken Publikation der Schweiz lassen: gewinselt und gebettelt hat die WoZ noch nie. Manchmal wurde es eng, aber das linke Beiboot schaffte es immer wieder, genügend Wasser unter dem Kiel zu haben.

Als Objekt der Beurteilung nehmen wir die WoZ vom 15. Dezember 2022:

Für 6 Franken bekommt man hier 28 Seiten, macht 21 Rappen pro Seite. Kostenrekord bislang. Aber natürlich sollte man von einer Wochenzeitung auch etwas mehr Tiefgang und Qualität und Hintergrund als von einer Tageszeitung erwarten dürfen.

Zunächst fällt auf, dass die WoZ das gepflegteste Cover aller bisher analysierten Zeitungen hat. Gefällige Illu, knackig-bösartiger Titel «Junge Täter» über die «Junge Tat», die mit «gepflegtem Auftreten» versuche, «Sympathien für ihr rechtsradikales Gedankengut zu wecken». Wir sind gespannt, ob die «WochenZeitung» das auch einlöst.

Das zweite grosse Thema auf dem Cover ist die «Biodiversität», mit einem langen, langatmigen Intro wird das Thema angeteasert. Hier zeigt sich zum ersten Mal eine gewisse Ähnlichkeit mit einem anderen Organ; wobei ansonsten die Schnittmenge zwischen WoZ und «Republik» kaum sichtbar ist.

Die Seite zwei ist ein kleines Kunterbunt an Mitteilungen. Besonders erfrischend ein Gestänker unter dem Pseudonym Mona Molotow. Hier wird noch ein Slang gepflegt, den man fast ausgestorben wähnte. Eine Razzia gegen «Aktivist:innen der Letzten Generation» in Deutschland – es wird mit einem «beschwingten ACAB gratuliert». Für Nicht-Szeneangehörige: ACAB steht für «all Cops are bastards».

In diesem Ton geht es munter weiter: «… die Schmierfinken von den Springer-Medien … Ebenso jubiliert der politische Arm des Kapitals: Der frühere Blackrock-Lakai und heutige CDU-Chef Friedrich Merz … Unfreistaat Bayern …solch unverhältnismässige Repression ..

Erfrischend, dass mit diesem Vokabular heute noch hantiert wird.

Anschliessend wird, Überraschung, der Zustand der Welt im Allgemeinen und der Schweiz im Besonderen beklagt. «Konzernverantwortung»: «Strategie des Bundesrats ist altbekannt: hinauszögern und zuwarten.» Bundesrat Rösti? «Angst vor dem grossen Abbau». «Die Lebensraumvielfalt in der Schweiz nimmt ab».

Dann die Titelstory: «Die Schwiegersohn-Neonazis». Dass hier Kevin Brühlmann mitgeschrieben hat, der einen eher unglücklichen Auftritt beim «Tages-Anzeiger» hatte, lässt Übles ahnen. Aber dann ist’s ein lediglich viel zu langes Stück über die «Junge Tat». Im Gegensatz zu den Kollegen von der «Republik», die lieber am Schreibtisch recherchieren und Betroffene nicht zu Wort kommen lassen, hat sich die WoZ die Mühe gemacht, mehrere Exponenten der JT aufzusuchen. Allerdings ohne verwertbare Ergebnisse, aber heutzutage beschreibt man in Reportagen auch Ausflüge ohne Ertrag. Trotz Tremolo und Andeutungen und Verbindungen will sich bei der JT nicht so wirklich der Neonazi-Groove einstellen. Auch die Schlusspointe über ein Video, in dem eine Gruppe Jugendlicher Boxkämpfe imitiert – «als probten sie den Ernstkampf», wirkt wie das merkwürdige Wort etwas hingekrampft.

Noch gefährlicher als die «Junge Tat» ist für die WoZ der «geplatzte Reichsbürgerputsch» in Deutschland, auch als Rollator-Rebellion bekannt.

Fehlen darf natürlich nie «gegen multinationale Agrochemiekonzerne» und «für die kleinbäuerliche Revolution». Der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch, eine Doppelseite «Putins Propaganda ist für westliche Demokratien gefährlich», «Rebellische Reispflückerinnen». Ist alles nicht taufrisch, Lesedauer und Leseertrag stehen nicht gerade in einem günstigen Verhältnis, zudem alles so erwartbar.

Dann noch Impressum und Leserbriefe, bei denen eine Rettungsaktion für den Konjunktiv I höchstes Lob verdient. Schliesslich «WoZ News», immer noch eigen in der Titelgebung «Mündliche, Verschobene, Sparsame, Zwiefache», usw. Allerdings ist es beinahe unverzeihlich, dass der Rubrikentitel «Die Welt spinnt» irgendwann einmal dem Zeitgeist zum Opfer fiel.

Was soll man sagen; lohnt sich die Ausgabe? Die Geldausgabe und die WoZ-Ausgabe? Sagen wir so: ohne einen Schuss Nostalgie, einen Sprutz Solidarität und ohne die Fähigkeit, bei langen Strecken nicht einzuschlafen: eher nein. Auf der anderen Seite kommt die WoZ visuell inzwischen um einiges besser daher als viele Konzern-Tageszeitungen. Wer zudem Abseitiges und Linksradikales lustig findet, kommt hier auf seine Kosten.

Apropos lustig: auch die WoZ krankt etwas an einer tiefen Humorlosigkeit, bedingt durch den blamablen Zustand der Welt und der Schweiz, der so aufs Gemüt drückt, dass Scherze vermessen wären. Das muss nicht sein, und wenn man schon einen einzigen Cartoon ins Blatt hebt, sollte der wenigstens ansatzweise witzig sein, und ein Lächeln darüber sollte entstehen, ohne dass man mit den Zeigefindern die Mundwinkel nach oben hieven müsste.

Noch ein Lichtblick

Natascha Wodin schreibt ein Essay in der WoZ, das Massstäbe setzt.

«Was nutzt den Toten ihr Heldenmut?» Einen solchen Titel muss man sich mal trauen, in den heutigen Zeiten, wo jeder Ex-Pazifist am Schreibtisch im gut geheizten Büro Kriegslüsternes von sich gibt.

Natscha Wodin hat die Biografie für das richtige Mass an Betroffenheit. Ihre Mutter wurde von den deutschen Besatzern im Zweiten Weltkrieg als Zwangsarbeiterin verschleppt, Mariupol wurde schon damals in Schutt und Asche gelegt. Wodin hat die intellektuelle Kraft, die Klarheit der Sprache und die Unbestechlichkeit einer empathischen Beobachterin, die es für ein gelungenes Essay in all dem Geschrei und Gekreische der heutigen Zeiten braucht.

Sie beginnt mit einer klugen Beobachtung des deutschen Überintellektuellen Alexander Kluge und setzt damit das Niveau für das Folgende. Und ihr eigener Diskurs, ihr Nachdenken über sich, den Krieg, die Zukunft ist dermassen klug und beeindruckend, dass man sich gar nicht recht eine Zusammenfassung traut.

Man muss tief in sich und in die Ereignisse hinabsteigen können, um zu solchen Sätzen zu gelangen: «Das grösste Verbrechen des Kriegs an denen, die ihn überleben, besteht darin, dass er ihnen das Vertrauen ins Leben nimmt.» Das ist von einer elementaren Wucht, wie sie sonst nur die besten russischen Schriftsteller hinkriegten. Die man ja im Westen boykottieren sollte, wenn es nach den hyperventilierenden Intellektuellen ginge. Auch hier ist Wodin gnadenlos und seziert dieses Verhalten mit ihrem klaren Blick:

«Noch nie haben wir uns mit so viel Enthusiasmus selbst gefeiert, noch nie gab es ein solches Feuerwerk an Selbstgerechtigkeit, noch nie waren wir so überzeugt davon, dass wir die Guten sind.»

Wir verneigen uns vor dieser Autorin, die uns, peinliches Eingeständnis, völlig unbekannt war, und auf deren Essay wir erst aufmerksam gemacht werden mussten. Wir schliessen in dieses Lob auch die WoZ ein, die sich im Gegensatz zu den unsäglichen Kriegsgurgeln im Mainstream traut, einen solchen Brocken auf ihre Leser fallen zu lassen. Ein Essay, das in seiner gnadenlosen Wahrhaftigkeit, in seiner subjektiven Objektivität immerhin Hoffnung leuchten lässt, dass es doch da und dort noch intellektuelle Widerstandsnester gibt, die nicht ins Schablonendenken und die ewigen Wiederholungsschlaufen des Immergleichen geraten sind.

Zur Lektüre strengstens empfohlen. Ach, und da die WoZ ja ihre Artikel gratis zur Verfügung stellt: eine kleine Spende nicht vergessen.

Wumms: Magdalena Martullo-Blocher

Krieg der Worte: da werden keine Gefangenen gemacht.

Die WoZ hat aufgedeckt, zwei Recherchierspürnasen von Tamedia höselen hinterher: Die Chefin der Ems-Chemie habe im «Kasernenhofton» die Anordnung erteilt, in der Kommunikation das Wort «Krieg» zu vermeiden und stattdessen vom «Ukraine-Konflikt» zu sprechen. Ein entsprechendes Mail habe sie Mitte März verschickt, «nur wenige Tage nach der Bombardierung einer Geburtsklinik in Mariupol durch russische Truppen, die Bilder von dieser Gräueltat gingen um die Welt».

Die WoZ richtet: «In der Ukraine tobt also kein brutaler Krieg, begonnen durch den russischen Präsidenten Putin – es hat sich ein Konflikt entsponnen.» Worum geht es Martullo-Blocher? Na, logo: «ums Geschäft.» Dabei zähle «jeder einzelne Franken», da Martullo-Blocher auch gesagt habe, «wir überlassen unsere Firmen nicht dem russischen Staat». Obwohl zurzeit die Nachfrage völlig zusammengebrochen sei, wäre sie bereit, die Produktion in russischen EMS-Fabriken sofort wieder hochzufahren, sollte sich das ändern. Zudem habe Russland gedroht, widrigenfalls solche Firmen zu verstaatlichen.

Diese Anordnung sei «zum Schutz unserer Mitarbeiter erfolgt», wird die Verteidigung der Chefin der EMS-Chemie zitiert. Es würden bei einer Verstaalichung nicht nur Angestellte ihren Arbeitsplatz verlieren, sondern es stehen bekanntlich bis zu 15 Jahre Gefängnis auf Aussagen, dass es sich in der Ukraine um einen Krieg handle. Aber was kümmert das alles die Vertreter der reinen und heiligen Moral in der Schweiz.

Die WoZ legt noch einen drauf:

«Im Interview mit dem «Tages-Anzeiger» sagt sie, die Ukraine gelte als eines der korruptesten Länder, deshalb würde sie dort nicht investieren. Eine Behauptung, die aus Moskau seit Jahren zu hören ist. Tatsächlich ist die Ukraine in allen Korruptionsranglisten besser platziert als Russland. Dann mahnt sie, auch Putin müsse einen Erfolg vorweisen können, damit es zum Frieden komme. Ist das noch neutral oder schon Komplizenschaft?»

Fein in eine Frage verkleidet die Beschuldigung, Martullo-Blocher sei Putins Komplizin, nur weil sie etwas völlig Richtiges sagt. Zudem ist es tatsächlich richtig, dass die Ukraine beispielsweise in der Korruptionsrangliste von Transparency International besser abschneidet als Russland. Allerdings steht die korrupte Oligarchen-Republik auf Platz 117; Russland folgt auf Platz 129. Also weit, weit hinten im Feld von insgesamt 179 untersuchten Ländern. Da ist es eigentlich egal, auf welchen hinteren Plätzen man sich genau befindet.

Aber Martullo-Blocher. Erfolgreich. Steuert die EMS-Chemie bislang sicher durch alle Stürme. Dazu noch SVP-Nationalrätin und vor allem Tochter des Gottseibeiuns aus Herrliberg.

Will ihre Mitarbeiter und ihre Investitionen in Russland schützen. Das findet auch Tamedia nicht gut: «Warum auch Ems-Beschäftigte, die keinen Kontakt mit Russland haben, nicht von «Krieg» sprechen dürfen, diese Frage liess das Unternehmen unbeantwortet.» Vielleicht, weil auch solche Beschäftigte mal in Kontakt kommen könnten? Aber solche Überlegungen stehen natürlich den Scharfrichtern im Wege.

In den USA gibt es aus Weltkriegszeiten den «Tradig with the Enemy Act». 1917 erlassen, wird er heute noch angewendet. Auf Kuba. Das könnte sich doch die Schweiz als Vorbild nehmen. Zumindest die Schweiz, von der Tamedia- und WoZ-Redaktoren träumen, die nicht Gefahr laufen, in Russland zu 15 Jahren Knast verknackt zu werden. Und denen es weder ums Geschäft, noch ums Geld geht. Vorausgesetzt, der Lohn kommt pünktlich aufs Konto.

 

Wumms: Marko Kovic

Der Mann weiss, wie man mit minderen Gaben wuchern kann.

Marko Kovic kommt eigentlich aus dem Nichts und seine wissenschaftliche Qualifikation ist mehr als mager. Aber er bedient die linken Narrative im Schlaf, und so hat er sich heraufgearbeitet zum Spezialisten für Verschwörungstheorien. Rechte Verschwörungstheorien, wohlgemerkt.

ZACKBUM musste sich schon mehrfach mit seinen haltlosen Behauptungen befassen. Kovic ist bekanntlich der Entdecker des «Intellectual Dark Web» auf Deutsch, das sich bis zur NZZ erstrecke. Dieser kleine Verschwörungstheorie-Schlingel.

Er musste schon mal eingestehen, dass er bei einer von ihm gross heraustrompeteten angeblich soziologischen Untersuchung nicht mal das Standardwerk zum Thema gelesen hatte, geschweige denn kannte.

Aber das alles macht ja nichts, wenn man immer zur Stelle ist, wenn es darum geht, aus angeblich wissenschaftlicher Warte den Fachmann zu spielen. Seine neuste Luftblase: ehemalige Corona-Verschwörungstheoretiker haben umgesattelt und sind nun Putin-Verschwörungstheoretiker. Also sie bezweifeln grundsätzlich, was in westlichen Medien über Putin und Russland veröffentlicht wird.

«Stammt aus der Propagandafeder des Kreml», wer das wiedergibt, mache sich zu «nützlichen Idiot:innen»,

schreibt er nicht ganz sattelfest im Deutschen in der WoZ. Von Markus Somm über Roger Köppel glaube man moskaugesteuerten Einflüsterungen, furchtbar.

Das bringt ihm flugs ein Interview mit SRF4 News ein, wo der «Sozialwissenschaftler und Journalist» den gleichen Stuss einem Stichwortgeber erzählen darf. Denn er habe ja «in der linken WoZ die Zusammenhänge aufgedeckt». Welche denn?

«Wir wissen aus der Forschung zur russischen Desinformation der letzten 10, 15 Jahre, dass die Regierung Putins über diverse Desinformationskanäle, über Sender wie Russia Today oder Sputnik, aber auch über ihre Social-Media-Präsenz gezielt die Erzählung streut, im Westen seien die Medien korrupt, sie seien unterwandert.»

Unglaublich, diese Russen. Dabei sind die westlichen Medien doch frei, geben allen Standpunkten Raum, entlassen niemals Mitarbeiter wegen deren Meinung, und korrupt, also bitte, für die grossen Medienclans in der Schweiz spielt Geld keine Rolle, das weiss man doch. Gut, sie wollten einen Extrazustupf von einer Milliarde Steuergeld, aber das hätte sie überhaupt nicht korrumpiert.

Das Elend mit so Figuren wie Kovic ist, dass er dem Renommee der Soziologie genauso schadet wie die Journalisten dem Ruf der Medien, die ihn interviewen und nicht einmal eine einzige kritische Frage wagen.

Die naheliegende wäre: Macht man es sich nicht zu einfach, wenn man – wie bei Corona – jeden Kritiker unter den Generalverdacht stellt, er sei ein Verschwörungstheoretiker und/oder ein nützlicher Idiot? Wichtig wäre doch: wie unterscheidet man Leute mit Scheuklappen wie Kovic von ernstzunehmenden Kritikern?

Das ist zwar kein Beleg für angebliche Verschwörungstheorien von angeblich von Corona zu Putin abgewanderten Aluhutträgern. Es ist aber ein Beleg für den jämmerlichen, lausigen, unprofessionellen Zustand der Medien im Westen.

 

Hoch lebe die internationale …

Der Afghane hat’s schwer in Afghanistan. Der Linke in der Schweiz erst …

Es wird geeiert, gehühnert, gefordert oder geschwiegen. Denn der Rückzug der USA aus Afghanistan stellt die Schweizer Linke vor eine gewaltige geistige Herausforderung. Ist das nun eine zu feiernde Niederlage des militärisch-industriellen Komplexes der imperialistischen Supermacht?

Führt der Sieg der Taliban zu mehr selbstbestimmten Frauen unter der Nikab in Afghanistan, wie das die schreibende Schmachtlocke in der «Republik» ernsthaft über europäische Frauen im Ganzkörperpräservativ sagte? Oder sollte man gleich die NATO abschaffen, wie das der nicht ganz dichte SP-Nationalrat Fabian Molina fordert?

Man ist sich höchstens noch einig: Die Schweiz muss unbedingt ihrer humanistischen Tradition folgen und afghanische Flüchtlinge aufnehmen. Mal so 10’000, fordert Molina, und nicht nur er. Nur: woher nehmen, wie kommen die in die Schweiz, was sollen die hier, mit solchem Pipifax beschäftigt man sich natürlich nicht, wenn es um Solidarität, Humanismus, Forderungen auf Kosten anderer geht.

Es wird schnell kompliziert – oder schweigsam

Aber anschliessend wird’s kompliziert. Wie sieht das denn die afghanische Frau? Lotta Suter zitiert dazu in der WoZ «die bekannte afghanische Frauenrechtlerin und ehemalige Parlamentarierin Malalai Dschoja». Die sage nämlich in einem Interview, «in den letzten zwei Jahrzehnten hätten die Frauen und die Zivilgesellschaft in Afghanistan dreierlei Feinde gehabt: die Taliban, die Warlords, die sich zuweilen als Regierung tarnten, und die US-Besatzung. Wenn man einen Feind loswerden könne, seien es immerhin nur noch zwei.»

Nicht nur die Welt spinnt …

Wenn man sich allerdings fragt, welcher der drei Feinde wohl am ehesten für Frauenrechte eingetreten ist …

Das erschütternde Schweigen der «Republik»

Was sagt denn nun das Zentralorgan der Weltenlenker und tiefen Denker? Nichts, einfach nichts sagt die «Republik». Himmels willen, hat selbst Constantin Seibt einen Schreibstau? Keineswegs, nur widmet sich der den ganz grossen Themen:

«Wie Steuerpolitik die Mittelklasse erschuf. Wie Spargelder die Weltherrschaft erlangten. Und warum der Turbokapitalismus bald Geschichte sein könnte. Serie «Die Weltrevolution», Teil 3.»

27’500 Anschläge, alleine der dritte Teil. Da ist zu befürchten, dass die Weltrevolution wegschnarcht, bevor sie überhaupt an den Start gehen kann.

Nicht nur die WoZ spinnt …

Aber die SP Schweiz, die macht doch wenigstens was? Nun ja, sie appelliert. Denn:

«Die Nachrichten und Bilder, die uns aus Afghanistan erreichen, machen tief betroffen.»

Deshalb unterzeichnet das Co-Präsidium auch «mit betroffenen Grüssen».

Und was wird gefordert?  «Wir appellieren daher an den Bundesrat: Verleiht allen Afghan:innen in der Schweiz unverzüglich den Schutzstatus, rettet ihre Familien aus dem Kriegsgebiet, nehmt zusätzlich 10’000 gefährdete Menschen auf – insbesondere Frauen und Mädchen – und verstärkt die humanitäre Hilfe in den Nachbarsländern!»

Das Schöne an solchen Forderungen ist: hören sich echt gut an. Sind aber völlig absurd. «Gleichgültigkeit ist keine Option», behauptet die SP. Wetten, dass doch?

Wo, die SP ist, da sind die «Grünen» schon lange. Auch sie fordern:

  • «Den Schweizer*innen, die sich noch in Afghanistan aufhalten, muss sofort die Rückkehr ermöglicht werden. 
  • Die Schweiz muss jetzt im Rahmen von internationalen Kontingenten 10’000 Geflüchtete aus Afghanistan aufnehmen. 
  • Die Schweiz muss Geflüchteten aus Afghanistan einen sicheren Aufenthaltsstatus garantieren. 
  • Die Schweiz muss die Einreise der Angehörigen von Afghan*innen, die sich in der Schweiz aufhalten, erleichtern.»

Muss das die Schweiz, wird sie das tun? Natürlich nicht, das wissen auch die «Grünen». Aber fordern kostet nichts, hört sich gut an, befriedigt die eigene Klientel und macht ein gutes Gewissen, wenn man sich abends einen reinpfeift und über internationale Solidarität labert.

Wie sieht’s denn ganz richtig links aus? Wir besuchen die Webseite «aufbau.org». Und sind menschlich enttäuscht: nichts über Afghanistan. Okay, der Kampf gegen den «Marsch fürs Läbe» muss Priorität haben, zudem gegen die «türkische faschistische Armee» und für die PKK. Auch die «Revolutionäre Jugend Zürich» ist noch etwas bei «Freiheit für Palästina» steckengeblieben, nix Afghanistan. Auch dort, wo man gerne 1312 oder ACAB verwendet (Position der Buchstaben im Alphabet für «All cops are bastards») herrscht zu Afghanistan Schweigen.

Wo bleiben die frauenrechtsbewegten Tamedia-Protestfrauen?

Das wird übrigens auch von allen erregten Frauen bei Tamedia geteilt. Afghanistan? Frauen? Unterdrückung? Ach was, sagen sich da alle von Aleksandra Hiltmann oder Salome Müller abwärts, wir kümmern uns lieber um den Restsommer, den Ausgang oder das Phantom-Problem «Femizide in der Schweiz», wenn schon. Was gehen uns da die afghanischen Frauen (und Männer) an? Solidarität eingefordert, Aufrufe zur Aufnahme von Flüchtlingen unterzeichnet. Und jetzt, wie sieht’s eigentlich mit der Herbstmode aus?

Ein Banause über Frank Buchser in der WoZ

Hier werden Fundstücke obduziert, um ihre Todesursache zu finden. Diesmal: eine gescheiterte Bildbetrachtung.

«Es stimmt etwas nicht in diesem Raum», raunt Matt Aufderhorst in der «Wochenzeitung». Das ist untertrieben: «Der Essayist über eine verstörende Kunsterfahrung.»

Ui, musste ihm anschliessend eine Therapie bezahlt werden? Oder ist er inzwischen wieder entstört? Wir bezweifeln das, ehrlich gesagt. Denn er schreibt ganz schön schräges Zeugs. Worüber? Nun, darüber:

«Wer ist eigentlich Frank Buchser? Und wieso hängen seine rassistischen Bilder im Kunstmuseum Solothurn, als gäbe es nichts zu diskutieren?»

Wir fragen zunächst zurück: wer ist eigentlich Aufderhorst? Und wieso darf er einen solchen Stuss schreiben? «Buchser, wie ich später recherchierte, lebte von 1828 bis 1890, war ein Kunstmaler und sogenannter «Abenteurer» aus Feldbrunnen, den ausserhalb der Schweiz kaum jemand kennt.»

Also er kannte Buchser nicht, dafür alle, die das Porträt von Johann August Sutter von diesem Maler kennen:

Maler unbekannt? Für den WoZ-Autor schon.

Aber wahrscheinlich kennt der unbekannte Essayist (wie eine kurze, ergebnislose Recherche ergab) auch Sutter nicht. Macht ja nix, hier vergreift er sich an Buchser: «Ich stand im muffigen Halbsaal und bekam einen Schluckauf im Hirn.» Wir übersetzen: Der Hirnschluckauf stand im Kunstmuseum Solothurn in einem Saal mit Gemälden. Darunter auch zwei Frauenporträts von Buchser. Die sind so schrecklich, dass die WoZ-Fotografin den Leser völlig im Ungefähren lässt; hier ihr Meisterwerk:

Eine original WoZ-Witzfotografie in Originalgrösse als Bildzitat …

Auch den Essayisten schüttelt es so sehr, dass er nicht mehr kann: «Hier möchte ich auf eine Beschreibung des Schwarzen Frauenkörpers verzichten, um nicht den «male gaze» des Malers reproduzieren zu müssen.» Das ist ja alles furchtbar. «Die Klischeevorstellung der «orientalischen» und «afrikanischen» Frau, der Maler hat Marokko bereist, dient – nun urteile ich – sowohl der Lustbefriedigung Buchsers als auch der Profiterwartung des Kunstmarkts.» Grauenhaft, wir wagen es dennoch, das Gemälde, damit der Leser vielleicht miturteilen kann, zu zeigen:

Bitte an den Leser: ja keine Lustbefriedigung …

Nun besinnt sich der Banause darauf, dass ein Essay ja nicht nur Abscheu, Zitate von abgelegenen Kunstkritikerinnen und ähnlichen Nonsens enthalten soll, sondern auch eigene Erkenntnisse: «Kunst ist meines Erachtens nicht autotelisch.» Das ist nun weder eigen, noch neu, wenn man aus dem aufgeblasenen Adjektiv die Luft raus lässt, heisst der Banalsatz, dass Kunst seines Erachtens nicht Selbstzweck sein soll. Hammergedanke.

Erschwerend kommt hinzu, dass Buchser eine ganz andere Darstellungsform einer weissen Frau wählte:

Weiss, bekleidet, malt: schlimm.

Nun dreht der Autor in den roten Bereich und darüber hinaus

War’s das? Aber nein, er hat’s nun etwas mit unverständlichen Fremdwörtern:

«Cancel Culture kann als Call-out, wenn on- und offline auf asoziales Verhalten einer Person oder Organisation aufmerksam gemacht wird, produktiv sein. Missionarischer Eifer geht mir per se ab.»

Ach was, das kann er aber gut verstecken. Was fordert denn der Eiferer? «Sowohl Neuhängung als auch Kontextualisierung wären dringende Massnahmen.»

Wir halten hingegen sehr dafür, dass eine eingehende Untersuchung des Geisteszustands des Essayisten dringend geboten wäre. Denn sein Crescendo gegen Schluss ist beunruhigend:

«Es sei betont: Die Darstellung der Schwarzen Frauenkörper ist keine Nachlässigkeit, über die man in Solothurn, in der Schweiz, in Europa sang- und klanglos hinwegsehen kann. Dies ist keine Provinzposse. Es geht um die (selbst-)kritische Zeitgenossenschaft unseres weiterhin kolonisierenden Kontinents, der afropäische Erfolgsnarrative ausblendet, sich in Bordellen Schwarzer Frauenkörper bedient, der die ertrunkenen Schwarzen Frauen, die über das Mittelmeer zu uns kommen wollten, nicht wahrhaben will.»

Wir sind noch schwindlig und fassungslos über «afropäische Erfolgsnarrative» bis zu den «ertrunkenen Schwarzen Frauen» (mit grossem S, selbstverständlich, wir hatten das schon). Der Amok legt hier ein Narrativ vor, um es so geschwollen wie er auszudrücken, oder auf Deutsch: der quatscht einen Unsinn ohne Grenzen. Mit dieser Geisteshaltung könnte man auch Wilhelm Tell vorwerfen, er habe rücksichtslos das Lebens seines Kindes für eine läppische Mutprobe aufs Spiel gesetzt, wobei wir nicht wissen wollen, wie diese Vater-Sohn-Beziehung genau aussah.

Kehren wir aus Narrativen und Narreteien wieder in die Wirklichkeit zurück

Aber kehren wir aus Wahnwelten wieder in die Realität zurück. Frank Buchser war vielleicht nicht der bedeutendste Schweizer Maler des 19. Jahrhunderts. Er war ein Abenteurer, der sich sehr empathisch in die marokkanische Welt vertiefte und die USA bereiste. Dort machte er sich unbeliebt: «Ende 1866 und Anfang 1867 erregte er dort mit seinen sozialkritischen Gemälden von Schwarzen und Indianern in Washington und New York einiges Aufsehen», weiss Wikipedia. Und im Gegensatz zu den Behauptungen dieses Kritikasters lässt sich das auch belegen.

Während seiner Studienzeit in Italien hatte sich Buchser den Truppen des Freiheitshelden Garibaldi angeschlossen. In der Schweiz unterstützte er tatkräftig das Entstehen von Künstlervereinigungen, brachte den Bundesbeschluss «zur Hebung und Förderung der schweizerischen Kunst» auf den Weg.

Richtig Übles liess sich über Buchser und sein über 1000 Ölbilder, Fotografien und Skizzen umfassendes Werk bislang nicht sagen. Bis einem Essayisten alle Sicherungen durchbrennen und der WoZ ebenfalls.

Der Autor dieses Schmierenstück erwähnt es nebenbei; das hier war eines der Lieblingswerke von Buchser:

«The Song of Mary Blane»: Schwarze lauschen in Würde.

Man muss gestört und vernagelt sein, wenn man anhand zweier Gemälde dieses Künstlers ein dermassen abschätziges, bösartiges, kunst- und realitätsfremdes Urteil über ihn abliefert. Dass es auch in der WoZ keinen mehr gibt, der die Leser vor solchen Stümpern beschützt, ist sehr bedauerlich.

Bildnis eines unbekannten, stolzen Schwarzen.

 

 

 

 

Der Blick macht jetzt auf Transparenz …

… hat aber noch Luft nach oben.

Die Wochenzeitung WoZ hat letzthin Schleichwerbung im Blick angeprangert, in Zusammenhang mit der Abstimmung über die e-ID. Nun hat Blick.ch am 28.1.2021 eine Art Policy aufgeschaltet. Das Boulevard-Portal schreibt selber dazu:

«Auf Blick.ch stehen einerseits völlig unabhängige, redaktionelle Artikel. Andererseits klar deklarierte, bezahlte Inhalte von Werbekunden. In jüngster Zeit gab es eine Diskussion darüber, ob diese genügend erkennbar sind».

Böse Zungen sagen nun, dass Blick von sich aus eingeknickt ist, weil am 26.1.2021 das Referendumskomitee gegen das e-ID-Gesetz beim Presserat eine Beschwerde gegen Ringier eingereicht hat. Immerhin gut 2000 Bürgerinnen und Bürger unterstützten sie online. Auch wenn das nicht stimmen sollte, orakelt Blick selber, «ob bezahlte Inhalte von Werbekunden genügend erkennbar» waren.

Nun also die komplette Transparenz, zwei Tage nach dem Eintreffen der Beschwerde beim Presserat.

Doch nach einem Gang zum Kiosk vergangenen Sonntag dann die Ernüchterung. Eine rechte Seite weit vorne im ersten Bund handelt vom wunderschönen Saas-Fee. Noch nicht eingelöst wurde offensichtlich folgendes Versprechen:

Diese Inhalte werden auf Artikelebene zusätzlich gleich am Anfang versehen mit dem Vermerk: «Das ist ein bezahlter Beitrag, präsentiert von xx».

Erwähntes Textli erschien im Gegensatz zur recht prominenten Aufmachung hier auf ZACKBUM.ch im Saas-Fee-PR-Text weit unten und in leicht übersehbarer, kleiner Schrift. Eine bessere Fussnote. Bleibt zu hoffen, dass eine allfällige nächste politische Publireportage dann klarer gekennzeichnet ist.

 

Ringiers grosser Profit dank der e-ID

Die Wochenzeitung WoZ zählt vor der Abstimmung über die e-ID messerscharf eins und eins zusammen.

Am 7. März findet sie statt, die Volksabstimmung über die elektronische Identität im Internet. Für die Befürworter ist klar: Damit werden die rechtlichen Grundlagen geschaffen für eine staatlich anerkannte Schweizer e-ID (elektronische Identität). Es sei höchste Zeit, denn immer mehr Menschen, Behörden, Verbände und Unternehmen seien online und bräuchten eine zweifelsfreie Identifikation im Internet. Die Gegner hingegen wittern Gefahren: Private Unternehmen sollen in Zukunft den digitalen Schweizer Pass ausstellen und sensible private Daten verwalten. An die Stelle des staatlichen Passbüros würden Grossbanken, Versicherungsgesellschaften und staatsnahe Konzerne treten.

Logisch, dass private Unternehmen am Lobbieren sind für ein JA. Denn es winkt die grosse Kasse. Kaspar Surber hat dazu in der WoZ eine Recherche-Story veröffentlich. Sie handelt von Ringier. «Folgt man seiner Datenspur, sieht man schnell, über welch gigantische kommerzielle Interessen am 7. März abgestimmt wird. Und welche Gefahren drohen», schreibt Surber.

Ringier Treiber hinter Digitalswitzerland

Eine zentrale Rolle in seinem Text nimmt Ringier-CEO Marc Walder ein. Kein Wunder, war Walder schon 2015 treibende Kraft bei der Gründung von Digitalswitzerland mit der Post, den SBB, Swisscom, Migros, Ernst & Young, UBS, Google, der ETH und natürlich Ringier. Heute zählt der Verband mehr als 150 Mitglieder.

Bei der Abstimmung gehe es durchaus darum, ob der Staat oder Private die e-ID ausstellen und auch, ob die sensiblen Daten zentral in privaten Rechnern oder dezentral (etwa auf dem eigenen Handy) gespeichert werden.

Es geht um nicht weniger als die völlige Kommerzialisierung personenbezogener Daten.

Etwas, was jetzt in der Stossrichtung schon nach dem (freiwilligen) Login bei privaten Medienhäusern passiert.

Für die WoZ ist das Verschwimmen der Daten eine Gefahr, ein Abbau der Demokratie. Ebenfalls klar: Doris Leuthard, damals Bundesrätin, gab Marc Walder in einem Telefongespräch den entscheidenden Tipp. Digitalswitzerland sei wichtig, «doch vergessen Sie die Bevölkerung nicht». Der O-Ton ist nachzulesen in den Ringiermedien. Fazit: WoZ-Autor Kaspar Surber hat seine Hausaufgaben gemacht und die irritierende Vertrautheit ausgegraben «Die Ringier-Medien haben mit seitenlanger Begeisterung dokumentiert, was ihr CEO alles für die Digitalisierung des Landes tat».

Am Digitaltag fand die Initialzündung statt

Daraufhin liess Walder 2017 den «Digitaltag» organisieren. Die CVP-Bundesrätin reiste als «Mutter des Digitaltags» («Blick») in einem – naja – ganz herkömmlichen Zug nach Zürich und eröffnete im Hauptbahnhof den Event: «Wir zünden hier die Digitalrakete Schweiz», zitiert die WoZ den Blick. Dabei war für das Blatt von der Stadtzürcher Hardturmstrasse klar: Das Ziel bestand in der privatisierten, kommerzialisierbaren e-ID.

«Cash», das Wirtschaftsportal von Ringier, berichtete über die  damalige Medienkonferenz: «Es ist ein gewaltiger Durchbruch» (SBB-Chef Andreas Meyer). «Natürlich hoffen wir, dass die Politik uns den notwendigen gesetzlichen Rahmen gibt» (Lukas Gähwiler, VR-Präsident der UBS Schweiz).

Dann wurde laut WoZ nur wenige Monate später die Botschaft zum Gesetz über die elektronischen Identifizierungsdienste vom Bundesrat verabschiedet.

Ziel: Die e-ID solle es dem User erlauben, sich im digitalen Raum einfach und klar auszuweisen, vergleichbar mit einer Identitätskarte. Ein klassisches Beispiel für eine Anwendung ist die Bestellung eines Betreibungsregisterauszugs für die Wohnungssuche. Weitere Anwendungsbeispiele sind das Gesundheitswesen und das Shoppen.

Eigentlich stand immer fest. Wie bei der Sicherheit mit dem Militär und grossmehrheitlich hat der Staat das Monopol.

So war vorgesehen, dass das Schweizer Justiz- und Polizeidepartement die e-ID herausgibt, wie die ID und den Pass. Doch dann kam es laut WoZ zur Kehrtwende: «Obwohl Staaten wie Deutschland dieses Modell anwenden, setzte der Bund aus Angst vor dem technologischen Wandel und drohenden Kosten auf Auslagerung an Private. Der Staat behält so zwar die Aufgabe, eine Person bei der Ausgabe einer e-ID zu überprüfen – der Verkauf, der Vertrieb sowie die Verwaltung der elektronischen Identität werden hingegen an sogenannte Identity Provider (IdP) vergeben», schreibt Surber.

Die Folge: Am nächsten Digitaltag 2018 brachte sich dann auch schon das Swiss-Sign-Konsortium als künftiger Provider in Stellung. Es startete eine Kampagne für seine Swiss-ID, die fürs Erste ein Log-in für verschiedene Onlinedienste war. In einem Werbefilm machte sogar Doris Leuthard Stimmung für das Anliegen. Das geplante Gesetz zur e-ID war damals noch nicht einmal im Parlament diskutiert worden.

Und Ringier? Laut der WoZ ist Ringier zwar nicht Mitglied des Swiss-Sign-Konsortiums. Mit der Swiss ID könne man sich aktuell aber auch in die Angebote des Medienhauses einloggen. Dazu gehören etwa Autoscout, Immoscout, Dein Deal, Jobcloud, Geschenkidee und Ticketcorner. Welche Rolle nun schreibt sich Marc Walder bei der Entstehung der e-ID zu? Mit der WoZ wollte er nicht sprechen, immerhin gab er aber schriftlich Antworten. Dabei beschreibt die WoZ Walder recht launisch: «Walder war erst Tennisprofi, wurde dann Journalist, stieg zum Chefredaktor der «Schweizer Illustrierten» und des «SonntagsBlicks» auf, hatte an einem Managementkurs in Harvard ein digitales Erweckungserlebnis, krempelte darauf den Ringier-Konzern als CEO um und wurde von Besitzerfamilie Ringier als ultimativer Vertrauensbeweis zum Miteigentümer gemacht. Leider fand Walder, der mit seinem Glatzkopf auf Fotos stets ein bisschen wie ein Guru wirkt, der freundlich-nachdenklich in die Zukunft blickt, keine Zeit für ein Interview». Ende Zitat.

Walder gibt der WoZ Auskunft – nicht mündlich, aber schriftlich

Walder schreibt der WoZ «bescheiden» zurück, bezeichnet sich selbst ganz einfach als «Befürworter der e-ID»: «Ausländische Erfahrungen zeigen, dass eine erfolgreiche Digitalisierung auf einer erfolgreichen e-ID beruht.» Ob Ringier auch ein Geschäftsinteresse verfolge, will er nicht konkret beantworten:  «Eine vertrauenswürdige e-ID ist die Basis für eine digitale Schweiz.» Er bringt dazu die globalen Player wie Google und Amazon ins Spiel. Ohne Bündelung der Kräfte habe man «nicht den Hauch einer Chance», ist Walder überzeugt.

Bei den Log-ins setzt Ringier momentan auf ein eigenes System mit dem Namen Ringier Connect und weitere Dienste wie die Swiss ID. Es ist aber vieles noch freiwillig. Blick-online-Inhalte wie auch Blick-TV kann man auch nutzen, wenn man bei der Frage nach dem Login «lieber nicht» anklickt.

Die WoZ hat für die Gegenmeinung  Erik Schönenberger, Geschäftsführer der Digitalen Gesellschaft, befragt. Er sagt:

«Die Medienkonzerne sehen bei der Einführung der E-ID einen Goldschatz für ihre personalisierte Werbung funkeln.»

Denn sie hätten einen klaren Vorteil: Im Gegensatz zu Cookies, die nur Geräte wie den Laptop tracken, oder zu Log-ins, bei denen man sich auch als Klaas Klever anmelden kann, werde die x-ID in der vorliegenden Form eine eindeutige Identifikation der User ermöglichen, schreibt die WoZ.

Und das Argument, dass man beim online-Einkauf  Vorteile habe mit der E-ID? «Warum soll ich mich beim Einkaufen überhaupt ausweisen müssen», fragt Schönenberger. In der vorliegenden Form diene die E-ID primär der Kommerzialisierung.

Greift Ringier nun in den Abstimmungskampf ein?

Kaspar Surber von der WoZ bringt ein aktuelles Beispiel der versuchten Politbeeinflussung. Demnach ist für ihn das Konstrukt auch aus demokratiepolitischer Sicht heikel. Kürzlich tauchten auf den Plattformen «Blick», «Beobachter» oder «Schweizer Illustrierte» plötzlich Beiträge mit dem Titel «Darum brauchen wir eine elektronische Identität» auf. Präsentiert werden die Publireportagen von Digitalswitzerland. Gestaltet hat sie die Agentur Furrerhugi. Die Firma mit gut 60 Mitarbeitenden hat den Hauptsitz in Bern. Ableger gibt’s etwa in Bern, Lausanne und Brüssel. Bekannte Köpfe sind Claudine Esseiva, ehemals FDP-Generalsekretärin und der frühere Journalist Martin Stoll.

Gegenüber der WoZ spricht Daniel Graf, der mit der Onlinesammelplattform WeCollect das Referendum gegen die E-ID initiiert hat, von einem «Dammbruch». «Ringier macht auf den eigenen Newsplattformen Schleichwerbung für ein Anliegen, mit dem es kommerzielle Interessen verfolgt: Wie soll da noch ein unabhängiger Journalismus möglich sein?» Die Entwicklung stelle eine Bedrohung für die Demokratie dar: «Die E-ID wird es ermöglichen, gezielt Werbung an Wählersegmente auszuspielen. Der Kaufkräftige gewinnt noch mehr Macht in Abstimmungskämpfen.» Das Referendumskomitee hat beim Presserat eine Beschwerde gegen Ringier eingereicht, 1800 Bürgerinnen und Bürger unterstützen sie online.

Für Marc Walder (55) ist das alles kein Problem. «Werbevermarktung und redaktionelle Berichterstattung sind zwei verschiedene Paar Schuhe», schreibt er der Wochenzeitung. «Unsere Medien werden in der Berichterstattung sowohl die Befürworter als auch die Gegner zu Wort kommen lassen.»

Der Abstimmungstermin ist in fünf Wochen.

In einer ersten Version stand wirkt statt winkt. Danke dem Leser für den Hinweis.

Eine SRF-Klamotte erster Klasse

Ein SRF-Dok-Film verkauft Altbekanntes neu verpackt.

Vor einigen Tagen strahlte SRF den Dok-Film «Ems-Chemie – die verborgene Geschichte» aus. Und so beschreibt SRF den Film: «Nach Ende des Zweiten Weltkriegs engagierte die Ems-Chemie zahlreiche deutsche Chemiker mit Nazi-Vergangenheit – unter anderem mit Johann Giesen sogar einen verurteilten Kriegsverbrecher.»

Eine heisse, ja verstörende Story. Wer den Film ohne Hintergrundwissen schaut, ist beeindruckt. Autor Hansjürg Zumstein scheint in jahrelanger Recherche Brisantes herausgefunden zu haben. Johann Giesen war während des Zweiten Weltkriegs Direktor beim grössten deutschen Industrieunternehmen IG Farben. Diese unterhielt unweit des Todeslagers Auschwitz eine grosse Fabrik mit Kriegsgefangenen als Zwangsarbeiter. Johann Giesen behauptete immer, er habe von den Zusammenhängen und vom Vernichtungslager Auschwitz nichts gewusst. Trotzdem musste er sechs Jahre ins Gefängnis. Dann holte ihn der damalige Ems-Besitzer Werner Oswald nach Graubünden. Er sollte die Firma in die Zukunft führen. Von der behäbigen Herstellerin von synthetischem Benzin in den Kriegsjahren zur führenden Fabrik für Kunstfasern. Das Unterfangen gelang. Dank viel Know-How aus Deutschand und vielen Forschern aus Ostdeutschland.

So weit, so schlimm. Doch wie Oswald sich in Deutschland bediente, bringt Hansjörg Zumstein scheinbar als neue Recherche. Im Film fällt kein Wort darüber, dass die ganze IG Farben-Story schon vor gut 20 Jahren auf dem Portal onlinereports.ch thematisiert wurde. «Das Spezialchemie-Unternehmen profitierte von Johann Giesen, der in der Nazi-Zeit in Auschwitz tätig war», so die Zusammenfassung jenes umfassenden Textes. Immerhin: Der damalige Co-Autor Lukas Straumann darf im aktuelle SRF-Film auftreten als Historiker. Dafür filmt sich Zumstein quasi selber, wie er analog einem Kriminalistiker mit Pfeilen die Verbindung zwischen Oswald und Giesen aufzeigt und das dunkle Geheimnis mit einem Hakenkreuz kennzeichnet.

Dabei war onlinereports.ch lediglich der Anfang. Noch detaillierter beschrieb vor acht Jahren Martin Kreutzberg das brisante Thema in der WOZ. Hier ein Auszug:

Nach dem Krieg wurde die IG Farben zerschlagen. Nebenbei errangen die USA so in Sachen Nylon eine marktdominierende Stellung. In West- wie in Ostdeutschland wurde versucht, an die alte Erfolgsgeschichte von Perlon anzuknüpfen. In der Kunststoffchemie gab es insbesondere in Ostdeutschland, in Sachsen und Thüringen, moderne Produktionsanlagen. In Schkopau, Leuna und Schwarza ballte sich Fachwissen von Wissenschaftlern und Ingenieuren.

Da erscheint plötzlich, Anfang 1953, die Holzverzuckerungs AG (Hovag) aus Domat/Ems in Graubünden mit einem Konkurrenzprodukt auf dem Weltmarkt: Grilon. Quasi aus dem Nichts. Hergestellt von einer in der Branche unbekannten Firma, aus der zehn Jahre später die Ems-Chemie werden sollte.

Holzverzuckerung hat mit moderner Kunststoffchemie so viel gemeinsam wie eine Dampfmaschine mit einem Laptop. Und nun also Grilon. Ein Wunder. Oder ein Stück generalstabsmässig ausgeführtes Wirtschaftsraubrittertum. Denn seit 1947 hat die Hovag mit einem ehemaligen Naziwissenschaftler zusammengearbeitet, und im folgenden Jahrzehnt wirbt sie in mehreren Wellen Fachleute aus Ostdeutschland samt Produktionsgeheimnissen ab. So entstehen in der Schweiz Milliardenvermögen.

Da wäre also fast die ganze Handlung des SRF-Films zusammengefasst. Nur besser.

Einziger Pluspunkt für Hansjürg Zumstein: Er hat herausgeschält, dass ein damaliger SP-Nationalrat nach dem Weltkrieg eine wichtige Rolle spielte. Robert Grimm setzte sich an höchster Stelle dafür ein, dass Johann Giesen in der Schweiz arbeiten durfte. Trotz seiner Vorstrafe nach der Verurteilung bei den Nürnberger Naziprozessen.

Der gross angekündigte SRF-Film warf medial bisher fast keine Wellen, trotz den Verstrickungen eines SP-Vertreters mit den damaligen Emser Werken. Warum wohl? Vielleicht doch, weil die Kritik nicht ganz so neu ist? Einzig Kulturredaktor Andreas Tobler von der Tamedia nahm den Faden auf. «Blocher geschäftet auch mit Sündern», lautet der Titel seines Artikels. Für Tobler ist klar, Hansjürg Zumstein hat als Erster die Frage aufgeworfen, wie die Ems-Chemie in ihrer Erfolgsgeschichte von Nazi-Chemikern profitierte. Kein Wort, dass SRF nachgekaut hat, was andere längst recherchiert und bewiesen hatten.

Was sagt Hansjürg Zumstein zur Kritik? Via SRF-Medienstelle wehrt er sich: «Die Geschichte wurde nicht vor 20 Jahren durch onlinereport oder Martin Kreutzberg enthüllt, sondern im Jahr 2001 durch die Bergier-Kommission öffentlich gemacht. Darüber hat das Schweizer Radio Fernsehen SRF damals als erstes Medium berichtet.

Die Quelle der Informationen, nämlich die Bergier-Kommission, wird im Dokumentarfilm denn auch prominent erwähnt, ja es treten sogar drei Mitglieder der Kommission im Film auf.

SRF hat aufgrund der Bergier-Information zusätzlich noch Aspekte der Rolle von Robert Grimm neu recherchiert. Und noch eine Zusatzinformation: Lukas Straumann war der Autor des onlinereports. Er tritt im Film prominent auf.»

Ex-Press VII

Blasen aus dem Mediensumpf.

 

«Watsons» partielle Welt-Analysen

Neben 18 Fotos über Jagen, «die dich schmunzeln lassen», neben «Prostata-Probleme beenden», aber hoppla, das ist ja eine zielgruppengerechte Werbung im Jugendportal «watson», gibt es auch ernst gemeinte «Analysen». In einer erschüttert «watson», die Weltzentrale der lustigen Listicles, seine Leser, Europa, ja die ganze Welt mit der Erkenntnis: «Die EU will das Flüchtlingsproblem lösen – das dürfte schwierig werden». Also prägnanter lässt sich das wirklich nicht auf den Punkt bringen; Chapeau vor dieser Geistesanstrengung.

Geht da noch einer? Aber immer, natürlich gibt es auch eine «Analyse» zur «Arena»-Debatte, bei der die «Klimajungend» feige gekniffen hat. Besonders fasziniert hat den Analytiker von «watson» ein «Ex-Lehrer», der den inhaltsschweren und daher unsterblichen und von den Griechen überlieferten Satz in die Runde warf: «Jugendliche sind halt frech.» Über diese Erkenntnis hat Platon sein halbes Leben gebrütet.

Ich hätte da auch einen alten Griechen, Sokrates soll gesagt haben: «Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte.» Ausserdem tyrannisiere sie die Lehrer.

Dabei wandelte Sokrates nicht mal über den Bundesplatz zu Bern. Erkannt hätte ihn sowieso keiner. Was allerdings dem «watson»-Analysten verblüffend gut gelingt, ist eine partielle Mattscheibe. Er verteilt mehr oder minder gerecht Lob und Tadel auf drei Teilnehmer an der Diskussion, der zugeschaltete Berner Stapi wird für seine Fake News von «watson» milde gerügt, dass man halt vorher von nichts gewusst habe.

Fehlt da nicht was? Richtig; offensichtlich fand man es bei «watson» lustig, die Solidarität mit der abwesenden «Klimajugend» so zu zeigen, dass Roger Köppel in dieser Analyse nicht vorkommt. Selten so gelacht, seitdem in absolutistischen Regimes in Ungnade gefallene Prominente einfach aus Fotos und Dokumenten geschnitten wurden.

Nein, das taten nicht die alten Griechen. Aber Stalin und seine Brüder im Geist. Man fragt sich wirklich, wieso die Familie Wanner mit dieser Blöd-Plattform ihr Geld verröstet. Aber immerhin, spricht für die Intelligenz der Leser, einem einzigen Kommentator fiel das Fehlen Köppels in dieser «Analyse» auf.

 

Ferientage sind Chaostage

Der «Blick» versucht, den Überblick zu behalten. Wohin kann man in den Herbstferien noch reisen? Wohin kann man zwar reisen, muss dann aber in Quarantäne? Und vor allem: Wohin konnte man gestern noch reisen, heute aber nicht mehr oder neu mit Quarantäne?

Umbuchen, stornieren, zurückbezahlen. Airlines, Reiseveranstalter und Reisebüros drehen im roten Bereich, weil der Versuch, eine Linie im Walten und Wüten von BAG und Bundesrat zu erkennen, dem Versuch gleicht, einen Pudding an die Wand zu nageln. Schön wenigstens, dass die NZZ sich mit sonorer Stimme und mit ihrem neuen «Chefökonom» zu Wort meldet: «Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass Ökonomen Kosten- und Effizienzüberlegungen in die politische Debatte einbringen und auf Anreiz- und Verteilungswirkungen hinweisen.»

Mein Gott, Walter, könnte man das nicht einfacher sagen? Hundert Milliarden Franken Schaden und Gratisgeld für alle, kann das gutgehen?

 

Meinungspluralismus

Die «massivst» dümmliche Klimajugend lehnte die Teilnahme an der «Arena» ab, die natürlich dennoch mit Roger Köppel stattfand. Ein gewichtiger Anlass für die Medien, über Debattenkultur und anderes nachzudenken. In der gebotenen Breite und Vielfalt.

«Steht die grüne Gesinnung über dem Rechtsstaat?» Mit dieser TV-Kritik erfreute das Haus Tamedia seine Leser. In seinen 17 Kopfblättern und angeschlossenen Tageszeitungen gleichlautend. «Klima-Besetzer kneifen in der «Arena»», mit dieser sprachlich etwas gewagten Formulierung bestreut CH Media die Schweiz. Gleich 20 mal.

Abseits stehen natürlich nur «Blick» und NZZ. Sowie ein paar versprengte Lokalzeitungen. Gerade bei solchen Themen zeigt sich erschreckend, wie ungesund es ist, dass in Basel, Bern und Zürich, in Zug, Luzern, Aarau und St. Gallen, dass eigentlich überall die gleiche Meinung, die gleiche Sosse in die Tagespresse gegossen wird.

 

Wir sind alle Täter

Nicht gewusst? Sie meinen, weil Sie keinen Mohrenkopf und keinen Uncle Ben’s Reis essen, kämen Sie davon? Das sieht der grosse Schweizer Kämpfer gegen die Sklaverei – und ihre Folgen – ganz anders: «Grundsätzlich sollen die Nachkommensgesellschaften der Sklaven von den Nachkommensgesellschaften der Täter und Profiteure entschädigt werden», fordert der Historiker Hans Fässler in der WoZ.

Eigentlich lustig, meine ich als Historiker, dass es Kollegen gibt, die noch im 21. Jahrhundert von einem fundamentalistischen, durch die Geschichte unveränderlichen Menschenbild ausgehen, der heute, gestern und durch alle Zeiten die gleichen Massstäbe, Denkgerüste, Vorstellungen benützt wie heute.

Ganz abgesehen davon, dass sich nicht nur die Nachkommensgesellschaften der Sklaven am Sklavenhandel beteiligten und bis heute nachwirkende Vermögen durch den Verkauf ihrer Landsleute begründeten.

Näherliegend fände ich, dass gerade in der Schweiz die Nachkommensgesellschaft der alleine politisch bestimmenden Männer der Nachkommensgesellschaft der bis 1971 bestimmten Frauen eine Wiedergutmachung leistet. Mindestens verbal: «Guten Abend, Schatz, übrigens Entschuldigung. Und holst du mir mal ein Bier und die Fernbedienung?»