Schlagwortarchiv für: Weltwoche

Mit dem Kompressor aufgepumpt

Auch die «Weltwoche» pustet manchmal heisse Luft.

Da gab es die tragische Geiselnahme in Yverdon-les-Bains, die mit dem Tod des iranischen Geiselnehmers endete. Eher ungewöhnlich in der Schweiz. Aber Anlass für Hubert Mooser, mal richtig auszuholen.

Dafür verweist er zunächst auf einen Hollywood-Kracher: «Solche Szenen kannten wir bisher in unserem Land höchstens aus Spielfilmen, zum Beispiel aus dem Streifen «Die Entführung der U-Bahn Pelham 123» mit den Akteuren John Travolta und Denzel Washington. Inzwischen sind sie aber neue Schweizer Realität.»

Dass es dort um einen kriminellen Erpressungsversuch ging, einfach ein gut gemachter Thriller mit ausgezeichneten Schauspielern, was soll’s. Abgesehen davon, dass es, wahrscheinlich sind die Ausländer dran schuld, in der Schweiz keine U-Bahn gibt.

Aber das ist nur die Einleitung: Man müsse nur die Kriminalchronik in der Zeitung aufschlagen, «dann sträuben sich einem regelrecht die Nackenhaare ob dem, was da abgeht».

Mit gesträubten Nackenhaaren und schreckgeweiteten Augen und leicht benebeltem Hirn fährt Mooser dann mit seiner Chronik fort: «Ehrenmorde, Überfälle, Einbrüche, Messerstechereien und so weiter: Fast immer sind die Täter Asylbewerber oder ausländische Banden.»

Es können allerdings auch Schweizer sein, räumt er ein, aber dann «haben sie einen Migrationshintergrund und verwandtschaftliche Beziehungen zu den involvierten Tätern».

Die SVP singt dieses Klagelied schon lange, Mooser klappert nach: «Die Schweiz verroht, daran besteht kein Zweifel mehr. Aber wir lassen trotzdem weiter jeden ins Land, der das Wort «Asyl» aussprechen kann, obwohl es auf Kosten unserer Sicherheit geht.»

Kleines Problem: auch das ist so grobschlächtig, pauschal, undifferenziert, dass der eigentlich richtige Ansatz, den Zusammenhang zwischen schweren Straftaten und der Nationalität der Täter zu untersuchen, in billige Politpolemik untergeht, verweht wird.

Gerade bei solchem Gewäffel könnte es helfen, leicht zugängliche Statistiken über Gewaltverbrechen zu konsultieren und zu zitieren. Aber das stört in der Polemik nur.

Entsprechend dann die Kommentare erregter Bürger, mutig hinter Pseudonymen versteckt:

«Das Motiv der Täter ist irrelevant. Einzig unsere Sicht zählt: er ist Asylant. Er ist Moslem. Er hat hier nichts verloren. Er muss weg und raus … Wir, als Volk und Bevölkerung müssen handeln, wenn die Politik ihren Grundauftrag nicht erfüllt. Die Verantwortlichen müssen abgesetzt, abgewählt werden … Vermehren tun sie sich auch fleissig, haben ja auch den ganzen Tag Zeit und alles Gratis … Wir schicken bei den Wahlen, alle vier Jahre eine korrupte Berufspolitkertruppe nach Bern … Einer weniger der die innere Sicherheit bedroht … Es wird noch schlimmer werden, bevor etwas dagegen unternommen wird!»

Möchte man mit solchen verbalen Krawallanten im gleichen Raum sein und debattieren? Eher nicht. Manchmal wirkt ein Schalldämpfer wunder, muss der Wortfön nicht auf höchster Stufe blasen. Sonst fliegt Unrat durch die Gegend.

Interview mit dem Teufel

Wenn die Qualitätsmedien demagogisch berichten.

Die Parallelität liegt auf der Hand. Da hat der autokratisch, ohne Opposition und mit Pressezensur in einem korrupten Staat regierende Wolodimir Selenskyj seinen Oberbefehlshaber gefeuert. Mit der dünnen Begründung, dass er einer «notwendigen Erneuerung» der Streitkräfte im Wege stünde. In Wirklichkeit wohl, weil er ihm zu drohend in der Sonne stand. Denn irgendwann sollte ja mal wieder gewählt werden.

Waleri Saluschi machte den Fehler, seinem Chef zu oft und zu öffentlich zu widersprechen. Wenn der zum Beispiel die letzte Offensive der Ukraine als Triumph feiern wollte, obwohl sie eine bittere Niederlage war. Nun ja, schreiben die Massenmedien, Machtkampf halt. Und loben den neuen Armeechef Alexander Sirski über den grünen Klee.

Fast gleichzeitig veröffentlicht der US-Moderator Tucker Carlson ein Exklusivinterview mit dem russischen Präsidenten Putin. Gelegenheit für den US-Korrespondenten (!) Peter Burghardt, Häme aus den Zeilen tropfen zu lassen. Burghardt fiel zuvor durch schrilles Pfeifen im Wald auf; also durch eine vom Prinzip Hoffnung durchtränkte Berichterstattung über die Präsidentschaftsnomination der Republikaner, bei der für Burghardt nur etwas unumstösslich war: Donald Trump soll hoffentlich, bitte, bitte, nicht gewinnen.

Ähnlich realitätsnah berichtet nun der Russland-Kenner aus dem fernen Washington über ein Interview in Moskau. Mangels vertiefter Kenntnisse über Hintergründe und Zusammenhänge beschreibt er liebevoll Oberflächliches.

Zuerst weiss er weltexklusiv: «Carlson, falls das jemand nicht weiss, war mal der oberste Scharfmacher bei Fox News. Bis ihn der rechtskonservative Kanal feuerte, weil auch den Murdochs seine Propaganda für Donald Trumps Absurditäten zu weit ging.» Für alle anderen ausser Burghardt wurde beiderseitig Stillschweigen über die Gründe für Carlson Abgang vereinbart – und eingehalten. Dass Carlson zuvor mit einem schrägen Interview mit Donald Trump Einschaltquote bolzte, daran will sich Burghardt lieber nicht erinnern. ZACKBUM hat keinen Zweifel daran gelassen, was davon zu halten ist.

Nun aber zum Wesentlichen, der Sitzordnung: zwischen beiden sei nur «ein kleiner, eckiger Tisch» gestanden, beobachtet Burghardt – wie das jeder Zuschauer auch kann. Dann fährt er fort: «Kein Tisch von der Länge der Transsibirischen Eisenbahn wie während mancher Politikerbesuche in dieser Burg. Auf dem kleinen Tisch ein Wasserglas für Carlson und ein Becher für Putin, daneben bei Putin ein Handy und ein Stift, wenn der Anblick nicht täuscht. Und bald auch Putins Uhr.»

Ist das vielleicht komisch und erhellend; Putin hat seine Uhr ausgezogen. Was will er der Welt damit sagen? Hat er einen Werbevertrag? Man weiss es nicht, Burghardt weiss selber nicht, wieso er solchen Mumpitz erwähnt. Aber damit hat es sich noch nicht mit seiner Berichterstatterpflicht: «Die Uhr schnallt er in den ersten Minuten vom rechten Handgelenk ab und legt sie mit leichtem Klirren auf die Platte. Sicher ein Hinweis, dass er Zeit hat, es werden am Ende um die 120 Minuten. Der Fragesteller aus Amerika trägt eine Krawatte mit goldgelben Streifen und einem zu dunklen Blau, um als ukrainisches Banner durchzugehen.» Ist es wirklich nötig, den Bericht mit so einem unwichtigen Nonsens zu verwässern?

Carlson steigt direkt ein, das muss ihm Burghardt zubilligen, und Putin fetzt gleich zurück: «Ist das hier eine Talkshow oder ein ernsthaftes Gespräch?» Natürlich willkommener Anlass für Burghardt, nachzutreten: «Das bleibt zwei Stunden lang unklar.» In Wirklichkeit wollte Puntin damit sagen, dass er etwas weiter ausholen möchte und dafür um Geduld und Nachsicht bitte. Aber wieso sich damit eine billige Pointe kaputtmachen.

Ach, und der Inhalt? «Es folgen ausufernde Ausführungen und Rechtfertigungen, die ins 9. Jahrhundert zurückgehen. Putins Geschichtsstunden, hat man schon mal irgendwo gehört.»

Wozu auch sie dann wiedergeben, nicht wahr? Als Carlson fragt, ob sich Putin vorstellen könne, dass US-Soldaten auf Seiten der Ukraine mitkämpfen, zeigt sich Putin schlagfertig: ««Haben Sie nichts Besseres zu tun? Sie haben Probleme an der Grenze, Probleme mit der Migration, Probleme mit der Staatsverschuldung. 33 Billionen Dollar», hat er parat, die Zahl. «Wäre es nicht besser, mit Russland zu verhandeln?»»

Könnte also eigentlich interessant sein, den Inhalt des Gespräch zusammengefasst zu bekommen. Einen kleinen Schnipsel gibt es dann: «Joe Biden mache mit der Unterstützung der Ukraine einen historischen Fehler, erzählt Putin. Man habe kein Interesse, in Polen, Lettland oder sonst wo anzugreifen und wolle auch keine Atomwaffen einsetzen. Mit solchen Szenarien solle Steuerzahlern in Europa und den USA Geld aus der Tasche gezogen werden. Ein globaler Krieg würde die Menschheit doch nur an den Rand der Vernichtung bringen.»

Hört sich nicht ganz unvernünftig an, obwohl es aus dem Mund des Gottseibeiuns in der Kremlburg stammt. Aber das erscheint auch Burghardt als viel zu positiv, also muss er wieder draufhauen:

«Am Ende seiner Monologe ist noch mal Putins Welt mit Historie angesagt, Nato, 1991, 2008, 2014, Ukraine. Russland sei auf dem Schlachtfeld nicht zu besiegen, das Übliche. Von so etwas würden sich die Amerikaner nicht beeinflussen lassen, hatte schon vorher ein Sprecher aus dem Weissen Haus gesagt. «Denken Sie daran, Sie hören Wladimir Putin zu», empfahl er vorher. «Sie sollten nichts für bare Münze nehmen, was er zu sagen hat.»»

Reicht das? Das reicht noch nicht: «Nachher steht Tucker Carlson im sanften Schneefall und moderiert sein folgendes Interview an, hinter ihm die Zwiebeltürme. Bilderbuchmoskau. Man weiss nicht, ob man anschliessend erleichtert oder beunruhigt sein oder einfach nur schlafen soll.»

Man sollte beunruhigt sein. Wenn das Qualitätsjournalismus sein soll, für den die Leser der «Süddeutschen Zeitung» und ihres Abklatsches Tamedia etwas bezahlten sollen – statt Schmerzensgeld zu verlangen, dann sind die dort Verantwortlichen wohl noch weiter von der Wirklichkeit entfernt als Putin.

Ob es diesen Demagogen passt oder nicht, die «Weltwoche» macht mal wieder das, was den Basics des Journalismus entspricht: sie dokumentiert kommentarlos das Interview mit deutschen Untertiteln. Daneben und darüber und darunter kommentiert das Blatt, auch die peinliche Berichterstattung in den deutschsprachigen Medien …

Auch Carlson selbst kommentiert den einleitenden, sehr langen Ausflug Putins in die russische Geschichte, der nun nicht jeden interessieren muss. Ausser diejenigen, die sich dafür interessieren, welche Motive den zweit- oder drittmächtigsten Mann der Welt antreiben. Was doch immer eine sinnvolle Sache ist, oder?

Natürlich fehlen Fragen, wie die, warum Putin dann vor dem Ukrainekrieg unverhohlen mit seinem Atomwaffenarsenal gedroht habe. Oder wieso er sämtliche Staatsverträge gebrochen hat, die die territoriale Unversehrtheit der Ukraine russischerseits garantieren. Aber ein paar Zugeständnisse musste Carlson sicherlich für dieses Exklusivinterview machen.

Eigentlich ist es mal wieder ein Armutszeugnis für die Mainstreammedien, dass ausgerechnet einem Aussenseiter wie Carlson etwas gelingt, worauf alle Medien scharf sind: ein ausführliches Interview mit Putin. Da sind da aber die Trauben sehr, sehr sauer für die anderen.

By the way: glaubt jemand ernsthaft, dass Joe Biden oder gar Donald Trump in der Lage wären, einen solchen Abriss über die amerikanische Geschichte zu geben? Ohne ihn vom Teleprompter abzulesen, of course.

Freierstündchen mit Folgen

Eine mediengeile Prostituierte zieht vor Gericht.

Die Dame mit dem hochgestochenen Pseudonym Salomé Balthus* kann mal wohl am neutralsten als Sexarbeiterin bezeichnen. Sie selbst zieht den Ausdruck «Hetäre» vor und bemüht sich unablässig, in den Medien aufzutauchen, denn die Konkurrenz in Berlin ist mörderisch – und ihre Preise nicht von schlechten Eltern.

Für das erste Skandälchen in der Schweiz sorgte sie, als sie bei Roger Schawinski in seiner damaligen Talkshow beim Schweizer Farbfernsehen zu Gast war. Nach einem Einspieler mit Alice Schwarzer, die die These aufstellte, dass freiwillige Prostituierte häufig in der Kindheit missbraucht worden seien, fragte sie der Talkmaster, ob dass auch bei ihr der Fall gewesen sei. Ohne grosse Regung verneinte sie das.

Nach der Sendung fiel Balthus dann plötzlich ein, sie sei mit dieser Frage bei Schawinski «missbraucht» worden. So überschrieb sie auf jeden Fall ihre damalige Kolumne bei der «Welt», und der Tagi titelte bissig «Der Pitbull hat ausgedient». Balthus verlor nach diesem Publicity-Stunt mitsamt Falschzitaten ihre Kolumne, auch Schawinskis Sendung wurde 2020 eingestellt, als «Sparmassnahme», sagte das Fallbeil vom Leutschenbach.

Genügend Grund für den «Weltwoche»-Redaktor Roman Zeller, sich der «Edelprostituierten» zu nähern. Für ein zweistündiges Gespräch drückte er den ordentlichen Tarif ab, 1000 Euro: ««Überreichen Sie der Hetäre das vereinbarte Honorar diskret in einem offenen Briefumschlag», lautet die Anweisung für den «heiklen Moment»», beschrieb er im Dezember 2019 die Begegnung in der Paris Bar in Berlin.

Für das Geld bietet sie ein wenig Unterhaltung, die Zeller als Gedächtnisprotokoll wiedergibt: «Diese Phase um den Schleifpunkt zum Orgasmus, der sofort wieder vorbei ist, sei von Mann zu Mann verschieden. «Auch die Laute, die sie machen», erzählt sie fasziniert und fragt: «Und wie stöhnst du?»»

Daraus entstand, eigentlich durchaus in ihrem Sinne, ein längerer Artikel. Aber noch schöner ist es natürlich, wenn sich auch daraus ein Skandal machen lässt. Also klagte sie die «Weltwoche» ein. Das Porträt sei gegen ihren Willen geschrieben worden: «Der Artikel hat mich zutiefst getroffen. Als ich ihn las, ist mir übel geworden, danach litt ich für einige Zeit unter Schlaflosigkeit und Niedergeschlagenheit.» So zitiert sie der «Tages-Anzeiger» vor dem Bezirksgericht Zürich. Deshalb habe sie die WeWo wegen Persönlichkeitsverletzung verklagt. Ausserdem stimmten die meisten Zitate von ihr nicht. Sie habe zwar gewusst, dass Zeller ein Journalist sei und über sie schreiben wolle, es sei aber ein reines Kennenlerngespräch, kostenpflichtig, vereinbart worden, nichts mehr.

Dann kommt der Höhepunkt (Pardon) ihrer Einlassung vor Gericht: «Wenn ein Kunde ein privates Treffen ausschlachten darf, um sexistischen Schmuddeljournalismus zu betreiben und mich mit falschen Zitaten herabzuwürdigen, dann kann ich meinen Beruf nicht mehr ausüben.»

Den übt sie aber weiterhin aus, wie sie – ein seltener Tiefpunkt des «NZZamSonntag Magazins» – zwischenzeitlich bekanntgab. Zuvor hatte sie es noch via «Blick» geschafft, in die Schlagzeilen zu kommen: «Schock für Edel-Prostituierte Balthus am WEF: «Plötzlich schaute ich in den Lauf einer Pistole»». Aber Entwarnung, der Sicherheitsbeamte habe «relativ schnell gemerkt, dass unter mein Negligé gar keine Waffe passt». Ist das vielleicht komisch.

Nun versucht sie als Beifang Schmerzensgeld und eine Gewinnherausgabe aus der WeWo zu pressen. Und freut sich natürlich, dass sie so mal wieder in die Medien kommt. Während der WeWo-Redaktor beteuert, dass er kein einziges Zitat erfunden habe, die käufliche Dame sehr wohl gewusst habe, dass er ein Porträt über sie schreibe und sie offenbar das Angenehme mit dem Nützlichen verknüpfen wollte. Publizität plus Penunse.

Publizität hat sie geschafft, ob es auch noch mehr Geld geben wird – das Urteil des Bezirksgerichts steht noch aus.

*Nach Leserhinweis korrigiert.

WeWo wieder widerlich

Gegen den Strom führt auch in ganz trübe Gewässer, in die Kloake.

Es ist eine Ausgabe, die bereits mit dem Cover den Adrenalinspiegel steigen lässt. Man erkennt die Absicht und ist verstimmt. Man kann über Israels Premierminister, den nur sein Amt vor dem Knast schützt und der versuchte, der Strafe durch eine «Justizreform» zu entgehen, vieles sagen. Man kann ihn im Rahmen der Meinungsfreiheit auch als «Titan aus Jerusalem» bezeichnen. Aber er ist ganz sicher und unter keinen Auspizien «der bedeutendste Staatsmann unserer Zeit». Es macht weder Sinn, auf das Geschreibsel eines Francis Pike einzugehen, noch die lange Liste seiner Verfehlungen mehr als stichwortartig zu verwenden. Seine Hetze gegen die Friedenspolitik des dann ermordeten Jitzchak Rabin. Die Aufhebung des Baustopps für illegale israelische Siedlungen im Westjordanland. Der Verlust des Amts als Ministerpräsident 1999, schon damals wegen Korruptionsvorwürfen. Seine absurden Thesen zu Hitlers Plänen mit den Juden.

Man kann mit Fug und Recht sagen, dass Netanyahus Positionen und Politik eine bedeutende Rolle bei der heutigen verfahrenen Situation spielen. Den Gazastreifen in Schutt und Asche legen, auch das wird garantiert nicht die Basis für eine mittelfristige Lösung des Palästinenserproblems sein. Die Zustimmung zur Politik dieses «bedeutendsten Staatsmanns» unter Israels Bevölkerung ist ins Bodenlose gefallen.

Autor Pike führt als grössten Erfolg Netanyahus dessen Wirtschaftspolitik an. Nun, in Sachen Selbstbereicherung hat die gut geklappt. Aber wenn es ein Wirtschaftswunder in Israel gab (und wenn er ursächlich daran beteiligt wäre), dann pulverisiert sich das gerade durch die Kriegskosten und -kollateralschäden.

Prognosen sind immer schwierig, aber vielleicht wird Netanyahu mal in die Geschichte eingehen als der israelische Ministerpräsident, der fast zum Totengräber Israels geworden wäre. Dagegen behauptet Pike: «Wir sollten daher dankbar sein, dass Netanjahu entschlossen ist, die Hamas zu vernichten

Vielleicht könnte die «Weltwoche», immer schön gegen den Strom, stattdessen mal einen Augenzeugenbericht veröffentlichen, wie es bei der Vernichtung der Hamas der Zivilbevölkerung im Gazastreifen so geht. Die stoische Beschreibung des täglichen Grauens ist allerdings nur etwas für starke Nerven.

Dann glaubt Roger Köppel auch noch «an Deutschland» und spricht darüber ausgerechnet am Friedrich-Engels-Ring in Neubrandenburg. Zuvor hatte er allerdings noch Zeit, ein paar seiner manchmal berüchtigten Interviews zu führen. Eines mit Serbiens Präsident Vucic, eines mit «Kardinal Koch über die ewig faszinierende Botschaft des Christentums». Man fragt sich, wann der altersfrömmelnde Vielleser Köppel endlich mal Zeit findet, Deschners «Kriminalgeschichte des Christentums» (die letzten Bände reichen) oder einen Antigottesbeweis von Kant zu lesen. Stattdessen lässt er unwidersprochen, schlimmer als Urs Gredig, salbadern: «Gott ist Liebe – und Vernunft». Da freuen sich aber die versammelten Opfer der Inquisition, der Kreuzzüge und alle in der Dritten Welt Zwangsbekehrten und Massakrierten göttlich. Und Galilei fragt sich, wo in seinem Fall eigentlich die Vernunft geblieben war; die Unvernunft einer «die Welt ist eine Scheibe»-Religion bekam er hautnah zu spüren.

Das frömmelnde Gequatsche ist zudem 32’000 A lang; keiner traut sich, dem Verleger, Chefredaktor und Besitzer Einhalt zu gebieten, wenn der Buchstabendurchfall hat.

Dann noch etwas Trump-Lob, natürlich «Gratulation, Ueli Maurer», ein Porträt des «Philosophen und Aktivisten» Martin Sellner, geschrieben von Urs Gredig unter dem Pseudonym Philipp Gut. «Danke, Amerika», auch das muss mal wieder sein, Tamara Wernli und Anabel Schunke und David Schärer bleiben uns natürlich nicht erspart, und selbst der unverwüstliche Hansi Leutenegger, der allerdings auch jeden Scheiss mitmacht, bekommt seinen Auftritt.

Gäbe es nicht «Literatur und Kunst» oder die Peanuts, man wüsste mal wieder nicht, wieso man die «Weltwoche» kaufen oder gar lesen sollte. Nr. 4, 2024. Wir merken uns: Von hier an kann’s nur bergauf gehen.

 

«Weltwoche» revisted

Das ist Englisch für: wir beckmessern sie.

Da ZACKBUM-Redaktor René Zeyer auch zwei kleine Beiträge in der aktuellen WeWo hat, kann man unserer Medienkritik eine brutalstmögliche Objektivität nicht absprechen. Um da Missverständnisse zu vermeiden, nehmen wir sie von dieser Blattkritik aus.

Ausser: Dass sich die «Weltwoche» in den eigenen Spalten die Kappe waschen lässt (wer den Beitrag sucht, er ist auf S. 45), weil sie im Fall Seipel versagte, ist in der Schweizer, ach was, deutschsprachigen Presselandschaft einmalig.

Aber zur Sache. Als Titelstory eine launige Kolumne von Oskar Lafontaine, der schon länger wie weiland Statler und Waldorf bei der Muppetshow von der Loge aus giftige Bemerkungen in alle Richtungen streut – na ja. Muss wohl recht alternativlos gewesen sein. Vielleicht war man noch versucht, die «Selenskyj-Festspiele» als Cover zu nehmen, liess es aber dann doch.

Es ist natürlich auch in der Wiederholungsschleife richtig, dass ein Friedensgipfel in der neutralen Schweiz keinen Sinn macht. Erstens ist die Schweiz mit der Befolgung aller US- und EU-Sanktionen nicht neutral, zweitens macht ein solcher Gipfel ohne Russland keinen Sinn, und drittens sind die Maximalforderungen der Ukraine als Gesprächsgrundlage dermassen absurd, dass darüber nicht gesprochen werden kann.

Das Inhaltsverzeichnis, wenn man diesen Ordnungsruf einwerfen darf, sollte dem Leser die Möglichkeit geben, einzelne Artikel zu finden – und ihn nicht in die Irre führen.

Dass die WeWo dem Schaumschläger Marc Friedrich Gelegenheit gibt, sein neustes Buch zu promoten, spricht nicht gerade für eine funktionierende Qualitätskontrolle. Super hingegen mal wieder Peter Rothenbühler, der als bilingue Bakom-Chef Bernard Maissen anrempelt.

Die ewigen Lobeshymnen von Amy Holmes «Trump holt aus zur Revanche» haben langsam den Charme der Verlesung des Wetterbereichts von gestern. Man kennt den Inhalt und gähnt höchstens gelangweilt.

Nun kommen wir zu einer Reihe von bedauerlichen Platzverschwendungen im Blatt. Sie fängt mit der «Weisheit des Herzens» von Michael Bahnerth an. Schwulstgeschwurbel, höchst nervig. Julie Burchill, die das Thema «Frauen» repräsentieren soll, sucht auch immer krampfhafter nach Themen und den persönlichen Aspekt bei der Person, an der sie sich abarbeitet. Duftmarke: «Mit Jodie Foster habe ich nie etwas anfangen können», aber dann füllt sie doch eine Seite über sie. Zeitgeist-Schönschreiber Pascal Morché (wer ein solches Pseudonym verwendet, gehört sowieso disqualifiziert), schreibt über seinen Köter. Himmels willen. Dann Anabel Schunke. Sie widmet sich der Frage, ob der Mann beim ersten Date zahlen solle. Ihre Antwort ist ja. Womit eigentlich der Inhalt der Seite vollständig wiedergegeben wäre.

«Körzis Hollywood», ach ja, «Pratt Pitt sagte mir mal», auch das ist so von gestern. Dann Tom Kummer. Dazu können wir nichts sagen, weil wir prinzipiell keine Texte von mehrfach überführten Schwindlern und Fälschern lesen. Und schliesslich Tamara Wernli, zu der wir nichts sagen können, was nicht sofort als frauenfeindlich, sexistisch und diskriminierend verurteilt würde. Denn Männer stecken mehr weg als Frauen, gähnschnarch.

Vier Seiten über das Liebesleben von Stefan Wimmer. Da fragt man sich schon, welche verbotenen Substanzen der Redaktor zu sich genommen hat, der das ins Blatt hob. Und ob die ganze Redaktion inklusive Roger Köppel im Vollsuff war, als sie das abnickte.

«Literatur und Kunst» mag ZACKBUM dermassen, dass wir uns nicht in der Lage fühlen, hier zu beckmessern. Höchstens: dass die Schweinerei, dass ein Psychiater über seine Gespräche mit einem Patienten unter Bruch des Arztgeheimnisses plaudert, nicht aufs schärfste verurteilt wird, ist ein kleiner Fleck auf der weissen Weste.

Ob es sinnvoll ist, Alberto Venzago beim Ausräumen seines Fotoarchivs zu helfen, wir wagen kein Urteil. Die «Zeitzeichen» von David Schärer, «Ende des Mittelmasses»; schön wär’s. Zwei Seiten «wer war adabei», hoffentlich hilft das bei der Akquisition von Inseraten.

Kassensturz: 18 wertvolle Seiten von 82 sinnlos verschwendet. Da hilft auch kein gemurmeltes «Heftmischung, wir brauchen auch leichte Themen, Sex ist immer gut, Frauenstimmen, Blabla». Das Blatt würde noch besser, wenn man hier klare Schnitte ansetzte.

Denn eigentlich alles, was hier nicht erwähnt wurde, ist durchaus lesenswert.

Neues Jahr in alten Schläuchen

ZACKBUM schaut in die Glaskugel.

Es kann natürlich Unvorhersehbares geschehen. Diese Packungsbeilage bei Prognosen muss vorangestellt werden. Dafür verzichtet ZACKBUM auf alle Schwurbeleien wie «wenn nicht, falls, unter Voraussetzung, dass».

In der überschaubaren Medienlandschaft der Schweiz gibt es vier grosse Player. In einer Liga für sich spielt die SRG, da zwangsgebührenfinanziert. Ringier, Tamedia und CH Media müssen sich am Markt behaupten – und versagen vor den Herausforderungen des Internets.

Dann haben wir noch kleine und kleinste Player wie die NZZ, die «Weltwoche», Das Lebrument-Imperium, Randgruppenorgane wie die WoZ, die «Republik» und mehr oder minder erfolglose lokale Internet-Plattformen. Und wir haben den in seiner Bedeutung noch viel zu wenig erforschten Bereich der Community-Plattformen, über die immer grössere Teile der Gesellschaft, vor allem Jugendliche, ihr Informationsbedürfnis abdecken.

Das ist die Landschaft im Jahr 2024, was erscheint nun im wolkigen Inhalt der Glaskugel? Das:

  1. Die drei privatwirtschaftlichen grossen Player werden weiterhin sparen. Also teure Mitarbeiter abbauen und sie zunehmend durch KI ersetzen.
  2. Durch ihre Kamikazepolitik, für weniger Leistung mehr Geld zu fordern, werden sie weiter deutlich an Lesern und Einnahmen verlieren, der Teufelskreis dreht sich schneller.
  3. Die tägliche Printausgabe wird zum Auslaufmodell. Bereits ist aus dem «Sonntag» die «Schweiz am Wochenende» geworden. Die ehemals unabhängigen Redaktionen der Sonntagszeitungen werden vollständig in die höllischen Newsrooms integriert, die Sonntagsausgaben werden im Print verschwinden.
  4. Der Anteil der Lokalberichterstattung in den zahlreichen Kopfblättern wird weiter reduziert. Statt in Content zu investieren, wird in die Quadratur des Kreises Geld verpulvert, die zentral gekochte Einheitssauce ein Dutzend mal anders einzufärben, damit sie in Basel, Bern, St. Gallen, Luzern oder Aarau verschieden daherkommt.
  5. Es wird allgemein mehr administriert, weniger produziert. Die kabarettreife Anzahl von Heads und Chiefs bei Ringiers «Blick»-Familie gibt den Kurs vor.
  6. Nachdem Ringier die Organe von Axel Springer Schweiz geschluckt hat und verdauen muss, wird Tamedia versuchen, den angeschlagenen Wannerkonzern zu schlucken.
  7. In der Medienwelt hat 2024 das kapitalistische Prinzip – die Ausgaben werden durch die Einnahmen gedeckt – abgedankt. SRG ist zwangsfinanziert, die drei grossen Konzerne werden einen neuen Anlauf nehmen, die Steuersubventionen heraufzuschrauben. Nischenorgane wie die «Republik» werden weiterhin nur dank grosszügiger Mäzene und Spender existieren. Beim Markttest, gibt es genügend zahlungsbereite Nachfrage für das Angebot, sind sie gescheitert.
  8. Durch diese Konzentration bekommen ganz wenige Personen eine ungeheuerliche Machtfülle in den Medien. Das wäre Gilles Marchand als Generaldirektor der SRG, Pietro Supino als Boss von Tamedia und Vertreter des Coninxclans, CH-Media-CEO Michael Wanner als Vertreter des Wannerclans, Michael Ringier, Marc Walder und Ladina Heimgartner bei Ringier. Auch nicht unbedeutend ist Eric Gujer als Geschäftsführer und Oberchefredaktor der NZZ. Von denen (ihren Fähigkeiten und Interessen) hängt es ab, wie schnell die Talfahrt der Deutschschweizer Medien weitergeht. Was sie bisher geboten haben, stimmt nicht optimistisch.
  9. 2024 wird der Anspruch der Massenmedien, die öffentliche Meinung zu repräsentieren und zu manipulieren, immer weiter  abbröckeln. Der «Blick» als entkerntes ehemaliges Boulevardblatt hat sich bereits davon verabschiedet, CH Media will gar nicht diesen Anspruch erheben, Tamedia wird auch 2024 nicht bemerken, dass seine Einschätzungen, Kommentare und Meinungen nicht mehr interessieren. Auch die NZZ überschätzt sich hierbei gewaltig.
  10. Die unglaublich schrumpfende Bedeutung der Massenmedien macht die Beantwortung der Frage dringlich, ob es ein Kontrollorgan wie ZACKBUM Ende 2024 überhaupt noch braucht.

Achtung, bissiger Rimoldi

Vor dem Mann muss gewarnt werden.

Der «Souvereignist, Gründer und Präsident Bewegung massvoll» ist ein massloser Rabauke. Jeder, der sich aus welchen Gründen auch immer politisch mit ihm einlässt, biegt auf die Verliererstrasse ein. Denn immer wieder die Weltmeisterschaft auf dem Gebiet «geht noch eine blödere Provokation?» gewinnen, das ist weder zukunftsfähig, noch in der politischen Auseinandersetzung brauchbar.

Das Problem all dieser Provokateure, die inhaltlich wenig zu bieten haben, ist immer das gleiche: Steigerungen sind nötig, aber immer schwerer zu erreichen. Wenn man auf den Zehenspitzen steht und so laut kräht, dass man das Halszäpfchen sieht, was soll da noch gehen?

Immerhin, das ehrt die Dumpfbacke, er versucht’s:

«Menschenfeindin Natalie Rickli, die Ungeimpfte wie mich zum Staatsfeind erklärte, spuckt auf die Gräber der Menschen, die sie mit mRNA und Corona-Zwangsmassnahmen ermordet hat: ‹Der Friedhof ist ein schöner Ort›. Die Aufdeckung wird gnadenlos sein.»

Darüber regt sich sogar Christoph Mörgeli in der «Weltwoche» auf. Die öffnete dem Berufsrandalierer schon wohlwollend ihre Spalten und berichtete auch über seine versuchte Provokation, eine launig-dumme Bemerkung einer Grünen Nationalrätin zum Aufruf zum Mord am ihm hochzuzwirbeln.

Aber nun scheint das Tischtuch zerschnitten: «Der «Massvoll»-Chef wird masslos», schimpft Mörgeli, und gibt (vergeblich) gute Ratschläge: «Solche seiner Sache schadenden Töne sollte Rimoldi schleunigst unterlassen. Denn ein vorgeblicher Kämpfer für die individuelle Freiheit kann es nicht nötig haben, andere Individuen mit justiziablen Verleumdungen und nachweislichen Falschanschuldigungen anzuschwärzen.»

Damit geht er natürlich dem nach jeder medialen Aufmerksamkeit Lechzenden voll auf den Leim. Nicolas Rimoldi belfert auf X zurück:

Mörgeli «taumelt auf Abwegen», aber nicht mit Rimoldi: «Sie können mich attackieren, wie sie wollen. Wir werden siegen», wirft er sich in vorweihnachtliche Märtyrerpose. Dabei kracht und rumpelt es in seinem Verein schon seit Längerem, wenden sich (in der «Weltwoche» notabene) langjährige Kampfgefährten von ihm ab.

Daher ist das Beste in Sachen Rimoldi: gar nicht erst ignorieren. Diesem Ratschlag wird ZACKBUM zukünftig eisern folgen.

Die WeWo macht’s schon wieder

Sie lässt die Geschichte umschreiben. Diesmal von einem deutschen US-Politwissenschaftler.

Immerhin einen Vorteil hat das Geschwafel von Alexander Wendt: es ist dermassen langfädig, dass wohl kaum ein WeWo-Konsument es bis zum Schluss durchhält. Übernommen wurde der Text von «Publico», wo es dem Portal auch nicht gerade zur Ehre gereicht. Das kann sich aber nicht wehren, weil es von Wendt gegründet wurde.

Offenbar fiel der WeWo doch auf, dass die intellektuelle Flughöhe von Karlheinz Weissmann nicht ganz ausreichte, um überzeugend die Debatte, ob das Ende des Zweiten Weltkriegs für Deutschland eine Befreiung oder eine Niederlage gewesen sei, mit «Niederlage» zu beantworten.

Also probiert es nun Alexander Wendt. Der hat als Polemiker durchaus mehr Potenzial als Weissmann: «Die Behauptung, der 8. Mai 1945 dürfe nur als Befreiung gesehen werden, steht nicht allein. Ob DDR, Nationalsozialismus oder Kaiserreich: Erfundene Historie erlebt eine Hochkonjunktur – und dient dabei nicht dem Verständnis früherer Generationen, sondern dem moralischen Geländegewinn heute.»

Lustig, dabei sind Weissmann und Wendt genau dafür zwei Beispiele. Wendt verwendet als Einleitung einen eher dümmliche Spruch auf X eines grünen Bundestagsabgeordneten: «Der Versuch der AfD-Vorsitzenden, die Befreiung Deutschlands von der NS-Diktatur durch die Alliierten als Niederlage umzudeuten, ist ein weiterer Schritt der AfD, sich völlig offen gegen die Werte unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung zu stellen.»

Das ist natürlich Unsinn. Aber das salviert Wendt nicht, wenn er eigenen Unfug dagegenstellt. Denn zweimal Minus ergibt hier nicht Plus.Zunächst trampelt Wendt auf dem Grünen Twitterer herum: «Der gesamte Zweite Weltkrieg produzierte in von Notz’ Variante zwar eine Menge Kohlendioxid und toxische Männlichkeit, besass aber alles in allem den Charakter der weiterentwickelten Bundesjugendspiele, die neuerdings auch keine Gewinner und Verlierer mehr kennen, sondern nur noch Beteiligte.»

Hört sich zwar irgendwie gut an, ist aber eigentlich blosse heisse Luft, schön gebacken. Dann arbeitet sich Wendt an der einwandfrei antifaschistischeren Geschichte der DDR ab. Die war zwar bei der Weiterverwendung einzelner Nazis auch nicht ganz auf der sauberen Seite, aber es war dann doch kein Vergleich zum Rechtsnachfolger des Dritten Reichs, der BRD. Dort überlebte fast die gesamte Richterschaft, Tausende von SS-Schergen, Nazis in der Politik und der Wirtschaft unbeschadet oder nur mit kleinen Blessuren die Befreiung – oder Niederlage. Und machte weiter, bis gelegentlich einer wie der furchtbare Richter und spätere Ministerpräsident Hans Filbinger oder der Bundespräsident Lübke oder der Bundeskanzler Kiesinger als Nazi spät enttarnt wurde.

Wie poltert dagegen Wendt: «Auf der über alle Zweifel erhabenen Seite standen von Anfang an nur die Kommunisten, die nach 1945 endlich zusammen mit den sowjetischen Instrukteuren den eigentlich schuldlosen und nur verirrten Massen den Weg in eine bessere Zukunft wiesen, im Gegensatz zu den Menschen im Westen, der noch auf seine wahre Befreiung warten musste.»

Dass die Kommunisten als Erste und lange Zeit Einzige vor der Machtergreifung des Hitler-Faschismus davor gewarnt hatten, dass Hitler wählen, den Krieg wählen bedeutet, dass die Kommunisten den grössten Blutzoll beim Widerstand gegen das Nazi-Regime leisteten, was soll’s. Die DDR ist Geschichte und kann sich gegen solche Umdeutungen nicht mehr wehren.

Dann begibt sich Wendt allerdings auf ganz dünnes Eis und versucht sich daran, den Kommunisten Bertolt Brecht in seinem Sinn umzudeuten (nachdem er schon den Kommunisten Hermlin umbog). Der kann sich auch nicht mehr wehren, weil tot:

««Seht diese Hüte von Besiegten! Und nicht als man sie vom Kopf uns schlug zuletzt, war unsrer bittern Niederlage Stund. Sie war, als wir sie folgsam aufgesetzt.»
Obwohl Emigrant, benutzte Brecht ein lyrisches Wir. Sein Vers kommt der Formel des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss sehr nah, am 8. Mai 1945 sei Deutschland sowohl «erlöst als auch vernichtet» worden.»

Gedichtinterpretation ist eigentlich ein Schulfach. Aber offensichtlich kann sich Wendt nicht mehr daran erinnern. Die Stunde der Niederlage war eben gerade nicht der 8. Mai, sondern der Tag, als sich viele Deutsche den Stahlhelm aufsetzen liessen. Kann doch nicht so schwer sein …

Vielleicht darf man Wendt an ein anderes Dichterwort von Brecht erinnern:

«Und die da reden von Vergessen und die da reden von Verzeihn
All denen schlage man die Fressen mit schweren Eisenhämmern ein.»

Wendt hingegen, dem dieses Schicksal sicher erspart bleibt, verkrümmt den toten Brecht und auch den ehemaligen Bundespräsidenten Heuss bis zur Unkenntlichkeit: «Brecht und Heuss wussten wie der damalige Bundespräsident das Selbstverständliche, nämlich, dass damals nur die allerwenigsten die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht als Befreiung empfanden.»

Nun ist es müssig, darüber zu spekulieren, wie viele Deutsche bis zum Kriegsende überzeugte Nazis waren. Dass nur die «allerwenigsten» das Ende der Herrschaft des absolut Bösesten, was die Geschichte bislang hervorbrachte, als Befreiung empfunden haben sollen, ist Unsinn. Geschichtsrevisionismus. Absurd. Ausser, man unterstellt den damaligen Deutschen, dass die allerallermeisten auch am 8. Mai 1945 immer noch in der Wolle braun gefärbte Nazis waren, die den Untergang des Dritten Reichs als bedauerliche Niederlage empfanden.

Dann wird Wendt etwas sprunghaft und prügelt nochmals auf die verblichene DDR ein, beziehungsweise auf Meinungsträger, die nun nicht alles und jedes als absolut schlecht empfanden oder darstellen. Was er hier langfädig rhabarbert, entzieht sich der rationalen Beurteilung.

Allerdings, muss man einräumen, mit einer Passage – ein blinder Polemiker findet auch mal ein Korn – hat Wendt recht: «Erst dann, wenn historische Begriffe aus ihrer Sinnverankerung herausbrechen, lassen sich Formeln wie Nazi und Faschist völlig beliebig in der politischen Tagesauseinandersetzung verwenden, nicht nur gegen Personen, sondern gegen alles Mögliche, das im wohlgesinnten Milieu auf Ablehnung stösst.»

Dann allerdings macht Wendt – im Zickzack durch die Geschichte und durch Europa, einen Abstecher nach Budapest, zu einer Gedenkstätte dort: «Vor 1945 diente das Gebäude als Quartier der Pfeilkreuzler, danach bis 1956 als Sitz des kommunistischen Geheimdienstes.»

Was die Pfeilkreuzler hier anrichteten, interessiert Wendt allerdings weniger, ihm geht es natürlich nur um die Kommunisten:

«Videoaufnahmen, in denen ehemalige Häftlinge, überlebende deportierte Zwangsarbeiter, aber auch ein früherer Offizier des Staatssicherheitsdienstes sprechen, bilden den Kern der Ausstellung. Es kommen Beteiligte an der Geschichte zu Wort.
Die grosse Leistung der Geschichtserfinder in Deutschland besteht darin, diese Stimmen gleich zweimal weitgehend verdrängt zu haben: für den Mai 1945 und für die DDR.»

Es ist schon verblüffend. Immer, wenn solche Geschichtsumschreiber zum Ende ihrer Ausführungen kommen, verlieren sie völlig den Kontakt zu Logik und Folgerichtigkeit einer Argumentation. Wendt verdrängt konsequent die Stimmen derer, die unter dem Naziterror gelitten haben. Er verschwendet kein Wort über den kommunistischen Widerstand, er hat nur Häme übrig für den Versuch der DDR, viel konsequenter als die BRD mit der Nazi-Vergangenheit zu brechen.

Dass es da genügend zu kritisieren gibt – unbenommen. Wer aber dem politischen Gegner Verdrängung vorwirft, selbst aber ein Weltmeister im Auslassen von unangenehmen historischen Tatsachen ist, disqualifiziert sich mit seinen eigenen Argumenten gleich selbst.

Welch ein Unsinn: wer den 8. Mai nicht als Tag der Niederlage, sondern der Befreiung bezeichnet, ist für Wendt, den Geschichtenerfinder, ein «Geschichtserfinder».

ZACKBUM wiederholt seine dringliche Empfehlung an die nach Deutschland expandierende «Weltwoche», solchen Geschichtsrevisionisten keine Plattform zu bieten. Nein, das ist keine Aufforderung zur Zensur. Das ist ein guter Ratschlag, damit die WeWo nicht ohne Not und aus eigener Dummheit in eine miefig-trübe Ecke gerät; denn wie sagte Brecht auch so richtig: «Der Schoss ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.»

Natürlich ist Wendt kein Nazi und auch kein Faschist. Aber er ist ein verantwortungsloser Geschichtsklitterer ohne Skrupel oder Moral.

 

Tümelnde «Weltwoche»

Es ist ein Fremdbeitrag.Aber er ist im Verantwortungsbereich Köppels.

Dem Mann mit dem bübischen Grinsen fehlt ein Korrektiv. Wer Besitzer, Herausgeber, Verleger und Chefredaktor in einer Person ist, dem fehlt die Bremse. Der Gegenpart. Jemand, der gelegentlich sagt: spinnst Du, das geht wirklich nicht.

Das Geseier von Karlheinz Weissmann aus der «Jungen Freiheit» hätte niemals auf «Weltwoche online» erscheinen dürfen. Gerade jetzt, wo sich das Magazin in Deutschland breitmachen will. Denn mit solchem Gezeusel katapultiert es sich selbst in die übelste rechte Ecke.

Eine typisch deutsche Debatte ist die Frage, ob das Ende des Zweiten Weltkriegs eine Befreiung oder eine «Niederlage des eigenen Landes» gewesen sei. Hier hackt es in der WeWo:

«Dass die Nachgeborenen es zu einer «Befreiung» umdeuten wollen, hat oft mit Dummheit, Verdrängung und dem Fehlen jedes Empfindens nationaler Würde zu tun.»

Nein, einen solchen Satz niederzuschreiben, hat immer mit Dummheit, Geschichtsrevisionismus und dem Fehlen jedes Empfindens von Anstand zu tun.

Geschichte wird immer wieder neu erzählt und umgeschrieben. Unzählig die Versuche, Hitlers Überfall auf die Sowjetunion als Präventivschlag, als Notwehr umzudeuten. Sie werden immer wieder unternommen, sie müssen immer wieder bekämpft werden, denn es war ein verbrecherischer Vernichtungskrieg. Für die sowjetische Bevölkerung in den eroberten Gebieten gab es schlichtweg kein Lebensrecht, was die Führung der Wehrmacht und jeder an diesem Verbrechen Beteiligter wusste.

Weissmann hält sich selbst für einen ganz scharfen historischen Denker, dabei ist er nur erbärmlich in seinem Versuch, die Geschichte umzuschreiben. Früher seien die Zeiten, wie sonst, besser gewesen: «Denn von «Befreiung» im Hinblick auf den 8. Mai 1945 redeten in der Regel nur Kommunisten und «heimatlose Linke»».

In Weissmanns Wahrnehmung habe «der Einmarsch und die Besetzung des Reichsgebiets» etwas ganz anderes, Schlimmeres bedeutet:

«Zahllose Gewaltakte, die nie geahndet wurden, Gesetzlosigkeit, Plünderungen, Gefangenschaft der Soldaten, zum Teil unter katastrophalen Bedingungen, Festnahme und Internierung von Zivilisten. Vergewaltigungen gab es in Menge im französischen Besatzungsgebiet – nicht zuletzt durch Kolonialsoldaten –, in erheblicher Zahl in der US-Zone, hunderttausendfach im Osten. Unter sowjetischer Verantwortung kamen ausserdem Massenmord, die Vertreibung von Millionen und Verschleppung hinzu, permanenter Terror und die Schaffung eines neuen Lagersystems auf der Basis des alten.»

Einmarsch und Besetzung? In kollektiven Wahn verfallen, wollten kampfbereite Deutsche nicht einsehen, dass spätestens mit der Niederlage bei Stalingrad der Krieg verloren war. Daher mussten sie mit Waffengewalt belehrt werden, dass man nicht ungestraft fremde Länder überfällt, Millionen von Andersdenkenden und Juden umbringt, ungeheuerliche Kriegsverbrechen begeht.

Dass vor allem Soldaten der Roten Armee, nachdem sie gesehen hatten, welche unvorstellbaren, barbarischen Greueltaten die deutschen Herrenmenschen in ihrer Heimat begangen hatten, sie Gebiete befreiten, die von den endlich besiegten Deutschen zuvor verheert, zerstört, entvölkert worden waren, sich nicht an alle Regeln der Haager Landkriegsordnung hielten: das ist nicht akzeptabel, aber mehr als verständlich.

Dann zitiert Weissmann Wortfetzen anderer Verwirrter, zu denen auch der von Alkoholmissbrauch schwer gezeichnete Rudolf Augstein gehörte. Es würde sich gehören, dem gewisse Äusserungen nicht nachzutragen, bei der Lebensleistung mit dem «Spiegel».

Was waren denn nun die Ziele der Alliierten, nach Weissmann? «Tatsächlich sei es Grossbritannien, Frankreich, Russland und den Vereinigten Staaten immer – während des Ersten wie des Zweiten Weltkriegs wie der Zwischenkriegszeit – um die Ausschaltung eines Konkurrenten gegangen», paraphrasiert er George F. Kennan.

Dann sagt’s der Geschichtsverdreher noch in seinen eigenen Worten: Die Alliierten «hatten zu keinem Zeitpunkt die Absicht, die Deutschen zu befreien, und – abgesehen von den Gegnern und Opfern des NS-Regimes – fühlten sich die Deutschen 1945 nicht befreit, bestenfalls «erlöst» (Theodor Heuss) von einer Tyrannis und permanenter Todesgefahr, in jedem Fall aber besiegt.»

Tatsächlich fühlten sich die Nazis besiegt, nicht «die Deutschen». Recht geschah es ihnen. Tatsächlich fühlten sich alle, und das war hoffentlich die Mehrheit der Deutschen, die unter der Tyrannei dieses Wahnregimes gelitten hatten, davon befreit.

Und natürlich war es die Absicht der Alliierten, diese Mörderbande zu besiegen, die allen Versuchen, den Wahnwitz vor der Zerstörung Deutschlands zu beenden, widerstanden hatten. Der Führer selbst schwafelte am Schluss davon, dass das deutsche Volk ihn halt nicht verdient, sich als schwach erwiesen habe, und daher seinen Untergang verdiene.

Weissmann beginnt seinen untauglichen Versuch der Umdeutung damit, dass die AfD-Chefin Alice Weidel im üblichen Gestus der gezielten Provokation zur besten Sendezeit im Fernsehen verkündete, dass sie an den Feierlichkeiten zum Ende des Zweiten Weltkriegs in der russischen Botschaft nicht teilgenommen habe, weil es nicht gehe, «die Niederlage des eigenen Landes … mit einer ehemaligen Besatzungsmacht» zu feiern.

Der Denkfehler Weidels besteht darin, dass es hoffentlich nicht ihr eigenes Land war, damals. Denn was besiegt wurde, war der Hitler-Faschismus, womit nicht nur Deutschland, sondern Europa, die ganze Welt von diesem Ungeheuer befreit wurde.

Das war nicht einfach ein Krieg mit Siegern und einem Verlierer. Das war der siegreiche Kampf gegen das Böse in seiner bislang reinsten Form. Wer das relativiert, zerredet, umdeutet, verschwurbelt, der ist ein mutwilliger Brandstifter, ein hirnloser Provokateur.

Natürlich darf auch das gesagt werden, auch wenn dadurch die Meinungsfreiheit missbraucht wird. Aber doch nicht in der «Weltwoche». Die sollte sich von solchen Sumpfblüten, von solchen Rülpsern aus der ganz finsteren Ecke der deutschen Denke hüten.

Gegen den Strom als Prinzip: das geht nur, wenn ein Korrektiv vor solchen Ausrutschern schützt. Das fehlt Roger Köppel manchmal schmerzhaft.

 

 

Prima Klima

Der «Club» schafft sich ab.

Das geht so nur bei SRF. Wenn die Leiterin einer Sendung dank Verbandelung mit ihrem Chef unangreifbar ist (unkündbar ist man bei SRF sowieso, ausser man stiehlt silberne Löffel oder sagt etwas Böses über die Chefs), dann sinken Niveau und Einschaltquote dramatisch – ohne Konsequenzen.

Seit 2018 leitet Barbara Lüthi den «Club». Qualifikation: Frau vom Chef. Frau. Suchte neue Herausforderung. Resultat: Zuschauerdurchschnitt 2020 125’000. 2021 noch 101’000. 2022 klägliche 87’000. Ein Schwund von fast einem Drittel. Das führt nur beim Schweizer Farbfernsehen (oder beim «Blick») nicht zu dramatischen Konsequenzen.

Lüthi ist überfordert. Entweder grätscht sie hektisch bei ihr nicht passenden Meinungen rein, oder sie lässt ihr sympathische Meinungsträger ungeniert labern. Gerne macht sie auch Sendungen über Abwesende. So wurde der kantige SVP-Nationalrat Andreas Glarner durchgehechelt – er war nicht eingeladen, um sich allenfalls zu wehren.

Besonders peinlich wird es, wenn der eigene Sender zum Thema wird. Genauer die systematischen Fehlprognosen von SRF Meteo. Dass Thomas Bucheli dabei ist, das versteht sich von selbst. Dass die Nullnummer Elia Blülle vom klimaneutral inaktiven «Klimalabor» der «Republik» dabei ist: Gesinnungs-Gratis-PR. Reto Knutti hat seine Berufung als Klimawandel-Unke gefunden. Christof Appenzeller, Beamter und Direktor von Meteo Schweiz, neigt auch nicht zur Ausgewogenheit.

Also vier gegen eine. Denn richtig Contra gab eigentlich nur die NZZ-Journalistin Claudia Schwartz, die immerhin Bucheli mit hartnäckigem Nachfragen im wohltemperierten Studio etwas in Schwitzen und Rudern brachte. Obwohl sie, wie auch Lukas Rühli von «Avenir Suisse», nicht vom Fach ist.

Skandalös wurde die Sendung aber wieder durch eine Abwesenheit. Bekanntlich hat der Medienkritiker Kurt W. Zimmermann in der «Weltwoche» die ganze Debatte angestossen, indem er Bucheli & Co. mehrfach gravierende und systematische Fehlprognosen nachwies und sie mit viel besseren Vorhersagen der Konkurrenz verglich, womit das Argument «furchtbar kompliziert, verstehen nur Fachleute» flachfiel, obwohl es Bucheli gerne verwendet.

Als Sahnehäubchen verglich Zimmi dann noch die nächsten Fehlprognosen von SRF Meteo (bis zu 10 Grad zu hoch!) mit den Resultaten eines WeWo-Leserwettbewerbs im Vorhersagen. Die Leserschaft gewann haushoch. Also wäre es selbstverständlich gewesen, Zimmi (oder einen anderen Vertreter der WeWo) einzuladen. Oder deren Abwesenheit zumindest zu erwähnen oder gar zu erklären.

Aber doch nicht Lüthi. Die fand offenbar, dass Schwartz schon anstrengend genug werden könne. Und überhaupt, dem SVP-Schmuddelblatt «Weltwoche» eine Plattform geben? Niemals. Den nicht gerade auf den Mund gefallenen Zimmermann in der Sendung haben, wieder hektisch reingrätschen, gar lautstarke Duelle zwischen Moderatorin und Gast? Wieder mal offenkundig werden lassen, dass Lüthi trotz ganzer Vorbereitungscrew im Rücken nicht sattelfest ist, keine Autorität ausstrahlt, schnell einmal die Sendung nicht mehr im Griff hat? Niemals.

Hm, vielleicht wäre ja Jörg Kachelmann noch eine Möglichkeit gewesen. Ist immerhin vom Fach. Oder Thomas Matter, der als Initiant entschieden erfolgreicher ist als in seiner Funktion als DJ. Hat sich schliesslich auch über die Fehlprognosen aufgeregt. Angefragt, nicht gewollt? Aber nein; Zimmi sagt knapp «» auf die Frage, ob er wenigstens eingeladen wurde.

Dafür die Sendung weiter in die Bedeutungslosigkeit moderieren? Ungehindert und ungehemmt. Denn Lüthi weiss: ihr kann keiner.