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Coop- und Migrosmagazin im Visier

Kurt W. Zimmermann analysiert die Magazine von Coop und Migros. Zwei Tage später zieht Lucien Scherrer von der NZZ übers Migrosmagazin her. Beide treffen nicht ins Schwarze.

Doch beide scheint das sich schon früh abzeichnende Ja zur Vaterschaftsurlaubs-Vorlage zu nerven. Denn sowohl Kurt W. Zimmermann (Weltwoche) wie auch Lucien Scherrer (NZZ) äusserten recht energisch ihren Missmut darüber, wie im Werbemagazin von Migros Bundesrat Alain Berset (SP) Werbung für ein Ja zu mehr Papizeit machen konnte.

Zimmermann doziert in seiner Kolumne zudem, wie gut es den beiden Magazinen von Coop und Migros gehe. Kein Wunder: das Migros Magazin habe gegen 1,6 Millionen Auflage pro Woche und erreiche 2,2 Millionen Leser. «Die Auflage liegt damit eine halbe Million höher als die Auflage aller Abo-Zeitungen zusammen, von Blick bis NZZ». Noch eine Spur grösser sei die Coop-Zeitung mit einer wöchentlichen Auflage von über 1,8 Millionen Exemplaren und 2,4 Millionen Lesern. Zimmermann: «Es gibt wenig Direktiven von oben, sagt man auf den Redaktionen. Sparübungen gab es nie.» Und noch ein Bonmot von Zimmermann: «Sie werden nicht, wie bei Kundenmagazinen üblich, gratis im Laden aufgelegt, sondern per Post in die Briefkästen geliefert.»

Nach Jürg Peritz ging’s bergab

Recht hat Zimmermann bei den Auflagen und Reichweiten. Aber gespart wurde in den beiden Redaktionen, obwohl es dort laut Zimmermann ist «wie in den goldenen Zeiten». Die Coop-Zeitung ist seit der Pensionierung von  Coop-Vizechef und Marketing-Leiter Jürg Peritz nur noch ein Schatten ihrer selbst. Eigenwerbung noch und noch, der Chefredaktor Silvan Grütter beugt sich dem Kommerz. Das lernte er als vorheriger Leiter des Ressorts Unterhaltung bei der Schweizer Illustrierten (2012-2017) zur Genüge.

Beim Migros-Magazin ist der journalistische Kompetenzverlust nicht ganz so gross. Aber auch dort verliessen nach einer gewissen Aufbruchstimmung vor einigen Jahren mehrere kultur- und politikaffine Journalisten das Blatt. Inhaltlich ist es immer noch um Welten besser als das Coop-Pendant.

Überhaupt kommen die dicken Werbehefte nicht mehr so gut an wie vor Jahren. Denn oft quillen sie vor Werbebeilagen über. Damit versuchen Coop und Migros, die vielen Haushaltungen mit einem Stopp-Werbe-Kleber zu umgehen. Das Resultat sind saure Kunden, die zum Aldi oder Lidl abwandern. Nun haben Coop und Migros angefangen, ihr Magazin in den Läden aufzulegen. Aber das scheint Zimmermann nicht bemerkt zu haben.

Inspiration, Schulterzucken?

Nun zu Lucien Scherrer, dem neuen Medienjournalisten der NZZ. Scherrer hat mit seiner Kolumne als Nachfolger von NZZ-Medien-Doyen Rainer Stadler eine spezielle Ansage gemacht. Unklar ist, ob er sich für seine Samstagskolumne in der NZZ von der zwei Tage zuvor erschienenen Weltwoche inspirieren liess oder ob er einfach mit den Schultern zuckte. Nach dem Motto: Gleiches Thema, aber andere Zeitung. Also egal.

Unterschätzte Blocherzeitungen

Auffallend ist, wie Scherrer stärker aufs Migrosmagazin eindrischt und auch an Bundesrat Berset kein gutes Haar lässt. Dass er noch den Quervergleich zu Blochers Gratiszeitungen wagt, ist eher verunglückt. Natürlich ist die Reichweite der beiden Magazine von Coop und Migros grösser. Aber im Lokalen, sei es die Politik oder die Kultur, baut Blocher seinen Einfluss je länger je mehr aus. Vor allem, seit die grossen Medienhäuser auch dort sparen.

Lucien Scherrer tut der NZZ-Medienseite mit seiner rechtsbürgerlichen Färbung keinen Gefallen. Gefragt wäre nach wie vor eine ausgewogene Einschätzung, so wie dies Stadler Jahrzehnte schaffte. Doch Stadler hatte eben seinen Letzten bei der NZZ. Der 62-Jährige war der NZZ offensichtlich nicht mehr genehm. Der Start des Nachfolgers geriet nicht ideal.

In einer ersten Version  behauptete der Autor, Alan Berset sei neben dem Migros-Magazin auch in der Coop-Zeitung zu Wort gekommen. Das stimmt nicht. Dafür bittet der Autor um Entschuldigung.

Copy/paste bei der «Weltwoche»

Ein Wiederholungstäter kann’s nicht lassen.

Schon 2015 wurde es ziemlich eng für den Auslandchef der «Weltwoche». Schlag auf Schlag wurden ihm Plagiate aus dem englischen «Telegraph», der FAZ und dann noch der «Welt» nachgewiesen.

Chefredaktor Roger Köppel liess es dabei bewenden, sich dafür zu entschuldigen und «Massnahmen und Sanktionen» anzukündigen. Neben Urs Gehriger bekam auch der Kummerbub des Journalismus «eine zweite Chance» in der «Weltwoche». Die Tom Kummer natürlich wie alle vorherigen versemmelte.

In diesem Reigen darf Claas Relotius nicht fehlen, der den «Spiegel» in eine Glaubwürdigkeitskrise stürzte und auch in der «Weltwoche» diverse Stücke veröffentlichte. Hier wurde eine genaue Untersuchung angekündigt.

Die Häme in der Branche ist gross

Als vor vielen Jahren eine Edelfeder im «Vogue»-Konzern überführt wurde, kräftig abgeschrieben zu haben, meinte der Chefredaktor des betroffenen Blatts nur: «Abschreiben? Na und. Was ich ihm vorwerfe: Er hat den Text nicht mal so durchgeschüttelt, dass man es nicht merkt.»

Bei aller Sorgfalt, mit oder ohne Dokumentationsabteilung, es kommt im Journalismus immer wieder vor, dass Redaktionen mit teilweise abgeschriebenen, erfundenen oder deutlich an der Realität vorbeigeschriebenen Texten reingelegt werden. Die Häme in der Branche ist ihnen jeweils gewiss.

Wobei jede Redaktion, ob gross oder klein, wohldotiert oder schmal aufgestellt, immer Schiss davor hat, einem Hoax, einer Ente, einer Erfindung aufzusitzen. Besonders, wenn es sich um unterhaltsame Blödsinnstücke handelt. So wie das vom Taxipassagier, der in Zürich zum Flughafen, der damals «Unique» hiess, gefahren werden wollte, im Taxi einnickte und ein paar Stunden später vor dem Flughafen Munich aufgewacht sein soll.

Die Story gab’s in verschiedenen Varianten und Abfahrtsorten, sie hatten nur eines gemeinsam: alles erfunden, Quatsch, Unsinn.

Bei Dissertationen ist Titel und Ansehen futsch

Solche Veräppelungen der Medien kann man noch als eine lässliche Sünde betrachten; so wie Fake-Anrufe, um den Gesprächspartner aufs Glatteis zu führen. Etwas anders sieht es allerdings aus, wenn der eigene Redaktor, zudem noch Auslandchef, zum wiederholten Male kopiert, ohne das auszuweisen.

Bei Doktorarbeiten kostet das schnell einmal, modernen Textsuchprogrammen sei Dank, Titel und Ansehen. Gehriger überlebte diese Plagiate und revanchierte sich dafür mit einer lobhudelnden Berichterstattung über Donald Trump, bei der es einem regelmässig ganz anders wird. Wer seine Fast-Begegnung mit Trump in dessen Angeber-Ressort Mar-a-Lago gelesen hat, musste anschliessend unter die Dusche.

Nun ist ein neues Plagiat von Urs Gehriger ans Licht befördert worden. Allerdings eines der besonderen Art: Wer bei anderen abschreibt, kann das auch bei sich selbst nicht lassen.

Neu diesmal ein Eigenplagiat

So will Urs Gehriger im April 2016 den Philosophen, Autor und Anwalt Nicolas Baverez in Paris besucht haben. Und gibt ehrfurchtsvoll dessen Philippika gegen das politische System, gegen den damals aufsteigenden Star Macron und gegen die Fehler linker Regierungen wieder.

«Staatsausgaben ohne Grenzen: Auf die Wirtschaftskrise der Blasen und den Einbruch des Wachstums auf Kredit 2008 habe Frankreich mit einer beispiellosen Beschleunigung der Staatsausgaben und -schulden reagiert. Die Staatsausgaben schrauben sich seither in schwindelerregende Höhen. 53 Prozent des Bruttoinlandprodukts betragen sie heute, mehr als in jedem anderen Land in der entwickelten Welt.»

Gehriger am 21. April 2016, Ausgabe 16 der «Weltwoche». Weil’s so schön war, gleich nochmal:

«Staatsausgaben ohne Grenzen: Auf die Wirtschaftskrise der Blasen und den Einbruch des Wachstums auf Kredit 2008 habe Frankreich mit einer beispiellosen Beschleunigung der Staatsausgaben und -schulden reagiert. Die Staatsausgaben schrauben sich seither in schwindelerregende Höhen. 57,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts betragen sie heute, mehr als in jedem anderen Land in der entwickelten Welt.»

Gehringer am 25. April 2019, Ausgabe 17 der «Weltwoche». Man beachte allerdings den feinen Unterschied in der Prozentzahl.

Auch die Tradition des Sonnenkönigs Louis XIV lebt bei Gehringer fort und fort:

«L’etat c’est moi.» «Als Louis starb, sagte er: «Ich sterbe, aber der Staat bleibt»», erwähnt Baverez. Anders als das Vereinigte Königreich – eine mit demokratischen Institutionen ausgestatte Klassengesellschaft – sei Frankreich eine von monarchistischen Institutionen regierte Ständegesellschaft geblieben. Die extreme Zentralisierung Frankreichs habe zu einer starken Konzentration der Eliten geführt. All das habe Frankreich in eine Starre versetzt, die Reformen verunmögliche.»

So fasst Gehriger in seinem Artikel von 2016 zusammen. Offenbar ist aber auch Baverez zwischen 2016 und 2019 in eine Starre verfallen; denn wortgleich paraphrasiert ihn Gehringer auch in seinem Stück vom April 2019.

Schon 2016 wusste Baverez:

«Mit der Ära Mitterand habe das das Malaise begonnen, das sich grob in vier Stufen des Niedergangs einteilen lasse. 1. Die Entgleisung. «1981 hat Frankreich entschieden, dem Ende der Keynes-Ära mit einer Strategie der wirtschaftlichen Belebung (stratégie de relance) zu begegnen und mit kapitalistischen Wirtschaftsordnungen zu brechen.» Davon hätten sich der französische Produktionsapparat und die Staatsfinanzen nie wieder erholt.»

Auch 2019 ist Baverez im Artikel von Gehriger noch  derselben Ansicht; allerdings gibt es einen klitzekleinen Unterschied; nach dem wortgleichen Text heisst es dann:

 

«Auf diese «Entgleisung» sei Frankreich über drei Stufen in den Hades abgesunken.»

Aber eigentlich sind es ja doch, inklusive «Entgleisung», immer noch vier Stufen. Lassen wir es bei diesen Beispielen bewenden.

Entweder ist dem Autor Baverez oder Gehriger selbst in diesen drei Jahren nicht viel Neues eingefallen. Denn rund 30 Prozent der beiden Texte sind identisch oder inhaltlich sehr ähnlich.

Eine unselige Tradition

Nun könnte man sagen: Na und, ich darf doch bei mir selbst abkupfern, wo ist da das Problem? Das Problem ist, dass es sich eben in eine unselige Tradition einreiht. Aus diesem Grund soll 2019 Gehriger dazu veranlasst worden sein, seinen Rücktritt einzureichen. Die Redaktionsleitung fürchtete einen Reputationsschaden, wenn das herauskäme.

Bis heute kam es nicht heraus, und auch der Abgang von Gehriger blieb aus. Warum?  Chefredaktor Roger Köppel lobt Gehriger auf Anfrage als «ausgezeichneten Journalisten» und fährt fort: «Den besagten Artikel habe ich mit ihm besprochen, aber über den Inhalt meiner Mitarbeitergespräche führe ich keine öffentliche Korrespondenz.»

Was meint der Autor?

Urs Gehriger selbst kann die Vorwürfe «nicht nachvollziehen»: «Ich habe zweimal ausführlich mit Herrn Nicolas Baverez über den Sanierungsfall Frankreich gesprochen. Die von Ihnen erwähnten Passagen beziehen sich ausdrücklich auf frühere Aussagen, die Herr Baverez mir gegenüber genauso so gemacht hat und die ich wiederhole.»

Die «weiteren Spekulationen», also sein Abgang, der dann stillschweigend gestrichen wurde, «kann ich nicht bestätigen». Wie man sich doch täuschen kann. Also hat Köppel beim Mitarbeitergespräch über diese beiden Artikel nur gelobt, dass die «Weltwoche» angesichts ihres alternden Publikums auf die Sorgen von mit Alzheimer Geschlagenen eingeht und deren Vergesslichkeit durch Wiederholung begegnet?

Kurt W. Zimmermann: «Zackbum ist zu destruktiv»

Kurt W. Zimmermann nervt sich an der Hysterie

In den Fluren der Schweizer Verlage läuft der Sensemann. Jetzt geht es nicht mehr um Stellenstreichungen. Die Schweizer Illustrierte wird zersägt, CNN Money Switzerland ist gekillt und sogar der frühere Golden Boy «20 Minuten» soll auf das Schafott gelegt werden. Herr, im Himmel, womit haben wir das verdient? Die Frage geht an Kurt W. Zimmermann.

Zackbum: Herr Zimmermann: froh, nicht mehr 25 zu sein?

Kurt W. Zimmermann: Nein. Ich wäre gerne wieder 25. Es war exakt das Alter, als ich erstmals einen Vertrag als fest besoldeter Redaktor bekommen habe, bei der «Weltwoche» unter Hans. O. Staub. Journalismus hat wie damals auch heute eine hübsche Zukunft.

Was erleben wir momentan in der Medienszene?

Viel Hysterie und viel Apokalypse. Das ist überspannt. Von unseren vier grossen Verlagen TX Group, Ringier, CH Media und NZZ hat im ersten Halbjahr 2020 kein einziger einen operativen Verlust gemacht. Nein, sie haben in dieser Zeit zusammen über 70 Millionen an operativem Gewinn eingefahren. Ende Jahr wird es vermutlich das Doppelte sein. 140 Millionen Jahresgewinn mitten in der Corona-Krise – das hätte ich denen nicht zugetraut. Unsere Branche ist ganz gut in Form.

Ist das jetzt nicht etwas gar rosig dargestellt?

Die Zahlen zählen, und die sind besser als erwartet. Aber ich verstehe, warum derzeit alle lieber am Schwarzmalen sind. Von linken Online-Portalen wie der Republik bis zu bürgerlichen Verlagen wie CH Media sind nun alle scharf auf die lockenden Subventionen des Bundes. Wenn Du an die Staatskohle heranwillst, musst Du heulen und zähneklappern. Sonst wird das nichts mit der staatlichen Errettung aus dem Elend.

Welche Weichen hätten denn die Verlage vor der Jahrtausendwende stellen müssen?

Hinterher ist jeder schlau. Aber unsere Zeitungsverlage hätten schneller erkennen müssen, dass ihre früheren Goldgruben der Kleinanzeigen ins Internet abwandern. Hätten sie damals mehr in diese neuen, digitalen Handelsformen investiert, vielleicht auch international, dann stünden sie heute noch besser da. Leider realisierten sie das erst mit zehn Jahren Verspätung.

Was nervt Sie mehr: das Jammern der Medienleute oder all die neuen Geschäftsideen?

Jammern ist in unserem Gewerbe eine folkloristische Tradition. Als ich ums Jahr 2000 bei Tamedia war, haben auch alle gejammert, obwohl wir damals mit dem Geld, von den Redaktionen bis zu den Spesen, nur so um uns geworfen haben. Und neue Geschäftsideen gibt es in unserer Branche praktisch keine. Wir haben ja nur eine einzige Geschäftsidee. Wir kommen zu Geld, indem wir brauchbare Informationen an ein Publikum liefern. Alles andere sind Variationen davon.

Welche Medientitel wird es auch in 20 Jahren geben?

Vermutlich gibt es dieselben Angebote, die es vor 20 Jahren schon gab. Das sind die traditionellen Tageszeitungen und Gratisblätter, die bewährten Zeitschriften und die etablierten TV- und Radiokanäle. Wahrscheinlich erscheinen manche Titel nicht mehr gedruckt sondern nur noch online. Aber bei den grandiosen Endgeräten, die wir im Jahr 2040 nutzen werden, wird das kein grosser Unterschied mehr sein.

Und welche nicht?

Wie immer wird Kokolores verschwinden. Es sind ja seit Jahrzehnten, ausser bei Fusionen, kaum je gut eingeführten Medienmarken aus dem Markt verschwunden. Ausnahme ist die sozialdemokratische Presse, die von ihrer Partei ruiniert wurde. Verschwunden sind immer nur diese Eintagsfliegen, die auf einen scheinbaren Trend oder Zeitgeist aufspringen wollten. Ein gutes Beispiel ist etwa das nun eingestellte SI Style, das ein paar Jahre auf der Lifestyle-Welle surfen wollte, bis die Welle versandete. Oder nehmen Sie die Totgeburt CNN Money. Die Besitzer waren zwei Brüder aus der Baubranche in Bangladesch, die von der Polizei gesucht werden und die das Finanz-Fernsehen in der Schweiz erfinden wollten. Dass solch kurzsichtige Setups mittelfristig schief gehen, ist auch in Zukunft die Regel in unserem Geschäft.

Und was machen wir von Zackbum falsch?

Ich glaube, Zackbum ist zu destruktiv. Wenn ich Euch lese, dann besteht die überwiegende Mehrheit in den Medienhäusern aus Deppen, Nieten, Gaunern und Versagern. Ein solcher Ansatz ist kaum marktfähig. Ich würde diese Strategie überdenken. Denn schreiben, keine Frage, das könnt Ihr.

 

Die WeWo dreht auf

Roger Köppel weiss, was antizyklisch bedeutet.

Ganze 218 Gramm bringt die aktuelle Ausgabe Nr. 33 der «Weltwoche» auf die Küchenwaage. Für das Gewicht eines anständigen Entrecôtes legt man am Kiosk 9 Franken hin.

Eigentlich könnte man den Kalauer wagen «frisch gestrichen». Aber der wäre etwas irreführend. Denn die WeWo ist tatsächlich grafisch neu aufgemöbelt worden. Allerdings mit Anleihen an das im Archiv vorhandene Mobiliar, und das ist gut so.

Die WeWo kommt klassischer daher, eleganter, arbeitet mit Freiraum und nur dezent eingesetzten Bildern oder Illustrationen. Da sie ein Blatt des Wortes ist, macht auch das völlig Sinn.

Der Heftumfang ist eine erste Ansage

Aber sie hat sich nicht nur aus dem eigenen Archiv bedient. Natürlich will jedes Wochenmagazin, das etwas auf sich hält, auch ein paar Anleihen beim New Yorker oder dem Atlantic machen. Hier ist es die Marotte des New Yorker, über das ganze Heft kleine Cartoons zu verstreuen, Witzzeichnungen, die ja nicht den geringsten Zusammenhang mit dem sie umgebenden Artikel haben dürfen.

Kann man machen, muss man nicht machen. Aber, das Heft umfasst 82 Seiten, und wenn das nicht nur den Gratulationsinseraten geschuldet ist, ist das schon mal die erste Ansage, die über Formales hinausgeht. Also frisch gestrichen und ausgebaut. Ein klares Signal in den Jammer- und Elendsjournalismus hinein.

Es ist nicht das einzige. Neben einem neuen Design verspricht der Herausgeber, sicher in enger Absprache mit dem Besitzer und dem Chefredaktor, «mehr Kultur und neue Autoren». Ausserdem soll auch eine gute Portion gute Laune mit an Bord sein. Das ist lobenswert, denn manchmal kam die WeWo doch etwas verkniffen daher, vor allem, wenn sie in den politischen Infight geht.

Köppel als Trüffelschwein des Journalismus

Aber, das war und ist das Wichtigste, die WeWo ist ein Autorenblatt. Nur wenige bornierte Autoren wollen auf keinen Fall in diesem Magazin erscheinen und fürchten Köppel und seine Mannschaft als die dunkle Seite der Macht, der man sich ja nicht hingeben dürfe.

Und hier hat Köppel mal wieder einen guten Treffer gelandet. Er holte sich schon von der «Basler Zeitung» die beiden quirligsten Schreiber, als das Blatt Bestandteil des Einheitsbreis aus dem Hause Tamedia wurde. Und nun kann er stolz die Verpflichtung von Daniel Weber vermelden.

Der ehemalige Chefredaktor von NZZ Folio figuriert neu als Herausgeber von mindestens zwölf Seiten Literatur und Kunst. Unterstützt wird er dabei neu vom Jungredaktor Anton Beck. Als hätte der Zufall die Feder geführt, startet Weber den neuen Kulturteil gleich mit einer Rezension des biografischen Gewaltswerks über Karl Kraus. Der mit seiner «Fackel» bis heute das unerreichte Mass aller Dinge ist, wenn man sich nicht einfach als Handwerker versteht. Musik, Kino, Kunst und Klassik, ein starkes, neues Stück in der WeWo.

Auch das Gefäss «Leader» wurde wiederbelebt, ein Dossier für Führungsfragen. Schliesslich auch mehr «Leben heute», also Anregungen für Genuss und Spass im Konsumrausch.

Es ist und bleibt ein Autorenblatt

Treu bleibt sich die WeWo mit ihrer Fähigkeit, den richtigen Autor fürs Thema zu finden und zu überzeugen.

Daher ist es völlig klar, dass nur Peter Rothenbühler über den Wechsel des Anchorman des Westschweizer Fernsehens nach Paris schreiben sollte. Jan Fleischhauer ist der richtige Mann für ein Porträt von Markus Söder. Nur Thilo Sarrazin kann in eigener Sache über seinen Rauswurf aus der SPD räsonieren.

Dazu die üblichen Fundstücke, wer weiss schon, dass auch der Sohn von Peter Ustinov ein hellwaches Multitalent ist. Linus Reichlin ist die richtige Wahl, wenn «Blick TV» kritisch gewürdigt werden soll. Nur die WeWo kommt auf die Idee, mal zu fragen wer eigentlich dieser Vermögensverwalter und Aktionär ist, der dem Murdoch-Sprössling den Einstieg in die Messe Schweiz verweigern will. Und wenn Peter Rüedi zum Nachruf auf Werner Düggelin ansetzt, dann kommt das Stück bei Tamedia noch armseliger als vorher schon daher.

Gut, das war die Lobhudelei, wo bleibt das Kritische? Nun, zunächst: Roger Köppel ist der einzige mir bekannte Chefredaktor deutscher Zunge, der es zulässt, dass man ihm in seinem eigenen Blatt an den Karren fährt. Ich weiss das, ich hab’s schon gemacht.

Widerstand regt an, nicht auf

Auch das macht sicherlich den Charme der WeWo aus. Die politischen Präferenzen des SVP-Nationalrats Köppel sind ja nicht unbekannt. Aber er lässt auch die Gegenrede zu, vorausgesetzt, sie hat ein gewisses Niveau. Das ist kein Feigenblatt vor finsteren, rassistischen, hetzerischen Absichten. Denn was viele missverstehen: Köppel ist ein Mann mit Wumm und Energie, ein überdurchschnittlicher Formulierer, ein Chefredaktor, der mehr Antworten als Fragen hat.

Letzteres ist bedauerlich, aber: Köppel ist kein Ideologe. Sicherlich hat er eine Mission, aber er sieht sich nicht im Besitz der einzigen Wahrheit, er meint nicht, dass nur er zwischen richtig und falsch, gut und böse unterscheiden könnte. Trifft er auf Widerstand oder Widerspruch, dann regt ihn das an. Andere regt das auf, sie wollen nicht verunsichert werden.

Also insgesamt eine kleine Oase, keine Wohlfühloase, sondern eine das Hirn anregende Oase. Knirscht irgendwo der Sand zwischen den Zähnen beim Durchblättern? Nun, mit Verlaub, der Ausbau der Kolumnitis, musste das wirklich sein? Schon länger war man froh, dass Tamara Wernli immer der Hinweisgeber war, dass das Heft nun fertig ist und man es wohlgemut zuschlagen kann.

Aber jetzt auch noch «Zeitzeichen» eines Werbers, eine wöchentliche Kolumne des Wirtschaftschefs, dem noch nie jemand eine elegante Schreibe vorgeworfen hat. Und dann auch noch Katharina Fontana; also die Stelle der Quotenfrau ist doch schon vergeben und gleich doppelt besetzt.

Hält die WeWo die Pace?

Was beunruhigt: Mit dieser Neugeburt hat die WeWo den Ball ganz schön weit ins Spielfeld geworfen. Köppel ist bekanntlich kein Kurzstreckenläufer, aber man fragt sich schon, ob es gelingen wird, das Woche für Woche einzulösen. Als Leser wünscht man es sich.

 

Packungsbeilage: ZACKBUM.ch-Redaktor René Zeyer publiziert gelegentlich in der «Weltwoche».

«Ist das so korrekt?»

Premiere im «Schweizer Journalist»: Der Chefredaktor verunglimpft einen Medienschaffenden

Und muss sich dafür im Blatt entschuldigen. Eine Nachlese.

 Am 10. Februar hatte David Sieber ein Problem. Der ziemlich neue Chefredaktor des «Schweizer Journalisten» hatte fast alle Artikel für die erste Nummer von 2020 zusammen. Ein Porträt über die Politikchefin beim Blick, eine Geschichte über eine Journalistin auf Weltreise und ein paar alte Kamellen über Beförderungen. Sachen, die in einem Branchenblatt halt so vorkommen. Was dem 57-Jährigen noch fehlte, war eine spannende Geschichte für das 15 Franken teure Heft.

Sieber setzte sich am Nachmittag des 10. Februars nochmals an den Rechner hin und schrieb eine E-Mail an Philipp Gut, Ex- stellvertretender Chefredaktor der Weltwoche. Er habe vernommen, so Sieber, dass der Grund für Guts Abgang bei der Weltwoche ein Verhältnis mit Köppels Sekretärin sei. «Ist das so korrekt?» Eine Deadline fehlte. Gut antwortet ihm am 13. Februar, um 12:41 Uhr: «kompletter Unsinn.»

Die Geschichte war klinisch gesehen also tot. Moralisch gesehen, schon früher. Niemand interessiert sich ernsthaft dafür, ob zum Beispiel die Mutter von David Sieber Sex mit dem Gärtner hatte oder nicht. Man nennt so etwas altmodisch «Privatsphäre».

Leider zu spät

Sieber antwortete Gut: «Danke. Leider sind Sie zu spät. Das Heft ist gedruckt, das Gerücht drin, inkl. Köppels Dementi.» In der Nummer 1/2020 frotzelte dann Sieber alias «Dr. Media» genüsslich, dass nicht nur Gut, sondern auch die Sekretärin entlassen worden seien. Der Haken: Die Sekretärin arbeitete zu diesem Zeitpunkt weiterhin bei der «Weltwoche».

Zackbum wollte von Sieber wissen, wann die Antwort von Gut hätte erscheinen müssen, um das Fiasko zu verhindern. Drei Stunden früher, so Sieber. Wahrscheinlich stimmt das auch nicht. Sieber hätte den Artikel verhindern können. Wie sehr er das wollte, ist eine andere Geschichte. Das Heft wurde erst am 14. Februar gedruckt. Sieber hätte den Artikel darum problemlos verhindern können, indem er die entsprechende Druckseite ausgewechselt hätte.

«Da ist mir der Gaul durchgegangen.»

Gut verlangte ein Dementi in der nächsten Nummer. Sieber realisierte langsam, dass er Blödsinn gemacht hat. «Da ist mir der Gaul durchgegangen», schreibt er Gut. In der nächsten Nummer erscheine das Dementi, verspricht er ihm. In der Nummer 2/2020 steht aber nichts. Sieber rechtfertigt sich gegenüber Gut. Wegen der «internationalisierten» Nummer von 2/2020 sei das Korrigenda nicht erschienen. «Ich hätte Sie informieren müssen, was mir leider unterging.»

Fake News sind überall

Gut hatte langsam die Faxen satt. Er wendet sich an den Presserat und nimmt einen Anwalt. Und nun geht alles plötzlich schnell. Man findet einen Kompromiss: Gut lässt die Beschwerde fallen, Sieber frisst dafür Kreide. In der Nummer 3/2020 entschuldigt er sich «in aller Form für die Falschmeldung».

Das Ganze wirft aber ein schiefes Licht auf den Chefredaktor des «Schweizer Journalisten» und ehemaliges Mitglied des Stiftungsratsausschusses des Schweizer Presserates. In einem Interview antwortete er auf die etwas dämliche Frage, ob Fake News eine Gefahr oder eine Chance für die Medien darstellten, mit «Eine Gefahr. Weil Medien immer mal wieder auch Fake-News-Lieferanten sind. Leider.» Ja, leider.