Ex-Press VII

Blasen aus dem Mediensumpf.

 

«Watsons» partielle Welt-Analysen

Neben 18 Fotos über Jagen, «die dich schmunzeln lassen», neben «Prostata-Probleme beenden», aber hoppla, das ist ja eine zielgruppengerechte Werbung im Jugendportal «watson», gibt es auch ernst gemeinte «Analysen». In einer erschüttert «watson», die Weltzentrale der lustigen Listicles, seine Leser, Europa, ja die ganze Welt mit der Erkenntnis: «Die EU will das Flüchtlingsproblem lösen – das dürfte schwierig werden». Also prägnanter lässt sich das wirklich nicht auf den Punkt bringen; Chapeau vor dieser Geistesanstrengung.

Geht da noch einer? Aber immer, natürlich gibt es auch eine «Analyse» zur «Arena»-Debatte, bei der die «Klimajungend» feige gekniffen hat. Besonders fasziniert hat den Analytiker von «watson» ein «Ex-Lehrer», der den inhaltsschweren und daher unsterblichen und von den Griechen überlieferten Satz in die Runde warf: «Jugendliche sind halt frech.» Über diese Erkenntnis hat Platon sein halbes Leben gebrütet.

Ich hätte da auch einen alten Griechen, Sokrates soll gesagt haben: «Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte.» Ausserdem tyrannisiere sie die Lehrer.

Dabei wandelte Sokrates nicht mal über den Bundesplatz zu Bern. Erkannt hätte ihn sowieso keiner. Was allerdings dem «watson»-Analysten verblüffend gut gelingt, ist eine partielle Mattscheibe. Er verteilt mehr oder minder gerecht Lob und Tadel auf drei Teilnehmer an der Diskussion, der zugeschaltete Berner Stapi wird für seine Fake News von «watson» milde gerügt, dass man halt vorher von nichts gewusst habe.

Fehlt da nicht was? Richtig; offensichtlich fand man es bei «watson» lustig, die Solidarität mit der abwesenden «Klimajugend» so zu zeigen, dass Roger Köppel in dieser Analyse nicht vorkommt. Selten so gelacht, seitdem in absolutistischen Regimes in Ungnade gefallene Prominente einfach aus Fotos und Dokumenten geschnitten wurden.

Nein, das taten nicht die alten Griechen. Aber Stalin und seine Brüder im Geist. Man fragt sich wirklich, wieso die Familie Wanner mit dieser Blöd-Plattform ihr Geld verröstet. Aber immerhin, spricht für die Intelligenz der Leser, einem einzigen Kommentator fiel das Fehlen Köppels in dieser «Analyse» auf.

 

Ferientage sind Chaostage

Der «Blick» versucht, den Überblick zu behalten. Wohin kann man in den Herbstferien noch reisen? Wohin kann man zwar reisen, muss dann aber in Quarantäne? Und vor allem: Wohin konnte man gestern noch reisen, heute aber nicht mehr oder neu mit Quarantäne?

Umbuchen, stornieren, zurückbezahlen. Airlines, Reiseveranstalter und Reisebüros drehen im roten Bereich, weil der Versuch, eine Linie im Walten und Wüten von BAG und Bundesrat zu erkennen, dem Versuch gleicht, einen Pudding an die Wand zu nageln. Schön wenigstens, dass die NZZ sich mit sonorer Stimme und mit ihrem neuen «Chefökonom» zu Wort meldet: «Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass Ökonomen Kosten- und Effizienzüberlegungen in die politische Debatte einbringen und auf Anreiz- und Verteilungswirkungen hinweisen.»

Mein Gott, Walter, könnte man das nicht einfacher sagen? Hundert Milliarden Franken Schaden und Gratisgeld für alle, kann das gutgehen?

 

Meinungspluralismus

Die «massivst» dümmliche Klimajugend lehnte die Teilnahme an der «Arena» ab, die natürlich dennoch mit Roger Köppel stattfand. Ein gewichtiger Anlass für die Medien, über Debattenkultur und anderes nachzudenken. In der gebotenen Breite und Vielfalt.

«Steht die grüne Gesinnung über dem Rechtsstaat?» Mit dieser TV-Kritik erfreute das Haus Tamedia seine Leser. In seinen 17 Kopfblättern und angeschlossenen Tageszeitungen gleichlautend. «Klima-Besetzer kneifen in der «Arena»», mit dieser sprachlich etwas gewagten Formulierung bestreut CH Media die Schweiz. Gleich 20 mal.

Abseits stehen natürlich nur «Blick» und NZZ. Sowie ein paar versprengte Lokalzeitungen. Gerade bei solchen Themen zeigt sich erschreckend, wie ungesund es ist, dass in Basel, Bern und Zürich, in Zug, Luzern, Aarau und St. Gallen, dass eigentlich überall die gleiche Meinung, die gleiche Sosse in die Tagespresse gegossen wird.

 

Wir sind alle Täter

Nicht gewusst? Sie meinen, weil Sie keinen Mohrenkopf und keinen Uncle Ben’s Reis essen, kämen Sie davon? Das sieht der grosse Schweizer Kämpfer gegen die Sklaverei – und ihre Folgen – ganz anders: «Grundsätzlich sollen die Nachkommensgesellschaften der Sklaven von den Nachkommensgesellschaften der Täter und Profiteure entschädigt werden», fordert der Historiker Hans Fässler in der WoZ.

Eigentlich lustig, meine ich als Historiker, dass es Kollegen gibt, die noch im 21. Jahrhundert von einem fundamentalistischen, durch die Geschichte unveränderlichen Menschenbild ausgehen, der heute, gestern und durch alle Zeiten die gleichen Massstäbe, Denkgerüste, Vorstellungen benützt wie heute.

Ganz abgesehen davon, dass sich nicht nur die Nachkommensgesellschaften der Sklaven am Sklavenhandel beteiligten und bis heute nachwirkende Vermögen durch den Verkauf ihrer Landsleute begründeten.

Näherliegend fände ich, dass gerade in der Schweiz die Nachkommensgesellschaft der alleine politisch bestimmenden Männer der Nachkommensgesellschaft der bis 1971 bestimmten Frauen eine Wiedergutmachung leistet. Mindestens verbal: «Guten Abend, Schatz, übrigens Entschuldigung. Und holst du mir mal ein Bier und die Fernbedienung?»

 

 

 

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